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Die Zukunft der Knieprothetik hat schon begonnnen
Leading Opinions
Autor:
PD Dr. med. Michael T. Hirschmann
Leiter Kniechirurgie, DKF Forschungsgruppenleiter Knie Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates<br> Kantonsspital Baselland, Bruderholz<br> E-Mail: michael.hirschmann@ksbl.ch, michael.hirschmann@unibas.ch
30
Min. Lesezeit
02.03.2017
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<p class="article-intro">Mehr auf den einzelnen Patienten zugeschnitten und bessere Planung: Was verspricht dies für den Patienten?</p>
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<p class="article-content"><p>Trotz grosser Entwicklungsanstrengungen ist eine nicht zu unterschätzende Anzahl an Patienten (ca. 20 % ) nach einem Kniegelenksersatz nicht zufrieden und/ oder nicht schmerzfrei.<sup>1</sup> Hierfür ist eine Reihe von unterschiedlichen Gründen verantwortlich. Daher werden weiter grosse Anstrengungen zur Verbesserung der objektiven Funktion nach Knieprothese, aber auch des subjektiven Empfindens des Patienten unternommen.<br /> Nicht zuletzt durch die Entwicklung der 3D-Drucker-Technologie haben sich auch für die Knieendoprothetik neue Möglichkeiten aufgetan. Prothesen oder Schablonen aus dem 3DDrucker, individuell für jeden Patienten hergestellt, sind die grosse Weiterentwicklung in der Knieprothetik.<sup>2</sup> Aktuell ist die patientenspezifische Knieprothetik, die entweder nur die exakte Implantation der Standardprothese mithilfe von Schablonen beinhaltet oder aber auch die Herstellung einer patientenindividuellen Knieprothese, in aller Munde.<sup>2, 3</sup> Doch was bringen diese wirklich für den Patienten? Sind sie mehr als nur ein Marketing-Tool?<br /> Eine weitere grosse Neuentwicklung der letzten Jahre, die bisher allerdings nur wenig Aufmerksamkeit erfahren hat und nur von wenigen Spezialisten beachtet wird, ist die verbesserte Planung der Knieprothesenoperation in 3D.<sup>4</sup> Was hat man sich darunter vorzustellen und was kann sie für unsere Patienten verbessern?</p> <h2>Patientenspezifische Schnitt- und Ausrichtungsblöcke (PSI)</h2> <p>Die Idee, die Implantation der Knieprothesen mithilfe von für jeden Patienten individuell gefertigten Ausrichtungs- und/ oder Schnittblöcken genauer zu machen, ist nicht mehr neu.<sup>5, 6</sup> Seit Jahren bietet nahezu jede Prothesenfirma auch solche im 3D-Druckverfahren hergestellte Blöcke an. Hierzu werden MR-, CT-Daten und Ganzbein-Röntgenaufnahmen verwendet. Nach Optimierung der Befestigung und Sicherstellung des passgenauen Anwender- unabhängigen Sitzes der Blöcke stellen die PSI-Blöcke einen festen Bestandteil der Knieprothetik dar. Dies gerade auch in einem zunehmend schwieriger werdenden Kostenumfeld, da durch die einfachere Logistik im OP und bei der Vorbereitung Kosten eingespart werden können.<sup>6</sup> In mehreren Studien wurden die Vorteile in Bezug auf eine genauere Prothesenausrichtung im Vergleich zu konventionell implantierten Knieprothesen aufgezeigt.<sup>6</sup> Insbesondere die «Ausreisser» in die eine oder andere Richtung können mithilfe der PSI reduziert werden. Erstaunlicherweise sind allerdings bis heute die klinischen und funktionellen Vorteile für den Patienten unklar.<br /> Ein Problem der PSI, die von allen Firmen in ähnlicher Form angeboten wird, bleibt die Planung der Prothesenausrichtung. Die meisten Firmen lassen die Planung nach den mehr oder weniger genauen Vorgaben des Operateurs durch einen in der Software geschulten Spezialisten durchführen. Der Operateur erhält schliesslich die fertige Planung der Ausrichtung zur finalen Freigabe.<br /> Die Planung der Operation ist für jeden Operateur eine absolute Notwendigkeit. Zum einen geht es darum, anatomische Varianten und damit einhergehende Konflikte zu erkennen, und zum anderen darum, die Ausrichtung und Grösse der Prothesenkomponenten zu erfassen. Typische Konflikte sind zum Beispiel ein sehr kleines oder grosses Knie, eine extraartikuläre Deformität, eine mediale oder laterale Offsetstörung oder eine Varusbiegung des Femurs.<br /> Eine gute Planung zeigt dem Operateur bereits vor der eigentlichen Operation mögliche Schwierigkeiten und Konflikte auf. Sie reduziert daher die intraoperativ auftretenden Probleme signifikant.<br /> Da im PSI-Procedere ein direkter Kontakt zwischen Operateur und Planer meist nicht vorgesehen ist, muss sich der Operateur auf die Planung zu 100 % verlassen können. Der Planer ist allerdings kein Orthopäde und verfügt daher auch nicht über das notwendige orthopädische Wissen. Zudem wird von den Firmen selten eine ausreichende Einführung in das Planungsverfahren und die Wahlmöglichkeiten für den Orthopäden gegeben. Hier besteht klar ein Verbesserungspotenzial.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Ortho_1701_Weblinks_lo_ortho_1701_s38_abb1.jpg" alt="" width="956" height="834" /></p> <h2>Patientenindividualisierte 3D-Planung («3D-templating»)</h2> <p>Die aktuellste und bisher am wenigsten beachtete Neuentwicklung im Bereich der Knieprothetik betrifft die Planung der Operation.<sup>4</sup> In den allermeisten Fällen beruhte sie bisher auf konventionellen Röntgenbildern: anterior-posterior und lateral bzw. im besten Fall auf einer Ganzbeinaufnahme. Heutzutage findet die Planung der Knieprothese digital mithilfe einer Planungssoftware statt.<br /> Bei der Planung in 2D, die den Standard darstellt, werden auf der Ganzbeinaufnahme und seltener auf einer lateralen Projektion des Kniegelenkes die Ausrichtung, Grösse und Positionierung der Knieprothese festgelegt. Mit einer 2D-Planung kann man die Positionierung der Knieprothese in Bezug auf Varus/Valgus und Flexion/ Extension evaluieren. Die Planung in zwei Dimensionen hat allerdings erhebliche Nachteile. Die Positionierung der femoralen und tibialen Knieprothesenkomponenten ist in 6 Freiheitsgraden möglich. So unterscheidet man in koronarer Richtung Varus/Valgus, in sagittaler Richtung Flexion/Extension bzw. anterioren und posterioren Slope und in axialer Richtung Innenrotation/Aussenrotation. In Bezug auf die Translation ist eine Verschiebung nach medial-lateral, anteriorposterior und rotatorisch (Innenrotation/ Aussenrotation) möglich. Mit einer 2DPlanung lässt sich zum einen die Rotationsausrichtung des Knies und der Knieprothese nicht erfassen und beurteilen und zum anderen sind die meisten Variationen in der Anatomie des Kniegelenkes, wie z.B. Trochlea, femorale Kondylenform und tibialer Slope, eine dreidimensionale Angelegenheit.<br /> Im Bereich der Bildgebung hat seit Jahren ein Wandel hin von zwei zu drei Dimensionen stattgefunden. Die Planung der Knieprothesen findet überwiegend weiterhin in zwei Dimensionen statt. Dies lag vor allem an der mangelnden Benutzerfreundlichkeit und Verfügbarkeit von einfachen Planungssoftwares. Dies scheint sich nun zu ändern und es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Prothesenoperation in 3D zu planen.<sup>4</sup> Vorteile einer solchen Planung sind die bessere Anpassung und Ausrichtung der Knieprothese an die individuelle Anatomie eines jeden einzelnen Patienten.<sup>4</sup> Es ist nun auch für den einzelnen Operateur möglich, die Planung selbstständig mit der Software durchzuführen. Einziger Nachteil ist aktuell allerdings noch, dass die Messungen noch nicht vollständig automatisiert sind. Es ist hier nach wie vor notwendig, zwischen Nutzen und investierter Zeit abzuwägen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Ortho_1701_Weblinks_lo_ortho_1701_s39_abb2+3.jpg" alt="" width="1417" height="2221" /></p> <h2>Patientenindividuelle Knieprothesen</h2> <p>Es gibt bisher erst wenige Anbieter von individuell für den Patienten hergestellten Knieprothesen. Allerdings scheint hier mit der Weiterentwicklung der 3D-Drucker eine Bewegung in diese Richtung zu beginnen. Die theoretischen Vorteile einer solchen Knieprothese sind überzeugend. Neben einer auf den Patienten angepassten Kinematik und genaueren Implantation versprechen die Hersteller durch Single-Use-Instrumentarien auch eine Kostenreduktion und Optimierung im Operationssaal. Jedoch existieren bisher nur wenige publizierte klinische Studien mit sehr kleinen Fallzahlen.<sup>3, 7</sup> Vor einer grossflächigen Nutzung der patientenindividuellen Prothetik sind folgende bisher offen gebliebene Fragen mit wissenschaftlichen Studien zu beantworten:</p> <ul> <li>Führen patientenindividuell hergestellte Prothesen zu besseren Ergebnissen bei unseren Patienten?</li> <li>Was genau bedeutet patientenindividuell? Welche Parameter des Patientenknies werden wiederhergestellt?</li> <li>Wer plant auf welcher Grundlage die Prothese und deren Positionierung?</li> <li>Sind die höheren Kosten gerechtfertigt?</li> </ul> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Leading Opinions_Ortho_1701_Weblinks_lo_ortho_1701_s40_abb4.jpg" alt="" width="1417" height="899" /></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> H irschmann MT et al: The unhappy total knee arthroplasty (TKA) patient: higher WOMAC and lower KSS in depressed patients prior and after TKA. Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2013; 21(10): 2405-11 <strong>2</strong> Haglin JM et al: Patient-specific orthopaedic implants. Orthop Surg 2016; 8(4): 417-24 <strong>3</strong> Beckmann J et al: Partial replacement of the knee joint with patient-specific instruments and implants (ConforMIS iUni, iDuo). Orthopade 2016; 45(4): 322-30 <strong>4</strong> Franceschi JP, Sbihi A: Computer Assisted orthopedic surgery F. 3D templating and patient-specific cutting guides (Knee-Plan) in total knee arthroplasty: postoperative CTbased assessment of implant positioning. Orthop Traumatol Surg Res 2014; 100(6 Suppl): S281-6 <strong>5</strong> Nam D et al: The Mark Coventry Award: Custom Cutting guides do not improve total knee arthroplasty clinical outcomes at 2 years follow-up. Clin Orthop Relat Res 2016; 474(1): 40-6 <strong>6</strong> Beal MD et al: Improving outcomes in total knee arthroplasty-- do navigation or customized implants have a role? J Orthop Surg Res 2016; 11(1): 60 <strong>7</strong> White PB, Ranawat AS: Patient-specific total knees demonstrate a higher manipulation rate compared to "off-the-shelf implants". J Arthroplasty 2016; 31(1): 107-11</p>
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