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Die traumatische Subscapularissehnenruptur
Leading Opinions
Autor:
Dr. med. Eduard Buess
Praxis «Shouldercare», Bern
Autor:
Dr. med. Amir Steinitz
crossklinik, Basel<br> E-Mail: amir.steinitz@crossklinik.ch
30
Min. Lesezeit
27.09.2018
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<p class="article-intro">Der Subscapularismuskel ist der grösste Muskel der Rotatorenmanschette (RM) und ihr einziger anteriorer Kraftvektor. Er hat somit eine zentrale biomechanische Bedeutung für einen physiologischen Ablauf der Schulterbewegung und die Stabilität der Schulter. Die konsequente Diagnostik und die adäquate Therapie der traumatischen Subscapularissehnenruptur sind daher essenziell.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Bei bis zu 50 % aller komplexen RM-Nähte finden sich begleitende Läsionen der Subscapularissehne.</li> <li>Traumatische Läsionen der Subscapularissehne sind hingegen oft isoliert.</li> <li>Pathomechanismus sind die forcierte Flexion und Aussenrotation in Abduktion.</li> <li>Die transtendinöse Technik mit zusätzlicher lateraler Suture-Bridge gewährt eine hohe mechanische Stabilität.</li> <li>Bei retrahierten Rupturen sind die Identifikation und Reposition des «Kommazeichens» essenziell; diese kräftige ligamentäre Verbindung zwischen dem Oberrand der Subscapularissehne und dem Vorderrand der Supraspinatussehne verleiht dem endgültigen Konstrukt zusätzliche Stabilität.</li> <li>Die beschriebene Technik garantiert einen flüssigen, reproduzierbaren Ablauf.</li> <li>Das Herstellen eines «Fensters » lateral der Korakoidspitze erleichtert das Fadenmanagement.</li> <li>Die Optik verbleibt bei unserer Technik im dorsalen Standardportal. Druck auf den Humeruskopf nach dorsal vergrössert den zur Verfügung stehenden Raum.</li> </ul> </div> <h2>Häufigkeit, Anatomie und Pathomechanismus</h2> <p>Die Häufigkeit von Läsionen der Subscapularissehne wurde lange ungerechtfertigterweise unterschätzt. Bei bis zu 30 % aller Schulterarthroskopien bzw. bis gegen 50 % aller arthroskopischen Rekonstruktionen von Massenrupturen der RM finden sich begleitende Verletzungen der Subscapularissehne.<sup>1, 2</sup> Dies hat entscheidende Relevanz, da der Subscapularismuskel als kräftigster Muskel der RM der zentrale ventrale Kraftvektor und somit essenziell für das biomechanisch wichtige anteroposteriore «force-coupling» ist. Er balanciert die nach posterior wirkende Infraspinatusmuskulatur und ist somit Fundament jeder physiologischen Schulterfunktion.<br /><br /> Der Footprint der Subscapularissehne ist in einen sehnigen proximalen Part und einen muskulösen distalen Part unterteilt und gleicht in seiner Form einem «Komma» resp. einem «menschlichen Ohr».<sup>2, 3</sup> Das Ausmass des kranialen tendinösen Footprints beträgt ca. 2,5cm; die kaudale muskuläre Insertionsstelle misst ca. 1,5cm und zeigt sich in der Regel intakt.<sup>3, 4</sup> Eine desinserierte Subscapularissehne hat aufgrund ihrer biomechanischen Schlüsselrolle sowie als wichtiger Bestandteil des sogenannten «exposed footprint» (EFP), welcher die Ausdehnung der rupturierten Gesamt-RM definiert, prognostische und klinische Relevanz, sodass wir die Indikation zur Subscapularis-Refixierung konsequent stellen.<sup>2</sup><br /><br /> Burkhart et al. publizierten als Erste eine arthroskopische Technik zur Subscapularis- Refixierung.<sup>5, 6</sup> Seither ist die anatomische Landmarke des «Kommazeichens » integraler Bestandteil jeder Reposition der Subscapularissehne bei retrahierten Rupturen.<sup>6</sup> Das Kommazeichen stellt eine kräftige Gewebebrücke zum Vorderrand der Supraspinatussehne dar, deren Erhaltung die stabile Refixierung der Subscapularissehne stark erleichtert.<sup>5</sup> Das Kommazeichen ist bei retrahierten Rupturen oft im «leeren» Rotatorenintervall zunächst nicht erkennbar, da es sich auf Glenoidniveau befindet. Wenige Präparationsschritte erlauben jedoch dessen Identifikation und das Anschlingen mit einem Haltefaden.<br /> Traumatische Subscapularisrupturen sind wenn möglich rasch zu versorgen, da der Muskel schnell atrophieren kann.<sup>4</sup> Zur Klassifizierung verwenden wir die Einteilung nach Lafosse.<sup>1</sup> Diese Läsionen präsentieren sich oft als isolierte Rupturen ohne wesentliche Beteiligung der posterosuperioren RM, hingegen ist das Biceps- Pulley regelmässig zerstört. Unfallmechanismus ist die forcierte Hyperextension oder die Aussenrotation des abduzierten Arms.<sup>7</sup> Die Mehrheit dieser Rupturen sind klein bis mittelgross mit einem EFP von 1–2cm (Typ Lafosse 2–3) und in der Regel einfach mit einem doppelt bis dreifach armierten Fadenanker zu versorgen. Komplette retrahierte Rupturen, die eine extensive Mobilisierung erforderlich machen, sind im Setting einer traumatischen Rupturgenese seltener und werden in unserer Routine mit zwei doppelt armierten Fadenankern versorgt (Abb. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1803_Weblinks_s36_abb1.jpg" alt="" width="684" height="1082" /></p> <h2>Operationstechnik</h2> <p>Unsere Operationstechnik der traumatischen (und analog auch der degenerativen) Subscapularissehnenruptur erfolgt in 7 Schritten:</p> <ol> <li>Für das Anfrischen des Footprints, die Ankerinsertion sowie das spätere Fadenmanagement benutzen wir das anterosuperiore Portal (ASP), welches wir mit einer Arbeitskanüle versorgen. Ein zusätzlicher perkutaner anteroinferiorer Zugang hilft, mit dem Penetrator oder dem Cleverhook im späteren Verlauf die Subscapularissehne an der richtigen Stelle zu perforieren (Abb. 2).</li> <li>Die lange Bizepssehne ist oft pathologisch verändert bzw. instabil und versperrt den Zugang zum Subscapularis. Sie wird routinemässig in doppelter Loop-Technik mit 2 Orthocord<sup>®</sup>-Fäden mithilfe eines Push-Lock-Ankers 3,5mm am Eingang in den Sulcus bicipitalis epiossär tenodesiert.</li> <li>Bei retrahierten Rupturen wird das Kommazeichen identifiziert und mithilfe der Spectrum-Hohlnadel mittels PDSFaden angeschlungen. Durch lateralen Zug wird die Subscapularissehne angespannt, sodass ein progressiver Release erfolgen kann, bis sich die Sehne spannungslos reponieren lässt (Abb. 3).</li> <li>Ein ventrales Kapselrelease erfolgt mittels Hochfrequenzelektrode entlang der Glenoidkante mit grosszügiger Inzision des verdickten mittleren glenohumeralen Ligaments.</li> <li>Danach erfolgen die Präparation des Rotatorenintervalls unter Release des korakohumeralen Bandes sowie die Darstellung der Korakoidspitze und des Aussenrandes der «conjoined tendon». Ein hier grosszügig angelegtes «Fenster », in das wir eine Passport-Kanüle einlegen, erleichtert das störungsfreie Fadenmanagement und Knoten auf der reponierten Subscapularissehne ohne Gewebebrücken.</li> <li>Anfrischen des knöchernen Footprints am Tuberculum minus mit dem Shaver über das ASP. Danach Eindrehen eines – je nach Ausdehnung der Ruptur – 2–3-fach armierten Fadenankers.</li> <li>Sehnenperforation mit dem Cleverhook. Wir wählen eine Mason-Allen- Konfiguration mit horizontaler Matratzennaht und vertikalem, die Naht quasi umschliessendem «simple stich», wobei der kranialste Faden die Sehne nicht perforiert, sondern auf dem Oberrand des Subscapularis zu liegen kommt. Anschliessendes Knoten. Ein Fadenpaar wird für die Suture-Bridge nach lateral belassen, wodurch das Kommazeichen wirksam «verblockt» wird (Abb. 4, 5).</li> </ol> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1803_Weblinks_s36_abb2_3_4_5.jpg" alt="" width="1417" height="1592" /></p> <h2>Nachbehandlung</h2> <p>Die Nachbehandlung erfolgt nach unserem standardisierten Schema mit relativer Immobilisierung im Ultrasling für 6 Wochen. In dieser Zeit sind Pendelübungen sowie Rotationsübungen mit dem Stab im unteren Quadranten erlaubt. Die Aussenrotation soll jedoch auf maximal 0–10° limitiert bleiben. Nach 6 Wochen erfolgt dann die aktiv-assistive Beübung der operierten Schulter mit sukzessiver Steigerung der Aussenrotation.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Lafosse L et al.: Structural integrity and clinical outcomes after arthroscopic repair of isolated subscapularis tears. J Bone Jt Surg 2007; 89(6): 1184-93 <strong>2</strong> Buess E et al.: Outcome of arthroscopic rotator cuff repair in large tears: the exposed footprint. Acta Orthop Belg 2011; 77(6): 743-50 <strong>3</strong> Ide J et al.: An anatomic study of the subscapularis insertion to the humerus: the subscapularis footprint. Arthrosc J Arthrosc Relat Surg 2008; 24(7): 749-53 <strong>4</strong> Lenart BA, Ticker JB: Subscapularis tendon tears: management and arthroscopic repair. EFORT Open Rev 2017; 2: 484-95 <strong>5</strong> Ticker JB, Burkhart SS: Why repair the subscapularis? A logical rationale. Arthrosc J Arthrosc Relat Surg 2011; 27(8): 1123-8 <strong>6</strong> Lo IKY, Burkhart SS: The comma sign: an arthroscopic guide to the torn subscapularis tendon. Arthrosc J Arthrosc Relat Surg 2003; 19(3): 334-7 <strong>7</strong> Deutsch A et al.: Traumatic tears of the subscapularis tendon. Am J Sports Med 1997; 25(1): 13-22</p>
</div>
</p>
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