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Die offene Arthrolyse zur Bewegungsverbesserung des kindlichen Ellbogens nach Trauma

<p class="article-intro">Revisionseingriffe zur Bewegungsverbesserung und Stabilisierung des kindlichen Ellbogens sind zwar selten erforderlich, in manchen Fällen ist der Eingriff aber alternativlos.</p> <hr /> <p class="article-content"><div id="2keypoints&quot;"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Sowohl die geringe Anzahl an Publikationen als auch die klinische Erfahrung zeigen, dass die Indikation zur offenen Arthrolyse am kindlichen Ellbogen selten vorkommt.</li> <li>Trotz Vorbehalten gegen&uuml;ber einem offenen arthrolysierenden Eingriff am kindlichen Ellbogen besteht mitunter die Notwendigkeit eines chirurgischen Eingriffes.</li> <li>Dieser sollte, ma&szlig;gebend am intraoperativen Bewegungsumfang, konsequent durchgef&uuml;hrt werden, um eine Funktionsverbesserung zu erreichen.</li> </ul> </div> <p>Die Mehrheit (75 %) aller kindlichen Frakturen betrifft die obere Extremit&auml;t. Die hohe Inzidenz der Ellbogenverletzungen in dieser Altersgruppe erkl&auml;rt sich durch die vermehrte Aktivit&auml;t der Kinder in Spiel und Sport und das dadurch h&ouml;here Unfallrisiko. Die meisten Verletzungen des Ellbogens heilen bei korrekter Behandlung folgenlos aus. <br />Die Diagnostik von Ellbogenfrakturen und -luxationen bei Kindern und Jugendlichen kann herausfordernd sein, da sich die Kinder unmittelbar nach dem Trauma oft nicht ad&auml;quat &auml;u&szlig;ern k&ouml;nnen und eine klinische Untersuchung aufgrund von Schmerzen und Schwellung h&auml;ufig unm&ouml;glich ist. Manche Verletzungsmuster kommen auch selten vor und sind zudem in der R&ouml;ntgendiagnostik gerade wegen der sechs verschiedenen Ossifikationszentren des kindlichen Ellbogens in der kn&ouml;chernen Konsolidierung altersabh&auml;ngig. In der R&ouml;ntgendiagnostik k&ouml;nnen einige Verletzungen am Ellbogenskelett sehr subtil erscheinen und v. a. auf R&ouml;ntgenbildern mit inkorrekter Einstellung &uuml;bersehen oder falsch interpretiert werden. <br />Dass der Ellbogen bei kindlichen Verletzungen im Fokus steht, zeigt die Tatsache, dass 3 von 5 sogenannten &bdquo;Kadil&auml;sionen&ldquo; <sup>1, 2</sup> den Ellbogen betreffen. Bereits fr&uuml;h in der Ausbildung zum Unfallchirurgen bzw. Orthop&auml;den und Traumatologen wird die Existenz der Kadil&auml;sionen vermittelt. Die Praxis zeigt allerdings, dass in der Erkennung und konsequenten Behandlung dieser L&auml;sionen L&uuml;cken bestehen.<br /> Die instabile Fraktur des Condylus humeri radialis ist die zweith&auml;ufigste Fraktur des Ellbogens im Wachstumsalter und ist im R&ouml;ntgenbild oft nicht beurteilbar. Deswegen ist ein gipsfreies R&ouml;ntgenbild im Verlauf nach wenigen Tagen gefordert. Diese f&uuml;r das Kind schmerzhafte R&ouml;ntgenuntersuchung wird vom behandelnden Arzt jedoch nicht gerne vorgenommen. Wird im Verlauf von 4&ndash;5 Tagen eine sekund&auml;re Dislokation festgestellt, handelt es sich um eine instabile Fraktur, welche operativ stabilisiert werden sollte. Sogar bei weniger komplexen Verletzungen wie der suprakondyl&auml;ren Humerusfraktur kann es zwischen 3 % und 6 % zu Bewegungseinschr&auml;nkungen kommen. Bei der suprakondyl&auml;ren Fraktur des Ellbogens muss eine Rotationsfehlstellung erkannt, reponiert und mit Bohrdr&auml;hten stabilisiert werden. Aber auch Verletzungen, die nicht unter den Begriff der &bdquo;Kadil&auml;sionen&ldquo; fallen, k&ouml;nnen zu hartn&auml;ckigen Bewegungseinschr&auml;nkungen f&uuml;hren.<sup>2</sup><br /> Werden Verletzungen &uuml;bersehen, untersch&auml;tzt oder nicht konsequent behandelt, kann es zu Kontrakturen aufgrund von Gelenkstufenbildungen, Instabilit&auml;ten, Kallusbildungen und verbleibenden (Sub-) Luxationen des Ellbogengelenkes oder des Radiusk&ouml;pfchens kommen. Eine Einteilung von Ellbogensteifen nach intrinsischen und extrinsischen Faktoren des erwachsenen Ellbogens wurde nach Morrey (Tab. 1) vorgenommen, aus der sich direkte Therapieempfehlungen ableiten lassen. Diese Empfehlungen gelten prinzipiell auch f&uuml;r den kindlichen Ellbogen.<br /> Die Arthroskopie gilt als suffiziente Behandlung des adoleszenten Ellbogens beispielsweise bei Synovitis, Osteochondritis dissecans, Arthrofibrose und Gelenkkontraktur, posteriorem Olecranon-Impingement- Syndrom und ggf. bei akutem Trauma. <sup>3</sup> Als Alternative zur Arthroskopie und Arthrotomie wurde an einigen Patienten die Distraktion am Fixateur externe durchgef&uuml;hrt und berichtet, allerdings ist diese Anwendung nur bei extrinsischen Faktoren denkbar.<sup>4</sup> Insbesondere im Falle einer Ellbogensteife ist eine offene Arthrolyse mit Beseitigung der Bewegungshindernisse in dem ein oder anderen Fall unumg&auml;nglich. Allerdings sollte bei den Behandlern selbst, bei Patienten und bei den Eltern keine falsche Erwartungshaltung gesetzt werden. Die Ergebnisse nach offener Ellbogenarthrolyse von Kindern und Jugendlichen sind denen der Erwachsenen unterlegen. Es ist davon auszugehen, dass bei der Durchf&uuml;hrung einer Arthrolyse mit unvorhersehbaren Ergebnissen gerechnet werden muss. Damit gilt die offene Arthrolyse beim Kind als weniger erfolgreich als bei erwachsenen Patienten. Bei jedem zweiten Kind ist mit einem postoperativen Bewegungsumfang unter 100&deg; zu rechnen. Die Ursache ist unbekannt und l&auml;sst sich nicht auf eine fehlende Compliance der Kinder und Jugendlichen zur&uuml;ckf&uuml;hren.<sup>1</sup> <br />Die Berichterstattung von wenig zufriedenstellenden Ergebnissen sollte vor allem eines bewirken: Die Indikation zu einem operativen Eingriff am kindlichen Ellbogen muss wohl&uuml;berlegt sein. Eine zu fr&uuml;he Indikationsstellung zu einem Zeitpunkt, zu dem noch Verbesserungen der Funktion durch konservative Ma&szlig;nahmen zu erwarten sind, sollte genauso wenig erfolgen wie ein Hinausz&ouml;gern des Eingriffes, wenn Bewegungshindernisse offensichtlich nachgewiesen und ohne chirurgische Intervention irreversibel sind. Auch wenn immer wieder von durchwachsenen Therapieerfolgen berichtet wird, sind sowohl arthroskopische als auch offene Eingriffe am kindlichen Ellbogen in einigen Situationen alternativlos. <br />Im Folgenden wird von zwei F&auml;llen berichtet, die einen Umstieg von der Arthroskopie zu einer offenen Arthrolyse erforderlich machten und deren kurzfristige klinische Ergebnisse nach einem Jahr Anlass zur Hoffnung geben.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1906_Weblinks_jatros_ortho_1906_s25_tab1_erhart.jpg" alt="" width="1419" height="430" /></p> <h2>Fall 1</h2> <p>Ein Jahr nach Fraktur im Ellbogenbereich bei einer 10-j&auml;hrigen Patientin besteht eine hartn&auml;ckige, therapieresistente Bewegungseinschr&auml;nkung mit einer Beweglichkeit von Extension/Flexion (E/F) 0-5-90&deg; bei freier Umwendbewegung des Unterarmes. Ein kn&ouml;chernes Impingement im Bereich der Fossa coronoidea und Trochlea humeri wurde aufgrund einer CT-Untersuchung des Ellbogens vermutet, das CT zeigt au&szlig;erdem eine Entrundung der kn&ouml;chernen Trochlea. In einem vorweg durchgef&uuml;hrten MRT konnte das Bewegungshindernis nicht suffizient dargestellt werden. Es erfolgte eine Arthroskopie mit anschlie&szlig;ender offener Arthrolyse. Der Grund f&uuml;r den Verfahrensumstieg war ein gro&szlig;er Osteophyt, der sich proximal der Trochlea, die Fossa coronoidea komplett ausf&uuml;llend, in das Gelenk erstreckt und somit die Gelenkfl&auml;che der Trochlea humeri um 5 mm &uuml;berragt hatte. Die Patientin erhielt unmittelbar pr&auml;operativ einen Plexuskatheter und konnte somit unter ertr&auml;glichen Bedingungen sofort nach der Operation mit Bewegungs&uuml;bungen beginnen. Das endg&uuml;ltige Bewegungsausma&szlig; nach einem Jahr ist in E/F 0-0-110&deg;, um ca. 15&deg; gegen&uuml;ber der Gegenseite eingeschr&auml;nkt. <br />Gegen&uuml;ber der &bdquo;normalen&ldquo; Ellbogensteife ist eine Ellbogensteife in Kombination mit Gelenkssubluxation und zus&auml;tzlicher Seitenbandinstabilit&auml;t eine nochmals gr&ouml;&szlig;ere therapeutische Herausforderung f&uuml;r den behandelnden Chirurgen. Die spezifische Problematik ist neben der aufmerksamen Beurteilung von vorliegenden R&ouml;ntgenbildern, MRT- und CT-Untersuchungen vor allem in der pr&auml;operativen klinischen Untersuchung herauszufinden.</p> <h2>Fall 2</h2> <p>Als weiteres bemerkenswertes Fallbeispiel ist von einem M&auml;dchen zu berichten, das sich im Alter von 12 Jahren beim Trampolinspringen verletzt hatte (Abb. 1&ndash;4). Der Ellbogen wurde reponiert, eine nach der Reposition bestehende Subluxation wurde belassen.<sup>7</sup> Monate nach erfolgtem Trauma und einigen Wechseln der behandelnden &Auml;rzte stellt sie sich mit einer Beweglichkeit des Ellbogens von E/F 0-40-80&deg; bei freier Umwendbewegung des Unterarmes vor. In der seitlichen Darstellung des Ellbogens im R&ouml;ntgen stellte sich das Ellbogengelenk subluxiert mit Interposition einer kn&ouml;chernen Struktur dar. Vor allem im pr&auml;operativ durchgef&uuml;hrten MRT fiel die fehlende Apophyse des distalen medialen Humerus auf. Nachdem die Operation mit einer kurzzeitigen Arthroskopie begonnen wurde, wurde die Operation in derselben Narkose offen im Sinne einer Arthrolyse von medial wie lateral fortgef&uuml;hrt. Dabei wurde die Gelenkskapsel streck- und beugeseitig inzidiert und teilweise entfernt. Es wurden die ausgepr&auml;gten Vernarbungen und der im Gelenkspalt interponierte Apophysenkern von medial geborgen. Das mediale Seitenband und vernarbte Kapselreste wurden mit einem kr&auml;ftigen Fadenanker mit zwei F&auml;den refixiert, was eine sofortige Bewegungstherapie bei liegendem Plexuskatheter erlauben sollte. Die Anlage eines Bewegungsfixateurs wurde diskutiert, letztendlich aber nicht durchgef&uuml;hrt, da anstatt des Fixateurs die Refixation des medialen Kollateralbandes mit einem &uuml;berdimensionierten Fadenanker eine feste Fixation, auch unter sofortiger Bewegungstherapie, versprach. Die Patientin wie die Eltern wurden &uuml;ber die schwierige Konstellation eines steifen und instabilen, mit der offenen Operation arthrolysierten und medial seitenbandfixierten Ellbogengelenkes aufgekl&auml;rt. Im weiteren postoperativen Verlauf trat keine erneute Subluxation auf. Die Patientin erzielte eine postoperative Beweglichkeit von 0-20-140&deg; und hat eine geringf&uuml;gige mediale Instabilit&auml;t bei hartem Anschlag. Sie besucht weiterhin den Sportzweig eines Gymnasiums und ist sogar in der Lage, beim Ger&auml;teturnen mit geringen Einschr&auml;nkungen am Stufenbarren zu turnen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1906_Weblinks_jatros_ortho_1906_s26_abb1_erhart.jpg" alt="" width="1417" height="803" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1906_Weblinks_jatros_ortho_1906_s26_abb2_erhart.jpg" alt="" width="410" height="511" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1906_Weblinks_jatros_ortho_1906_s26_abb3_erhart.jpg" alt="" width="1417" height="881" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Ortho_1906_Weblinks_jatros_ortho_1906_s27_abb4_erhart.jpg" alt="" width="2150" height="1292" /></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Stans AA et al.: Operative treatment of elbow contracture in patients twenty-one years of age or younger. J Bone Joint Surg Am 2002; 84(3): 382-7 <strong>2</strong> von Laer L, Kraus R, Linhart WE: Frakturen und Luxationen im Wachstumsalter. 6. Auflage. Stuttgart: Thieme 2012 <strong>3</strong> Micheli LJ et al.: Elbow arthroscopy in the pediatric and adolescent population. Arthroscopy 2001; 17(7): 694-9 <strong>4</strong> Gausepohl T, Mader K, Pennig D: Mechanical distraction for the treatment of posttraumatic stiffness of the elbow in children and adolescents. J Bone Joint Surg Am 2006; 88(5): 1011-21</p> </div> </p>
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