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Die „komplex destruierte Hand“ bei rheumatoider Arthritis
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Axel Wanivenhaus
E-Mail: ortho4rheuma@aon.at<br> <a href="http://www.orthopaedie-wanivenhaus.at" target="_blank">www.orthopaedie-wanivenhaus.at</a>
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15.09.2016
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<p class="article-intro">Unabhängig von Erfolgen der medikamentösen Therapie existiert sie noch – die durch entzündliche Veränderungen schwer destruierte und deformierte Hand beim Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA). Spätfolgen, Behandlungsabbrüche oder Versagen der medikamentösen und präventiv konservativen Maßnahmen können zum Bild einer komplex deformierten und mitunter funktionsgestörten Hand führen.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Die kontinuierliche Entwicklung und Adaptation durch Ersatzfunktion führen häufig zu einer Toleranz der Veränderung und Therapienegation, bis ein kompletter Funktionsverlust auftritt. Die Erkenntnis, dass es jetzt zu spät und ohnehin nichts mehr zu machen ist, wäre letztendlich die Akzeptanz der Behinderung.</p> <h2>Pathologischer Verlauf</h2> <p>Die durch die Entzündung resultierende Instabilität führt zur Deformität. Diese besteht in der Regel aus Handgelenksinstabilität mit ulnovolarer Drift des Carpus und dem sogenannten Caput-ulnae-Syndrom mit Luxation der Extensor-carpi-ulnaris-Sehne. Dies führt in der Folge zur Instabilität und volaren (Sub)Luxation der MCP-Gelenke mit der muskulären Dysbalance der intrinsischen zur extrinsischen Muskulatur. Die Fingerdeformitäten – Knopfloch und Schwanenhals – resultieren daraus. Das Abgleiten des Carpus führt auch zu einer Verlagerung der Strecksehnenzugrichtung; die Ulnardeviation der Langfinger ist die Folge (eine Handskoliose wird manifest).<br /> Funktionelle Defizite treten spätestens jetzt in den Vordergrund und werden durch kompensatorische Griffmuster immer weiter verstärkt. Der Spitzgriff wird unmöglich und durch Z-Deformität des Daumens mit IP-Kontakt am radialen Anteil des PIP-Gelenkes oder der mittleren Phalangen ersetzt. Die gestörte Biomechanik jedes Griffes verstärkt die Deformität. Auch die zum Tragen erforderliche Beugung in den MCP- und PIP-Gelenken wird zunehmend durch die Fingerdeformitäten verunmöglicht. Ein komplettes Abgleiten des Carpus an die Volarseite des Radius führt zur Strecksehneninsuffizienz, wenn diese nicht zuvor bereits an der dorsalen Radiuskante rupturiert sind.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Ortho_1605_Weblinks_Seite78.jpg" alt="" width="363" height="379" /></p> <h2>Therapie</h2> <p>Das klingt nicht gut und stellt für den Patienten auch eine enorme psychische Belastung dar. Nicht umsonst wird die Hand auch als Visitenkarte des Rheumatikers bezeichnet. Die Kosmetik alleine stellt allerdings keine Indikation zum operativen Vorgehen dar. Vielmehr sollten folgende Funktionen wiederhergestellt werden: Stabilität am Handgelenk, Pinzettengriff und Flexionsfähigkeit zumindest einiger Fingergelenke. Damit sollte der Patient ein ge­wisses Maß an Selbstständigkeit wiederge­winnen.<br /> Beim operativen Vorgehen werden Instabilitäten durch Arthrodese oder Kunstgelenke kompensiert. Dabei wird auf den Erhalt der Feinmotorik und die Wiederherstellung der Stabilität und damit Kraftgewinn geachtet. Grundlage bei komplexer Handdeformität ist die Stabilisierung des Handgelenkes durch Teilarthrodese oder komplette Arthrodese in Funktionsstellung (anders als beim posttraumatischen Patienten, bei dem eine dorsale Stellung gesucht wird) in 0° Flexion und geringer Radialduktion. Dies ermöglicht selbstständige Körperhygiene und Nahrungsauf­nahme.<br /> Stabilität ist auch an den Fingerendgelenken wesentlich und durch Arthrodese unbedenklich erzielbar. Ein stabiler Daumen (Arthrodese des MCP-Gelenkes und Sattelgelenksberücksichtigung durch Trapezektomie mit Sehnensuspensionsplastik oder Implantat) macht nur Sinn, wenn auch der zweite Finger nach „Sanierung“ des Daumens harmoniert; widrigenfalls könnte auch eine funktionelle Verschlechterung auftreten. Auch an den PIP-Gelenken des zweiten und fünften Fingers kann eine Arthrodese sinnvoll sein, da damit einerseits ein kräftiger Pinzettengriff möglich wird und andererseits die Stabilisierungsfunktion des fünften Fingers erleichtert wird.<br /> Die PIP-Gelenke der Finger 3 und 4 sollten allerdings unabhängig vom Destruktionsgrad, ebenso wie die Fingergrundgelenke 2–5, mobil erhalten werden. Dies erfolgt durch Implantate, die als Goldstandard immer noch Silikonspacern entsprechen, aber im Fall einer kompletten Banddestruktion auch durch achsgeführte Metallimplantate ergänzt werden. Der funktionelle Gewinn kann nur durch die genaue Analyse der Deformität und des Patientenbedürfnisses erzielt werden. Dazu sind manchmal auch mehrstufige Eingriffe erforderlich.<br /> Die Operation hat in diesen Fällen keine Alternative und stellt eine gute Chance dar, Behinderung und Verlust der Selbstständigkeit zu vermeiden. Bis auf kompensierbare Einschränkungen kann eine schmerzfreie und funktionelle Hand wiederhergestellt werden.</p></p>
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