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Die arthroskopische Stabilisierung der posterolateralen Ellbogeninstabilität

<p class="article-intro">Die Bedeutung der posterolateralen Rotationsinstabilität (PLRI) des Ellbogens wird zunehmend erkannt. Rezente Studien haben die PLRI als häufigste Differenzialdiagnose des «behandlungsresistenten» Tennisarms identifiziert und verschiedene Therapieansätze wurden entwickelt. Die rein arthroskopische Stabilisierung der therapierefraktären Instabilität ist der jüngste davon.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Chronische Schmerzen am lateralen Ellbogen, vulgo &laquo;chronischer Tennisarm trotz Behandlung &raquo;, sind in vielen F&auml;llen eine unerkannte Instabilit&auml;t.</li> <li>Die Ellbogeninstabilit&auml;t kann zwar mit einfachen Tests diagnostiziert werden, aber die Ver&auml;nderungen sind zumeist subtil und m&uuml;ssen aktiv gesucht werden.</li> <li>Eine zeitgerechte bedarfsangepasste Behandlung kann verl&auml;sslich exzellente Ergebnisse zeigen.</li> <li>Die arthroskopische Stabilisierung als Alternative zur offenen Bandplastik ist technisch fordernd, zeigt aber gute klinische Ergebnisse und hat &ndash; im Vergleich zum Sehnenautograft &ndash; keine Entnahmemorbidit&auml;t.</li> </ul> </div> <p>Die PLRI des Ellbogens ist eine vielfach verkannte und untersch&auml;tzte Problematik. Bei der PLRI kommt es zu einem lateralen Wegkippen des gesamten Unterarms in Relation zum Oberarm aufgrund einer Insuffizienz des lateralen Kapsel- Band-Apparats (Abb. 1). Aus der Lekt&uuml;re der US-amerikanischen Literatur entsteht oft die Annahme, dass eine PLRI einem akuten Trauma beim Werfer geschuldet sein muss. In unseren Breitengraden entsteht die PLRI viel weniger oft durch Traumata, sondern meist durch repetitive &Uuml;berlastung, und auch nicht selten durch kortisoninduzierte Gewebenekrose. Sie ist aber auch in Verbindung mit Radiuskopffrakturen regelm&auml;ssig beschrieben.<br /> Die Bandinsuffizienz verursacht eine Rotationsinstabilit&auml;t bei axialer Belastung, wie z.B. bei Liegest&uuml;tz, Bankdr&uuml;cken oder bei weniger sportlichen Patienten beim Hochdr&uuml;cken aus dem Stuhl, Hochheben der Kinder oder bei der Supination nahe bei voller Extension (Autostarten, T&uuml;rknauf). Die Extensoren versuchen dabei, den Ellbogen zu stabilisieren, werden dadurch aber &uuml;berlastet und beginnen sekund&auml;r zu schmerzen. Das macht den belastungsabh&auml;ngigen lateralen Ellbogenschmerz zum h&auml;ufigsten Symptom der PLRI und f&uuml;hrt regelm&auml;ssig zu Verwechslungen mit dem Tennisarm bzw. einer lateralen Epikondylitis. Es geht aus rezenten Studien sogar hervor, dass bis zu drei Viertel (!!!) der &laquo;chronischen Tennisarme&raquo; eigentlich eine PLRI als Ursache haben.<br /> Die Klinik der PLRI ist subtil. Fast immer klagen die Patienten mehr &uuml;ber Schmerz als &uuml;ber Instabilit&auml;t. Es ist wichtig zu bedenken, dass Patienten, v.a. Kinder, auch wegen einer &laquo;Bewegungseinschr&auml;nkung &raquo; vorstellig werden, die in Wahrheit ein Vermeidungsverhalten der Provokationsstellung aus kombinierter Extension und Supination ist. Die klinischen Tests der PLRI sind aber einfach und zuverl&auml;ssig. Der Schubladentest kann die Diagnose der PLRI sichern (Abb. 2). Ein einfacher Varusstresstest erlaubt die Beurteilung des Aussenbands (Endpunkt Schmerz: Sensitivit&auml;t 65 % , Spezifit&auml;t 50 % ; Endpunkt Aufklappbarkeit: Sensitivit&auml;t 19 % , Spezifit&auml;t 100 % ). Parallel gibt es auch komplexere Untersuchungen, wie den Push-up-Test oder den &laquo;Table top relocation&raquo;-Test, die aber nur unwesentlich andere Spezifizit&auml;t oder Sensitivit&auml;t haben. Der wichtigste diagnostische Faktor zur Diagnose der PLRI bleibt damit, die Differenzialdiagnose im Kopf zu behalten. Zur Best&auml;tigung des klinischen Verdachts eignen sich Fluoroskopie und Ultraschall (Aufklappbarkeit) und/oder das MRI (Bandschaden und Subluxationsstellung). Auch in der Bildgebung sind die Zeichen subtil, und eine Subluxation von nur 2mm kann auf eine komplette Instabilit&auml;t hinweisen (Abb. 3).<br /> Wichtige Differenzialdiagnosen sollten bedacht und ausgeschlossen werden. Beim neuen, atraumatisch aufgetretenen lateralen Ellbogenschmerz mit normaler Stabilit&auml;tstestung (kein Schmerz, harter Endpunkt) ist der Tennisarm eine wichtige Differenzialdiagnose. Schmerzen in der (belasteten) Extension/Pronation und Druckschmerz unter dem Radiushals k&ouml;nnen durch Verletzungen oder Reizungen der distalen Bizepssehne auftreten. Schmerzen bei der forcierten Supination k&ouml;nnen auch auf eine Kompression des Nervus radialis hindeuten. Ebenso sind Knorpelsch&auml;den und ein Plica-Impingement auszuschliessen.<br /> Die konservative Therapie zielt auf die Kompensation der (Sub)Luxation durch Verhaltensmodifikation, Muskelaufbau und die Behandlung der B&auml;nder ab. Ein gezieltes Training des Trizeps/Anconeus- Komplexes (als &laquo;St&uuml;tze&raquo; des Ellbogens) und des Bizeps zur Reposition des Radius ist potenziell hilfreich. Die &uuml;berlasteten Finger- und Handgelenksextensoren profitieren auch von einer physiotherapeutischen Zuwendung. Partialrupturen oder Kapsel&uuml;berdehnung k&ouml;nnen auch mit Thrombozytenkonzentraten erfolgreich behandelt werden.<br /> Bei Versagen der konservativen Therapie ist heute die Rekonstruktion des Aussenbandapparates mittels Sehnengraft der Goldstandard. Bei der Wahl des Grafts ist historisch und international die Sehne des Palmaris longus die am h&auml;ufigsten und l&auml;ngsten benutzte Option. Da diese Sehne bei bis zu 14 % der Menschen nicht angelegt ist, sollte pr&auml;operativ mittels Sch&auml;fer- Test (Opposition von Daumen und Kleinfinger und Flexion des Handgelenks) der Palmaris longus ulnar neben dem Flexor carpi radialis gesucht und gefunden werden. In j&uuml;ngerer Zeit hat sich jedoch ein Streifen aus der Trizepssehne als gute lokale Alternative zum Palmaris longus entwickelt (Abb. 4).<br /> Die Bandplastik wird arthroskopisch assistiert, und im Rahmen der Arthroskopie wird sowohl die Instabilit&auml;t dokumentiert als auch das Gelenk inspiziert. Das legt die Frage nahe, ob nicht im Rahmen der Arthroskopie bereits eine Stabilisierung m&ouml;glich ist. Offensichtliche Vorteile sind der nicht offene Zugang, der Verzicht auf die Graftentnahme und das damit m&ouml;gliche Vermeiden von assoziierter Donor- Morbidit&auml;t und Komplikationen.<br /> Technisch gibt es zwei M&ouml;glichkeiten der arthroskopischen Stabilisierung, die bei Bedarf auch miteinander verbunden werden k&ouml;nnen. Die technische einfachere Methode ist eine Kapselraffung im Bereich des RUHL und RCL, entsprechend z.B. einer arthroskopischen Kapsuloraphie an der Schulter. Nicht nur die Techniken, sondern auch die Zielpopulationen sind sich dabei &auml;hnlich. Die einfache Kapselraffung eignet sich f&uuml;r (1) Instabilit&auml;ten auf Basis von Hyperlaxizit&auml;t, (2) moderate ausgepr&auml;gte Instabilit&auml;ten, z.B. in Verbindung mit arthroskopischer Frakturenverschraubung am Radiuskopf, und (3) bei Patienten im Wachstumsalter. Technisch wird hier die Kapsel gerafft, indem ein Faden mit einer Kan&uuml;le medial perkutan vorgelegt und mit einem Shuttle weiter lateral ausgezogen wird (Abb. 5). Dies kann vom Olekranonrand bis ins vordere Kompartment durchgef&uuml;hrt werden, wobei N&auml;hte eingebracht werden, bis eine zufriedenstellende Stabilit&auml;t erreicht wird. Es ist wichtig zu beachten, dass nicht zu stark gerafft wird, um ein iatrogenes Flexionsdefizit zu vermeiden. Im Rahmen einer longitudinalen Studie zu Indikationen und Risiken der Ellbogenarthroskopie an 150 skelettal unreifen Patienten konnten wir auch Daten zu einer Gruppe von 21 F&auml;llen mit einer solchen Stabilisierung &uuml;ber 2 Jahre sammeln. Klinische Scores und subjektive Zufriedenheit unterschieden sich nicht von der klassischen Bandplastik, aber 2 Patienten zeigten eine anhaltende Instabilit&auml;t und 1 Patient wurde nach Erreichen der skelettalen Reife revidiert (Bandplastik mit Allograft).<br /> Bei ausgepr&auml;gten Instabilit&auml;ten kann eine Refixation/Raffung des gesamten Kapsel-Band-Apparats und der Extensoren mittels Nahtanker erfolgen. Hierbei wird ein Anker perkutan am Epikondylus eingebracht, um Kapsel, B&auml;nder und Sehnen zu fassen und stabil zu fixieren (Abb. 6). Eine ad&auml;quate Visualisierung der Strukturen und ein anatomisch korrektes Einbringen des Ankers erfordern jedoch ein verh&auml;ltnism&auml;ssig hohes Mass an Erfahrung und intraartikul&auml;rer Orientierung, speziell bei muskelkr&auml;ftigen Patienten mit schwer tastbarer kn&ouml;cherner Anatomie. Es empfiehlt sich dabei, den oder die Anker eher zu proximal zu setzen und dann mit etwas weniger Zug an den F&auml;den zu kompensieren, als die Anker zu distal zu platzieren und eine Restinstabilit&auml;t zu riskieren. Abweichungen des Ankers nach ventral oder posterior k&ouml;nnen zu Einschr&auml;nkungen in Streckung oder Beugung f&uuml;hren und sollten vermieden werden. Studienergebnisse aus den USA zur arthroskopischen Stabilisierung des Ellbogens belegen sowohl die technische Machbarkeit als auch gute und der Bandplastik ebenb&uuml;rtige Ergebnisse, auch bei Patienten mit hohem k&ouml;rperlichem Anspruch. Eine eigene Studie zur Ankertechnik zeigte sehr gute Ergebnisse im Mayo-Elbow-Performance-Score, im Andrews-Carson-Score und f&uuml;r Schmerz und Beweglichkeit postoperativ. Es gab keine Komplikationen oder Revision in dieser Gruppe.<br /> Es gibt Kontraindikationen f&uuml;r die rein arthroskopische Technik. Bei gr&ouml;sseren Substanzdefekten, wie sie z.B. nach h&auml;ufigen Kortison-Infiltrationen vorkommen, kann eine Raffung unm&ouml;glich werden. Kleinere Begleitverletzungen, wie Knorpelsch&auml;den oder Frakturen, sind nur relative Kontraindikationen, aber wenn ein offenes Vorgehen n&ouml;tig ist, dann kann die Stabilisierung durch diesen Zugang erfolgen. Kapseldefekte &uuml;ber der ventralen Mitte des Radiuskopfes (N. radialis) sowie auch Revisionen sind aufgrund der m&ouml;glichen Komplikationen schlechte Kandidaten f&uuml;r eine rein arthroskopische Stabilisierung.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1804_Weblinks_lo_ortho_1804_s41_abb1+2.jpg" alt="" width="2150" height="987" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1804_Weblinks_lo_ortho_1804_s42_abb3+4.jpg" alt="" width="2442" height="1114" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1804_Weblinks_lo_ortho_1804_s43_abb5+6.jpg" alt="" width="1421" height="1895" /></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Die posterolaterale Rotationsinstabilit&auml;t ist eine wichtige Differenzialdiagnose des lateralen Ellbogenschmerzes. Konservative Therapieoptionen sind detailliert beschrieben, aber die Notwendigkeit einer Operation ist nicht selten. Hier entwickelt sich die arthroskopische Stabilisierung zur gewebeschonenden Alternative der offenen Bandplastik.</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>beim Verfasser</p> </div> </p>
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