
©
Getty Images/iStockphoto
Die arthroskopische Stabilisierung der posterolateralen Ellbogeninstabilität
Leading Opinions
Autor:
PD Dr. med. Patrick Vavken
alphaclinic Zürich<br> ADUS Klinik, Dielsdorf<br> Harvard Medical School, Boston, USA<br> E-Mail: vavken@alphaclinic.ch
30
Min. Lesezeit
22.11.2018
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Die Bedeutung der posterolateralen Rotationsinstabilität (PLRI) des Ellbogens wird zunehmend erkannt. Rezente Studien haben die PLRI als häufigste Differenzialdiagnose des «behandlungsresistenten» Tennisarms identifiziert und verschiedene Therapieansätze wurden entwickelt. Die rein arthroskopische Stabilisierung der therapierefraktären Instabilität ist der jüngste davon.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Chronische Schmerzen am lateralen Ellbogen, vulgo «chronischer Tennisarm trotz Behandlung », sind in vielen Fällen eine unerkannte Instabilität.</li> <li>Die Ellbogeninstabilität kann zwar mit einfachen Tests diagnostiziert werden, aber die Veränderungen sind zumeist subtil und müssen aktiv gesucht werden.</li> <li>Eine zeitgerechte bedarfsangepasste Behandlung kann verlässlich exzellente Ergebnisse zeigen.</li> <li>Die arthroskopische Stabilisierung als Alternative zur offenen Bandplastik ist technisch fordernd, zeigt aber gute klinische Ergebnisse und hat – im Vergleich zum Sehnenautograft – keine Entnahmemorbidität.</li> </ul> </div> <p>Die PLRI des Ellbogens ist eine vielfach verkannte und unterschätzte Problematik. Bei der PLRI kommt es zu einem lateralen Wegkippen des gesamten Unterarms in Relation zum Oberarm aufgrund einer Insuffizienz des lateralen Kapsel- Band-Apparats (Abb. 1). Aus der Lektüre der US-amerikanischen Literatur entsteht oft die Annahme, dass eine PLRI einem akuten Trauma beim Werfer geschuldet sein muss. In unseren Breitengraden entsteht die PLRI viel weniger oft durch Traumata, sondern meist durch repetitive Überlastung, und auch nicht selten durch kortisoninduzierte Gewebenekrose. Sie ist aber auch in Verbindung mit Radiuskopffrakturen regelmässig beschrieben.<br /> Die Bandinsuffizienz verursacht eine Rotationsinstabilität bei axialer Belastung, wie z.B. bei Liegestütz, Bankdrücken oder bei weniger sportlichen Patienten beim Hochdrücken aus dem Stuhl, Hochheben der Kinder oder bei der Supination nahe bei voller Extension (Autostarten, Türknauf). Die Extensoren versuchen dabei, den Ellbogen zu stabilisieren, werden dadurch aber überlastet und beginnen sekundär zu schmerzen. Das macht den belastungsabhängigen lateralen Ellbogenschmerz zum häufigsten Symptom der PLRI und führt regelmässig zu Verwechslungen mit dem Tennisarm bzw. einer lateralen Epikondylitis. Es geht aus rezenten Studien sogar hervor, dass bis zu drei Viertel (!!!) der «chronischen Tennisarme» eigentlich eine PLRI als Ursache haben.<br /> Die Klinik der PLRI ist subtil. Fast immer klagen die Patienten mehr über Schmerz als über Instabilität. Es ist wichtig zu bedenken, dass Patienten, v.a. Kinder, auch wegen einer «Bewegungseinschränkung » vorstellig werden, die in Wahrheit ein Vermeidungsverhalten der Provokationsstellung aus kombinierter Extension und Supination ist. Die klinischen Tests der PLRI sind aber einfach und zuverlässig. Der Schubladentest kann die Diagnose der PLRI sichern (Abb. 2). Ein einfacher Varusstresstest erlaubt die Beurteilung des Aussenbands (Endpunkt Schmerz: Sensitivität 65 % , Spezifität 50 % ; Endpunkt Aufklappbarkeit: Sensitivität 19 % , Spezifität 100 % ). Parallel gibt es auch komplexere Untersuchungen, wie den Push-up-Test oder den «Table top relocation»-Test, die aber nur unwesentlich andere Spezifizität oder Sensitivität haben. Der wichtigste diagnostische Faktor zur Diagnose der PLRI bleibt damit, die Differenzialdiagnose im Kopf zu behalten. Zur Bestätigung des klinischen Verdachts eignen sich Fluoroskopie und Ultraschall (Aufklappbarkeit) und/oder das MRI (Bandschaden und Subluxationsstellung). Auch in der Bildgebung sind die Zeichen subtil, und eine Subluxation von nur 2mm kann auf eine komplette Instabilität hinweisen (Abb. 3).<br /> Wichtige Differenzialdiagnosen sollten bedacht und ausgeschlossen werden. Beim neuen, atraumatisch aufgetretenen lateralen Ellbogenschmerz mit normaler Stabilitätstestung (kein Schmerz, harter Endpunkt) ist der Tennisarm eine wichtige Differenzialdiagnose. Schmerzen in der (belasteten) Extension/Pronation und Druckschmerz unter dem Radiushals können durch Verletzungen oder Reizungen der distalen Bizepssehne auftreten. Schmerzen bei der forcierten Supination können auch auf eine Kompression des Nervus radialis hindeuten. Ebenso sind Knorpelschäden und ein Plica-Impingement auszuschliessen.<br /> Die konservative Therapie zielt auf die Kompensation der (Sub)Luxation durch Verhaltensmodifikation, Muskelaufbau und die Behandlung der Bänder ab. Ein gezieltes Training des Trizeps/Anconeus- Komplexes (als «Stütze» des Ellbogens) und des Bizeps zur Reposition des Radius ist potenziell hilfreich. Die überlasteten Finger- und Handgelenksextensoren profitieren auch von einer physiotherapeutischen Zuwendung. Partialrupturen oder Kapselüberdehnung können auch mit Thrombozytenkonzentraten erfolgreich behandelt werden.<br /> Bei Versagen der konservativen Therapie ist heute die Rekonstruktion des Aussenbandapparates mittels Sehnengraft der Goldstandard. Bei der Wahl des Grafts ist historisch und international die Sehne des Palmaris longus die am häufigsten und längsten benutzte Option. Da diese Sehne bei bis zu 14 % der Menschen nicht angelegt ist, sollte präoperativ mittels Schäfer- Test (Opposition von Daumen und Kleinfinger und Flexion des Handgelenks) der Palmaris longus ulnar neben dem Flexor carpi radialis gesucht und gefunden werden. In jüngerer Zeit hat sich jedoch ein Streifen aus der Trizepssehne als gute lokale Alternative zum Palmaris longus entwickelt (Abb. 4).<br /> Die Bandplastik wird arthroskopisch assistiert, und im Rahmen der Arthroskopie wird sowohl die Instabilität dokumentiert als auch das Gelenk inspiziert. Das legt die Frage nahe, ob nicht im Rahmen der Arthroskopie bereits eine Stabilisierung möglich ist. Offensichtliche Vorteile sind der nicht offene Zugang, der Verzicht auf die Graftentnahme und das damit mögliche Vermeiden von assoziierter Donor- Morbidität und Komplikationen.<br /> Technisch gibt es zwei Möglichkeiten der arthroskopischen Stabilisierung, die bei Bedarf auch miteinander verbunden werden können. Die technische einfachere Methode ist eine Kapselraffung im Bereich des RUHL und RCL, entsprechend z.B. einer arthroskopischen Kapsuloraphie an der Schulter. Nicht nur die Techniken, sondern auch die Zielpopulationen sind sich dabei ähnlich. Die einfache Kapselraffung eignet sich für (1) Instabilitäten auf Basis von Hyperlaxizität, (2) moderate ausgeprägte Instabilitäten, z.B. in Verbindung mit arthroskopischer Frakturenverschraubung am Radiuskopf, und (3) bei Patienten im Wachstumsalter. Technisch wird hier die Kapsel gerafft, indem ein Faden mit einer Kanüle medial perkutan vorgelegt und mit einem Shuttle weiter lateral ausgezogen wird (Abb. 5). Dies kann vom Olekranonrand bis ins vordere Kompartment durchgeführt werden, wobei Nähte eingebracht werden, bis eine zufriedenstellende Stabilität erreicht wird. Es ist wichtig zu beachten, dass nicht zu stark gerafft wird, um ein iatrogenes Flexionsdefizit zu vermeiden. Im Rahmen einer longitudinalen Studie zu Indikationen und Risiken der Ellbogenarthroskopie an 150 skelettal unreifen Patienten konnten wir auch Daten zu einer Gruppe von 21 Fällen mit einer solchen Stabilisierung über 2 Jahre sammeln. Klinische Scores und subjektive Zufriedenheit unterschieden sich nicht von der klassischen Bandplastik, aber 2 Patienten zeigten eine anhaltende Instabilität und 1 Patient wurde nach Erreichen der skelettalen Reife revidiert (Bandplastik mit Allograft).<br /> Bei ausgeprägten Instabilitäten kann eine Refixation/Raffung des gesamten Kapsel-Band-Apparats und der Extensoren mittels Nahtanker erfolgen. Hierbei wird ein Anker perkutan am Epikondylus eingebracht, um Kapsel, Bänder und Sehnen zu fassen und stabil zu fixieren (Abb. 6). Eine adäquate Visualisierung der Strukturen und ein anatomisch korrektes Einbringen des Ankers erfordern jedoch ein verhältnismässig hohes Mass an Erfahrung und intraartikulärer Orientierung, speziell bei muskelkräftigen Patienten mit schwer tastbarer knöcherner Anatomie. Es empfiehlt sich dabei, den oder die Anker eher zu proximal zu setzen und dann mit etwas weniger Zug an den Fäden zu kompensieren, als die Anker zu distal zu platzieren und eine Restinstabilität zu riskieren. Abweichungen des Ankers nach ventral oder posterior können zu Einschränkungen in Streckung oder Beugung führen und sollten vermieden werden. Studienergebnisse aus den USA zur arthroskopischen Stabilisierung des Ellbogens belegen sowohl die technische Machbarkeit als auch gute und der Bandplastik ebenbürtige Ergebnisse, auch bei Patienten mit hohem körperlichem Anspruch. Eine eigene Studie zur Ankertechnik zeigte sehr gute Ergebnisse im Mayo-Elbow-Performance-Score, im Andrews-Carson-Score und für Schmerz und Beweglichkeit postoperativ. Es gab keine Komplikationen oder Revision in dieser Gruppe.<br /> Es gibt Kontraindikationen für die rein arthroskopische Technik. Bei grösseren Substanzdefekten, wie sie z.B. nach häufigen Kortison-Infiltrationen vorkommen, kann eine Raffung unmöglich werden. Kleinere Begleitverletzungen, wie Knorpelschäden oder Frakturen, sind nur relative Kontraindikationen, aber wenn ein offenes Vorgehen nötig ist, dann kann die Stabilisierung durch diesen Zugang erfolgen. Kapseldefekte über der ventralen Mitte des Radiuskopfes (N. radialis) sowie auch Revisionen sind aufgrund der möglichen Komplikationen schlechte Kandidaten für eine rein arthroskopische Stabilisierung.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1804_Weblinks_lo_ortho_1804_s41_abb1+2.jpg" alt="" width="2150" height="987" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1804_Weblinks_lo_ortho_1804_s42_abb3+4.jpg" alt="" width="2442" height="1114" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1804_Weblinks_lo_ortho_1804_s43_abb5+6.jpg" alt="" width="1421" height="1895" /></p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Die posterolaterale Rotationsinstabilität ist eine wichtige Differenzialdiagnose des lateralen Ellbogenschmerzes. Konservative Therapieoptionen sind detailliert beschrieben, aber die Notwendigkeit einer Operation ist nicht selten. Hier entwickelt sich die arthroskopische Stabilisierung zur gewebeschonenden Alternative der offenen Bandplastik.</p> </div></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p>beim Verfasser</p>
</div>
</p>
Das könnte Sie auch interessieren:
«Auch Patienten mit Demenz profitieren von einer chirurgischen Stabilisierung»
Patienten mit Hüftfraktur und einer leichten, mittelschweren oder schweren Demenz haben ein geringeres Risiko zu sterben, wenn sie operiert werden – vor allem wenn es sich um Kopf-Hals- ...
Management periprothetischer Frakturen am Kniegelenk
Mit steigenden Versorgungszahlen der Knieendoprothetik und dem höheren Lebensalter entsprechend der Alterspyramide nimmt auch die Zahl der periprothetischen Frakturen zu und stellt die ...
Patellofemorale Instabilität
In diesem Übersichtsartikel möchten wir ein Update über die aktuelle Diagnostik und die konservativen wie auch operativen Behandlungsmöglichkeiten der patellofemoralen Instabilität geben.