
Der Stellenwert der Hüftarthroskopie in der Osteoarthritis: eine Bestandsaufnahme
Jatros
Autor:
OA Dr. Thomas Fingernagel
Klinikum Wels-Grieskirchen <br/> E-Mail: thomas.fingernagel@klinikum-wegr.at
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15.02.2018
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<p class="article-intro">Die arthroskopische Behandlung des Hüftgelenkes hat sich seit der Jahrtausendwende als Standardbehandlung des femoroacetabulären Impingements sowie zur Versorgung von Labrumläsionen etabliert. Die Indikationsstellung wurde zwar im Laufe der Zeit durch Techniken rekonstruktiver Eingriffe am Knorpel auch bei Osteoarthritis erweitert, offen bleibt jedoch die Frage, inwieweit Patienten mit milder bis schwerer Osteoarthritis von einem arthroskopischen Eingriff profitieren. Nach Durchsicht der aktuellen Literatur, kombiniert mit unserer Erfahrung von über 280 Hüftarthroskopien in den letzten 7 Jahren, versuchen wir, einen Konsens zu finden.</p>
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<p class="article-content"><p><strong>Aktuelle Literatur</strong></p> <p> </p> <p>Die ersten Berichte von Gelenkspiegelungen, welche mit einem starren Rohr an 90 Leichenpräparaten durchgeführt wurden, stammen von Burman 1931.<sup>1</sup> Darunter befanden sich insgesamt 20 Hüftgelenke. Burman kam zum Schluss, dass sich die Hüfte aufgrund ihrer Anatomie nicht für die Arthroskopie eignen würde. Auch Takagi berichtete bereits 1939<sup>2</sup> von 4 durchgeführten Hüftarthroskopien. Danach lässt sich bis in die 1970er-Jahre kein Eintrag in der Literatur finden, bis Aignan 1976<sup>3</sup> und Gross 1977<sup>4</sup> Arbeiten über 24 Arthroskopien an kindlichen Hüften publizierten. 1986 beschrieb die Arbeitsgruppe um Eriksson<sup>5</sup> die Distraktion des Hüftgelenkes im Operationssaal, die eine Beurteilung des zentralen Kompartiments ermöglichte.</p> <p>Durch die Weiterentwicklung der medizinischen Geräte und Verbesserungen der Operationstechnik stieg die Anzahl der durchgeführten Hüftarthroskopien stetig. Während sie in einer Publikation von 1992 auf 500 geschätzt wurde, lag sie in einer Arbeit von Dienst und Kohn 2001<sup>6</sup> bereits bei über 5000. Darin präsentierten die Autoren auch eine Weiterentwicklung der operativen Technik, mit der sie sowohl das periphere als auch das zentrale Kompartiment in einer Sitzung behandeln konnten.</p> <p>Die Liste der Indikationen wurde zunehmend erweitert. Neben den bereits angeführten klassischen Indikationen des femoroacetabulären Impingements (FAI; Cam- und Pincer-Impingement), der septischen Arthritis sowie der Bergung von freien Gelenkkörpern konnten auch bei der Behandlung von Knorpeldefekten mithilfe der Abrasionsarthroplastik und mit Microfracturing zunehmend gute Ergebnisse dokumentiert werden.</p> <p>In einer Aufstellung von Möckel 2014<sup>7</sup> bzw. 2015 im Jahresbericht der Freien Universität Berlin wurden die aus der Kniechirurgie bekannten Techniken der AMIC und der ACT auch zur Behandlung von Knorpeldefekten im Hüftbereich vorgestellt. Die chirurgisch sehr anspruchsvollen Techniken zeigen in den ersten Nachuntersuchungen unterschiedliche Ergebnisse. Im Vergleich mit der deutlich einfacheren Abrasionsarthroplastik und dem Microfracturing findet sich in den ersten Arbeiten kein wesentlicher Vorteil für diese kostenintensiven Therapieformen. Fontana et al.<sup>8</sup> zeigten bei einer sehr kleinen Patientengruppe einen Vorteil in der AMIC-Gruppe im Vergleich zu den Patienten mit Microfracturing, insbesondere bei Defekten über 4cm².</p> <p>Schon früher wurden osteochondrale Defekte des Hüftgelenks mit der AMIC-Technik versorgt,<sup>9, 10</sup> der Zugang erfolgte dabei über eine chirurgische Hüftluxation. Die Ergebnisse waren teilweise vielversprechend, die Invasivität der chirurgischen Hüftluxation, welche eine sehr anspruchsvolle operative Technik darstellt, steht jedoch in einem fraglichen Verhältnis zum Benefit.</p> <p>Rittmeister et al. fanden 2005<sup>11</sup> bei 4 von 5 Patienten, welche mit einer autologen Chondrozytentransplantation versorgt wurden, ein schlechtes Ergebnis, da es bereits in einem mittleren Beobachtungszeitraum von 49 Monaten zur Implantation einer TEP kam.</p> <p>Der Ansatz, die Behandlung von Knorpeldefekten arthroskopisch durchzuführen, erscheint aufgrund der geringen Invasivität sehr sinnvoll, auch die publizierten Ergebnisse sind vielversprechend. Für eine generelle Empfehlung bedarf es allerdings noch größerer Patientengruppen und eines längeren Nachbeobachtungszeitraums, um die aufwendige Technik zu rechtfertigen.</p> <p> </p> <p><strong>Arthroskopie bei Osteoarthritis</strong></p> <p> </p> <p>Die Therapie der Osteoarthritis mittels Hüftgelenksarthroskopie bleibt eine sehr kontroversiell diskutierte Indikation. Wie viel Arthrose ist zu viel für eine erfolgversprechende Hüftarthroskopie? Auf diese Frage gibt es in der Literatur keine eindeutige Antwort.</p> <p>Zur Bestimmung des Arthrosegrades wurde in annähernd allen Studien neben der radiologischen Klassifikation nach Tönnis die Einteilung nach Outerbridge verwendet, welche 1961 vorgestellt wurde. Die prä- und postoperative Beweglichkeit wurde mit dem Harris-Hip-Score und dem WOMAC-Score teilweise sehr uneinheitlich dokumentiert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1801_Weblinks_s10.jpg" alt="" width="2150" height="581" /></p> <p>Haviv et al.<sup>12</sup> fanden 2010 in einer Übersichtsarbeit über 564 Hüftarthroskopien bei Osteoarthritis eine frühzeitige Konversion zur H-TEP in 16 % der Fälle. Bei milder Arthritis zeigte sich eine Konversion nach durchschnittlich 2,2 Jahren, während bei höherem Arthrosegrad und bei höherem Patientenalter eine Konversion bereits nach 1,1 Jahren, bei einem maximalen Follow-up von 4,8 Jahren, auffällig war.</p> <p>In einer systematischen Review-Arbeit fand Kemp 2015,<sup>13</sup> dass der Erfolg der Hüftarthroskopie nicht nur vom Arthrosegrad, sondern auch vom Alter abhängt. Auch hier konnte beobachtet werden, dass Patienten ohne fassbare Osteoarthritis deutlich mehr von einer Hüftarthroskopie profitieren konnten.</p> <p>Eine PubMed-Datenanalyse von Domb 2015<sup>14</sup> zeigte bei einer Datenlage von 518 Artikeln und mehr als 2000 Hüftarthro­skopien, dass die erfassten Daten nicht suffizient sind, um einen eindeutigen Cut-off für die Hüftarthroskopie festzulegen. Er fand jedoch eine Korrelation der radiologisch vermessenen Gelenkspaltweite (<2mm) und eines höheren Arthrosegrads (Tönnis > 2) mit einer frühzeitigen Konversion zur H-TEP nach durchgeführter Arthroskopie.</p> <p>Auch in einer aktuellen Arbeit von Viswanath und Khanduja 2017,<sup>15</sup> welche sich auf Ergebnisse von bereits angeführten Studien beruft, ergibt sich keine eindeutige Empfehlung bezüglich des operativen Prozederes bei Osteoarthritis. Zeichen von Abnormitäten im a.p. Röntgenbild, Zeichen eines FAI oder eines „posterior wall sign“ werden als Prädilektionsfaktoren für die Osteoarthritis gewertet. Eine Verschmälerung des Gelenkspaltes auf unter 2mm, Arthrosezeichen nach Tönnis >2 sowie ein Patientenalter über 50 Jahre werden konkordant zu den zuvor angeführten Arbeiten als Risikofaktoren für eine frühzeitige Konversion zur H-TEP beschrieben.</p> <p> </p> <p><strong>Diskussion</strong></p> <p> </p> <p>Die Hüftarthroskopie hat in den letzten 10 bis 15 Jahren eine eindrucksvolle Entwicklung durchgemacht. Die klassischen Indikationen des FAI, der septischen Arthritis und der Bergung freier Gelenkkörper sind unbestritten und in vielen Publikationen mit guten Ergebnissen bestätigt.</p> <p>Die Therapie von Knorpeldefekten mit der AMIC- und ACT-Technik scheint bei strenger Indikationsstellung gute Ergebnisse zu bringen. Die aktuelle Datenlage scheint die in die Methoden gesetzten Erwartungen noch nicht zur Gänze zu bestätigen, unserer Meinung nach sind diesbezüglich längere Nachbeobachtungszeiträume abzuwarten.</p> <p>Die radiologische Verschmälerung des Gelenkspaltes auf unter 2mm, radiologische Zeichen einer Arthrose nach Tönnis >2 (der Arthrosegrad Tönnis 2 selbst bleibt in einer gewissen Grauzone) und das Alter des Patienten (über 50 Jahre) lassen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine frühzeitige Konversion zur TEP erwarten.</p> <p>Ähnliche Ergebnisse sehen wir auch bei unseren Patienten. Besonders bei grenzwertiger Indikationsstellung sollte der mögliche Nutzen der Operation der Gefahr einer frühzeitigen Konversion zur H-TEP gegenübergestellt und dies ausführlich mit dem Patienten besprochen werden. Ein klarer Behandlungsalgorithmus für die Hüftarthroskopie bei Osteoarthritis ist aus der vorliegenden Literatur nach wie vor nicht abzuleiten, weshalb diese Entscheidung auch in absehbarer Zukunft in einer Grauzone getroffen werden wird.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Burman MS: Arthroscopy or the direct visualization of joints: an experimental cadaver study. J Bone Joint Surg 1931; 13: 66995 <strong>2</strong> Takagi K: The arthroscope. The Journal of the Japanese Orthopaedic Association 1939; 14: 359-61 <strong>3</strong> Aignan M: Arthroscopy of the hip. In: Proceedings of the International Association of Arthroscopy. Rev Int Rheumatol 1976; 33: 458 <strong>4</strong> Gross RH: Arthroscopy in hip disorders in children. Orthop Rev 1977: 43-9 <strong>5</strong> Eriksson E et al.: Diagnostic and operative arthroscopy of the hip. Orthopedics 1986; 9(2): 169-76 <strong>6</strong> Dienst M, Kohn D: Hüftarthroskopie. Unfallchirurg 2001; 104: 2-18 <strong>7</strong> Arthroskopische Therapie von Knorpelschäden im Hüftgelenk. Bewährtes und Innovationen. Arthroskopie 2014; 27, (2): 118-24 <strong>8</strong> Fontana A, de Girolamo L: Sus­tained five-year benefit of autologous matrix-induced chondrogenesis for femoral acetabular impingement-induced chondral lesions compared with microfracture treatment. Bone Joint J 2015; 97-B(5): 628-35 <strong>9</strong> Nam D et al.: Traumatic osteochondral injury of the femoral head treated by mosaicplasty: a report of two cases. HSS J 2010; 6(2): 228-34 <strong>10</strong> Leunig M: Surgical technique: Second-generation bone marrow stimulation via surgical dislocation to treat hip cartilage lesions. Clin Orthop Relat Res 2012; 470(12): 3421-31 <strong>11</strong> Rittmeister M et al.: 5-Jahres-Ergebnisse nach autologer Knorpel-Knochen-Transplantation bei Hüftkopfnekrose. Orthopäde 2005; 34(4): 320, 322-6 <strong>12</strong> Haviv B et al.: The incidence of total hip arthroplasty after hip arthroscopy in osteoarthritic patients. Sports Med Arthrosc Rehabil Ther Technol 2010; 2: 18 <strong>13</strong> Kemp JL et al.: Hip arthroscopy in the setting of hip osteoarthritis: systematic review of out­comes and progression to hip arthroplasty. Clin Orthop Relat Res 2015; 473(3): 1055-73 <strong>14</strong> Domb BG et al.: How much arthritis is too much for hip arthroscopy: a systematic review. Arthroscopy 2015; 31(3): 520-9 <strong>15</strong> Viswanath A, Khanduja V: Can hip arthroscopy in the presence of arthritis delay the need for hip arthroplasty? J Hip Preserv Surg 2017; 4(1): 3-8</p>
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