Der Stellenwert der Hüftarthroskopie in der Osteoarthritis: eine Bestandsaufnahme

<p class="article-intro">Die arthroskopische Behandlung des Hüftgelenkes hat sich seit der Jahrtausendwende als Standardbehandlung des femoroacetabulären Impingements sowie zur Versorgung von Labrumläsionen etabliert. Die Indikationsstellung wurde zwar im Laufe der Zeit durch Techniken rekonstruktiver Eingriffe am Knorpel auch bei Osteoarthritis erweitert, offen bleibt jedoch die Frage, inwieweit Patienten mit milder bis schwerer Osteoarthritis von einem arthroskopischen Eingriff profitieren. Nach Durchsicht der aktuellen Literatur, kombiniert mit unserer Erfahrung von über 280 Hüftarthroskopien in den letzten 7 Jahren, versuchen wir, einen Konsens zu finden.</p> <hr /> <p class="article-content"><p><strong>Aktuelle Literatur</strong></p> <p>&nbsp;</p> <p>Die ersten Berichte von Gelenkspiegelungen, welche mit einem starren Rohr an 90 Leichenpr&auml;paraten durchgef&uuml;hrt wurden, stammen von Burman 1931.<sup>1</sup> Darunter befanden sich insgesamt 20 H&uuml;ftgelenke. Burman kam zum Schluss, dass sich die H&uuml;fte aufgrund ihrer Anatomie nicht f&uuml;r die Arthroskopie eignen w&uuml;rde. Auch Takagi berichtete bereits 1939<sup>2</sup> von 4 durchgef&uuml;hrten H&uuml;ftarthroskopien. Danach l&auml;sst sich bis in die 1970er-Jahre kein Eintrag in der Literatur finden, bis Aignan 1976<sup>3</sup> und Gross 1977<sup>4</sup> Arbeiten &uuml;ber 24 Arthroskopien an kindlichen H&uuml;ften publizierten. 1986 beschrieb die Arbeitsgruppe um Eriksson<sup>5</sup> die Distraktion des H&uuml;ftgelenkes im Operationssaal, die eine Beurteilung des zentralen Kompartiments erm&ouml;glichte.</p> <p>Durch die Weiterentwicklung der medizinischen Ger&auml;te und Verbesserungen der Operationstechnik stieg die Anzahl der durchgef&uuml;hrten H&uuml;ftarthroskopien stetig. W&auml;hrend sie in einer Publikation von 1992 auf 500 gesch&auml;tzt wurde, lag sie in einer Arbeit von Dienst und Kohn 2001<sup>6</sup> bereits bei &uuml;ber 5000. Darin pr&auml;sentierten die Autoren auch eine Weiterentwicklung der operativen Technik, mit der sie sowohl das periphere als auch das zentrale Kompartiment in einer Sitzung behandeln konnten.</p> <p>Die Liste der Indikationen wurde zunehmend erweitert. Neben den bereits angef&uuml;hrten klassischen Indikationen des femoroacetabul&auml;ren Impingements (FAI; Cam- und Pincer-Impingement), der septischen Arthritis sowie der Bergung von freien Gelenkk&ouml;rpern konnten auch bei der Behandlung von Knorpeldefekten mithilfe der Abrasionsarthroplastik und mit Microfracturing zunehmend gute Ergebnisse dokumentiert werden.</p> <p>In einer Aufstellung von M&ouml;ckel 2014<sup>7</sup> bzw. 2015 im Jahresbericht der Freien Universit&auml;t Berlin wurden die aus der Kniechirurgie bekannten Techniken der AMIC und der ACT auch zur Behandlung von Knorpeldefekten im H&uuml;ftbereich vorgestellt. Die chirurgisch sehr anspruchsvollen Techniken zeigen in den ersten Nachuntersuchungen unterschiedliche Ergebnisse. Im Vergleich mit der deutlich einfacheren Abrasionsarthroplastik und dem Microfracturing findet sich in den ersten Arbeiten kein wesentlicher Vorteil f&uuml;r diese kostenintensiven Therapieformen. Fontana et al.<sup>8</sup> zeigten bei einer sehr kleinen Patientengruppe einen Vorteil in der AMIC-Gruppe im Vergleich zu den Patienten mit Microfracturing, insbesondere bei Defekten &uuml;ber 4cm&sup2;.</p> <p>Schon fr&uuml;her wurden osteochondrale Defekte des H&uuml;ftgelenks mit der AMIC-Technik versorgt,<sup>9, 10</sup> der Zugang erfolgte dabei &uuml;ber eine chirurgische H&uuml;ftluxation. Die Ergebnisse waren teilweise vielversprechend, die Invasivit&auml;t der chirurgischen H&uuml;ftluxation, welche eine sehr anspruchsvolle operative Technik darstellt, steht jedoch in einem fraglichen Verh&auml;ltnis zum Benefit.</p> <p>Rittmeister et al. fanden 2005<sup>11</sup> bei 4 von 5 Patienten, welche mit einer autologen Chondrozytentransplantation versorgt wurden, ein schlechtes Ergebnis, da es bereits in einem mittleren Beobachtungszeitraum von 49 Monaten zur Implantation einer TEP kam.</p> <p>Der Ansatz, die Behandlung von Knorpeldefekten arthroskopisch durchzuf&uuml;hren, erscheint aufgrund der geringen Invasivit&auml;t sehr sinnvoll, auch die publizierten Ergebnisse sind vielversprechend. F&uuml;r eine generelle Empfehlung bedarf es allerdings noch gr&ouml;&szlig;erer Patientengruppen und eines l&auml;ngeren Nachbeobachtungszeitraums, um die aufwendige Technik zu rechtfertigen.</p> <p>&nbsp;</p> <p><strong>Arthroskopie bei Osteoarthritis</strong></p> <p>&nbsp;</p> <p>Die Therapie der Osteoarthritis mittels H&uuml;ftgelenksarthroskopie bleibt eine sehr kontroversiell diskutierte Indikation. Wie viel Arthrose ist zu viel f&uuml;r eine erfolgversprechende H&uuml;ftarthroskopie? Auf diese Frage gibt es in der Literatur keine eindeutige Antwort.</p> <p>Zur Bestimmung des Arthrosegrades wurde in ann&auml;hernd allen Studien neben der radiologischen Klassifikation nach T&ouml;nnis die Einteilung nach Outerbridge verwendet, welche 1961 vorgestellt wurde. Die pr&auml;- und postoperative Beweglichkeit wurde mit dem Harris-Hip-Score und dem WOMAC-Score teilweise sehr uneinheitlich dokumentiert.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1801_Weblinks_s10.jpg" alt="" width="2150" height="581" /></p> <p>Haviv et al.<sup>12</sup> fanden 2010 in einer &Uuml;bersichtsarbeit &uuml;ber 564 H&uuml;ftarthroskopien bei Osteoarthritis eine fr&uuml;hzeitige Konversion zur H-TEP in 16 % der F&auml;lle. Bei milder Arthritis zeigte sich eine Konversion nach durchschnittlich 2,2 Jahren, w&auml;hrend bei h&ouml;herem Arthrosegrad und bei h&ouml;herem Patientenalter eine Konversion bereits nach 1,1 Jahren, bei einem maximalen Follow-up von 4,8 Jahren, auff&auml;llig war.</p> <p>In einer systematischen Review-Arbeit fand Kemp 2015,<sup>13</sup> dass der Erfolg der H&uuml;ftarthroskopie nicht nur vom Arthrosegrad, sondern auch vom Alter abh&auml;ngt. Auch hier konnte beobachtet werden, dass Patienten ohne fassbare Osteoarthritis deutlich mehr von einer H&uuml;ftarthroskopie profitieren konnten.</p> <p>Eine PubMed-Datenanalyse von Domb 2015<sup>14</sup> zeigte bei einer Datenlage von 518 Artikeln und mehr als 2000 H&uuml;ftarthro&shy;skopien, dass die erfassten Daten nicht suffizient sind, um einen eindeutigen Cut-off f&uuml;r die H&uuml;ftarthroskopie festzulegen. Er fand jedoch eine Korrelation der radiologisch vermessenen Gelenkspaltweite (&lt;2mm) und eines h&ouml;heren Arthrosegrads (T&ouml;nnis &gt; 2) mit einer fr&uuml;hzeitigen Konversion zur H-TEP nach durchgef&uuml;hrter Arthroskopie.</p> <p>Auch in einer aktuellen Arbeit von Viswanath und Khanduja 2017,<sup>15</sup> welche sich auf Ergebnisse von bereits angef&uuml;hrten Studien beruft, ergibt sich keine eindeutige Empfehlung bez&uuml;glich des operativen Prozederes bei Osteoarthritis. Zeichen von Abnormit&auml;ten im a.p. R&ouml;ntgenbild, Zeichen eines FAI oder eines &bdquo;posterior wall sign&ldquo; werden als Pr&auml;dilektionsfaktoren f&uuml;r die Osteoarthritis gewertet. Eine Verschm&auml;lerung des Gelenkspaltes auf unter 2mm, Arthrosezeichen nach T&ouml;nnis &gt;2 sowie ein Patientenalter &uuml;ber 50 Jahre werden konkordant zu den zuvor angef&uuml;hrten Arbeiten als Risikofaktoren f&uuml;r eine fr&uuml;hzeitige Konversion zur H-TEP beschrieben.</p> <p>&nbsp;</p> <p><strong>Diskussion</strong></p> <p>&nbsp;</p> <p>Die H&uuml;ftarthroskopie hat in den letzten 10 bis 15 Jahren eine eindrucksvolle Entwicklung durchgemacht. Die klassischen Indikationen des FAI, der septischen Arthritis und der Bergung freier Gelenkk&ouml;rper sind unbestritten und in vielen Publikationen mit guten Ergebnissen best&auml;tigt.</p> <p>Die Therapie von Knorpeldefekten mit der AMIC- und ACT-Technik scheint bei strenger Indikationsstellung gute Ergebnisse zu bringen. Die aktuelle Datenlage scheint die in die Methoden gesetzten Erwartungen noch nicht zur G&auml;nze zu best&auml;tigen, unserer Meinung nach sind diesbez&uuml;glich l&auml;ngere Nachbeobachtungszeitr&auml;ume abzuwarten.</p> <p>Die radiologische Verschm&auml;lerung des Gelenkspaltes auf unter 2mm, radiologische Zeichen einer Arthrose nach T&ouml;nnis &gt;2 (der Arthrosegrad T&ouml;nnis 2 selbst bleibt in einer gewissen Grauzone) und das Alter des Patienten (&uuml;ber 50 Jahre) lassen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine fr&uuml;hzeitige Konversion zur TEP erwarten.</p> <p>&Auml;hnliche Ergebnisse sehen wir auch bei unseren Patienten. Besonders bei grenzwertiger Indikationsstellung sollte der m&ouml;gliche Nutzen der Operation der Gefahr einer fr&uuml;hzeitigen Konversion zur H-TEP gegen&uuml;bergestellt und dies ausf&uuml;hrlich mit dem Patienten besprochen werden. Ein klarer Behandlungsalgorithmus f&uuml;r die H&uuml;ftarthroskopie bei Osteoarthritis ist aus der vorliegenden Literatur nach wie vor nicht abzuleiten, weshalb diese Entscheidung auch in absehbarer Zukunft in einer Grauzone getroffen werden wird.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Burman MS: Arthroscopy or the direct visualization of joints: an experimental cadaver study. J Bone Joint Surg 1931; 13: 66995 <strong>2</strong> Takagi K: The arthroscope. The Journal of the Japanese Orthopaedic Association 1939; 14: 359-61 <strong>3</strong> Aignan M: Arthroscopy of the hip. In: Proceedings of the International Association of Arthroscopy. Rev Int Rheumatol 1976; 33: 458 <strong>4</strong> Gross RH: Arthroscopy in hip disorders in children. Orthop Rev 1977: 43-9 <strong>5</strong> Eriksson E et al.: Diagnostic and operative arthroscopy of the hip. Orthopedics 1986; 9(2): 169-76 <strong>6</strong> Dienst M, Kohn D: H&uuml;ftarthroskopie. Unfallchirurg 2001; 104: 2-18 <strong>7</strong> Arthroskopische Therapie von Knorpelsch&auml;den im H&uuml;ftgelenk. Bew&auml;hrtes und Innovationen. Arthroskopie 2014; 27, (2): 118-24 <strong>8</strong> Fontana A, de Girolamo L: Sus&shy;tained five-year benefit of autologous matrix-induced chondrogenesis for femoral acetabular impingement-induced chondral lesions compared with microfracture treatment. Bone Joint J 2015; 97-B(5): 628-35 <strong>9</strong> Nam D et al.: Traumatic osteochondral injury of the femoral head treated by mosaicplasty: a report of two cases. HSS J 2010; 6(2): 228-34 <strong>10</strong> Leunig M: Surgical technique: Second-generation bone marrow stimulation via surgical dislocation to treat hip cartilage lesions. Clin Orthop Relat Res 2012; 470(12): 3421-31 <strong>11</strong> Rittmeister M et al.: 5-Jahres-Ergebnisse nach autologer Knorpel-Knochen-Transplantation bei H&uuml;ftkopfnekrose. Orthop&auml;de 2005; 34(4): 320, 322-6 <strong>12</strong> Haviv B et al.: The incidence of total hip arthroplasty after hip arthroscopy in osteoarthritic patients. Sports Med Arthrosc Rehabil Ther Technol 2010; 2: 18 <strong>13</strong> Kemp JL et al.: Hip arthroscopy in the setting of hip osteoarthritis: systematic review of out&shy;comes and progression to hip arthroplasty. Clin Orthop Relat Res 2015; 473(3): 1055-73 <strong>14</strong> Domb BG et al.: How much arthritis is too much for hip arthroscopy: a systematic review. Arthroscopy 2015; 31(3): 520-9 <strong>15</strong> Viswanath A, Khanduja V: Can hip arthroscopy in the presence of arthritis delay the need for hip arthroplasty? J Hip Preserv Surg 2017; 4(1): 3-8</p> </div> </p>
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