
Der direkte vordere Zugang zum Hüftgelenk unter Verwendung der «Bikini-Inzision»
Leading Opinions
Autor:
Prof. Dr. med. Michael Leunig
Schulthess Klinik, Zürich
Autor:
PD Dr. med. Hannes A. Rüdiger
Schulthess Klinik, Zürich<br> E-Mail: hannes.ruediger@kws.ch
Autor:
Jens Hutmacher
Schulthess Klinik, Zürich
30
Min. Lesezeit
22.11.2018
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<p class="article-intro">In der modernen Endoprothetik des Hüftgelenkes erfreut sich der direkte vordere Zugang nach Hueter zunehmender Beliebtheit. Es handelt sich dabei um den einzigen internervalen und intermuskulären Zugang zum Hüftgelenk. In diesem Artikel beschreiben wir die Modifikation der Hautinzision, welche der Inguinalfalte und somit den Langer’schen Hautspaltlinien folgt.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Bei dem direkten vorderen Zugang handelt es sich um einen intermuskulären und internervalen Zugang zum Hüftgelenk.</li> <li>Die hier beschriebene Bikini- Inzision ist quer zur klassisch longitudinalen Inzision orientiert und folgt den Hautspaltlinien.</li> <li>Dies führt zu einer verbesserten Wundheilung und einer höheren Patientenzufriedenheit.</li> <li>Das kosmetische Resultat ist besser, ohne dass hierfür Risiken in Kauf genommen werden müssen.</li> </ul> </div> <p>Die Coxarthrose stellt die häufigste Pathologie des Hüftgelenkes dar und eine endoprothetische Versorgung gilt als etablierter Standard. Aufgrund der zunehmenden Alterung der Bevölkerung ist zukünftig mit einem steigenden Interventionsbedarf zu rechnen.<br /> Die Endoprothetik des Hüftgelenkes hat seit ihren Anfängen in der Mitte des letzten Jahrhunderts eine eindrückliche Entwicklung durchlaufen und kann heute mit herausragenden Resultaten betreffend Patientenzufriedenheit, Funktion und Langlebigkeit aufwarten. Es haben sich verschiedene operative Zugangswege etabliert, diese variieren regional.<br /> Der direkte vordere Zugang wurde erstmals 1882 von Hueter zur Behandlung von Kriegsverletzungen am Hüftgelenk beschrieben, eine weitere Verbreitung und die erste Implantation einer Prothese erfolgten in den 1950er-Jahren durch die Brüder Judet in Frankreich.<sup>1</sup> In der Schweiz wurden 2016 gemäss dem Nationalen Prothesenregister SIRIS 44 % aller primären Hüfttotalprothesen durch diesen Zugang implantiert, zudem wurden 15 % der Revisionen durch diesen Zugang vorgenommen.<sup>2</sup></p> <p>Bei der Verwendung des direkten vorderen Zuganges kann die Anatomie respektiert werden, da es sich hierbei um den einzigen Zugang zum Hüftgelenk handelt, der intermuskulär und internerval erfolgt. Auch wenn langfristige Ergebnisse des direkten vorderen Zuganges vergleichbare Resultate mit anderen Zugängen zeigten, entsteht im Vergleich zu den häufig verwendeten dorsalen oder transglutealen Zugängen ein geringerer Weichteilschaden.<sup>3–5</sup> In den ersten postoperativen Wochen und Monaten wurden von verschiedenen Autoren weniger Schmerzen und eine schnellere Mobilisation beschrieben, was kürzere Hospitalisationszeiten und geringere Kosten ermöglicht.<sup>6–8</sup> In Vergleichen mit anderen Zugängen werden niedrige Luxationsraten angegeben.<sup>9, 10</sup><br /> Für den direkten vorderen Zugang wurden verschiedene Techniken beschrieben. Wir führen die Operation in Rückenlage ohne Traktionstisch durch.<sup>11, 12</sup> Es wird lediglich die zu operierende Hüfte desinfiziert und mit einem sterilen Tuch mit transparenter Folie abgedeckt (Abb. 1).<br /> Bei dem klassischen direkten vorderen Zugang erfolgt eine Längsinzision der Haut direkt über dem Intervall zwischen dem M. tensor fasciae latae und M. rectus femoris. Die Inzision erfolgt dabei quer zu den Hautspaltlinien und somit quer zu den Kollagenfasern der Haut. Es resultiert eine vermehrte Spannung auf die Wundränder und Ecken, welche sich ungünstig auf die primäre Wundheilung auswirkt. Durch die Verwendung eines schräg orientierten Schnittes entlang der Leistenbeugefalte, welche wir als «Bikini-Inzision» publizierten, folgt die Inzision den Langer’schen Hautspaltlinien. Seit unserem Originalbeschrieb<sup>11</sup> haben wir die Technik etwas modifiziert, indem wir die Inzision nun komplett lateral der Spina iliaca anterior superior platzieren (Abb. 2), nicht wie initial beschrieben 1/3 medial und 2/3 lateral.<br /> Grundsätzliche Bedenken vor Etablierung der Bikini-Inzision waren, dass es zu häufigeren Verletzungen des N. cutaneus femoris lateralis kommt.<sup>13</sup> Die Inzision erfolgt im Leistengebiet, sodass wir eine erhöhte Zahl an Frühinfekten befürchteten. Aufgrund der etwas schlechteren Übersicht befürchteten wir eine schlechtere Positionierung der eingebrachten Implantate. Initial war auch unklar, ob das Einbringen von femoralen Cerclagen bei der Schaftsprengung möglich ist.<sup>14</sup> Diese Bedenken haben sich nicht bestätigt. Ein Nachteil der Bikini-Inzision ist sicher, dass eine proximale oder distale Erweiterung nicht möglich ist.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1804_Weblinks_lo_ortho_1804_s18_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="1349" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1804_Weblinks_lo_ortho_1804_s19_abb2.jpg" alt="" width="1418" height="1183" /></p> <h2>Unsere Erfahrungen</h2> <p>Die Auswertung einer initialen Fallserie mit 26 Patienten zeigte schmalere und kürzere Narben. An einem Kollektiv von 964 Patienten konnten wir in einer retrospektiven Folgestudie zeigen, dass die Verwendung der Bikini-Inzision keinen Einfluss auf die Implantatpositionierung hat und auch nicht zu einer erhöhten Revisionsrate führt. Die Patienten zeigten sich zufriedener mit dem kosmetischen Ergebnis und wiesen weniger Taubheitsgefühl im Versorgungsgebiet des N. cutaneus femoris lateralis auf.<br /> Die Verwendung der Bikini-Inzision führte weder zu höheren Komplikationsraten noch zu einem höheren Blutverlust, sodass die Operationsmethode als sicher bezeichnet werden kann.<sup>15</sup> Initial wurde der Bikini-Zugang nur bei ausgewählten, schlanken Patienten durchgeführt. Inzwischen haben wir die Indikation auf adipöse Patienten erweitert, da gerade bei dieser Patientengruppe mit einer Bikini-Inzision die sonst erhöhten Zug- und Scherkräften, die auf die Hautinzision einwirken, reduziert werden können.<br /> Bei Revisionseingriffen durch einen direkten anterioren Zugang verwenden wir die klassische longitudinale Inzision, da diese sowohl nach proximal (z.B. Ablösen des M. tensor fasciae latae oder Osteotomie der Spina iliaca anterior superior zur besseren Darstellung der Vorderwand) wie auch limitiert nach distal erweitert werden kann. In einigen Fällen haben wir aus diesen Gründen nach Bikini-Inzision bei der Primärimplantation dann eine kreuzende longitudinale Inzision vorgenommen, ohne dass es zu Hautnekrosen gekommen ist (Abb. 3). Das Einbringen einer Cerclage bei Kalkarfissuren ist durch eine Bikini-Inzision bei Bedarf möglich (Abb. 4).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1804_Weblinks_lo_ortho_1804_s19_abb3.jpg" alt="" width="2150" height="838" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1804_Weblinks_lo_ortho_1804_s20_abb4.jpg" alt="" width="350" height="773" /></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Rachbauer F et al.: Orthop Clin North Am 2009; 40(3): 311-20 <strong>2</strong> SIRIS so, ANQ, SwissRDL: SIRIS Report 2012– 2016. Annual Report of the Swiss National Joint Registry, Hip and Knee, 2018 <strong>3</strong> Bremer AK et al.: J Bone Joint Surg Br 2011; 93(7): 886-9 <strong>4</strong> Lanting BA et al.: Hip Int 2017; 27(4): 397-400 <strong>5</strong> Barnett SL et al.: J Arthroplasty 2016; 31(10): 2291-4 <strong>6</strong> Goebel S et al.: Int Orthop 2012; 36(3): 491-8 <strong>7</strong> Zawadsky MW et al.: J Arthroplasty 2014; 29(6): 1256-60 <strong>8</strong> Wang Z et al.: J Orthop Surg Res 2018; 13(1): 229 <strong>9</strong> Sheth D et al.: Clin Orthop Relat Res 2015; 473(11): 3401-8 <strong>10</strong> Miller LE et al.: Acta Orthop 2018; 89(3): 289-94 <strong>11</strong> Leunig M et al.: Clin Orthop Relat Res 2013; 4 71(7): 2245-52 <strong>12</strong> Jewett BA, Collis DK: Clin Orthop Relat Res 2011; 469(2): 503-7 <strong>13</strong> Goulding K et al.: Clin Orthop Relat Res 2010; 468(9): 2397-404 <strong>14</strong> Grob K et al.: J Bone Joint Surg Am 2015; 97(2): 126-32 <strong>15</strong> Leunig M et al.: Bone Joint J 2018; 100-B(7): 853-61</p>
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</p>
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