ECTES 2018

Bringing the Light

<p class="article-intro">Der 19. European Congress of Trauma and Emergency Surgery (ECTES) fand vom 6. bis 8. Mai im Kongresspalast in Valencia unter dem Motto „Bringing the Light“ statt. Organisiert durch ein international besetztes Komitee und unterstützt von der Spanish Surgeons Association (AEC) wurde ein sehr breit gefächertes Programm geboten. Wie in den Jahren zuvor waren auch diesmal die einzelnen Blöcke analog den verschiedenen ESTES-Sektionen, z.B. „Emergency Surgery“, „Disaster &amp; Military“, „Skeletal Trauma &amp; Sports Medicine“, „Polytrauma“, „Visceral Trauma“ und „Education“ geordnet, was die Orientierung auf dem Kongress wesentlich erleichterte. </p> <hr /> <p class="article-content"><p>Tag 1</p> <p>Als neues Format wurden zum Beispiel &bdquo;Pro and con&ldquo;-Sessions ins Kongressprogramm integriert, und diese erwiesen sich zum Teil als besonders spannende und lehrreiche Streitgespr&auml;che. Zum Thema &bdquo;Bleeding Control in Pelvic Trauma&ldquo; debattierten Prof. Demitriades (Los Angeles) und Prof. Giannoudis (Leeds) &uuml;ber den Routineeinsatz des &bdquo;pelvic binder&ldquo;. W&auml;hrend Prof. Giannoudis den Einsatz als berechtigt und bestens bew&auml;hrt darstellte, hinterfragte Demitriades ihn sehr kritisch. In dessen Untersuchung von mehreren hundert instabilen Beckenringfrakturen in Kalifornien zeigte sich n&auml;mlich nur bei sehr wenigen F&auml;llen ein potenzieller Vorteil (klassische B-Verletzung/&bdquo;open book&ldquo;), jedoch bei der Mehrzahl der Patienten (laterale Kompressionsfrakturen etc.) ein potenzielles Risiko f&uuml;r Sekund&auml;rverletzungen. Aus dieser Kontroverse ergab sich eine ausgesprochen lehrreiche Session. Auch wenn in der abschlie&szlig;enden Befragung des Auditoriums die Mehrzahl weiterhin f&uuml;r den Einsatz des &bdquo;pelvic binder&ldquo; pl&auml;dierte, so war zumindest der eindringliche Appell von Prof. Demitriades, den unkritischen Einsatz von neuen, &bdquo;fancy&ldquo; und scheinbar hilfreichen Instrumenten einer entsprechenden wissenschaftlichen Analyse zu unterziehen, als berechtigt im Publikum aufgenommen worden. <br />Im weiteren Verlauf der Session wurde &uuml;ber wachsende Indikationen der angiografischen/interventionellen Blutungskontrolle (Prof. Lustenberger) sowie die Indikationen zum &bdquo;pelvic packing&ldquo; (Munoz Vives) bzw. zur REBOA (&bdquo;resuscitative endovascular balloon occlusion of the aorta&ldquo;) diskutiert. <br />Das EFORT-Gastsymposium befasste sich mit dem Problem proximaler Femurfrakturen, insbesondere im Kontext einer Antikoagulation und der aktuellen Evidenz. Als hilfreiches Instrument im klinischen Alltag wurde der EFORT-Algorithmus f&uuml;r antikoagulierte Patienten mit h&uuml;ftgelenksnahen Femurfrakturen vorgestellt. Zudem wurde die Modifikation der Garden-Klassifikation (1+2 = A) vorgestellt, die eine g&uuml;nstigere Interobserver-&Uuml;bereinstimmung erwarten l&auml;sst. Prof. Josten aus Leipzig betonte in seinem Vortrag ausdr&uuml;cklich, dass ein Versagen der prim&auml;ren Osteosynthese bei pertrochant&auml;ren Femurfrakturen zu einer deutlichen Steigerung der Morbidit&auml;t und Mortalit&auml;t f&uuml;hrt. Bei Versagen m&uuml;sse die Revisionsoperation eine definitive L&ouml;sung darstellen. Dr. Mu&ntilde;os Vives aus Andorra referierte &uuml;ber implantatassoziierte Frakturen und demonstrierte mehrere Kasuistiken mit verschiedene Varianten des Osteosyntheseversagens und das entsprechende operative Komplikationsmanagement. <br />Prof. Marzi (Frankfurt), Herausgeber des Standardwerkes &bdquo;Kindertraumatologie&ldquo; und des &bdquo;European Journal of Trauma and Emergency Surgery&ldquo;, f&uuml;hrte durch den Posterbereich &bdquo;Pediatric Trauma&ldquo;. Dr. Weber stellte in dieser Session seine Arbeit zu p&auml;diatrischen Halsgef&auml;&szlig;verletzungen vor. <br />Eine weitere h&ouml;chst interessante Session mit dem Titel &bdquo;Torso above Diaphragm&ldquo; fand Sonntagabend vor der Er&ouml;ffnungszeremonie statt. Zun&auml;chst regte Christine Gaarder aus Oslo eine breite Diskussion &uuml;ber die Sinnhaftigkeit einer pr&auml;klinischen Clam-Shell-Thorakotomie in Europa an. Hier wurde vor allem auf die geringe Fallzahl hingewiesen, die ein suffizientes Training aller aktiven Not&auml;rzte de facto unm&ouml;glich macht. Auch nach den n&auml;chsten beiden Vortr&auml;gen bez&uuml;glich Rippenverplattungen nahm die Debatte kein Ende, wobei insgesamt ein doch deutlicher Trend zur Versorgung zu erkennen war. Ein interessanter Aspekt dieser Diskussion war auch die Frage, wer f&uuml;r die Versorgung von Rippenfrakturen zust&auml;ndig ist: Thorax- oder Unfallchirurg. Hier sprach sich die Mehrheit der Teilnehmer f&uuml;r einen interdisziplin&auml;ren Zugang aus. Abgerundet wurde die Session noch durch eine interessante Fallpr&auml;sentation.<br />Zum Abschluss des ersten Tages wurde der Kongress durch ESTES-Pr&auml;sident Marius Keel und Kongresspr&auml;sident Isidro Casas er&ouml;ffnet. Nach zwei sehr mitrei&szlig;enden Ansprachen wurden im Anschluss die Preisverleihungen durchgef&uuml;hrt. Abgerundet wurde die Feier dann durch eine B&uuml;hnen-Show mit traditionellem Flamenco und spanischen Snacks.</p> <h2>Tag 2</h2> <p>Der zweite Tag startete mit der Session &bdquo;Damage control orthopaedics: severe extremity injuries&ldquo;, ein weiterer sehr interessanter Vortragsblock. Zun&auml;chst f&uuml;hrten Stuart Matthews (Leeds) und Pedro Caba (Madrid) eine hitzige Debatte &uuml;ber die prim&auml;re Versorgung von Tibiaschaftfrakturen mittels Nagel oder externer Fixateurs. Beide Vortragenden warnten aber vor der Gefahr eines Kompartmentsyndroms im Rahmen der Verletzung und betonten, wie wichtig eine vorzeitige Fasziotomie ist. Der n&auml;chste Vortragende, Peep Talving (Tallinn), versuchte, verschiedene Methoden zur Rettung einer Extremit&auml;t bei Vorliegen einer Gef&auml;&szlig;verletzung zu er&ouml;rtern. Besonders interessant war hier die provisorische Versorgung des Gef&auml;&szlig;es mittels Shunt, der abh&auml;ngig von der Lokalisation bis zu 48 Stunden belassen werden kann. Als n&auml;chster Punkt wurde von Bore Bakota (Karlovac) das Thema der vorzeitigen Lappendeckung angesprochen. Nach aktueller Datenlage profitiert der Patient von einer prim&auml;ren Deckung der Fraktur innerhalb der ersten 72 Stunden. Louis Riddez aus Stockholm empfahl in seinem Vortrag, aufwendige Untersuchungen auf ein Minimum zu beschr&auml;nken, insbesondere sind Ganzk&ouml;rper-CT in diesem Setting nur sehr selten indiziert. Der Fokus soll auf dem ABC-Schema liegen.<br />Abschlie&szlig;end wurde eine neue Methode zur Behandlung von chronischen Wunden mittels des Inhalationsnarkotikums Sevofluran pr&auml;sentiert, mit dem bis dato sehr beeindruckende Ergebnisse erzielt worden sind.<br />Nach dem Mittagsblock fand die zweite Posterbegehung statt, in der Dr. Eibinger seine Arbeit &uuml;ber den Korrekturverlust nach Metallentfernung bei A3/A4-Frakturen im Bereich der thorakolumbalen Wirbels&auml;ule vorstellte. <br />Die Behandlung von Patienten mit proximalen Femurfrakturen unter thrombozytenaggregationshemmender Medikation stellt eine besondere Herausforderung f&uuml;r den Chirurgen dar, da zwischen dem Blutungsrisiko und dem Komplikationsrisiko bei verz&ouml;gerter Versorgung abgewogen werden muss. Dieser Fragestellung widmete sich auch die im Zuge der Posterbegehung von Dr. Stockinger pr&auml;sentierte Studie &bdquo;Osteosynthetic surgery of proximal femoral fractures in patients on antiplatelet therapy&ldquo; mit dem Ergebnis, dass die fr&uuml;hzeitige Versorgung unter fortlaufender thrombozyteninhibierender Medikation m&ouml;glich ist. Auch die im Zuge des EFORT-Gastsymposiums vorgestellte Metaanalyse von Soo et al. empfiehlt bei der Behandlung dieses Patientenkollektivs eine fr&uuml;hzeitige operative Versorgung.</p> <h2>Tag 3</h2> <p>In der Vortragsreihe &bdquo;Bleeding and resuscitation&ldquo; wurde &uuml;ber Indikationen von REBOA diskutiert, wobei derzeit die Indikation nur f&uuml;r eine sehr kleine Patientenklientel mit spezifischen abdominalen oder Beckentraumata gegeben ist. Zurzeit gibt es f&uuml;r den zivilen Einsatz keine starke Evidenz, dass REBOA die &Uuml;berlebensrate erh&ouml;ht, insbesondere ersetzt es keinesfalls die Notfall-Thorakotomie aufgrund unterschiedlicher Indikationen. <br />Im Rahmen des ATLS-Gastsymposiums hatte Dr. Eibinger noch die M&ouml;glichkeit, &uuml;ber die ETC(European Trauma Course)-basierende Schockraumversorgung zu berichten und diese mit dem ATLS zu vergleichen. Die Konklusion der Diskussion war, dass der Behandlungsalgorithmus der beiden gro&szlig;en Kursformate in Europa sehr &auml;hnlich ist und der wesentliche Unterschied in der Zugangsweise liegt (interdisziplin&auml;r vs. prim&auml;rchirurgisch). Ein weiterer sehr interessanter Beitrag in dieser Session von Sten Saar zeigte auf, wie in Estland in wenigen Jahren ein komplettes Traumanetzwerk mit entsprechenden pr&auml;- und innerklinischen Strukturen aufgebaut wurde.</p> <h2>Fazit</h2> <p>Die Teilnahme am ECTES 2018 in Valencia war aufgrund der guten wissenschaftlichen Vortr&auml;ge, der vielf&auml;ltigen Postersessions, der spannenden Vortr&auml;ge bzw. Streitgespr&auml;che von erfahrenen Experten und des internationalen Austausches ein gro&szlig;er Gewinn f&uuml;r uns. Wir danken der &Ouml;GU f&uuml;r die gro&szlig;z&uuml;gige M&ouml;glichkeit, unsere Beitr&auml;ge dort zu pr&auml;sentieren, und empfehlen allen jungen Kolleginnen und Kollegen die Bewerbung um das n&auml;chste &Ouml;GU-Stipendium f&uuml;r die Teilnahme am ECTES 2019.</p></p>
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