<p class="article-intro">In Traumanetzwerken wie dem der DGU lassen sich qualitätssichernde Maßnahmen der gesamthaften Behandlung von Verletzten, insbesondere von Schwerverletzten, etablieren. Das Traumaregister der DGU bietet durch den großen Datenpool und aufgrund der in Österreich ähnlichen Versorgungsweise die Möglichkeit, vergleichende Analysen zur Qualitätsverbesserung durchzuführen.</p>
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<p class="article-content"><p>Im Jahrbuch der Statistik Austria betreffend das Jahr 2015 zeigt sich „der Unfall“ als häufigste Todesursache bei den unter 40-Jährigen. Die Zahl der Todesopfer im Straßenverkehr ist gegenüber 2014 um 11 % angestiegen. Im Jahr 2016 verunglückten insgesamt 795 000 Menschen in Österreich, darunter 26 860 schwer. Die Gesamtanzahl der Unfälle ist in den letzten Jahren gesunken, die Anzahl der Schwerverletzten und Verstorbenen stagniert auf einem hohen Niveau.<br /> Die unfallchirurgische Versorgung wird derzeit in 62 unfallchirurgischen Abteilungen bzw. Departments gewährleistet. Betrachtet man die Letalität nach einem Verkehrsunfall bundesweit, so beträgt diese 1 % bei Verletzten und 6,4 % bei Schwerverletzten. In den Bundesländern divergieren diese Zahlen jedoch deutlich: Das Letalitätsrisiko unterscheidet sich zwischen den Bundesländern um den Faktor 5 und in Bezug auf ganz Österreich um den Faktor 2–3. Dies liegt natürlich zum Teil an den Verschiedenheiten urbaner und ländlicher Strukturen, in denen die Unfallgeschwindigkeit, die Krankenhausdichte, die Erreichbarkeit des nächsten Krankenhauses und auch andere geografische und strukturelle Gegebenheiten unterschiedlich sind. Verschiedene Behandlungskonzepte oder divergierende Ausstattungen der Kliniken als Ursache sind in Deutschland durch Reevaluierung nach Bildung der Netzwerke nachgewiesen worden. Betrachten wir in Österreich als Beispiel die Bundesländer Vorarlberg und Burgenland im Jahr 2015: Die Rate der im Straßenverkehr Getöteten unter den Schwerverletzten beträgt im Burgenland 11 % , in Vorarlberg nur 2,8 % . Das heißt, das Risiko dafür, bei einem Verkehrsunfall im Burgenland als Schwerverletzter zu sterben, ist rein statistisch viermal höher als in Vorarlberg. Die Ursachen hierfür sind, wie oben erwähnt, multifaktoriell. Unser Ziel – wie auch das der Politik – sollte eine einheitliche Versorgungsqualität in medizinischer wie struktureller Hinsicht in Österreich sein.<br /> Wie mehrere Versorgungsstudien in den USA und Deutschland gezeigt haben, führen die abgestufte Versorgung Schwerletzter und die interdisziplinäre Vernetzung unterschiedlich ausgestatteter Versorgungseinrichtungen zu einer Verbesserung der Ergebnisqualität der medizinischen Behandlung und zur optimalen Nutzung vorhandener Ressourcen. Im Weißbuch der DGU sind die strukturellen, prozessualen, apparativen und qualitativen Standards in der Versorgung Schwerverletzter entsprechend dem Versorgungslevel festgelegt. Gemäß dem Grundsatz, dass jeder Verletzte in die Klinik, die am besten für die Behandlung des vorliegenden Verletzungsmuster geeignet ist, zu bringen ist, stellt die abgestufte Behandlung in einem strukturierten Netzwerk die optimale Versorgung dar. Natürlich existieren derartige Kooperationen, die sich aus der Tradition entwickelt haben, bereits seit Langem in Österreich. Auf diesen Strukturen muss ein Netzwerk aufbauen. Deutschland hat vor zehn Jahren begonnen, derartige Netzwerke aufzubauen.<br /> Derzeit sind 649 Kliniken in insgesamt 54 zertifizierten Netzwerken, darunter zwei in Kärnten und Salzburg, organisiert. Der Blick nach „drüben“ lohnt sich, denn es wurden allein auf ärztliche Initiative bedeutende strukturelle Verbesserungen erreicht. Das System besticht durch die Audits, welche strukturelle Voraussetzungen einfordern, die Verbesserung der innerklinischen Kommunikation samt Teleradiologie, die interdisziplinäre Fort- und Weiterbildung sowie das Traumaregister als ideales Tool, um die Qualität der Versorgung der heterogenen Patientengruppe von Schwerletzten zu hinterfragen. Dennoch ist dort noch nicht alles erreicht. So konnte die geforderte präklinische Zeit von maximal 30 Minuten bei Weitem noch nicht erreicht werden. In einer Untersuchung von Ruchholtz 2013, welche ein Resümee nach der Traumanetzwerkbildung darstellt, werden verschiedene Prioritäten der Krankenhäuser sichtbar. Die Maximalversorger thematisieren Fort- und Weiterbildung im Netzwerk, währenddessen lokale Traumazentren vor allem an guter Kommunikation und zeitnaher Verlegung interessiert sind.<br /> Folgende wesentliche Inhalte werden in einem Traumanetz gefordert:</p> <ol> <li>definierte Aufnahme- und Verlegungskriterien der Kliniken</li> <li>Einführung einheitlicher personeller, struktureller und organisatorischer Voraussetzungen</li> <li>ärztliche Qualifizierung durch verpflichtende Ausbildungskurse (z.B. ATLS oder ETC)</li> <li>Teilnahme an internen und externen qualitätssichernden Maßnahmen (Traumaregister, Qualitätszirkel)</li> <li>Einrichtung von präklinischen und interklinischen Telekommunikationssystemen</li> </ol> <p>Punkt 1 stellt einerseits eine Übernahmeverpflichtung des Maximalversorgers bei fehlender regionaler Behandlungsmöglichkeit, andererseits auch eine Rückübernahmeverpflichtung der lokalen Klinik dar. Es sollen hier keineswegs zentripetale Einbahnstraßen betoniert werden; dies würde die Versorgungskapazität der Maximalversorger bei Weitem übersteigen. Im Gegenteil: Die vernetzte abgestufte Versorgungsstrategie hat für beide Kliniken, den Patienten selbst und die gesamte Struktur zur Versorgung Verletzter Vorteile. Aus meiner Erfahrung als Mitbegründer des Salzburger Traumanetzwerkes kann ich berichten, dass die lokalen Traumazentren es sehr schätzen, einen lokal nicht zu versorgenden Patienten ohne vielfache Telefonate zur weiteren Versorgung verlegen zu können. Dies gelingt durch die Absprachen, aber auch durch persönliche Bekanntschaften, welche im Rahmen des Netzwerkes durch die vielen Treffen gemacht werden. In Salzburg waren es bisher deren 26. So bietet das Netzwerk eine Kommunikationsbasis, die offen, vertrauensvoll und für alle zufriedenstellend ist.<br />Punkt 2 wird zunächst in einer Selbsteinschätzung mittels Checkliste abgefragt und gibt damit Raum für jede Klinik, durch strukturelle Verbesserungen das angestrebte Level zu erreichen. Diese kann damit auch Argumente gegenüber den Trägern liefern, strukturelle Änderungen jedweder Art mit Nachdruck einzufordern. Die strukturellen Voraussetzungen werden von einem externen Auditor verifiziert. Die Vorbereitungen zu diesem Audit als Bedingung der Gesamtzertifizierung des Netzwerkes sind arbeitsreich, beinhalten aber die Auseinandersetzung mit der Struktur der eigenen Schockraumversorgung und stellen so eine Evaluierung der eigenen Strukturen und Prozesse und damit eine qualitätssteigernde Maßnahme dar.<br />Die verpflichtenden Ausbildungskurse wie ATLS und ETC, die in Punkt 3 angeführt sind, stellen bekannte und evaluierte Formate zur Erlangung entsprechender Kenntnisse in der Behandlung von Schwerverletzten dar. Wesentlich im Netzwerk ist der verpflichtende Charakter, der für zumindest die Hälfte aller am Schockraum beteiligten Ärzte, also inklusive der Anästhesisten, gegeben ist. Wenn diese Verpflichtung von der Abteilung eingefordert wird, stellt dies einen nicht unerheblichen finanziellen Aufwand für den Träger dar. Das strukturierte Vorgehen im ABCDEModus verbessert jedoch zudem die innerklinische Kommunikation im Schockraum.<br />Punkt 4 verpflichtet einerseits zu regelmäßigen Qualitätszirkeln, die Prozesse evaluieren sollen und gemeinsam im Netzwerk Leitlinien entwickeln können. So haben wir in Salzburg einen Algorithmus zur Behandlung des Schädel-Hirn-Traumas unter Gerinnungsmedikation entwickelt. Andererseits ist die Teilnahme am Traumaregister der DGU verpflichtend. Dieses Register besteht seit 1993 und umfasst Daten von nahezu 240 000 schwerverletzten Patienten. Aus diesem Datenpool lassen sich trotz des heterogenen Patientenkollektivs Benchmarks entwickeln, die sonst nicht möglich wären. So gibt der RISC-II-Score über das Letalitätsrisiko eines Patienten Auskunft und ermöglicht damit eine vergleichende Beurteilung. Nicht unerwähnt darf man den nicht unerheblichen Aufwand für die Dateneingabe lassen, der mit ca. 50–60 Minuten pro Fall anzugeben ist und stark von der allgemeinen Struktur der Datenerfassung in der eigenen Klinik abhängt.<br />In Bezug auf die Telekommunikation hat die technische Entwicklung schon vieles ermöglicht und hier steht Österreich schon sehr gut vernetzt da. Der bidirektionale Bild- und Dokumententransport lässt in einem Netzwerk noch Verbesserungen zu, um den Datenaustausch bei akuten Verlegungen, Konsultationen in der Akutphase (z.B. Neurochirurgie), Weiterverlegungen frühsekundär (z.B. MKG), Rückverlegungen oder Beginn der Rehabilitation zu gewährleisten. Die Einrichtung eines „Traumahandys“ in jeder Klinik ermöglicht die direkte Kommunikation mit dem Entscheidungsträger und beschleunigt dadurch Entscheidungsprozesse in der „golden hour“.<br />Ein Aspekt bei der Netzwerkbildung erscheint mir besonders wichtig: Präklinische Transport- und innerklinische Verlegungswege müssen allein medizinischen Notwendigkeiten folgen. Wir müssen hinsichtlich der Versorgung von Schwerverletzten auf die politischen Strukturen einwirken, um eine problemlose bundesländerübergreifende Versorgung zu etablieren. Aus diesem Grund ist es essenziell, die Rettungsleitstellen in die Entwicklung eines neuen Netzwerkes miteinzubinden. In Salzburg war es auf diese Weise möglich, entsprechend den gewachsenen innerklinischen Verlegungsstrukturen ein Salzburger Netzwerk mit einer oberösterreichischen und einer steiermärkischen Klinik aufzubauen.<br />Die Darstellung eines abgestuften Versorgungskonzeptes in der Unfallchirurgie kann zudem durch die vorgegebene Definition der strukturellen Voraussetzungen das jeweilige Level der um sich greifenden Einsparungsgedanken der Träger etwas hintanhalten.<br />Derzeit können aufgrund fehlender Daten keine qualitätsverbessernden Maßnahmen zur Etablierung eines einheitlichen Versorgungsstandards in Österreich entwickelt werden. Ein abgestuftes Versorgungskonzept aber ist aus medizinischen und ökonomischen Aspekten sinnvoll. Die Etablierung von Netzwerken nach den Richtlinien der DGU und damit die Teilnahme am deutschen Traumaregister können das bestehende Verbesserungspotenzial zur strukturierten Qualitätssicherung in der unfallchirurgischen Versorgung, vor allem der Schwerverletzten, sicherstellen. Insofern ist eine flächendeckende Netzwerkbildung in Österreich anzustreben. Derzeit besteht noch die Möglichkeit, die Etablierung der Netzwerke selbst in die Hand zu nehmen und nicht nur ausführendes Objekt zu sein. Wir sollten diese Chance ergreifen. Yes, we need!</p></p>
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