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Bisphosphonate in der Langzeitanwendung
<p class="article-intro">Die positiven E ekte einer Bisphosphonattherapie auf Knochendichte und Fraktursenkung sind evident. Für potenzielle Sicherheitsrisiken bei Langzeitanwendung gibt es zum Teil keine eindeutige Kausalität.</p>
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<p class="article-content"><p>Bisphosphonate (BP) sind die derzeit am häufigsten bei Osteoporose verwendeten Antiresorptiva. In der Onkologie werden parenterale BP in hohen Dosen (Zoledronat, Ibandronat, Pamidronat i.v.) beim ossär metastasierten Karzinom und beim Myelom eingesetzt. Ebenfalls mit BP (Zoledronat, Pamidronat, Ibandronat i.v.) wird die akute Hyperkalzämie behandelt. Eine seltene Indikation ist der Morbus Paget (Alendronat oral, Risedronat oral, Zoledronat i.v.).</p> <h2>Osteoporose und Bisphosphonate</h2> <p>Bei der Osteoporose konnte der Nutzen einer Bisphosphonattherapie in den klassischen Zulassungsstudien gezeigt werden (FIT für Aledronat, VERT für Risedronat, HORIZON-PFT für Zoledronat). Der Antifraktureffekt ist bei vertebralen und nicht vertebralen Frakturen sowie bei Hüftfrakturen für Aledronat, Risedronat und Zoledronat sowie bei vertebralen und nicht vertebralen Frakturen für Ibandronat signifikant. „Die Risikoreduktion liegt bei vertebralen Frakturen bei etwa 50 Prozent, bei nicht vertebralen Frakturen und Hüftfrakturen zwischen 20 und 50 Prozent“, erklärte Univ.-Prof. Dr. Rudolf W. Gasser, Innsbruck. Kurzzeitnebenwirkungen bei Bisphosphonattherapie können in einer Irritation des oberen Gastrointestinaltraktes oder in einer Akutphasereaktion (grippeähnlich, Fieber, Muskel- und Gelenksschmerzen etc.) bestehen. Selten sind eine (in der Regel mild verlaufende) Hypokalzämie und – vor allem bei i.v. Präparaten zu beachten – eine Nephrotoxizität.<br />Von einer Langzeittherapie mit BP spricht man, wenn sie länger als fünf Jahre dauert. Die positiven Langzeiteffekte (positive Wirkung auf die Knochendichte und anhaltender Antifraktureffekt vor allem bezüglich der Wirbelfrakturen) wurden in den einzelnen Studien nachgewiesen: FLEX-Studie für Alendronat (5 + 5 Jahre), HORIZON-PVT-Extension-Studie für Zoledronat (3 + 3 Jahre) und für Risedronat gibt es eine Studie über sieben Jahre mit kleiner Patientenanzahl. „Seit der Zulassung und der breiten Anwendung der BP wurden aber auch potenzielle Sicherheitsrisiken bei der Anwendung über fünf Jahre und länger festgestellt“, so Gasser. Zum Teil ist keine eindeutige Kausalität nachgewiesen, jedoch gibt es zumindest Evidenz für ein vermehrtes, wenn auch sehr seltenes Auftreten folgender Nebenwirkungen: Kieferosteonekrose, atypische Femurfraktur, Skelett- und Muskelschmerzen, Vorhofflimmern und Ösophaguskarzinom.<sup>1</sup></p> <h2>Osteonekrose des Kiefers</h2> <p>Laut „International Consensus“<sup>2</sup> handelt es sich bei der Osteonekrose des Kiefers („osteonecrosis of the jaw“, ONJ) um einen freiliegenden Knochen in der maxillofazialen Region, der nicht innerhalb von acht Wochen abheilt. In der Anamnese kommt eine antiresorptive Therapie (BP/Denosumab), aber keine vorangegangene Strahlentherapie der kraniofazialen Region vor. Die Inzidenz beträgt für Osteoporosepatienten lediglich 0,001–0,01 % und liegt damit nur geringfügig über der Prävalenz in der Gesamtbevölkerung (<0,001 % ). Hingegen ist die ONJ bei den mit hohen Dosen von BP versorgten Onkologiepatienten eine nicht zu vernachlässigende Größe (1–15 % ).<br />Pathophysiologisch erfolgt durch die Antiresorptiva eine starke Hemmung des Remodelings, wobei eine Entzündung und/oder Intervention im Kieferbereich hinzukommt. Zusätzliche Risikofaktoren sind eine Glukokortikoidtherapie, eine Tumorerkrankung, eine kardiovaskuläre Erkrankung, Rauchen, COPD u.a. Etwa 90 % der ONJ werden durch eine Hochdosis-Tumortherapie mit BP in kurzen Intervallen verursacht. Weniger als 10 % der ONJ-Patienten sind Patienten unter Osteoporosetherapie mit BP in niederer Dosis oder i.v. in längeren Intervallen. Die DVO-Leitlinien 2017 geben die Häufigkeit einer ONJ bei antiresorptiver Osteoporosetherapie mit 1:100 000 an. „Die Inzidenz einer ONJ bei Tumor- und Osteoporosepatienten ist grundverschieden, weshalb man sie auch als unterschiedliche Entitäten betrachten soll“, sagte Gasser.<br />Obwohl also im Einzelfall die ONJ beim Osteoporosepatienten eine gravierende Nebenwirkung darstellt, übertrifft der Benefit der Senkung des Frakturrisikos durch BP bei einer Osteoporosetherapie bei Weitem das sehr seltene Risiko einer ONJ. „Bei sorgfältiger zahnärztlicher Prophylaxe bzw. Therapie ist die Angst vor einer ONJ bei Bisphosphonaten in Osteoporosedosierung unberechtigt“, so Gasser. Bei Tumorpatienten in Tumordosierung von BP ist das Risiko im Einzelfall abzuwägen.</p> <h2>Atypische Femurfraktur (AFF)</h2> <p>In der Pathogenese einer AFF zeigt sich ein reduzierter „bone turnover“ und es gibt eine Assoziation mit lang andauernder BP-Therapie, Mikrocracks und Osteoporose per se.<sup>3</sup> Bei einzelnen Patienten wurde auch eine Genmutation im Gen GGPS1 festgestellt.<sup>4</sup> <br />Die Häufigkeit einer AFF beträgt 1,78/100 000 Patienten/Jahr bei 2 Jahren BP, 113,1/100 000 Patienten/Jahr bei 8–10 Jahren BP.<sup>5</sup> Daten aus den USA, basierend auf 90 Millionen KH-Entlassungen zwischen 1996 und 2007, konnten zeigen, dass für etwa 100 verhinderte typische Schenkelhals- oder intertrochantäre Frakturen eine subtrochantäre Fragilitätsfraktur (typ./atyp.) auftrat.<sup>6</sup><br />Selten bei BP-Therapie sind starke Schmerzen in Knochen, Gelenken und/oder Muskeln, die von einer Akutphasereaktion abzugrenzen sind. Nach Absetzen der BP kommt es bei vielen Patienten nur zu einer teilweisen Remission, wobei die Kausalität als nicht gesichert gilt. Erstmals wurden zwischen 1995 und 2005 117 Fälle (Alendronat, Risedronat) der FDA gemeldet.<sup>7</sup> Es gibt so gut wie keine Literatur darüber, die FDA empfiehlt aber erhöhte „Awareness“.</p> <h2>Kardiovaskuläres System und Ösophaguskarzinom</h2> <p>Laut den DVO-Leitlinien kann ein Zusammenhang zwischen BP-Therapie und vermehrter Inzidenz von Vorhofflimmern nicht ausgeschlossen werden. In der Zulassungsstudie HORIZON Pivotal Fracture Trial mit i.v. Zoledronat für drei Jahre zeigte sich ein Vorhofflimmern vermehrt in der Verumgruppe (1,3 % vs. Placebo 0,5 % ) als „serious event“ (Krankenhausaufenthalt). Bei der Gesamthäufigkeit von Vorhofflimmern konnte jedoch kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen festgestellt werden. Weitere Studien mit BP verliefen sowohl negativ als auch positiv, das heißt, man kann von einer Assoziation, jedoch von keiner nachgewiesenen Kausalität sprechen.<br />Obwohl der Zusammenhang von oralen BP und Ösophagitis schon lange bekannt ist, stammt der erste Bericht über eine Assoziation aus dem Jahr 2009.<sup>8</sup> Spätere Studien zeigten kontroverse Ergebnisse.<sup>9</sup> Laut DVO 2017 ist „kein sicherer Zusammenhang belegt“. Die Empfehlung lautet, orale BP bei einer Ösophagusfunktionsstörung oder Präkanzerose zu meiden bzw. alternativ parenterale BP einzusetzen.<sup>10</sup></p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: 26. Osteoporoseforum, 3.–5. Mai 2018, St. Wolfgang
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<p><strong>1</strong> Watts NB: Arq Bras Endocrinol Metabol 2014; 58: 523-9 <strong>2</strong> Khan AA al.: J Bone Miner Res 2015; 30(1): 3-23 <strong>3</strong> Adler RA et al.: J Bone Miner Res 2016; 31(10): 1910 <strong>4</strong> Roca-Ayats N et al.: N Engl J Med 2017; 376(18): 1794-5 <strong>5</strong> Dell RM et al.: J Bone Miner Res 2012; 27(12): 2544-50 <strong>6</strong> Wang Z et al.: J Bone Miner Res 2011; 26(3): 553-60 <strong>7</strong> Wysowski DK: Arch Intern Med 2005; 165(3): 346-7 <strong>8</strong> Wysowski DK: N Engl J Med 2009; 360: 89-90 <strong>9</strong> Green J et al.: BMJ 2010; 341: c4444 <strong>10</strong> Suresh E et al.: Rheumatology 2014; 53: 19-31</p>
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