Behandlung des Morbus Dupuytren mit Clostridium histolyticum

<p class="article-intro">Xiapex<sup>®</sup> stellt eine sehr attraktive Behandlungsoption bei Morbus Dupuytren dar: Nach einem Jahr kann ein größerer Bewegungsumfang erreicht werden als mit der Fasziektomie; die Behandlung ist kostengünstiger, kann ambulant durchgeführt werden und das Auftreten von schweren Komplikationen ist sehr selten. Besonderes Augenmerk ist jedoch auf die richtige Indikationsstellung und die korrekte Handhabung zu legen. Wie von der Österreichischen Gesellschaft für Handchirurgie empfohlen, sollte weiterhin die Anwendung nur durch ausgebildete und in der operativen Therapie des Morbus Dupuytren erfahrene Chirurgen erfolgen.</p> <hr /> <p class="article-content"><p>Die Behandlung des Morbus Dupuytren stellt schon seit Jahren eine gro&szlig;e Herausforderung f&uuml;r Handchirurgen dar. Ein Grund daf&uuml;r ist, dass die &Auml;tiologie bis heute noch nicht gekl&auml;rt wurde. Eine wesentliche Rolle spielen vermutlich auch genetische Faktoren. In manchen Familien tritt diese Erkrankung geh&auml;uft auf und scheint autosomal-dominant vererbt zu werden. Da sie jedoch haupts&auml;chlich in der &auml;lteren Bev&ouml;lkerung auftritt, d&uuml;rfte eine genetische Pr&auml;disposition gemeinsam mit Umwelteinfl&uuml;ssen zu einer Erkrankung f&uuml;hren.<sup>1</sup> Der Zusammenhang mit Verletzungen der Hand wird in der Literatur zwar &ouml;fters angegeben, scheint aber nur mit dem Patientenwunsch zusammenzuh&auml;ngen, eine Ursache f&uuml;r diese Erkrankung zu finden.<sup>2</sup><br /> Unter der Annahme, dass Mikrozirkulationsst&ouml;rungen an der Pathogenese beteiligt sind, konnte gezeigt werden, dass Raucher ein dreifach erh&ouml;htes Risiko haben, diese Krankheit zu entwickeln. In diesem Zusammenhang konnte auch das geh&auml;ufte Auftreten des Morbus Dupuytren bei Diabetikern festgestellt werden.<sup>3, 4</sup> In der Literatur wird auch eine geh&auml;ufte Assoziation mit Epilepsie beschrieben. Ob dies an der Grunderkrankung an sich oder an den dagegen verabreichten Antikonvulsiva liegt, konnte jedoch nicht gekl&auml;rt warden.<sup>5</sup> Des Weiteren konnte eine geh&auml;ufte Inzidenz bei Patienten mit vorliegender Reizung des Nervus ulnaris identifiziert werden.<br /> Es konnten in der Literatur auch fragliche Kofaktoren dieser Erkrankung identifiziert werden. Eine davon ist der Alkoholismus. Der genaue Pathomechanismus hinter dieser Theorie konnte jedoch bis heute nicht identifiziert werden. Es wurde lange vermutet, dass die assoziierte Leberfunktionsst&ouml;rung urs&auml;chlich an der Krankheitsentstehung beteiligt ist. Bei Patienten mit Lebererkrankungen, die nicht alkoholinduziert sind, konnte jedoch kein geh&auml;uftes Auftreten des Morbus Dupuytren festgestellt werden.<sup>1, 3</sup></p> <h2>Stadien</h2> <p>Histopathologisch kommt es zu einer Proliferation von Fibroblasten mit Kollagenproduktion.<sup>6</sup> Dabei k&ouml;nnen im Krankheitsverlauf drei Stadien voneinander unterschieden werden:<sup>7, 8</sup> Das erste Stadium entspricht der proliferativen Phase. Klinisch zeigt sich dabei eine derbe Knotenbildung. Histologisch kommt es zu einer gesteigerten Produktion von Typ-III-Kollagen durch hyperplastische Fibroblasten. Das zweite Stadium ist die aktive Phase. Dabei l&auml;sst sich eine vermehrte Knotenbildung mit beginnender Kontraktur beobachten. Histologisch kommt es zu einer Differenzierung von Fibroblasten zu Myofibroblasten. Das dritte Stadium wird als Residualphase bezeichnet. In der Klinik zeigen sich diffuse fibrotische Str&auml;nge. In diesen finden sich vorrangig Fibrozyten und Typ-I-Kollagen.</p> <h2>Therapieoptionen</h2> <p>Mit einer Pr&auml;valenz von 18&ndash;30 % f&uuml;r m&auml;nnliche Nordeurop&auml;er &uuml;ber 65 Jahre ist eine Optimierung der Therapieoptionen auch von wirtschaftlichem Interesse. <sup>4</sup> Dabei ist auffallend, dass die Inzidenz mit steigendem Alter zunimmt. M&auml;nner sind f&uuml;nfmal h&auml;ufiger betroffen als Frauen.<sup>10&ndash;12</sup><br /> Therapieoptionen, wie zum Beispiel die Fasziektomie, f&uuml;hren zwar initial oft zu guten Ergebnissen, gehen aber mit zum Teil erheblicher Narbenbildung einher. Aufgrund des relativ gro&szlig;en operativen Eingriffes kommt es auch zu einer Komplikationsrate von ca. 20 % .<sup>13</sup> Mit der Nadelfasziotomie k&ouml;nnen anfangs auch gute Ergebnisse erreicht werden und in der Literatur wird eine niedrigere Komplikationsrate angegeben. Allerdings wird eine Rezidivrate von 20&ndash;50 % innerhalb eines Jahres beschrieben.<sup>14&ndash;16</sup> Seit 2011 steht in Europa auch Xiapex<sup>&reg;</sup> f&uuml;r die Behandlung von Morbus Dupuytren zur Verf&uuml;gung. Dieses Produkt enth&auml;lt zwei verschiedene Kollagenasen (AUX-1 und AUX-2), die aus dem Bakterium Clostridium histolyticum gewonnen werden. Gemeinsam greifen diese beiden Enzyme Kollagen Typ I und Typ III an. AUX-1 spaltet dabei die terminalen Segmente der Kollagenketten, AUX-2 die mittleren Sequenzen. Dadurch entstehen viele kurze Peptidketten. B&auml;nder und Sehnen k&ouml;nnen ebenfalls durch diese Enzyme gesch&auml;digt werden, weswegen eine korrekte Applikation des Medikamentes essenziell ist. Nerven und Blutgef&auml;&szlig;e beinhalten mehr Kollagen Typ IV und sind daher weniger gef&auml;hrdet. Falls Patienten blutverd&uuml;nnende Medikamente oder Antibiotika nehmen, sollte mit der Xiapex<sup>&reg;</sup>-Therapie gewartet werden, bis diese Medikamente abgesetzt wurden, um die Gefahr von Nebenwirkungen zu verringern. F&uuml;r die Behandlung w&auml;hrend der Schwangerschaft ist Xiapex<sup>&reg;</sup> nicht zugelassen.<br /> Die &Ouml;sterreichische Gesellschaft f&uuml;r Handchirurgie (&Ouml;GH) hat gemeinsam mit der Industrie Empfehlungen zur Anwendung von Xiapex<sup>&reg;</sup> herausgegeben. Die Behandlung sollte nur von Handchirurgen oder handchirurgisch versierten Fach&auml;rzten aus den Bereichen Allgemeinchirurgie, Orthop&auml;die, plastische Chirurgie und Unfallchirurgie durchgef&uuml;hrt werden. Um Therapieerfolge, Patientenzufriedenheit und Nebenwirkungen zu dokumentieren, wurde die &bdquo;Xianis-Datenbank&ldquo; installiert. Hier werden von den Anwendern alle Behandlungen und Kontrolluntersuchungen nach 7 und 30 Tagen sowie nach 3 und 12 Monaten dokumentiert.</p> <h2>Empfohlener Behandlungsablauf mit Xiapex<sup>&reg;</sup></h2> <p>Xiapex<sup>&reg;</sup> muss gek&uuml;hlt gelagert werden. Vor der Behandlung sollte das Pr&auml;parat ungef&auml;hr 15 Minuten Zeit zum Erw&auml;rmen bei Raumtemperatur haben. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass das Medikament nicht l&auml;nger als 60 Minuten bei Raumtemperatur aufbewahrt wird.<br /> Prinzipiell sind Patienten f&uuml;r diese Behandlung geeignet, die unter einem singul&auml;ren Strang leiden, der nur ein Gelenk eines Fingers betrifft. Es k&ouml;nnen allerdings auch in einer Sitzung zwei Str&auml;nge, die je ein Gelenk betreffen, oder ein Strang, der zwei Gelenke betrifft, behandelt werden. Leiden Patienten unter mehreren Str&auml;ngen, die mehrere Gelenke betreffen, so m&uuml;ssen diese in einer weiteren Sitzung nach fr&uuml;hestens 4 Wochen behandelt werden. Xiapex<sup>&reg;</sup> wird unter sterilen Bedingungen direkt in den Dupuytren- Strang injiziert, um eine Infektion zu vermeiden. Es ist besonders darauf zu achten, dass das Medikament direkt in den Strang appliziert wird. Spritzt man Xiapex<sup>&reg;</sup> zu tief, so k&ouml;nnte die Kollagenase Beugesehnen angreifen, die in weiterer Folge bei der Aufdehnung rei&szlig;en k&ouml;nnten. Injiziert man das Medikament zu oberfl&auml;chlich, kann es zu Hautnekrosen kommen. Die Nadel sollte nicht mehr als 2&ndash;3mm tief in die Haut gestochen werden, da es sehr schwer zu erkennen ist, ob man bereits durch den Strang gestochen hat oder nicht. Dabei kann es hilfreich sein, den betroffenen Finger etwas zu bewegen, da sich die Nadel mitbewegen w&uuml;rde, wenn sie in den Beugesehnen steckt. Lokalan&auml;sthetika sollten bei der Injektion vermieden werden. Anschlie&szlig;end sollte ein Verband angelegt werden, damit die Patienten den betroffenen Finger nicht viel bewegen k&ouml;nnen; es k&ouml;nnten sonst Kollagenasen aus dem Strang austreten. Um im Falle einer allergischen Reaktion sofort eingreifen zu k&ouml;nnen, empfehlen wir, die Patienten noch 30 Minuten zu &uuml;berwachen, bevor sie aus der Behandlungsst&auml;tte entlassen werden.<br /> Das Aufdehnen des Stranges findet nach 24 bis 72 Stunden statt und wird in Lokalan&auml;sthesie ambulant durchgef&uuml;hrt. Der Finger wird durch eine passive Dehnung gestreckt. Dabei sollte man nach M&ouml;glichkeit nicht auf die Injektionsstelle dr&uuml;cken, da diese meistens sehr empfindlich ist. Falls der Strang bei der ersten Dehnung nicht durchbrochen werden kann, m&uuml;ssen nach 5&ndash;10 Minuten ein zweiter und dritter Versuch unternommen werden. Kommt es auch dann zu keiner Strangruptur, so muss der Patient nach 4 Wochen wiederbestellt werden. Dann wird die Situation reevaluiert und gegebenenfalls kann eine neue Injektion durchgef&uuml;hrt werden.<br /> Aus Beobachtungen ist bekannt, dass 11&ndash;22 % der Patienten bei der Aufdehnung einen Hauteinriss erleiden. Daher erh&auml;lt jeder Patient am Tag der Aufdehnung, nach sterilem Waschen und Abdecken, einen Folienverband, damit im Falle eines Hautrisses bereits der Okklusionsverband angelegt ist. Der Okklusionsverband hat in gro&szlig;en Serien bei Fingerkuppenverletzungen exzellente Ergebnisse in der Regeneration gezeigt. In unserer Serie konnten mit der gleichen Technik alle Hautrisse ohne Komplikationen mittels Okklusionsverband ausbehandelt werden.<sup>17</sup> Nach der Therapie bekommt der Patient eine Schiene in maximal extendierter Stellung angepasst. Diese soll bis zu 6 Wochen getragen werden: in der ersten Woche Tag und Nacht, anschlie&szlig;end f&uuml;r 5 Wochen als Nachtlagerungsschiene. Zus&auml;tzlich werden die Patienten in selbstst&auml;ndigen Bewegungs- und Dehnungs&uuml;bungen instruiert. Des Weiteren wird ihnen geraten, ihre allt&auml;glichen T&auml;tigkeiten wieder aufzunehmen. Die &Uuml;bungen soll der Patient nach der Behandlung 6 Monate lang durchf&uuml;hren.</p> <h2>Unerwartete Ereignisse</h2> <p>Die h&auml;ufigsten Nebenerscheinungen sind laut Literatur Schwellungen (58&ndash; 77 % ) und Schmerzen (21&ndash;41 % ).<sup>18</sup> Letztere k&ouml;nnen meist mit allgemein &uuml;blichen Analgetika behandelt werden. Hauteinrisse treten mit einer H&auml;ufigkeit von 11&ndash; 22 % auf.<sup>19</sup> Der angelegte Okklusionsverband kann f&uuml;r die ersten Tage belassen werden. Es gibt einige dokumentierte F&auml;lle von Beugesehnenrupturen innerhalb von 24 Stunden nach der Kollagenaseinjektion. <sup>18, 20</sup> Das Risiko einer Beugesehnenruptur ist bei der Behandlung eines Stranges, der das PIP-Gelenk betrifft, h&ouml;her als am MCP-Gelenk.<sup>18</sup> In unserem Kollektiv waren jedoch keine Beugesehnenrupturen zu finden.</p> <h2>Ergebnisse in der Literatur</h2> <p>Bei ca. 71 % der Patienten wurde prim&auml;r eine volle Streckung des Fingers, bei 26 % eine teilweise Verbesserung und bei 3 % keine Verbesserung des Streckdefizits erreicht.<sup>21</sup> Nach einem Jahr konnten 93 % der Patienten, die an einer Kontraktur des MCP-Gelenkes litten, den Finger frei strecken, falls das PIP-Gelenk betroffen war, 38 % und bei gleichzeitiger Einziehung des MCP- und PIP-Gelenke 28 % . Bei vorliegenden 5-Jahres-Ergebnissen wurde eine Rezidivrate von 47 % festgestellt. Bei behandeltem MCP-Gelenk traten Rezidive in 39 % auf, beim PIP-Gelenk in 66 % der F&auml;lle. Insgesamt hatten 32 % der Patienten eine Verschlechterung des Streckdefizits von 30 Grad oder mehr.<sup>22</sup><br /> Initial sind die Ergebnisse bei Fasziektomien zwar besser, aber nach einem Jahr erreichen Patienten, die mit Xiapex<sup>&reg;</sup> behandelt wurden, einen gr&ouml;&szlig;eren Bewegungsumfang.<sup>20</sup> Die in &Ouml;sterreich publizierten durchschnittlichen Kosten f&uuml;r die Behandlung mit Clostridium histolyticum liegen bei 1.458,60 Euro und sind somit wesentlich niedriger als die Kosten f&uuml;r Fasziektomien mit ca. 5.315,20 Euro pro Eingriff. Das liegt an dem gr&ouml;&szlig;eren personellen Aufwand, den notwendigen Operationsinstrumenten und an der kostspieligeren Behandlung von Komplikationen.<sup>23</sup></p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Gelberman RH et al: J Bone Joint Surg Am 1980; 62(3): 425-32 <strong>2</strong> Noble J et al: J Hand Surg Br 1992; 17(1): 7 1-4 <strong>3</strong> Burge P: Hand Clin 1999; 15(1): 63-71 <strong>4</strong> Burge P et al: Bone Joint Surg Br 1997; 79(2): 206-10 <strong>5</strong> Lanzett&aacute; M, Morrison WA: J Hand Surg Br 1996; 21(4): 481-3 <strong>6</strong> Riolo J et al: South Med J 1991; 84(8): 983-86 <strong>7</strong> Arafa M et al: J Hand Surg Br 1992; 17(2): 221-4 <strong>8</strong> Millesi H: Dupuytren-Kontraktur. In: Handchirurgie. 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