
Arthroskopischer Button Eden-Hybinette für vordere Schultergelenksinstabilität und Glenoidfrakturen
Autor:
Dr. Maximilian Schatz
Abteilung für Orthopädie und Traumatologie AUVA-Unfallkrankenhaus Klagenfurt
E-Mail: maximilian.schatz@auva.at
Verschiedene Operationstechniken zur Behandlung der ventrokaudalen Schultergelenksinstabilität werden seit Jahrzehnten kontroversiell und leidenschaftlich diskutiert. Knochenaugmentationen mit Endobuttons oder Fadencerclagen stellen die neueste Facette der Behandlungsmöglichkeiten dar. Die älteste OP-Technik, nach Eden und Hybinette, drängt sich heute – arthroskopisch, ohne Schraubenmaterial und die dadurch entstehenden Risiken – wieder ins Rampenlicht.
Keypoints
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Rein arthroskopisches, vergleichsweise risikoarmes Verfahren mit präziser Graftpositionierung und zusätzlichem Bankart-Repair.
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Potenziell „gefährliche“ Charakteristika anderer OP-Techniken, wie Subscapularissplit oder Versetzung des Rabenschnabelfortsatzes, können vermieden werden. Schwerwiegende Komplikationen wie Schraubenkonflikte oder neurovaskuläre Schäden entfallen fast vollständig.
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Kompression und Einheilung über Fadenkonstrukte funktionieren, bedürfen aber der Erfüllung mehrerer Konditionen.
Die Versorgung anteriorer Schultergelenksinstabilitäten mittels eines trikortikalen Beckenkammspans wurde bereits 1918 vom Deutschen Eden und 1932 vom Schweden Hybinette beschrieben und stellt somit die älteste Technik zur Knochenaugmentation am Glenoid dar. Historisch wurde der Beckenkammspan mit zwei Schrauben fixiert. Daraus resultieren wie bei der offenen Operation nach Latarjet mögliche Komplikationen durch Schraubenfehllagen oder die Irritation durch Schraubenköpfe. Ettore Taverna veröffentlichte 2008 die modifizierte Operationstechnik, bei der die Fixation des Beckenkammspans mittels Schrauben von ventral auf eine Fadenfixation geändert wurde.
OP-Methode
Die Entnahme des Beckenkammspans erfolgt wie üblich knapp dorsal der Spina iliaca anterior superior. Der trikortikale Span wird in der Größe 20x10x10mm entnommen, die scharfen Kanten an der Entnahmestelle werden gebrochen und der Defekt wird mit SpongostanTM oder Knochersatzmaterial gedeckt.
Nach diagnostischem Rundgang im Gelenk mit der 30°-Optik wird auf die 70°-Optik gewechselt. Der Kapsel-Labrum-Komplex muss vorsichtig, aber gründlich vom Glenoid gelöst werden. Mit einer oszillierenden Feile wird anschließend ein ausreichend großes, möglichst ebenes Bett für den Span präpariert (Abb.1). Nun wird die 30°-Kamera über ein anterolaterales Portal eingebracht. Von dorsal wird die Zielbohrhilfe eingeführt und über diese werden zwei Kanülenbohrdrähte eingebohrt. Die Seelen der Bohrkanülen werden entfernt und zwei Nitinoldrähte von dorsal nach ventral „geshuttelt“. Es ist bereits hier auf exaktes Drahtmanagement zu achten. Werden die Nitinoldrähte ventral torquiert, kommt der Span in weiterer Folge falsch zu liegen und muss aufwendig korrigiert werden. Bei Verdrehung dorsal kann beim abschließenden Knoten keine adäquate Kompression aufgebaut werden (Abb.2, Abb.3).

Abb. 1: Spanpräparation

Abb. 2: Bohrungen mit Zielgerät

Abb. 3: Shuttledraht
Der Span wird in der Knochenzange fixiert und präpariert. Dazu werden zwei Bohrungen im Abstand von 1cm gesetzt. Es folgen das Beladen mit den zwei Fadenschlingen und den zwei ventralen Buttons und das Einbringen von ventral – optional über eine Kanüle – in das Gelenk.
Sofern keine Arbeitskanüle verwendet wird, sollte die Portalpräparation so erfolgen, dass die ventrale Glenoidkante mit dem Zeigefinger palpatorisch erreicht werden kann, um ein ausreichend weites Portal zu gewährleisten.
Sobald der Span intraartikulär zu liegen kommt, muss der Kapsel-Labrum-Komplex mobilisiert und kontrolliert werden, um zu vermeiden, dass Weichgewebe zwischen Glenoid und Span eingeklemmt wird (Abb.4–7).
Die nach dorsal durchgezogenen Fäden werden mit zwei Endobuttons beladen. Nach Lagekontrolle des Spans erfolgt zuerst das Verknoten mittels Nice-Knot. Auch jetzt ist eine Lagekontrolle arthroskopisch und mittels Röntgen möglich. Die Position kann noch geändert werden, da der Knoten noch nicht blockiert ist. Bei korrekter Lage Spannen des Nice-Knots mit dem Newtonmeter (100Newton) und Blockierung des Knopfes durch Halbschläge (Abb.8, Abb.9).
Nach dem Kürzen der Fadenreste dorsal wird über das ventrale Portal ein klassischer Bankart-Repair durchgeführt.
Beim Setzen der empfohlenen zwei Fadenanker muss darauf geachtet werden, dass die Fäden, die zur Spanfixation dienen, nicht beschädigt werden. Es empfiehlt sich, dass die Anker früher, bei liegenden Bohrkanülen, gesetzt werden. Eine Beschädigung der Fixationsfäden kann so vermieden werden, es kommt jedoch zu mehr Aufwand beim Fadenmanagement.
Abschließend erfolgen die Reposition des Kapsel-Labrum-Komplexes und ein klassischer Bankart-Repair (Abb.10, Abb.11).
Der arthroskopische Beckenkammspan mit Endobuttonfixation bietet mehrere Vorteile, aber auch Nachteile im Vergleich zu den etablierten Operationsmethoden.

Abb. 4: Einbringen des Knochenblocks

Abb. 5: Knochenblock in Position
Vorteile
Subscapularissplit
Ein wesentlicher Vorteil besteht darin, dass kein Split der Subscapularissehne notwendig ist. Es können daher sowohl direkte Schäden an der Sehne bzw. am Muskel als auch langfristige Schäden in Form von Fibrosierungen vermieden werden. Auch ist das Risiko für neurovaskuläre Schäden, vor allem am N. axillaris, deutlich geringer.
Anatomisches Verfahren
Die Versorgung mittels Latarjet stellt durch die Versetzung des Processus coracoideus samt Ursprung des Caput brevis des Bizepsmuskels bei Brüchen oder Nichtheilung/Fehlheilung ein wesentliches Problem dar. Bei diesen Komplikationen wird nicht nur das Operationsziel verfehlt, sondern die Schulter auch durch den Verlust der kurzen Bizepssehne, des coracoacromialen Bandes und des M. pectoralis minor zusätzlich geschädigt. Diese Problematik kommt bei Nichtheilung nach Augmentation eines Beckenkammspans – ob als J-Span nach Resch oder als trikortikaler Span – nicht zu tragen.

Abb. 6: Postoperatives CT sagittal

Abb. 7: Postoperatives CT transversal
Schraubenfehllagen und Irritationen
Das Remodeling am ventralen Pfannenrand nach Knochenaugmentation beschreibt nichts anderes als den Abbau nicht benötigter Knochenanteile nach dem Wolffschen Gesetz. Auf lange Sicht stehen fast alle Schraubenköpfe – zumindest etwas – über den resorbierten Knochen vor und können zu Irritationen an der Subscapularissehne oder am Oberarmkopf führen. Bei über Fäden gespannten Endobuttons ist diese Komplikationsmöglichkeit zumindest weitgehend ausgeschlossen. Auch die Endobuttons können theoretisch zur einer Irritation am Humeruskopf führen, da sie aber „mobil“ nur an den Fäden befestigt sind, ist diese Komplikation unwahrscheinlich.
Arthroskopische Versorgung
Die Möglichkeit der direkten Sicht zur Kontrolle der Lage des Spans zur Gelenksfläche stellt einen wesentlichen Vorteil dar. Es ist jedoch anzumerken, dass die Lagebestimmung über eine 30°- oder 70°-Optik einer gewissen Erfahrung bedarf.
Die Möglichkeit des zusätzlichen Bankart-Repairs bringt bei arthroskopischen Verfahren einen wesentlichen Vorteil. Einerseits führt der Repair zu einer zusätzlichen Stabilisierung, andererseits kann dadurch ein möglicher Kontakt des Oberarmkopfes mit dem Span vermieden und eine daraus resultierende Arthroseneigung reduziert werden. Der Span kommt nach der Weichteilversorgung extrakapsulär zu liegen und direkter Kontakt zum Humeruskopf, mit entsprechender Schädigung, kann vermieden werden.

Abb. 8: Tensiometer

Abb. 9: Finales Ergebnis dorsal

Abb. 10: Span vor Bankart-Repair

Abb. 11: Span nach Bankart-Repair („extraartikuläre“ Lage)
Nachteile
Eingeschränkte Kompression
Die Fixation über ein Fadenkonstrukt kann nicht die Stabilität und Kompression einer Schraubenosteosynthese erzielen. Diese sind allerdings wichtige Faktoren für die Einheilung des Spans. Eine präzise Präparation des Bettes, genaues Fadenmanagement und die Verwendung eines Spanngerätes mit Newtonmeter können diese Nachteile etwas verringern, aber nicht ausgleichen.
Die Weiterentwicklung des Fadenmaterials (es sind bereits Fäden die sich bei Flüssigkeitskontakt über Zuckerverbindungen kontrahieren und einen Zug von ca. 20 Newton längerfristig aufrechterhalten können, am Markt) wird hoffentlich zukünftig Verbesserung bringen.
Kein Schlingeneffekt
Im Vergleich zur Operation nach Latarjet kann kein Schlingen- oder Hängematteneffekt durch Versetzen des Ursprunges der kurzen Bizepssehne erreicht werden.
Ausblick und Fazit
Die Bücher zur Knochenaugmentation mittels Fäden wurden gerade erst aufgeschlagen. Als Fadeneigenschaften waren bis vor Kurzem Durchmesser, bestenfalls noch Reißfestigkeit bekannt. Elastizität und Kontraktionsfähigkeit in Abstimmung zum Einsatzgebiet werden hier die künftigen Herausforderungen für Entwickler und Anwender darstellen.
Dass die Versorgung ventrokaudaler Glenoiddefekte mittels Beckenkammspan der Operation nach Latarjet prinzipiell ebenbürtig ist, konnte Philipp Moroder 2019 eindrucksvoll darstellen. Es bedarf noch wissenschaftlicher Daten, ob eine Befestigung des Spans mittels Fäden (ob mit Button oder als Fadencerclage) dem J-Span nach Resch ebenbürtig ist.
Aus meiner Sicht stellt sie auf jeden Fall die „schonendste“ Operationstechnik dar, da sie ohne Schrauben, Versetzung der kurzen Bizepssehne, Subscapularissplit oder Osteotomie am Glenoid auskommt. Primum non nocere!
Literatur:
beim Verfasser