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Arthroskopische Versorgung von isolierten Subscapularisläsionen
Leading Opinions
Autor:
Prof. em. Christian Gerber
Universitätsklinik Balgrist, Zürich
Autor:
Dr. med. Anita Hasler
Universitätsklinik Balgrist, Zürich<br> E-Mail: anita.hasler@balgrist.ch
30
Min. Lesezeit
22.11.2018
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<p class="article-intro">Isolierte Subscapularisläsionen sind weniger häufig als isolierte Supraspinatus- oder kombinierte Rotatorenmanschettenrupturen, können jedoch mit einer ausgeprägten Funktionseinschränkung und Schmerzen assoziiert sein. Durch die verbesserte MRI-Diagnostik steigt die Anzahl diagnostizierter Rupturen.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Isolierte Subscapularisrupturen können mit einer ausgeprägten schmerzhaften Funktionseinschränkung einhergehen.</li> <li>Isolierte Subscapularisrekonstruktionen machen 4 % (bis 10 % ) aller arthroskopischen Rotatorenmanschettenrekonstruktionen aus.</li> <li>Für traumatische Rupturen wird eine frühe Rekonstruktion bevorzugt.</li> <li>Die arthroskopische Rekonstruktion erzielt gute bis exzellente funktionelle Resultate.</li> </ul> </div> <p>Isolierte Subscapularisrekonstruktionen machen etwa 4 % (bis 10 % ) aller arthroskopischen Rotatorenmanschettenreparaturen aus.<sup>1, 2</sup> Funktionell ist der M. subscapularis der dominante Innenrotator des Armes. Er wirkt sowohl als statischer als auch als dynamischer Stabilisator des Glenohumeralgelenkes und bildet das vordere Segment des Querkraftpaares.<sup>3–8</sup> Die Subscapularissehne kommt von der ventralen Fläche des Schulterblattes und inseriert sowohl tendinös (proximal) als auch muskulär (distal) am Tuberculum minus und am Humerushals. Kadaverstudien zeigten eine Insertionsfläche von 16–20 x 25–40mm.<sup>9–11</sup> Der Sehnenansatz ist komplex und zeigt verschiedene tendinöse Ansätze zur Kapsel oder zum Pulley-System. Die Ursachen der Ruptur sind wie bei posterosuperioren Sehnenrupturen meist multifaktoriell. Traumatische Rupturen sind häufiger und betreffen vor allem auch jüngere Patienten.<sup>12–14</sup> Diese traumatischen Rupturen sind oft isoliert und Resultat einer Extension, Adduktion und Aussenrotation.<sup>15</sup></p> <h2>Diagnostik</h2> <p>Für das isolierte Testen der Subscapularisintegrität können der Lift-off-Test oder der Belly-Press-Test gebraucht werden.<sup>16, 17</sup> Auch eine im Vergleich zur Gegenseite vergrösserte, passive Aussenrotation ist ein indirektes Zeichen. Das Arthro- MRI ist das Mittel der Wahl für die Diagnostik mit einer Sensitivität von 36–94,7 % und einer Spezifität von 82,4–100 % .<sup>18–20</sup></p> <h2>Klassifikation</h2> <p>Zumindest die chronische Ruptur der Subscapularissehne beginnt artikularseitig kranial und dehnt sich dann nach kaudal aus.<sup>1, 21</sup> Lafosse et al. haben ein Klassifikationssystem mit 5 Typen entwickelt.<sup>1</sup> Diese Einteilung hilft zu entscheiden, ob eine Ruptur noch reparabel ist oder nicht. Dabei gilt eine Grad-V-Läsion als irreparabel (Tab. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1804_Weblinks_lo_ortho_1804_s44_tab1+2.jpg" alt="" width="1438" height="901" /></p> <h2>Indikation für chirurgische Intervention</h2> <p>Bei chronisch symptomatischen Patienten, welche von einem sechsmonatigen konservativen Therapieversuch nicht profitiert haben (Physiotherapie, Life-style- Modifikation, NSAR-Therapie), kann die Indikation zur Rekonstruktion gestellt werden. Substanzielle (von positiven klinischen Zeichen begleitete) akute traumatische Subscapularisläsionen sollen dagegen zügig operativ therapiert werden, um eine Retraktion und Verfettung zu vermeiden. Es gibt jedoch in der Literatur keine klare Richtlinie bezüglich der Operabilität. Unsere Operationsindikationen sind in Tabelle 2 wiedergegeben.<br /> Obwohl eine fettige Infiltration ≥3 für die meisten Orthopäden eine Kontraindikation darstellt, konnten Burkhart et al. in einer Studie zeigen, dass auch Patienten mit höhergradiger Verfettung von einer arthroskopischen Rekonstruktion noch profitieren.23 Auch bei grossen Rotatorenmanschettenläsionen kann es das Ziel sein, die Kräfte durch eine Teilreparatur der Sehne wieder in Balance zu bringen.</p> <h2>Operationstechnik</h2> <p>Meist wird heute eine arthroskopische Technik bevorzugt, wobei die Literatur äquivalente klinische Resultate nach offener oder arthroskopischer Rekonstruktion zeigt.<sup>16, 17, 24–26</sup> Da jedoch die Ruptur meistens intraartikulär kranial beginnt, ist die arthroskopische Sicht von intraartikulär der offenen Rekonstruktion bei partiellen Läsionen möglicherweise überlegen.<sup>14</sup><br /> Die arthroskopische Rekonstruktion der Subscapularissehne wird bei uns in «Beach Chair»-Lagerung unter aktiviertem Interskalenuskatheter durchgeführt, mit ggf. zusätzlicher Allgemeinnarkose. Der Arm wird in einem Armhalter (Spider, Tenet Medical Engineering, Inc.) fixiert. Da aufgrund der Retroversion des Humerushalses der vordere Anteil des Deltoideus eng an den Ansatzpunkt des Subscapularis herangedrückt wird, muss der Arm in Flexion und leichte Innenrotation gebracht werden, um die Ansatzstelle gut beurteilen zu können. Führt dieses Manöver nicht zu genügender Übersicht, wird der Oberarm durch die Assistenz nach dorsal gezogen. Neben einem dorsalen Standardportal werden weitere 2–3 zusätzliche anteriore, anterolaterale und anterosuperiore Portale genutzt. Wir verwenden für die verbesserte Sicht eine 70°-Optik. Zuerst wird die Ruptur genau beurteilt und dann der muskulotendinöse Übergang mobilisiert, sodass eine Refixation auf den Ansatzpunkt ohne grosse Spannung möglich ist. Es erfolgten die Eröffnung des Rotatorenmanschettenintervalls und damit die Darstellung des Oberrandes der Subscapularissehne. Je nach Retraktion wird dann die Sehne nach posterior (zum Glenoid) oder anterior (zum Processus coronoideus) mobilisiert. Dabei muss ggf. der N. axillaris aufgesucht werden, um einen zu grossen Zug am Nerv zu verhindern. Dazu benutzen wir häufig einen Haltefaden (PDS, Nr. 1), welcher mit der Shuttletechnik eingebracht wird (Abb. 1).<br /> Dies erlaubt es, die Muskelsehneneinheit temporär unter Spannung zu bringen. Wir verwenden für die Rekonstruktion Titananker, welche an der ehemaligen Ansatzstelle eingebracht werden. Dabei hängt die Anzahl der Anker von der Rupturgrösse und der Spannung ab. Für die Rekonstruktion verwenden wir ausschliesslich eine einreihige Nahttechnik. Bei grosser Retraktion wird die Ansatzstelle um einige Millimeter medialisiert und hierfür an der Knorpel-Knochen- Grenze der Knorpel entfernt. Nun wird die Sehne unter Spannung gebracht und mit dem Cleverhook die Sehne von kaudal nach kranial gefasst. Oft wird für die oberste Naht eine Loop-Technik verwendet.<br /> Häufig zeigen sich zudem pathologische Veränderungen der Bizepssehne, welche adressiert werden müssen. Durch die Ruptur der Subscapularissehne kann es zu einer Verletzung des Pulley-Systems kommen und dadurch zur Subluxation/Luxation der langen Bizepssehne aus dem Sulcus. Wenn die lange Bizepssehne subluxiert oder entzündlich verändert ist, empfiehlt sich eine Tenotomie oder Tenodese. Wir bevorzugen die Tenotomie. Eine Tenodese wird nur bei jüngeren Patienten mit hohem kosmetischem Anspruch vorgenommen (Abb. 2).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Ortho_1804_Weblinks_lo_ortho_1804_s45_abb1+2.jpg" alt="" width="1417" height="1261" /></p> <h2>Postoperative Rehabilitation</h2> <p>Postoperativ wird eine Immobilisation in der Schlinge für 6 Wochen mit begleitender Physiotherapie empfohlen. Dabei sind eine Aussenrotation bis 0° und eine passive Abduktion in Innenrotation erlaubt. Während dieser Zeit sind Finger, Handgelenk und Ellbogengelenk frei beweglich. Die aktive Mobilisation startet nach 6 Wochen und Kraftübungen werden nach 12 Wochen freigegeben. Schwere körperliche Arbeit und Sport, welche die obere Extremität involvieren, sind postoperativ für 4 Monate nicht erlaubt.</p> <h2>Resultate</h2> <p>Die klinischen Resultate zeigen in der Literatur eine gute Verbesserung mit einer Heilungsrate von 45,5–100 % . Diese Werte sind vergleichbar mit der Heilungsrate bei posterosuperioren Rupturen. Die Mehrheit der Studien zeigt keine Verbesserung oder Verschlechterung der fettigen Infiltration oder Muskelatrophie im Verlauf.<sup>1, 27–29</sup></p> <p>Unsere Langzeiterfahrung betrifft 36 Patienten, die im Mittel nach mehr als 8 Jahren in 95 % der Fälle subjektiv zufrieden oder sehr zufrieden sind. Die detaillierten Resultate sind derzeit in der internationalen Literatur unter Review und werden demnächst publiziert.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Isolierte Subscapularissehnenrupturen sind häufiger als früher angenommen und werden durch die MRI-Diagnostik und die Arthroskopie zuverlässiger entdeckt und einer optimalen Behandlung zugeführt. Die arthroskopische Rekonstruktion der Subscapularissehne erzielt gute bis sehr gute funktionelle Resultate mit einer geringen Rerupturrate.</p> </div></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Lafosse L et al.: J Bone Joint Surg Am 2007; 89(6): 1184- 93 <strong>2</strong> Edwards TB et al.: Arthroscopy 2006; 22(9): 941-6 <strong>3</strong> Halder A et al.: J Orthop Res 2000; 18(5): 8 29-34 <strong>4</strong> Burkhart SS: Clin Orthop Relat Res 1991; (267): 45-56 <strong>5</strong> Turkel SJ et al.: J Bone Joint Surg Am 1981; 63(8): 1208- 17 <strong>6</strong> Werner CM et al.: Clin Biomech 2007; 22(5): 495-501 <strong>7</strong> Lyons RP, Green A: J Am Acad Orthop Surg 2005; 13(5): 353-63 <strong>8</strong> Burkhart SS et al.: Arthroscopy 1994; 10(4): 363- 70 <strong>9</strong> Curtis AS et al.: Arthroscopy 2006; 22(6): 609 e1 <strong>10</strong> Ide J et al.: Arthroscopy 2008; 2 4(7): 749-53 <strong>11</strong> Richards DP et al.: The subscapularis footprint: an anatomic description of its insertion site. Arthroscopy 2007; 23(3): 251-4 <strong>12</strong> Hashimoto T et al.: Clin Orthop Relat Res 2003; (415): 111-20 <strong>13</strong> Killian ML et al.: Am J Sports Med 2015; 43(10): 2401-10 <strong>14</strong> Sakurai G et al.: J Shoulder Elbow Surg 1998; 7(5): 510-5 <strong>15</strong> Mall NA et al.: Arthroscopy 2013; 29(2): 366-76 <strong>16</strong> Gerber C et al.: J Bone Joint Surg Am 1996; 78(7): 1015-23 <strong>17</strong> Gerber C, Krushell RJ: J Bone Joint Surg Br 1991; 73(3): 389-94 <strong>18</strong> Gyftopoulos S et al.: Skeletal Radiol 2013; 42(9): 1269-75 <strong>19</strong> Adams CR et al.: Arthroscopy 2012; 28(11): 1592-600 <strong>20</strong> Adams CR et al.: Arthroscopy 2010; 26(11): 1427-33 <strong>21</strong> Yoo JC et al.: Arthroscopy 2015; 31(1): 19-28 <strong>22</strong> Goutallier D et al.: Clin Orthop Relat Res 1994; (304): 78-83 <strong>23</strong> Burkhart SS et al.: Arthroscopy 2007; 23(4): 347-54 <strong>24</strong> Deutsch A et al.: Am J Sports Med 1997; 25(1): 13-22 <strong>25</strong> Namdari S et al.: J Bone Joint Surg Am 2008; 90(9): 1906-13 <strong>26</strong> Edwards TB et al.: J Bone Joint Surg Am 2005; 87(4): 725-30 <strong>27</strong> Lanz U et al.: Arthroscopy 2013; 29(9): 1471-8 <strong>28</strong> van der Zwaal P et al.: Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2013; 21(7): 1620-5 <strong>29</strong> Toussaint B et al.: Orthop Traumatol Surg Res 2012; 98(8 Suppl): S193-200</p>
</div>
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