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Amputationsneurome der Finger: intraossäre Verlagerung versus Elektrokoagulation
Jatros
Autor:
Prim. Dr. Andreas Pachucki
Unfallchirurgische Abteilung, Landesklinikum Amstetten
Autor:
OA Dr. Alexander Meznik
Traumazentrum Wien der AUVA, Standort Meidling, Wien<br> E-Mail: alexander.meznik@auva.at
30
Min. Lesezeit
10.05.2018
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<p class="article-intro">Ziel der operativen Neurombehandlung ist die Reduktion oder Beseitigung der Schmerzen. Dies erreicht man entweder durch Verhinderung der Neubildung nach Resektion oder durch die Verlagerung des Nervenendes bzw. des Neuroms in einen mechanisch nicht bzw. nur gering beanspruchten Bereich.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Verhinderung der Neubildung</h2> <p>In der Literatur werden zahlreiche Methoden beschrieben, welche die Aussprossung von Axonen aus dem Nervenende verhindern sollen, zum Beispiel:</p> <p><strong>Physikalische Methoden</strong><br />Mehrere Autoren beschreiben die Verlötung des Nervenendes mittels Elektrokoagulation oder Vereisung.</p> <p><strong>Chemische Methoden</strong><br />Methoden wie die Injektion von hochprozentigem Alkohol, Phenol oder Formalin haben aufgrund der Gewebetoxizität nur mehr historische Bedeutung.</p> <p><strong>Mechanische Methoden</strong><br />Krueger beschreibt 1916 die Quetschung der Nervenenden als eine Methode, die die Regeneration der Nervenenden im Bereich der vernarbten Nervenscheide verhindern soll.<br /> Eine weitere mechanische Methode bildet die Ligatur des Nervs. Wichtig bei dieser Methode ist der wasserdichte Verschluss des Perineuriums. Chavanaz 1940 spricht sich für diese Methode aus, Martini 1988 ist aber der Meinung, dass der wasserdichte Verschluss nur selten zu erreichen ist und in der Regel einen Glücksfall darstellt, da die Ligatur entweder zu fest angezogen wird und dadurch das Perineurium geschädigt wird und die Axone lateral aussprossen können oder, wenn die Ligatur zu locker ist, kleine Lücken bestehen bleiben, durch welche Axone durchtreten können.<br /> Auch die Überkappung des Nervenendes mit einem Fremdmaterial wurde zur Verhinderung der Neurombildung angewendet. So wurde Tantalum zur Einscheidung des Nervenendes von Coburn 1945 empfohlen. Andere Autoren verwendeten Glas oder Silber, während in den letzten Jahren vornehmlich Silikon wegen seiner Geschmeidigkeit, guten Verträglichkeit und leichten Handhabung verwendet wird. Um eine noch bessere Handhabung und Platzierung zu erreichen, wurde von Nelson 1977 Silikonkleber verwendet. Auftretende Probleme waren vor allem Fremdkörperreaktionen, Dislokationen und darauf folgende Neurombildungen oder das Auswachsen von Axonen zwischen Silikon und Nerv.<br /> Martini schreibt 1988, dass die beste Methode zur Verhinderung eines Stumpfneuroms der wasserdichte Verschluss des Epineuriums sei. Er wendet in seiner Studie, welche 1988 veröffentlicht wurde, Histoacryl-blau-Kleber an. Die einzelnen Faszikel werden aus dem Epineurium vorgezogen, durchtrennt und der verbliebene Raum mit dem Kleber aufgefüllt.</p> <p><strong>Biologische Methoden</strong><br />Auch biologische Methoden zur Verhinderung eines Stumpfneuroms werden beschrieben und angewendet. So beschreibt Chapple 1917 seine Operationsmethode, bei der er das Epineurium ringförmig abpräpariert, die Nervenfaszikel rückkürzt und das Epineurium über dem Stumpf vernäht. Jedoch auch in mikrochirurgischer Technik, wie sie 60 Jahre später beschrieben wird, verhilft diese Methode nur in 63 % der Fälle zum Erfolg.<br /> Einige Chirurgen wendeten die Methode der mehrmaligen Durchtrennung und Wiedervereinigung des Nervs an. So sollten die Axone beim Aussprossen nicht mehr ihre originalen Strukturen finden, da sie mehrere Nahtstellen passieren müssen. Nachteil dieser Methode ist, dass an jeder Nahtstelle ein Neurom entstehen kann und dadurch Beschwerden auftreten können.<br /> Eine weitere Methode stellt die End-zu- End-Vereinigung zweier Nervenstämme dar. Die Umhüllung des Nervs mit einem Venenstück wurde von Snyder 1961 beschrieben. Die für ein weiteres Wachstum des Nervs wichtigen Strukturen, wie z.B. die Schwannzelle, sind nicht vorhanden und dadurch ein Durchwachsen des Nervs nicht möglich.<br /> Martini verwendet statt einer Vene ein homologes konserviertes Nerventransplantat. Er macht drei Faktoren für das schlechte Einsprossen von Axonen und damit die Neubildung eines Neuroms verantwortlich: das Fehlen der Zellbestandteile (das Implantat besteht aus totem homologem Bindegewebe), schlechte Revaskularisation und allergische/entzündliche Reaktionen.<br /> Bei Vorliegen eines Neuroms lediglich nach Durchtrennung eines Nervs muss die Wiedervereinigung notfalls mit Interponat die Methode der Wahl sein.</p> <h2>Verlagerung</h2> <p>Mit der Verlagerung des Nervenendes in eine mechanisch nicht oder wenig beanspruchte Region befassen sich mehrere Autoren. Die einfachste Methode ist das Aufsuchen des Nervenendes, Vorziehen desselben nach distal und scharfes Durchtrennen weit proximal. So kommt das Nervenende in gesundes narbenfreies Gewebe. Diese Methode wurde bereits Mitte des vorigen Jahrhunderts beschrieben und von Billroth und Witzel praktiziert.<br /> Littler beschrieb 1967 die Verpflanzung des Neuroms in eine wenig beanspruchte Region. Dabei präpariert er das Neurom lediglich aus und verlagert es subkutan in eine narbenfreie und mechanisch nicht irritierte Region, wie z.B. am Finger auf den Handrücken.<br /> Eine andere Möglichkeit wurde Anfang dieses Jahrhunderts beschrieben: Die Einpflanzung des Nervs in die benachbarte Muskulatur sollte das Neuaussprossen verhindern. Sunderland vertrat aber die Meinung, dass die Neubildung mit dieser Methode nicht verhindert werden kann, sondern lediglich eine bessere Polsterung für das Neurom entstehen würde. Auch eine Besserung der Beschwerden könne mit dieser Methode nicht erreicht werden, da durch die Bewegung der Muskulatur das Nervenende dauernd gereizt wird.<br /> Mehrere Autoren beobachteten unabhängig voneinander, dass Nervenenden, in Kallus oder Knochen eingeklemmt, keine Neurome bilden. Boldrey 1943 verlagerte den Nervenstumpf in den Knochen. White 1946 beschreibt in 4 von 5 Fällen ein gutes Ergebnis, Zilch verzeichnete nur in 12 % der Fälle ein Rezidiv. Andere Autoren haben diese Methode aufgegriffen, aber wegen schlechter Ergebnisse wieder verlassen.</p> <h2>Eigene Fälle</h2> <p>Wir konnten insgesamt 14 Patienten, die wegen eines Neuroms im Unfallkrankenhaus Meidling bzw. an der Unfallabteilung Amstetten operiert wurden, nachuntersuchen. Es handelte sich um 7 Männer und 7 Frauen mit einem Durchschnittsalter von 44 Jahren. Die Verteilung der betroffenen Nerven zeigt Tabelle 1.<br /> 12 Nerven wurden im gesunden und narbenfreien Gewebe rückgekürzt und elektrokoaguliert. 11 Neurome bzw. Nervenstümpfe wurden intraossär verlagert. Dabei wurde der Nerv auspräpariert und das Neurom dargestellt. 6 Neurome waren so groß, dass sie reseziert werden mussten und erst der Nervenstumpf intraossär verlagert werden konnte. Das Nervenende wurde angeschlungen und der Faden durch ein Bohrloch der Stärke 2,7mm in der ersten Kortikalis und mittels einer Bunnell-Nadel durch die zweite Kortikalis gezogen. Dadurch verhindert man ein ungewolltes Durchziehen des Nervenendes auf die zweite Seite. Um ein Herausgleiten des Nervs zu verhindern, werden die Fäden verankert. Wichtig ist, dass der Nerv spannungsfrei in den Markraum gezogen wird, ohne durch einen Knochenvorsprung kompromittiert zu werden.<br /> Unter den 12 elektrokoagulierten Nerven fanden wir bei der Nachuntersuchung in 4 Fällen neuerlich ein positives Hoffmann-Tinel-Zeichen. Auffallend war, dass bei diesen Fällen mit schlechtem Ergebnis das Intervall zwischen der Verletzung und der Neuromoperation deutlich länger war, nämlich im Schnitt 144 Monate. Bei den Fällen mit besseren Ergebnissen war im Schnitt schon nach 27 Monaten operiert worden.<br /> Bei den Patienten mit intraossärer Verlagerung des Nervs kam es in keinem Fall zu einem positiven Hoffmann-Tinel-Zeichen. Hier betrug der Zeitraum zwischen Unfall und Operation im Durchschnitt 38 Monate.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Ortho_1803_Weblinks_ortho_1803_s21_tab1.jpg" alt="" width="686" height="931" /></p> <h2>Take-Home-Message</h2> <p>Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die intraossäre Verlagerung des Nervenstumpfes gute Ergebnisse bringt, der Operationsaufwand aber doch größer ist. Komplikationen, z.B. iatrogene Frakturen, sahen wir in keinem Fall der intraossär verlagerten Neurome. Diese Methode scheint der reinen Durchtrennung und Elektrokoagulation überlegen zu sein. Der Operationszeitpunkt scheint aber auch eine Rolle zu spielen.</p></p>
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<p>bei den Verfassern</p>
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