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Aktueller Stand der Osteoporosetherapie
Jatros
Autor:
Priv.-Doz. Dr. Alexander Vonbank, PhD, MBA
Innere Medizin I, Landeskrankenhaus Feldkirch<br> E-Mail: alexander.vonbank@lkhf.at
30
Min. Lesezeit
13.02.2020
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<p class="article-intro">Den meisten Frauen ist ihr persönliches Osteoporoserisiko gar nicht bewusst. Da eine beginnende Osteoporoseerkrankung keine deutlichen Symptome zeigt, fehlt es oft an einer Diagnose und einer adäquaten Therapie. Neben der medikamentösen Behandlung spielen dann vor allem auch die richtigen Lebensstilmaßnahmen eine wichtige Rolle.</p>
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<p class="article-content"><p>Europaweit gehört die Osteoporose, vor allem aufgrund des erhöhten Frakturrisikos, zu den kostenintensivsten chronischen Erkrankungen. Die Kosten der medizinischen Versorgung einer Schenkelhalsfraktur betragen meist > 10 000 Euro, die Betreuungs- und Reha-Kosten sind dann nochmal um das 2–3-Fache höher. Oft fehlen die Diagnose und die wirksame Osteoporosetherapie. Insgesamt erhält nur jeder zehnte Patient eine adäquate Osteoporosetherapie. Häufig spielen dabei das geringe Wissen der Betroffenen und die Tatsache, dass eine beginnende Osteoporose keine deutlichen Symptome zeigt, eine Rolle. 8 von 10 Frauen glauben, dass ihr persönliches Osteoporoserisiko nicht erhöht ist. 40 % aller Frauen über 50 Jahre haben allerdings eine erhöhte Anfälligkeit für Knochenbrüche, jede 8. Europäerin über 50 Jahre erleidet eine Wirbelkörperfraktur. <br />Nur die rechtzeitige Diagnose und die entsprechende Behandlung können dabei die steigende Inzidenz von pathologischen Frakturen verhindern.</p> <h2>Lebensstil</h2> <p>Lebensstilmaßnahmen spielen bei der Prophylaxe und der Therapie der Osteoporose eine wichtige Rolle. Zu den Lifestylemaßnahmen zählen eine adäquate Substitution mit Kalzium und Vitamin D, aber auch Bewegung, Nikotinabstinenz und eine Sturzprävention. Zusätzlich sollten Medikamente, die die Knochendichte negativ beeinflussen, möglichst vermieden werden.</p> <p><strong>Kalzium und Vitamin D</strong> <br />Eine optimale Ernährung für die Behandlung oder auch Prävention der Osteoporose beinhaltet eine ausreichende Aufnahme von Kalorien (eine Malnutrition sollte vermieden werden), Vitamin D und Kalzium (Tab. 1). Patienten mit inadäquater Kalziumaufnahme (< 1000 mg/Tag) sollten Kalziumergänzungsmittel zu sich nehmen. Ebenfalls wird die Einnahme von 800 IE Vitamin D empfohlen. Zahlreiche Studien belegen einen positiven Effekt von Supplementation mit Kalzium und Vitamin D auf die Knochendichte von Osteoporosepatienten. Die Daten zur Reduktion der Frakturrate sind allerdings teilweise kontrovers.</p> <p><strong>Bewegung</strong> <br />Patienten mit Osteoporose wird zumindest 3 x/Woche eine halbe Stunde aktive Bewegung empfohlen. In prospektiven Kohortenstudien war Bewegung mit einem reduzierten Risiko für Hüftfrakturen bei älteren Frauen assoziiert. Eine Metaanalyse zeigte eine Reduktion der Gesamtfrakturrate bei älteren Patienten durch regelmäßige Bewegung. Eine Mischung aus Ausdauertraining und leicht kräftigendem Training scheint dabei ideal zu sein.</p> <p> </p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Ortho_2001_Weblinks_s59_tab1.jpg" alt="" width="250" height="269" /></p> <h2>Pharmakologische Therapie</h2> <p>Da es keine hochqualitativen Head-to- Head-Studien zu den unterschiedlichen Substanzen gibt, sollte die pharmakologische Osteoporosetherapie nach Effektivität, Sicherheit, Kosten und Einfachheit gewählt werden. Alle Patienten, die eine weitere pharmakologische Therapie erhalten, sollten vor dem Start normale Serum-Kalzium- und 25-Hydroxyvitamin-D-Spiegel haben.</p> <p><strong>Bisphosphonate</strong> <br />Alendronat, Risedronat, Ibandronat und Zoledronat sind effektiv in der Behandlung und Prävention der Osteoporose. Die Substanzen erhöhen die Knochenmasse und reduzieren die Inzidenz von Frakturen. <br />In der Regel wird eine orale Bisphosphonat- Gabe als Erstlinientherapie empfohlen, da Effektivität, Verfügbarkeit, Langzeitsicherheitsdaten und Kostenfaktor überzeugend sind. <br />Alle in Tabelle 2 angeführten Bisphosphonate sind für die Behandlung der postmenopausalen Osteoporose zugelassen. Alendronat, Risedronat und Zoledronat können auch zur Behandlung von männlichen Osteoporosepatienten verwendet werden. Alendronat und Zoledronat können darüber hinaus auch für die Glukokortikoid- induzierte Osteoporose eingesetzt werden (Risedronat und Ibandronat haben in diesen Indikationen keine Zulassung). <br />Orale Bisphosphonate sollten bei ösophagealen Beschwerden, Problemen mit der Einnahmemodalität (z. B. 30 Minuten aufrecht sitzen) und chronischen Nierenerkrankungen mit eGFR < 30 ml/min nicht als initiale Therapie angewendet werden. Bei Patienten mit ösophagealen oder gastrointestinalen Beschwerden, Patienten nach einer Magenbypass-Operation oder Patienten mit Schwierigkeiten bei der Tabletteneinnahme kann eine intravenöse Gabe in Erwägung gezogen werden.</p> <p><strong>Denosumab</strong> <br />In der Regel ist Denosumab für die meisten Osteoporosepatienten keine Erstlinientherapie, allerdings kann es als initiale Therapie bei Patienten mit hohem Frakturrisiko, mit eingeschränkter Nierenfunktion und bei Patienten mit Unverträglichkeit oder fehlendem Ansprechen auf Bisphosphonate in Erwägung gezogen werden. Denosumab ist ebenso eine gute Alternative zur intravenösen Gabe von Bisphosphonaten. Bei der Behandlung der postmenopausalen Osteoporose ist eine Reduktion von vertebralen und nicht vertebralen Frakturen inklusive proximaler Femurfrakturen von bis zu 10 Jahren nachgewiesen. <br />Es ist wichtig, die Patienten über das erhöhte Frakturrisiko nach plötzlichem Absetzen der Therapie zu informieren, um die Adhärenz möglichst zu verbessern.</p> <p><strong>Selektive Östrogenrezeptor-Modulatoren (SERM)</strong> <br />Bei selektiven Östrogenrezeptor-Modulatoren (SERM) gibt es nicht Osteoporosebedingte Faktoren, die mitberücksichtigt werden müssen, wie zum Beispiel potenziell positive Effekte auf das Brustkrebsrisiko, aber auch ein erhöhtes Risiko für thromboembolische Ereignisse. Raloxifen zeigte eine Risikoreduktion für vertebrale Frakturen. Zusätzlich verfügt es über 8-Jahres-Sicherheits- und Effektivitätsdaten mit zusätzlicher Reduktion des Brustkrebsrisikos. Bazedoxifen zeigt in der Prävention und Behandlung der postmenopausalen Osteoporose ähnliche Effektivitätsdaten wie Raloxifen, allerdings keine Daten zur Brustkrebsrisikoreduktion.</p> <p><strong>Parathyroid-Hormon/-Analoga</strong> <br />Auch Teriparatid wird in der Regel für die meisten Patienten nicht als Erstlinientherapie eingesetzt. Mögliche Patienten sind Männer oder postmenopausale Frauen mit schwerer Osteoporose (T-Score ≤ –3,5 auch ohne Fraktur oder ≤ –2,5 und eine Fraktur) oder Patienten mit Frakturen unter herkömmlicher Therapie. Die Therapie mit Teriparatid ist auf 24 Monate beschränkt. Im Anschluss an die anabole Reaktion des Knochens kommt es nach Beendigung der Teriparatid-Therapie wiederum zu einem gesteigerten Knochenabbau, weshalb generell eine sofortige Anschlussbehandlung mit einem Antiresorptivum empfohlen wird. Die Schweizerische Vereinigung gegen Osteoporose (SVGO) führt in den Empfehlungen auch eine Kombination von Teriparatid und Denosumab für schwere Osteoporose an. <br />In einer rezenten Metaanalyse von 107 Studien bei postmenopausalen Frauen mit Osteoporose zeigten Alendronat, Risedronat, Zoledronat, Denosumab, Romosozumab und Östrogen mit Progesteron ein reduziertes Risiko für Hüftfrakturen. Alendronat, Zoledronat, Risedronat, Ibandronat, Denosumab, Abaloparatid, Teriparatid, Romosozumab, Raloxifen, Bazedoxifen, Lasofoxifen und Östrogen mit Progesteron zeigten eine Reduktion des Risikos für vertebrale Frakturen. Die anabolen Präparate (Teriparatid, Abaloparatid, Romosozumab) und Denosumab waren mit der höchsten relativen Effektivität assoziiert, obwohl nur wenige Studien die Substanzen in der Frakturprävention direkt vergleichen. <br />Strontiumranelat zeigte nach primär überzeugenden Daten in zwei placebokontrollierten Studien, SOTI und TROPOS, ein erhöhtes Risiko für venöse Thromboembolien, obwohl kein kausaler Zusammenhang zwischen Strontiumranelat und den aufgetretenen venösen Thromboembolien hergestellt werden konnte. Zusätzlich wurde die Substanz mit schweren Überempfindlichkeitsreaktionen in Verbindung gebracht, sodass die Firma 2017 die Produktion und den Vertrieb eingestellt hat. <br />Romosozumab ist eine der Hoffnungen auf eine neue Therapiemöglichkeit. Romosozumab richtet sich gegen Sclerostin, einen negativen Regulator der Knochenbildung, der in Osteozyten gebildet wird und Knochenabbau und Osteoporose begünstigt. In der FRAME-Studie wurde seine Wirksamkeit bei postmenopausalen Frauen untersucht. An der randomisierten, doppelblinden und placebokontrollierten Phase-III-Studie nahmen rund 7200 postmenopausale Frauen mit Osteoporose teil. Die Hälfte von ihnen erhielt ein Jahr lang Romosozumab, die andere Hälfte Placebo. Im folgenden Jahr wurden alle Probandinnen mit Denosumab weiterbehandelt. Nach 12 und 24 Monaten wurden unter anderem die Häufigkeit neuer Frakturen und die Knochendichte ermittelt. Romosozumab erhöhte die Knochendichte mit Reduktion vertebraler Frakturen (0,5 % vs. 1,8 % unter Placebo). Der günstige Einfluss der Gabe von Romosozumab zeigte sich auch in der weiteren Kontrolle, als alle Frauen Denosumab erhielten. Die Rate vertebraler Frakturen lag dabei bei den mit Romosozumab vorbehandelten Frauen bei 0,6 % vs. 2,5 % unter Placebo, was einer Risikoreduktion von 75 % entspricht. Insgesamt erhöhte Romosozumab die Knochenmineraldichte und verringerte die Frakturrate. <br />Romosozumab hat in der EU aufgrund von möglichen Hinweisen auf ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko bisher noch keine Zulassung erhalten (durch die FDA erfolgte im April dieses Jahres bereits eine Zulassung), ebenso wurde auch eine weitere Substanz, Abaloparatid, bisher von der EMA abgelehnt.</p> <p> </p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Ortho_2001_Weblinks_s59_tab2.jpg" alt="" width="500" height="267" /></p></p>
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