
©
Getty Images/iStockphoto
Vorhofflimmerarrhythmie in der Onkologie
Jatros
Autor:
Assoz. Prof. Priv.-Doz. Dr. Thomas Gary
Klinische Abteilung für Angiologie<br> Univ.-Klinik für Innere Medizin<br> Medizinische Universität Graz<br> E-Mail: thomas.gary@medunigraz.at
30
Min. Lesezeit
22.11.2018
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Seit Jahrzehnten ist der Zusammenhang zwischen Vorhofflimmerarrhythmie (VHFA) und onkologischer Erkrankung bekannt. Bereits in den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts wurden nach thoraxchirurgischen Eingriffen bei Bronchuskarzinompatienten VHFA-Raten von über 20 % beschrieben. Auch in Studien, die bei unterschiedlichen Tumorentitäten in den Jahrzehnten danach durchgeführt wurden, zeigten sich VHFA-Raten von 4,4 % (kolorektaler Tumor) bis 19 % (Bronchuskarzinom).</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Zusammenhänge zwischen Tumorerkrankung und Herz</h2> <p>Die Zusammenhänge zwischen Tumorerkrankung und Herz sind unterschiedlicher Natur. Einerseits dürften durch die Tumorchirurgie bedingte Faktoren die Entstehung einer VHFA begünstigen. So werden eine Sympathikusaktivierung und auch eine Manipulation am rechten Vorhof nahe der Lungenveneneinmündungsstellen speziell bei thoraxchirurgischen Eingriffen diskutiert. Weiters dürften Chemotherapeutika mit einer kardiotoxischen Wirkung (z.B. Platine) die VHFA-Entstehung bei onkologischen Patienten begünstigen. Der dritte Punkt, der seit Jahren Gegenstand intensiver Forschung ist, ist die immunologische Komponente, die die beiden Erkrankungsbilder Tumor und VHFA teilen. Hierbei scheint durch eine durch den Tumor bedingte chronische Inflammation auch die VHFA-Entstehung begünstigt zu sein.<br /> Es scheint also eine Tumor-Herz-Achse zu bestehen, die einige interessante Phänomene erklärt.<br /> So findet man bei Patienten mit einer Erstdiagnose einer VHFA gehäuft maligne Erkrankungen. In einer dänischen Registerstudie konnte gezeigt werden, dass in den ersten 3 Monaten nach Erstdiagnose einer VHFA speziell die Tumorentitäten Kolonkarzinom, Bronchuskarzinom und Nierenzellkarzinom gehäuft erstdiagnostiziert werden. Die Ursache dafür dürfte die üblicherweise bei einer VHFA stattfindende internistische Durchuntersuchung (Thoraxröntgen und Hämocculttest vor Einleiten einer Antikoagulation) sein, die die oben angeführten Tumorentitäten demaskiert.<br /> Mehrere andere Studien haben auch gezeigt, dass das Vorhandensein einer VHFA bei Tumorpatienten mit einem schlechteren Outcome vergesellschaftet ist. Ob hier mehr Endpunkte (Schlaganfälle oder Blutungen) oder ein aggressiverer Tumorverlauf durch die oben ausgeführte Tumor-Herz-Achse dafür verantwortlich zeichnen, ist noch unklar.<br /> Unklar ist bisher auch, ob die Scoringmodelle bei VHFA zur Abschätzung des Schlaganfallrisikos wie der CHADS<sub>2</sub>- oder der CHA<sub>2</sub>DS<sub>2</sub>VASc-Score auch bei Tumorpatienten zulässig sind. Eine rezent publizierte Studie legt nahe, dass die Scores bei Patienten, die vor der Erstdiagnose der Tumorerkrankung bereits VHFA hatten, Gültigkeit haben. Wenn die VHFA jedoch erst nach der Tumorerkrankung auftritt, scheint bereits bei niedrigem CHADS<sub>2</sub>- Score ein deutlich erhöhtes Insultrisiko zu bestehen.</p> <h2>Antikoagulationstherapie</h2> <p>Die Antikoagulationstherapie ist auch bei Tumorpatienten die Behandlung der ersten Wahl, um ein Insultgeschehen zu verhindern. Aus den Studien der tumorassoziierten venösen Thrombose (CAT) wissen wir, dass die Therapie mit Vitamin- K-Antagonisten (VKA) aus unterschiedlichen Gründen (Interaktion mit Chemotherapeutika, Mukositis, stattgehabten Darmoperationen, mangelnder Nahrungsaufnahme durch Übelkeit und Erbrechen etc.) bei Tumorpatienten eine sehr schlechte Einstellungsqualität hat. Anders als bei der CAT wirkt aber bei VHFA die Heparintherapie oft unzureichend. In die nun bei der CAT untersuchte Antikoagulationstherapie mit direkten oralen Antikoagulanzien (NOAK), die auch gegenüber Heparin gut abgeschnitten hat, setzt man in der Antikoagulation der VHFA bei Tumorpatienten nun viel Hoffnung. Erste Daten und Subgruppenanalysen zeigen bei Tumorpatienten mit VHFA verglichen mit VKA eine gute Wirkung. Speziell bei Edoxaban gibt es aus der CAT-Studie gute Daten bei Patienten mit Thrombozytopenien bis zu 50 000/Mikroliter.<br /> Diesen Daten trägt auch die heuer im Frühjahr neu upgedatete Guideline der Europäischen Rhythmologischen Gesellschaft (EHRA) Rechnung. Hier wird bei Tumorpatienten mit VHFA die Antikoagulation mit einem VKA oder NOAK empfohlen. In dieser Guideline wird auch auf die mannigfaltigen Interaktionen der NOAK mit Chemotherapeutika verwiesen. Diese Interaktionen sind zu beachten, um Blutungskomplikationen zu vermeiden.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Zusammenfassend ist zu sagen, dass die VHFA bei onkologischen Patienten gehäuft auftritt. Eine Antikoagulation ist in den meisten Fällen indiziert. Diese sollte mit einem VKA oder NOAK erfolgen. Ein Heparin sollte aufgrund seiner geringen Wirkung bei VHFA nur in Einzelfällen gewählt werden. Im Falle einer NOAKTherapie sind Interaktionen mit Chemotherapeutika zu beachten.</p> </div></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p>beim Verfasser</p>
</div>
</p>