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Urogenitale Tumoren («non-prostate»)

<p class="article-intro">Urogenitale Tumoren waren auf der Jahrestagung der amerikanischen Krebsgesellschaft ASCO eines der zentralen Themen. Neben dem Schwerpunkt Prostatakarzinom standen auch die übrigen urogenitalen Tumoren im Mittelpunkt des Interesses, die im angloamerikanischen Sprachgebrauch als «non-prostate» zusammengefasst werden.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Der neue Tyrosinkinaseinhibitor Cabozantinib verl&auml;ngert das &Uuml;berleben im Vergleich zu Everolimus in der Zweitlinientherapie des klarzelligen Nierenzellkarzinoms.</li> <li>Erste klinische Studien zeigen Erfolge mit dem Einsatz von Checkpoint-Inhibitoren bei Urothelkarzinomen.</li> <li>Es gibt hohe &Uuml;berlebensraten bei Patienten mit fortgeschrittenem Hodenkrebs bei Zentrumsbehandlung.</li> <li>Die mittleren Medikamentenkosten f&uuml;r intraven&ouml;se Tumortherapien &uuml;berschreiten 12 000 US-Dollar pro Monat, was f&uuml;r die meisten Gesundheitssysteme nicht mehr tragbar ist.</li> </ul> </div> <h2>Klarzellige Nierenzellkarzinome &ndash; Auswahl in der Zweitlinie</h2> <p>Eines der Highlights des diesj&auml;hrigen ASCO war die Pr&auml;sentation der Daten der METEOR-Studie.<sup>1</sup> In der &uuml;berwiegend in Europa und den USA durchgef&uuml;hrten prospektiven randomisierten Phase-III-Studie bei 658 Patienten mit klarzelligem Nierenzellkarzinom zeigten sich 60mg Cabozantinib per os pro Tag der Einnahme von Everolimus 10mg per os pro Tag sowohl hinsichtlich des prim&auml;ren Endpunktes Wahrscheinlichkeit des progressionsfreien &Uuml;berlebens (PFS) als auch in der Gesamt&uuml;berlebenswahrscheinlichkeit (OS) signifikant &uuml;berlegen. Der Unterschied betrug fast 4 Monate f&uuml;r das PFS (7,4 vs. 3,9 Monate; HR: 0,51) und fast 5 Monate f&uuml;r das OS (21,4 vs. 16,5 Monate, HR: 0,66) zugunsten von Cabozantinib. Das Ergebnis ist klinisch relevant. Zugelassen waren Patienten unabh&auml;ngig von der Art und Anzahl der Vorbehandlungen, ein vorhergehender Einsatz von Checkpoint-Inhibitoren war ebenfalls zugelassen. Der Vorteil zugunsten von Cabozantinib gegen&uuml;ber Everolimus zeigte sich in allen Subgruppen und war unabh&auml;ngig vom Memorial-Sloan-Kettering-Cancer-Center(MSKCC)-Risikoscore. Die Rate an schweren Nebenwirkungen Grad III und IV war allerdings bei Cabozantinib mit 68 % h&ouml;her als bei Everolimus mit 58 % , ebenso die Zahl der erforderlichen Dosisreduktionen (60 % vs. 25 % ). Diese aktuell auf dem ASCO-Kongress vorgestellten Daten deckten sich erwartungsgem&auml;ss mit denjenigen der Publikation der Studie, die bereits 2015 ver&ouml;ffentlicht worden war.<sup>2</sup> F&uuml;r Nivolumab und die Kombination aus Lenvatinib und Everolimus scheinen sich auch mit l&auml;ngerer Nachbeobachtung die Erfahrungen zu best&auml;tigen, die auf dem letztj&auml;hrigen ASCO bereits pr&auml;sentiert worden waren.<sup>3, 4</sup> Damit stehen f&uuml;r die Zweitlinientherapie klarzelliger Nierenzellkarzinome mit Axitinib, Cabozantinib, Nivolumab und der Kombination aus Lenvatinib und Everolimus prinzipiell vier Substanzen bzw. Kombinationen zur Verf&uuml;gung, die in Studien allesamt mit einem medianen OS von mehr als 20 Monaten einhergingen, der jeweiligen Vergleichssubstanz Sorafenib bzw. Everolimus &uuml;berlegen waren, sich jedoch hinsichtlich Nebenwirkungsprofil und Preis ganz erheblich unterscheiden (Tab. 1). Ein direkter Vergleich einer oder mehrerer dieser vier Therapien untereinander wurde bislang nicht unternommen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Leading Opinions_Onko_1604_Weblinks_Seite73.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Checkpoint-Inhibitoren in der Therapie von Urothelkarzinomen</h2> <p>Urothelkarzinome der Harnblase standen im Fokus gleich zweier Pr&auml;sentationen der IMvigor-210-Studie zum Einsatz des neuen Checkpoint-Inhibitors Atezolizumab beim Urothelkarzinom.<sup>5, 6</sup> In diese Phase-II-Studie waren zwei unterschiedliche Kohorten von Patienten mit lokal fortgeschrittenen, inoperablen oder metastasierten Urothelkarzinomen des gesamten Urogenitaltraktes &ndash; also nicht nur der Harnblase, sondern auch des Nierenbeckens, des Ureters und der Urethra &ndash; eingeschlossen worden.<br /> Die Kohorte I bestand aus 119 Patienten mit inoperablen lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Karzinomen, die f&uuml;r eine Cisplatin-basierte Therapie zumeist aufgrund einer eingeschr&auml;nkten Nierenfunktion nicht in Betracht kamen &ndash; also ein Patientenkollektiv, das an vielen Zentren mit der Kombination aus Carboplatin und Gemcitabin behandelt werden w&uuml;rde.<sup>5,&nbsp;7</sup> Diese Kombination stellt somit den Hintergrund dar, vor dem sich die neuen Atezolizumab-Daten pr&auml;sentieren. In IMvigor 210 wurde eine Ansprechrate von 24 % (&laquo;overall response rate&raquo;, ORR) erreicht, mit 7 % kompletten Remissionen (CR) und 17 % partiellen Remissionen (PR). Das mediane OS lag bei 14,8 Monaten. &Uuml;berraschend war, dass bei den chemotherapienaiven Patienten sowohl das Ansprechen als auch die &Uuml;berlebenswahrscheinlichkeiten unabh&auml;ngig von der immunhistologischen Anf&auml;rbung des PD-L1-Rezeptors im Tumorinfiltrat war. Dies steht im Gegensatz zu den von Powles et al publizierten Daten der vorangegangenen &laquo;extended&raquo; Phase-I-Studie und den nachfolgend dargestellten Ergebnissen der Kohorte II.<sup>8</sup> Zusammenfassend erscheinen die Ergebnisse mit Atezolizumab in der Kohorte I im Vergleich zu der Kombination aus Carboplatin und Gemcitabin g&uuml;nstig, bei sehr guter Vertr&auml;glichkeit des neuen Checkpoint-Inhibitors (Tab. 2).<br /> Die gr&ouml;ssere Kohorte II bestand aus 310 Patienten mit lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Urothelkarzinomen, die bereits eine Cisplatin-haltige Therapie erhalten hatten und erneut progredient waren.<sup>6</sup> In dieser Kohorte II mit chemotherapeutisch vorbehandelten Patienten wurde eine ORR von nur 16 % erzielt, bei einem medianen OS von nur noch 7,9 Monaten. Passend zu den von Powles et al publizierten Daten unterschieden sich jedoch die Ergebnisse bei den Patienten in Abh&auml;ngigkeit von der immunhistologischen Anf&auml;rbung des PD-L1-Rezeptors im Tumorinfiltrat erheblich. Patienten mit einem hohen Score von 2 und 3 hatten ein deutlich besseres Ansprechen als Patienten mit einem niedrigen Score von 0 und 1 (ORR 28 % vs. ORR ca. 10 % ). Auch das mediane OS war f&uuml;r Patienten mit einem hohen Score von 2 und 3 deutlich besser als f&uuml;r Patienten mit einem niedrigen Score von 0 und 1 (11,9 Monate vs. 6,7 Monate). Damit stellt Atezolizumab vor allem f&uuml;r diejenigen mit Cisplatin vorbehandelten Patienten eine Option dar, deren Tumoren ein Infiltrat mit hoher immunhistologischer Anf&auml;rbbarkeit des PD-L1-Rezeptors aufweisen. Bei den &uuml;brigen Patienten mit einem niedrigen Score von 0 und 1 erscheint die Erfolgsquote mit Atezolizumab nicht h&ouml;her zu sein, als dies mit herk&ouml;mmlicher Zweitlinienchemotherapie zu erwarten w&auml;re (Tab. 3).<sup>9, 10</sup> Die Erfahrungen mit den Checkpoint-Inhibitoren Durvalumab und Nivolumab scheinen die Erfahrungen mit Atezolizumab bei Patienten mit Urothelkarzinomen zu best&auml;tigen. Durvalumab kam in einer &laquo;basket study&raquo; unter anderem bei Urothelkarzinomen als Zweitlinientherapie nach Cisplatin-Vorbehandlung zum Einsatz, Nivolumab in einer vergleichbaren &laquo;basket study&raquo; ebenfalls nach Vorbehandlung mit Cisplatin.<sup>11, 12</sup><br /> Bis zum Vorliegen der Ergebnisse aus Phase-III-Studien und der Zulassung der neuen Checkpoint-Inhibitoren bleibt die herk&ouml;mmliche Chemotherapie Standard in der Therapie von Patienten mit lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Urothelkarzinomen. Allerdings k&ouml;nnten eines Tages die Checkpoint-Inhibitoren bei insgesamt guter Vertr&auml;glichkeit f&uuml;r bestimmte Patientengruppen eine wirksame und nebenwirkungsarme Alternative zur Chemotherapie darstellen. Studien zum Einsatz von Checkpoint-Inhibitoren bei Urothelkarzinomen sind bei einer Vielzahl von Indikationsgebieten in Vorbereitung oder bereits aktiviert. Die Akzeptanz der Checkpoint-Inhibitoren wird allerdings auch erheblich von deren Preis nach Zulassung abh&auml;ngen. In einem wichtigen Beitrag in der Plenary Session des diesj&auml;hrigen ASCO wies Deborah Schrag, Gesundheitswissenschaftlerin und Professorin an der Harvard University, USA, darauf hin, dass die mittleren Kosten f&uuml;r intraven&ouml;se Tumortherapien in den USA bereits bei mehr als 12&thinsp;&thinsp;000 US-Dollar pro Monat liegen, ein Betrag, der f&uuml;r kein Gesundheitssystem auf die Dauer finanzierbar sein wird.</p> <h2>Hodenkrebs: Schwerpunkt auf zwei Subgruppen</h2> <p>Die hohen Heilungsraten bei Patienten mit Hodenkrebs sind legend&auml;r.<sup>13</sup> Dennoch existieren zwei Subgruppen mit ung&uuml;nstiger Prognose, die im Mittelpunkt zweier Pr&auml;sentationen des diesj&auml;hrigen ASCO standen. Patienten mit prim&auml;r extragonadalen Tumoren, mit extrapulmonalen Organmetastasen und/oder hohen Tumormarkern haben trotz ad&auml;quater Prim&auml;rtherapie mit Cisplatin, Etoposid und Bleomycin vergleichsweise schlechte Heilungsaussichten. Die Langzeitdaten der Studie GETUG 13 zeigen erstmals prospektiv, dass vor allem Patienten mit verz&ouml;gertem Abfall ihrer initial erh&ouml;hten Tumormarker eine Therapieintensivierung ben&ouml;tigen.<sup>14</sup> Ob sich dabei allerdings das stark neurotoxische Schema der GETUG-13-Studie durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Eine Alternative stellt die fr&uuml;he Intensivierung der Prim&auml;rbehandlung mit sequenzieller Hochdosischemotherapie und autologer Stammzellreinfusion dar. Bei Patienten mit Rezidiv oder Progress nach Cisplatin-basierter Prim&auml;rtherapie stellt die Hochdosischemotherapie einen vielerorts praktizierten Therapiestandard dar. Die Analyse von 364 an der Indiana University in den USA behandelten Patienten unterst&uuml;tzt dieses Vorgehen.<sup>15</sup> Das OS lag f&uuml;r die Gesamtgruppe der Patienten bei 66 % und war stark von prognostischen Einflussfaktoren abh&auml;ngig. Insgesamt best&auml;tigen die Daten aus Indiana die Ergebnisse der International Prognostic Factor Study Group, welche aus einem deutlich gr&ouml;sseren Patientenkollektiv gewonnen worden waren.<sup>16</sup> Eine prospektive, randomisierte Studie (TIGER-Studie) wird hoffentlich ab Ende 2016 Patienten mit Hodentumoren nach Versagen einer Cisplatin-basierten Prim&auml;rtherapie sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland rekrutieren.<br /> Beide diesj&auml;hrigen ASCO-Pr&auml;sentationen zu Hodentumoren best&auml;tigen, dass selbst in einem Patientenkollektiv mit hohem kurativem Potenzial Subgruppen existieren, die in Therapiestudien und an Zentren behandelt werden m&uuml;ssen. Nur bei entsprechender Erfahrung werden Behandlungsergebnisse erzielt, die einem internationalen Vergleich standhalten k&ouml;nnen. Diese Aussage kann eigentlich f&uuml;r alle Patienten mit urogenitalen Tumoren gelten.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Choueiri TK et al: Overall survival (OS) in METEOR, a randomized phase 3 trial of cabozantinib (Cabo) versus everolimus (Eve) in patients (pts) with advanced renal cell carcinoma (RCC). 2016 ASCO Annual Meeting, Oral Abstract Session, Abstract 4506<br /><strong>2</strong> Choueiri TK et al: Cabozantinib versus everolimus in advanced renal-cell carcinoma. New Engl J Med 2015; 373: 1814-1823<br /><strong>3</strong> McDermott DF et al: Long-term overall survival (OS) with nivolumab in previously treated patients with advanced renal cell carcinoma (aRCC) from phase I and II studies. 2016 ASCO Annual Meeting, Oral Abstract Session, Abstract 4507<br /><strong>4</strong> Hutson TE et al: Subgroup analyses and updated overall survival from the phase II trial of lenvatinib (LEN), everolimus (EVE), and LEN+EVE in metastatic renal cell carcinoma (mRCC). 2016 ASCO Annual Meeting, Poster Session, Abstract 4553<br /><strong>5</strong> Balar AV et al: Atezolizumab (atezo) as first-line (1L) therapy in cisplatin-ineligible locally advanced/metastatic urothelial carcinoma (mUC): primary analysis of IMvigor210 cohort 1. 2016 ASCO Annual Meeting, Oral Abstract Session, Abstract LBA4500<br /><strong>6</strong> Dreicer R et al: Updated efficacy and &gt; 1-y follow up from IMvigor210: Atezolizumab (atezo) in platinum (plat) treated locally advanced/metastatic urothelial carcinoma (mUC). 2016 ASCO Annual Meeting, Oral Abstract Session, Abstract 4515<br /><strong>7</strong> De Santis M et al: Randomized phase II/III trial assessing gemcitabine/carboplatin and methotrexate/carboplatin/vinblastine in patients with advanced urothelial cancer who are unfit for cisplatin-based chemotherapy: EORTC Study 30986. J Clin Oncol 30; 2011: 191-199<br /><strong>8</strong> Powles T et al: MPDL3280A (anti-PD-L1) treatment leads to clinical activity in metastatic bladder cancer. Nature 515; 2014: 558-562<br /><strong>9</strong> McCaffrey JA et al: Phase II trial of docetaxel in patients with advanced or metastatic transitional-cell carcinoma. J Clin Oncol 15; 1997: 1853-1857<br /><strong>10</strong> Bellmunt J et al: Phase III trial of vinflunine plus best supportive care compared with best supportive care alone after a platinum-containing regimen in patients with advanced transitional cell carcinoma of the urothelial tract. J Clin Oncol 2009; 27: 4454-4461<br /><strong>11</strong> Massard C et al: Safety and efficacy of durvalumab (MEDI4736), a PD-L1 antibody, in urothelial bladder cancer. 2016 ASCO Annual Meeting, Oral Abstract Session, Abstract 4502<br /><strong>12</strong> Sharma P et al: Efficacy and safety of nivolumab monotherapy in metastatic urothelial cancer (mUC): results from the phase I/II CheckMate 032 study. 2016 ASCO Annual Meeting, Oral Abstract Session, Abstract 4501<br /><strong>13</strong> Beyer J et al: Maintaining success, reducing treatment burden, focusing on survivorship: highlights from the third European consensus conference on diagnosis and treatment of germ-cell cancer. Ann Oncol 2013; 24: 878-888<br /><strong>14</strong> Fizazi K et al: Mature results of the GETUG 13 phase III trial in poor-prognosis germ-cell tumors (GCT). 2016 ASCO Annual Meeting, Oral Abstract Session, Abstract 4504<br /><strong>15</strong> Andra N et al: High-dose chemotherapy (HDCT) and autologous peripheral-blood stem cell transplant (PBSCT) for relapsed metastatic germ-cell tumors (mGCT): The Indiana University (IU) experience. 2016 ASCO Annual Meeting, Oral Abstract Session, Abstract 4505<br /><strong>16</strong> The International Prognostic Factors Study Group et al: Prognostic factors in patients with metastatic germ cell tumors who experienced treatment failure with cisplatin-based first-line chemotherapy. J Clin Oncol 2010; 28: 4906-4911</p> </div> </p>
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