
Steht der Giftnotruf vor dem Aus?
Der Giftnotruf 145 verzeichnet jedes Jahr mehr Anfragen – und steht dennoch unter finanziellem Druck. Warum die Zukunft dieser wichtigen Anlaufstelle auf dem Spiel steht und was nun vom Bund gefordert wird.
Zürich/Bern. Tox Info Suisse, die nationale Auskunftsstelle für Vergiftungen, schlägt Alarm: Trotz jährlich steigender Beratungszahlen – 42 782 Anfragen allein im Jahr 2024 – fehlt es an finanzieller Unterstützung. Seit 2020 schreibt die Stiftung Verluste, Ende 2025 werden die Rücklagen aufgebraucht sein. Die Stiftung fordert daher bis Ende August eine Soforthilfe von 1,1 Millionen Franken, um den Betrieb für 2026 zu sichern, und hat eine Petition an Bundesrätin Baume-Schneider lanciert – mit rund 81.100 Unterschriften (von angestrebten 100.000, Stand 10. Juli). Der Giftnotruf ist laut Tox Info Suisse unverzichtbar – für die Bevölkerung ebenso wie für medizinisches Fachpersonal –, er hilft, Notfälle zu entschärfen und Spitalaufenthalte zu vermeiden.
Hauptgrund für die finanzielle Schieflage ist laut Stiftungsrat ein veraltetes Finanzierungsmodell. Der Bundesbeitrag decke lediglich rund zehn Prozent der Kosten, viele ehemalige Träger wie Versicherungsverbände oder Branchenorganisationen haben sich zurückgezogen oder ihre Beiträge gekürzt. Der Stiftungsrat des Giftnotrufs hat bereits vergangenen Herbst einen Antrag an den Bund gerichtet, dass bis Ende Dezember 2025 die nachhaltige und langfristige Finanzierung des Giftnotrufs gesichert sein muss. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) verweist darauf, dass der Bund seinen Beitrag zuletzt erhöht habe, sieht jedoch derzeit keinen Spielraum für zusätzliche Mittel. Den Vorschlag des BAG, dass Ärzt:innen, welche das Tox konsultieren, für die Kosten ihrer Anfragen aufkommen sollen, sieht der Giftnotruf kritisch. Sollte Tox Info Suisse zukünftig nach TARDOC abrechnen, könne damit circa die Hälfte der tatsächlichen Kosten eines Anrufs gedeckt werden. Dieses Vorgehen sei jedoch mit erheblichem zusätzlichem administrativem Aufwand verbunden, was Mehrkosten verursache und das Defizit 2025 und 2026 erhöhe.
Das BAG unterstreicht in einer Stellungnahme die Bedeutung des Giftnotrufs und betont, bereits seit mehreren Monaten an einer mittelfristigen Lösung zu arbeiten – in den nächsten Monaten soll ein Vorschlag auf dem Tisch liegen. Kritik übt das Bundesamt dennoch an der Stiftungsleitung, der es an einer nachhaltigen Betriebsabsicherung mangele. Das BAG verweist ausserdem auf den stark gestiegenen Aufwand bei gleichzeitig unzureichender Beteiligung jener Akteure, die direkt von den Leistungen profitieren – insbesondere Spitäler. Und: Der Bund habe seine Beiträge nicht gekürzt, sondern hat sie von 540 000 Franken im Jahr 2022 auf 670 000 Franken 2025 erhöht. Die Beiträge der öffentlichen Hand (Bund und Kantone) machten laut BAG 2024 bereits 2.3 Millionen Franken oder 65 Prozent der Einnahmen von Tox Info Suisse aus. Eine kurzfristige Erhöhung dieser Beiträge sei wegen der angespannten Finanzlage sowohl beim Bund als auch bei den Kantonen nicht möglich. (kagr)
Quelle: Tox Info Suisse, BAG
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