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Vaskuläre Kalzifikation: Entstehung und klinische Bedeutung
Jatros
Autor:
Dr. Hubert Wallner, MBA LL.M. (medical law)
Ärztlicher Leiter IGZ, Interdisziplinäres Gefäßzentrum<br>Kardinal-Schwarzenberg-Klinikum<br>Schwarzach<br>E-Mail: hubert.wallner@ks-klinikum.at
30
Min. Lesezeit
01.03.2018
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<p class="article-intro">Die vaskuläre Kalzifikation ist ein aktiver Prozess sowie ein unabhängiger Risikofaktor für die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität und damit von großer klinischer Bedeutung. Im folgenden Artikel soll die Rolle von Vitamin K, Vitamin-K-Antagonisten, NOAK und einer Reihe weiterer Medikamente besprochen werden. </p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li><span xml:lang="de-DE">Die vaskuläre Kalzifikation wird in die Intimakalzifikation (IC) und in die Mediakalzifikation (MC) ­unterteilt.</span></li> <li><span xml:lang="de-DE">Kalk im Gefäßsystem erhöht das kardiovaskuläre Risiko.</span></li> <li><span xml:lang="de-DE">Vitamin K wirkt protektiv gegen vaskuläre Kalzifikation.</span></li> <li><span xml:lang="de-DE">Vitamin-K-Antagonisten, Statine und PCSK9-Inhibitoren führen zu einem Progress der Kalzifikation. </span></li> <li><span xml:lang="de-DE">Nifedipin bewirkt eine signifikante</span><span xml:lang="de-DE"> Reduktion von Koronarkalk.</span></li> <li><span xml:lang="de-DE">NOAK werden diesbezüglich ­derzeit untersucht.</span></li> </ul> </div> <h2>Einleitung</h2> <p>Die kalzifizierende Gefäßsklerose kann in zwei unterschiedliche Manifestationsformen unterteilt werden, die nicht streng voneinander getrennt sind und auch überlappende Risikofaktoren haben können (Abb. 1):</p> <p><strong>1. Atherosklerotische Form (Intima- und Plaquekalzifikation, IC; Abb. 2)</strong></p> <p>Diese Form der Vasosklerose ist mit den klassischen Framingham-Risikofaktoren (Hypertonie, Rauchen, Lipidstoffwechselstörungen etc.) assoziiert und manifestiert sich an der intimalen Gefäßwandschicht.</p> <p><strong>2. Arteriosklerotische Form (Mediakalzifikation, Mönckeberg-­Sklerose, MC; Abb. 2)</strong></p> <p>Die Mediakalzifikation, MC, manifestiert sich typischerweise mit zunehmendem Alter, bei Niereninsuffizienz oder Diabetes mellitus und betrifft gefäßanatomisch die Tunica media.<br />Neben der vaskulären Kalzifikation sind insbesondere im höheren Alter vorkommende Herzklappenerkrankungen von Bedeutung, wie kalzifizierende Aortenklappenstenose, Mitralklappenringverkalkung und die seltene Kalziphylaxie, die vornehmlich bei Dialysepatienten durch Arteriolenverkalkung nekrotische Haut­areale hervorruft.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1801_Weblinks_s11_1.jpg" alt="" width="2150" height="721" /></p> <h2>Klinische Bedeutung</h2> <p>Jeglicher Nachweis von Kalk im Gefäßsystem bewirkt für den betroffenen Patienten ein höheres kardiovaskuläres Risiko im Vergleich zu einem Patienten ohne Kalknachweis. Zur Quantifizierung der Kalklast sind verschiedene Score-Systeme etabliert, wobei die beste Methode zur Quantifizierung der Kalklast die koronare Computertomografie ist. Betroffene mit einem intermediären Risiko nach den klassischen Herz-Kreislauf-Risikofaktoren sind bei hohem Koronarkalk-Score als Hochrisikogruppe zu betrachten.<br />Ein Koronarkalk-Score von mehr als 400 ist in Bezug auf das 10-Jahres-Ereignisrisiko ein weiteres KHK-Äquivalent. Eine Post-hoc-Analyse von 5534 Patienten (Multi-Ethnic Study of Atherosclerosis, MESA) zeigt, dass nachgewiesener Koronarkalk eine verlässliche zusätzliche Risikoabschätzung erlaubt, wobei im Allgemeinen sogar das relative Ereignisrisiko mittels Koronarkalkmessung das Risiko aufgrund anderer Risikofaktoren (Knöchel-Arm-Index, Intima-Media-Dicke, Biomarker etc.) übersteigt (Tab. 1).</p> <h2>Pathophysiologie der vaskulären Kalzifikation</h2> <p>Eine vaskuläre Kalzifikation ist das Nettoresultat aus einem Ungleichgewicht zwischen prokalzifikatorischen und kalzifikationsinhibitorischen Faktoren. Ein Ungleichgewicht zwischen diesen Faktoren (Tab. 2) ist bei Erkrankungen wie einer chronischen Niereninsuffizienz oder Diabetes mellitus häufig. Ein gestörter Mineralstoffwechsel spielt eine besondere Rolle, wobei neben Kalzium und Phosphat auch Magnesium den vaskulären Kalzifikationsprozess beeinflusst. Phosphat ist prokalzifikatorisch, indem es Veränderungen der kontraktilen Gefäßmuskelzellen zu osteoblastenähnlichen Zellen induziert. Bei Niereninsuffizienz wird die Assoziation zwischen Serumphosphat und kardiovaskulärer Mortalität evident. Magnesium ist ein Kalzifikationsinhibitor, der die osteogene Transdifferenzierung inhibiert und somit dem Entstehen vaskulärer Verkalkung vorbeugt.</p> <h2>Vitamin K und Kalk</h2> <p>Vitamin K hat eine wichtige Funktion als Kofaktor bei der Aktivierung von Gerinnungsfaktoren. Es ist ein wichtiger Schutzfaktor in Bezug auf vaskuläre Kalzifikation, indem es die Gamma-Carboxylierung des Matrix-GLA-Proteins (MGP) aktiviert. MGP wird in der Gefäßwand produziert und verhindert hier die Ablagerung von Kalk. Bei den zwei verschiedenen Unterformen von Vitamin K ist Vitamin K1 (Phyllochinon) vornehmlich für die Aktivierung von Gerinnungsfaktoren in der Leber und Vitamin K2 (Menachinon) vornehmlich für die MGP-Aktivierung verantwortlich. Vitamin K1 ist in grünem Gemüse in großen Mengen vorhanden, Vitamin K2 in Europa selbst in fermentiertem Käse nur in geringen Mengen. In Japan ist es in traditionellen Lebensmitteln aus Sojabohnen (Nattō) in ausreichenden Mengen vorhanden (Tab. 3). Das Matrix-GLA-Protein ist somit ein wesentlicher Schutzfaktor gegen Verkalkung der Arterienwand, was bei entsprechender Vitamin-K-Defizienz und herabgesetzter Aktivierung des MGP eine kalzifizierende Vasosklerose beschleunigt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1801_Weblinks_s11_2.jpg" alt="" width="1419" height="2748" /></p> <h2>Die Rolle von Vitamin-K-Antagonisten (VKA) und NOAK</h2> <p>Die Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA) muss angesichts der Physiologie des Vitamins K für die Gefäßprotektion kritisch betrachtet werden. Eine VKA-Therapie ist mit einer stärkeren Gefäßkalzifikation assoziiert. Gegenwärtig laufen prospektive Studien dazu, ob die Applikation von Vitamin K oder die Gabe neuer oraler Antikoagulanzien (NOAK), welche neutral in Bezug auf den Vitamin-K-Stoffwechsel sind, gefäßprotektiv wirken. Sollten sich diese Ergebnisse bestätigen, ist der Anwendung von NOAK in den bekannten Indikationen als Alternative zur Vitamin-K-Therapie der absolute Vorzug zu geben.</p> <h2>Medikamente und ihr Einfluss auf vaskuläre Kalzifikation</h2> <p><strong>Statine und PCSK9-Inhibitoren</strong></p> <p>Die Rolle von Statinen und die Anwendung von PCSK9-Inhibitoren haben in der kardiovaskulären Prävention einen hohen Stellenwert. Beide Medikamente begünstigen den Progress der vaskulären Kalzifikation. Die Ursache ist eine Statin-bedingte Suppression der Vitamin-K1-Konversion in K2.</p> <p><strong>Nifedipin</strong></p> <p>Im Gegensatz zu Statinen ist in einer Vergleichsstudie bei Hypertonikern (INSIGHT-Studie) die Anwendung von Nifedipin mit einer deutlichen Reduktion von Koronarkalk assoziiert.<span class="Artikelende" style="font-size: 1em;" xml:lang="de-DE">n</span></p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p>• Blaha M et al.: Absence of coronary artery calcification and all-cause mortality. JACC Cardiovasc Imaging 2009; 2: 692-700 • Brandenburg VM: Higher cardiovascular risk with hypomagnesemia. Dtsch Med Wochenschr 2016; 141: 379 • Brandenburg VM et al.: Vaskuläre Kalzifikation, Kardiologie up2date 12 • Brandenburg VM et al.: Calciphylaxis. Dtsch Med Wochenschr 2015; 140: 347-51 • Hecht HS: ­Coronary artery calcium scanning: past, present, and future. JACC Cardiovasc Imaging 2015; 8: 579-96 • Houslay ES et al.: Progressive coronary calcification despite intensive ­lipid-lowering treatment: a randomised controlled trial. Heart 2006; 92: 1207-12 • Koos R et al.: Prevalence and pathogenesis of aortic valve calcifications. Herz 2006; 31: 629-34 • Majesky MW et al.: The adventitia: a progenitor cell niche for the vessel wall. Cells Tissues Organs 2012; 195: 73-81 • Martin SS et al.: Dyslipidemia, coronary artery calcium, and incident atherosclerotic cardiovascular ­disease: implications for statin therapy from the multi-­ethnic study of atherosclerosis. Circulation 2014; 129: 77-86 • Sage AP et al.: Regulatory mechanisms in vascular calcifi­cation. Nat Rev Cardiol 2010; 7: 528-36 • Zoccali C et al.: Validity of vascular calcification as a screening tool and as a surrogate end point in clinical research. Hypertension 2015; 66: 3-9</p>
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