© Getty Images/iStockphoto

Standards erhöhen, Wandel mitgestalten

Update Herzchirurgie 2015 bis 2016

<p class="article-intro">Das vergangene Jahr kann durch die Bestätigung von zwei vor längerer Zeit erkannten Trends gekennzeichnet werden: einerseits der Sicherstellung der hohen Qualitätsstandards in der Koronarchirurgie (inkl. der bisher niedrigsten Komplikationsrate) und andererseits der Bekräftigung des Wandels in der Behandlung der Aortenklappenstenose, wobei bereits 2014 die Anzahl der katheterbasierten Klappenimplantationen in Deutschland diejenige der chirurgischen Eingriffe überschritten hat (Abb. 1).</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Koronare Herzerkrankung: Der allgemeine Trend zeigt eine Konsolidierung der Koronar&shy;chirurgie. Von besonderem Interesse sind die STICHES- und die BEST-Studie.</li> <li>Aortenklappenerkrankungen: Das vergangene Jahr wurde von einer Erweiterung der Indikationen f&uuml;r die Transkatheterbehandlung der Aortenstenose gekennzeichnet. Die TAVI wurde allerdings im Herbst 2015 von Daten &uuml;berschattet, die Hinweise f&uuml;r eine erh&ouml;hte Inzidenz von Mobilit&auml;tseinschr&auml;nkung der Klappentasche nach TAVI zeigten.</li> <li>Mitralklappenerkrankungen: In den letzten Jahren publizierte Langzeitergebnisse der minimal invasiven Mitralklappenchirurgie legen die Latte f&uuml;r Alternativverfahren sehr hoch.</li> <li>Zukunft: Das PERSIST-AVR-Trial zur &bdquo;sutureless&ldquo; Bioprothese vs. konventioneller gestenteter Prothese und das FARGO-Trial zur chirurgischen koronaren Revaskularisation anhand einer konventionellen quantitativen Angiografie vs. FFR-Messung sollen in diesen Fragen neue Erkenntnisse bringen.</li> </ul> </div> <h2>Koronare Herzerkrankung</h2> <p>Der allgemeine Trend zeigt eine Konsolidierung der Koronarchirurgie nach der Ver&ouml;ffentlichung der 5-Jahres-Ergebnisse der SYNTAX-Studie. Die Anzahl der isolierten Koronareingriffe bleibt sowohl in &Ouml;sterreich (etwas mehr als 30 Bypassoperationen pro 100.000 Einwohner/Jahr) als auch in Deutschland (knapp 50 Bypassoperationen pro 100.000 Einwohner/Jahr) in den letzten 3 Jahren stabil. Die linke A. mammaria wird routinem&auml;&szlig;ig (94 % der Patienten) verwendet, wobei der Trend einer stetigen Steigerung der Koronarchirurgie mittels bilateraler Mammaria fortgesetzt wurde. Jeder sechste Patient in &Ouml;sterreich wurde 2013 mit zwei Mammarien versorgt, ein Anteil, der weit &uuml;ber dem USA-Durchschnitt liegt und der in den letzten 3 Jahren eine 3 % ige Steigerungstendenz pro Jahr zeigte. Viel bef&uuml;rchtete Komplikationen, wie z.B. der Schlaganfall mit bleibenden Folgen oder eine tiefe Wundinfektion, treten mit einer Inzidenz von 0,58 % respektive 1 % viel seltener als in der SYNTAX-Studie auf.<sup>1, 2</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1603_Weblinks_Seite73_1.jpg" alt="" width="573" height="442" /></p> <p>Aus wissenschaftlicher Sicht sind zwei Studien, die sich mit der Koronarchirurgie bei Patienten mit isch&auml;mischer Kardiomyopathie besch&auml;ftigen, von besonderem Interesse. Bei der ersten Studie handelt es sich um die Surgical Treatment for IsChemic Heart failure Extension Study (STICHES), die Nachfolgestudie des bekannten STICH-Trials.<sup>3</sup> Die Studie vergleicht die 10-Jahres Ergebnisse des chirurgischen Arms des STICH-Trials, wobei Patienten mit isch&auml;mischer Kardiomyopathie und eingeschr&auml;nkter Linksventrikelfunktion (EF &lt;35 % ) 1:1 zur Bypassoperation mit anschlie&szlig;ender optimaler medikament&ouml;ser Therapie vs. isolierte optimale Herzinsuffizienztherapie randomisiert wurden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1603_Weblinks_Seite73_2.jpg" alt="" width="571" height="1302" /></p> <p>Die Autoren konnten einen signifikanten &Uuml;berlebensvorteil der Patienten nach Bypassoperation zeigen, der sowohl die Gesamt- (HR: 0,84; 95 % CI: 0,73&ndash;0,97; p=0,02) als auch die kardio&shy;vaskul&auml;re Mortalit&auml;t (HR: 0,79; 95 % CI: 0,66&ndash;0,93; p=0,006) betrifft (Abb. 2). Noch eindeutiger ist das Ergebnis f&uuml;r den kombinierten Endpunkt Mortalit&auml;t plus Hospitalisation kardiovaskul&auml;rer Ursache (HR: 0,72; 95 % CI: 0,64&ndash;0,82; p&lt;0,001). In Anbetracht dessen, dass 62,5 % der Patienten bereits 10 Jahre nach der Randomisierung tot waren, geht die Durchf&uuml;hrung einer Bypassoperation bei diesen Patienten mit einer Lebensverl&auml;ngerung von 18 Monaten und mit einem geretteten Leben in jedem 14. Patienten einher.<br /> Die BEST Trial Investigators verfolgten das Prinzip der SYNTAX-Studie und verglichen die Ergebnisse der koronaren Bypassoperation mit der perkutanen Intervention mittels Everolimus-beschichteter Stents.<sup>4</sup> Ziel der Studie war, ein potenzielles Bias der Ergebnisse der perkutanen Intervention f&uuml;r die Behandlung der koronaren Mehrgef&auml;&szlig;erkrankung durch die Verwendung der ersten Generation beschichteter Stents auszuschlie&szlig;en. Die Ergebnisse zeigten &ndash; analog zur SYNTAX-Studie &ndash; die Unterlegenheit der perkutanen Intervention gegen&uuml;ber der Bypassoperation insbesondere bei Patienten mit komplexeren Koronarstenosen 2 und 4 Jahre nach Revaskularisation.</p> <h2>Aortenklappenerkrankungen</h2> <p>Die Behandlung der Aortenklappenerkrankungen wird von den Entwicklungen der Transkathetertechniken ma&szlig;geblich beeinflusst. Das vergangene Jahr wurde von einer Erweiterung der Indikationen f&uuml;r die Transkatheterbehandlung der Aortenstenose gekennzeichnet, die obligatorisch zu einer Re&shy;krutierung von Patienten mit &shy;geringerem Operationsrisiko f&uuml;hrte. Zwei gro&szlig;e Studien, je eine f&uuml;r den jeweiligen Repr&auml;sentanten der modernen Transkatheter-Aortenklappenimplantation, waren angek&uuml;ndigt, wobei SURTAVI die Verwendung von selbstexpandierbaren Prothesen und PARTNER II die Implantation von ballonexpandierbaren Klappen beschrieb. Letztere Studie wurde im &bdquo;New England Journal of Medicine&ldquo; zeitgleich mit der Pr&auml;sentation der Ergebnisse im Rahmen des ACC-Kongresses ver&ouml;ffentlicht.<sup>5</sup> Ziel der multizentrischen prospektiv randomisierten Studie war es, die 2-Jahres-Ergebnisse der TAVI vs. konventionellen Aortenklappenersatz zu vergleichen, bei Patienten mit intermedi&auml;rem perioperativem Mortalit&auml;tsrisiko. Das Patienten&shy;kollektiv war im Durchschnitt 80 Jahre alt mit einem errechneten STS-Mortalit&auml;tsrisiko von 5,8 % . Die Autoren konnten keine Unterlegenheit der TAVI im Vergleich zum konventionellen Aortenklappenersatz hinsichtlich des kombinierten Endpunktes Mortalit&auml;t und Schlaganfall nachweisen. Ganz im Gegenteil, TAVI-Patienten, die &uuml;ber einen transfemoralen Zugang behandelt wurden, wiesen einen signifikanten Vorteil gegen&uuml;ber der offenen Chirurgie f&uuml;r den oben genannten kombinierten Endpunkt auf. Als Nebenbefund ergab sich eine zu erwartende h&ouml;here Rate von paravalvul&auml;ren Regurgitationen gefolgt von einer verbesserten Prothesen&ouml;ffnungsfl&auml;che nach TAVI im Vergleich zu den konventionellen Bioprothesen.<br /> <br /> Diese positive Entwicklung f&uuml;r TAVI-Verfechter wurde allerdings im Herbst 2015 von Daten &uuml;berschattet, die Hinweise f&uuml;r eine erh&ouml;hte Inzidenz von Mobilit&auml;tseinschr&auml;nkung der Klappentasche nach TAVI zeigte.<sup>6</sup> Dieser computertomografische Befund betraf &uuml;berwiegend eine spezielle selbstexpandierbare Transkatheterklappenprothese, konnte aber auch in anderen TAVI-Prothesen diagnostiziert werden. Die Frage nach der klinischen Relevanz bleibt interessant, einerseits durch die nachgewiesene Assoziation zu den erh&ouml;hten transvalvul&auml;ren Gradienten und andererseits zu beobachteter Risikoerh&ouml;hung f&uuml;r Embolie-bedingte neurologische Komplikationen.</p> <h2>Mitralklappenerkrankungen</h2> <p>Die chirurgische Behandlung der degenerativen Mitralinsuffizienz stellt sich als das beste Beispiel einer kausalen Behandlung der zugrunde liegenden Pathologie &uuml;ber einen minimal invasiven und in spezialisierten Zentren total&shy;endoskopischen (Port-Loch-Technik) Zugang dar. Obwohl im Jahr 2015 fast 3 Milliarden Dollar bei Zusammenf&uuml;hrungen und &Uuml;bernahmen von Firmen mit Produkten f&uuml;r einen perkutanen Mitralklappenersatz ausgegeben wurden, zeigt die Durchdringung der minimal invasiven Mitralrekonstruktion einen stetigen Anstieg. Analog zu diesem Anstieg legen mittlerweile die in den letzten Jahren publizierten Langzeitergebnisse der minimal invasiven Mitralklappenchirurgie die Latte f&uuml;r Alternativverfahren sehr hoch. Eine im Jahr 2015 publizierte Arbeit einer sehr aktiven Gruppe aus Massa ergab eine erfolgreiche anatomische Rekonstruktion der Mitralklappe von 95 % bei degenerativer Pathologie.<sup>7</sup> In einem Drittel der F&auml;lle konnte &uuml;ber den gleichen Zugang eine konkomitante Pathologie der Trikuspidalklappe, eine linksatriale Ab&shy;lation als Therapiemodalit&auml;t gegen paroxysmales oder persistierendes Vorhofflimmern oder ein Verschluss einer interatrialen Kommunikation erfolgreich durchgef&uuml;hrt werden. Die 10-Jahres-Reoperationsfreiheit nach Klappenrekonstruktion betrug 94 % , sodass man von einem mehr oder weniger garantierten Langzeiterfolg der Methode sprechen kann.<br /> <br /> Anders als in der Mitralinsuffizienz degenerativer Genese stellt die Behandlung der funktionellen Mitralinsuffizienz die chirurgische Behandlung auf die Probe. Die 2-Jahres-Ergebnisse der CTSN Investigators zeigten, dass die Behandlung der moderaten Mitralinsuffizienz im Rahmen der Bypassoperation keinen Vorteil hinsichtlich der Mortalit&auml;t, des linksventrikul&auml;ren Remodellings, der &bdquo;major adverse cardiac events&ldquo; (MACE) oder der Rehospitalisation gegen&uuml;ber einer isolierten Bypassoperation brachte.<sup>8</sup> Im Gegenteil, die Rekonstruktion der isch&auml;mischen Mitralinsuffizienz ging mit einem erh&ouml;hten Risiko f&uuml;r neurologische Komplikationen und supraventrikul&auml;re Arrhythmien einher. Diese Daten sind ausschlaggebend f&uuml;r die Entscheidungsfindung hinsichtlich der Kombinationseingriffe im Rahmen der koronaren Revaskularisation. Anhand dessen scheint die Mitralrekonstruktion bei Patienten mit moderater funktioneller Mitralinsuffizienz weniger sinnvoll zu sein.<br /> <br /> Eine weitere Studie besch&auml;ftigte sich mit der Art der chirurgischen Behandlung der hochgradigen Mitralinsuffizienz bei dem gleichen Patientenkollektiv, wobei die 2-Jahres-Ergebnisse der Rekonstruktion vs. Ersatz verglichen wurden.<sup>9</sup> In diesem speziellen Fall und im Gegensatz zu den Ergebnissen der degenerativen MI waren die Ergebnisse der Rekonstruktion &ndash; die &uuml;berwiegend mittels restriktiver Ringanuloplastie durchgef&uuml;hrt wurde &ndash; mehr als entt&auml;uschend (59 % der Patienten wiesen eine relevante Rezidivinsuffizienz 2 Jahre nach Rekonstruktion auf). Daraus resultierend waren die klinischen Endpunkte Herzinsuffizienz und Rehospitalisationen &ndash; bei vergleichbarer Mortalit&auml;t &ndash; signifikant h&auml;ufiger nach Ringanuloplastie als nach Herzklappenersatz.</p> <h2>Ausblick in die Zukunft</h2> <p>Bei einem kurzen Ausblick in die Zukunft findet man zwei laufende Studien, die vermutlich den herzchirurgischen Alltag in den n&auml;chsten Jahren ver&auml;ndern werden:</p> <ul> <li>Das PERSIST-AVR-Trial ist eine prospektiv randomisierte multizentrische Phase-4-Studie, die 1.234 Patienten in 60 Zentren weltweit zwischen &bdquo;sutureless&ldquo; Bioprothese vs. konventioneller gestenteter Prothese randomisiert. Als prim&auml;rer Endpunkt wurde die MACCE-Freiheit nach 1 Jahr (&bdquo;Safety&ldquo;-Aspekt) ausgesucht. Die Effektivit&auml;t der Methode wird mit der zu erwartenden Verk&uuml;rzung der Herzlungenmaschinen- und Aortenokklusionszeiten evaluiert.</li> <li>Das FARGO-Trial (Fractional Flow Reserve versus Angiography Randomization for Graft Optimization) ist eine monozentrische prospektiv randomisierte Studie, die eine chirurgische koronare Revaskularisation anhand einer konventionellen quantitativen Angiografie vs. FFR-Messung evaluieren wird. Der prim&auml;re Endpunkt bezieht sich auf den Anteil der offenen Grafts mit TIMI-3-Fluss nach 6 Monaten und die sekund&auml;ren Endpunkte beinhalten klinische Parameter wie das Ausma&szlig; der Angina, die H&auml;ufigkeit von MACCE sowie Aspekte der Lebensqualit&auml;t.</li> </ul></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Institut f&uuml;r angewandte Qualit&auml;tsf&ouml;rderung und Forschung im Gesundheitswesen GmbH (AQUA): Qualit&auml;tsreport 2014<br /><strong>2</strong> Gesundheit &Ouml;sterreich GmbH, Bundesministerium f&uuml;r Gesundheit: Ergebnisqualit&auml;t in der Erwachsenen-Herzchirurgie. Ergebnisbericht 2013<br /><strong>3</strong> Velazquez EJ et al for the STICHES Investigators: &shy;Coronary-artery bypass surgery in patients with ischemic cardiomyopathy. N Engl J Med 2016; 374(16): 1511-20<br /><strong>4</strong> Park SJ et al for the BEST Trial Investigators: Trial of &shy;everolimus-eluting stents or bypass surgery for coronary disease. N Engl J Med 2015; 372: 1204-12<br /><strong>5</strong> Leon MB et al for the PARTNER 2 Investigators: Transcatheter or surgical aortic-valve replacement in intermediate-risk patients. N Engl J Med 2016; 374(17): 1609-20<br /><strong>6</strong> Makkar RR et al: Possible subclinical leaflet thrombosis in bioprosthetic aortic valves. N Engl J Med 2015; 373(21): 2015-24<br /><strong>7</strong> Glauber M et al: Early and long-term outcomes of &shy;minimally invasive mitral valve surgery through right minithoracotomy: a 10-year experience in 1604 patients. J Cardiothorac Surg 2015; 10: 181. Doi: 10.1186/s13019-015-0390/y<br /><strong>8</strong> Michler RE et al for the CTSN: Two-year outcomes of surgical treatment of moderate ischemic mitral regurgitation. N Engl J Med April 3 2016. Doi: 10.1056/NEJMoa1602003<br /><strong>9</strong> Goldstein D et al for the CTSN: Two-year outcomes of surgical treatment of severe ischemic mitral regur&shy;gitation. N Engl J Med 2016; 374(4): 344-53<br /><strong>10</strong> Perceval sutureless implant versus standard-aortic valve replacement (PERSIST AVR), ClinicalTrials.gov Identifier: NCT02673697<br /><strong>11</strong> Fractional Flow Reserve vs Angiography Randomization for Graft Optimization Trial (FARGO). ClinicalTrials.gov Identifier: NCT02477371<br /><br /></p> </div> </p>
Back to top