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Unklarheiten bei der Therapie einer CTEPH
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Irene Lang
Klinik für Innere Medizin II<br> Abteilung für Kardiologie<br> Medizinische Universität Wien<br> E-Mail: irene.lang@meduniwien.ac.at
30
Min. Lesezeit
19.12.2019
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<p class="article-intro">Die chronisch-thromboembolische pulmonale Hypertension (CTEPH) ist eine seltene, aber prognostisch bedeutsame Erkrankung. Obwohl die pulmonale Endarterektomie die kurative Therapie der Wahl darstellt, werden wenigstens die Hälfte aller CTEPH-Patienten nicht operiert oder leiden nach einer Operation weiterhin an Lungenhochdruck.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die Goldstandarddiagnostik der CTEPH umfasst Lungen- Perfusions-Szintigrafie, CTAngiografie und Rechtsherzkatheter mit Angiografie.</li> <li>Die pulmonale Endarterektomie kann bei operablen Patienten zur Heilung führen, der Erfolg ist aber präoperativ nicht mit Sicherheit vorherzusagen.</li> <li>Die BPA stellt in erfahrener Hand eine sichere Option für CTEPH-Patienten dar, die durch ein interdisziplinäres PH-Zentrum als inoperabel eingestuft werden.</li> <li>BPA erlaubt eine PVR-Reduktion von 60 % des Ausgangswerts und vermag gegenüber der medikamentösen Behandlung den pulmonalarteriellen Mitteldruck zu senken.</li> <li>Es ist aber unklar, wie und wann medikamentöse Therapien mit mechanischen Verfahren als Erstlinientherapien kombiniert werden sollen.</li> </ul> </div> <h2>Epidemiologie und Pathophysiologie</h2> <p>Die CTEPH ist eine potenziell lebensbedrohliche Erkrankung der pulmonalarteriellen Gefäße und ist Teil der Gruppe 4 der WHO-Klassifikation für pulmonale Hypertension. CTEPH ist die Folge von Thromboembolien der Lungenarterien, die sich nicht auflösen und in fibröses Material umwandeln, wodurch es zu einer chronischen Obliteration der Pulmonalarterien kommt. Dies führt schlussendlich auch zu einem Remodelling der Mikrozirkulation. Dies verstärkt wiederum die pulmonale Hypertension, bedingt durch die fibrotische Verlegung der Gefäße und durch eine sekundär beeinträchtigte Mikrozirkulation. Organisierte Gerinnsel sind bis zu einer Gefäßgröße von 500 μm zu erkennen.<br />Die Inzidenz von CTEPH nach akuter Lungenembolie ist schwierig zu erfassen und schwankt je nach Studie zwischen 0,1 bis 9,1 % . Dies legt nahe, dass der direkte Übergang von einer symptomatischen akuten Lungenembolie zu einer CTEPH selten passiert und nicht vorauszusagen ist.<sup>1</sup></p> <h2>Klinik und Diagnostik</h2> <p>Es gibt keine verlässlichen CTEPH-spezifischen Symptome, die es erlauben, die Erkrankung von anderen Formen der pulmonalen Hypertension zu unterscheiden. Die Diagnostik gestaltet sich selbst an spezialisierten Zentren schwierig, mit einer durchschnittlichen Dauer von 14 Monaten zwischen Symptombeginn und Diagnose.<br /> Nicht alle CTEPH-Patienten berichten in ihrer Vorgeschichte über eine akute Lungenembolie. Die wichtigsten prädisponierenden Faktoren für eine CTEPH sind ventrikuloatriale Shunts oder Schrittmachersonden, Zustand nach Splenektomie, große und rezidivierende venöse Thromboseereignisse, Hypothyreose mit Hormonersatz, entzündliche Darmerkrankungen und Karzinome.<sup>2</sup><br />Die diagnostischen Kriterien umfassen eine invasiv bestätigte pulmonale Hypertension mit einem pulmonalen Mitteldruck (mPAP) von >20 mmHg und einem Wedge- Druck ≤15 mmHg, segmentale Perfusionsdefizite bei erhaltener Ventilation im V/QSzintigramm (Abb. 1C) sowie eine CT (Abb. 1A, B) oder invasive Angiografie mit den typischen vaskulären Läsionen einer CTEPH. Dazu gehören ringförmige Stenosen, Webs, hochgradige oder chronische Verschlüsse und Tortuositäten. Diese Veränderungen sind mittels CT oder der nicht selektiven Pulmonalisangiografie teilweise schwierig zu erkennen, weswegen diese Verfahren alleine nicht zum Ausschluss einer CTEPH genügen.<br /> Vorteilhaft sind die Anwendung des Dual Energy CT (Abb. 1D), welches sowohl Anatomie als auch Perfusion darstellt, und/oder die Anwendung der selektiven Angiografie einzelner Pulmonalarterien. Symptomatische Patienten nach akuter Lungenembolie mit einem Perfusionsdefizit im V/Q-Scan >3 Monate nach der Lungenembolie sollten am PH-Zentrum abgeklärt werden. Das Screening für CTEPH bei asymptomatischen Risikopatienten ist gemäß den neuesten ESCRichtlinien eine Klasse-IIb-C-Indikation.<sup>3</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Pneumo_1906_Weblinks_jatros_pneumo_1906_s32_abb1_lang.jpg" alt="" width="550" height="547" /></p> <h2>Chirurgie und BPA</h2> <p>Die Therapie der Wahl bei der symptomatischen CTEPH ist die pulmonale Endarterektomie. Der Eingriff bedingt eine tiefe Hypothermie mit Kreislaufstillstand. Die 30-Tages-Mortalität der chirurgischen BPA ist circa 5 % und an sehr erfahrenen Zentren weniger als 2 % . Die Operabilität sollte von einem interdisziplinären Team beurteilt werden. Die Thromben sollten der Chirurgie zugänglich sein, d. h. im Hauptstamm, lobär und segmental, und es sollten keine prohibitiven Komorbiditäten vorhanden sein und keine sonstigen Limitationen, die das Nutzen-Risiko-Verhältnis relevant einschränken (z. B. Gebrechlichkeit).<br /> Gemäss dem europäischen CTEPH-Register waren von 679 untersuchten Patienten 36,5 % als nicht operabel eingestuft und von den operablen Patienten wiederum wurden 14 % nie operiert. Mit der Operation wird meistens eine Normalisierung des mPAP und Symptomfreiheit erreicht, der Therapieansatz ist also durchaus kurativ. In 17 bis 31 % der Fälle kommt es allerdings zu einer nicht ausreichenden Drucksenkung wegen inkompletter Entfernung der Obstruktionen, Reperfusionsödem oder schwerer sekundärer Mikrovaskulopathie. Wer nach Operation weiterhin Lungenhochdruck hat, kann präoperativ nicht sicher vorausgesagt werden.<br />Zusammenfassend werden also fast 50 % der CTEPH-Patienten keiner Operation unterzogen und weitere 20 % haben weiterhin einen Lungenhochdruck.<sup>4</sup> Als Alternative für diese Patienten hat sich in der letzten Dekade die Ballonangioplastie der Lungenarterien etabliert, für welche die aktuellen PH-Richtlinien eine Klasse- IIb-C-Indikation vorsehen, da die Technik aus Japan kommend in Europa erst gerade Fuß fasst. Welche Patienten am besten von einer BPA profitieren, bleibt derzeit unklar. Die erste BPA wurde 1988 in Leiden, Holland, bei einem 30-Jährigen mit CTEPH erfolgreich durchgeführt, mit einer mPAPSenkung von 46 auf 35 mmHg.<sup>5</sup> Eine erste, 18 Patienten umfassende Serie wurde an der Harvard Medical School in Boston zwischen 1994 und 1999 behandelt.<sup>6</sup> Hinsichtlich der Effizienz war die BPA nach durchschnittlich nur 2,6 Interventionen in insgesamt 6 Segmenten erfolgreich (mPAPSenkung von 43 auf 34 mmHg), allerdings traten Reperfusionsödeme in 61 % der Fälle auf, was in 17 % eine mechanische Ventilation bedingte, und die Mortalität war mit 5,7 % deutlich zu hoch. Die Sicherheitsbedenken verhinderten eine Entwicklung der Therapie längerfristig. Erst eine modifizierte Form der BPA, entwickelt in Okayama, Japan, hat der Methode neuen Aufwind gegeben und die aktuelle Entwicklung weltweit erst ermöglicht.<br />Zusammengefasst lässt sich eine Widerstandssenkung um 50 % erreichen, bei einer periprozeduralen Mortalität von durchschnittlich 1,8 % . Während bei einem mPAP >40 nicht mehr als 2 bis 3 Läsionen angegangen werden sollten, sind bei tieferen Läsionen einzig das Kontrastmittel, die Bestrahlungszeit und die Ermüdung des Patienten das Limitierende. Während der BPA können in ca. 1 bis 2 % der Fälle Lungenblutungen auftreten, bedingt durch Drahtperforation der distalen Äste oder Perforation bei zu großen Ballonen. Bereits sehr kleine Blutungen, die angiografisch nicht zwingend erkennbar sind, führen zu Husten (mit oder ohne Hämoptoe), womit dieser ein wichtiges Kriterium darstellt, die Intervention zu pausieren. Ein konventionelles Lungenröntgen zwecks Ausschluss von Infiltraten wird routinemäßig durchgeführt. Die Entlassung kann in der Regel am Folgetag stattfinden.</p> <h2>Medikamentöse Behandlung</h2> <p>Die medikamentöse Therapie beinhaltet konventionelle orale Antikoagulanzien (OAK; Klasse-I-Indikation) und meist den Guanylatzyklase-Stimulator Riociguat, das einzige zugelassene Medikament für die Behandlung der inoperablen oder persistenten/ wieder auftretenden CTEPH.<sup>3</sup> Die Frage, wie medikamentöse Therapien, zum Beispiel mit Riociguat im Vergleich zu BPA bei inoperabler CTEPH wirken, wurde durch eine rezente Studie (NCT02634203) beantwortet: Der Effekt der BPA auf den Lungengefäßwiderstand ist nach 26 Wochen Therapie größer als der durch Riociguat in Höchstdosis erreichbare Effekt. Durch BPA kommt es zu einer deutlichen Reduktion des pulmonalarteriellen Mitteldrucks, während Riociguat vor allem das Herzzeitvolumen erhöht.<sup>7</sup> Ob die medikamentöse Therapie mit Riociguat nach erfolgreicher BPA sistiert werden kann, bleibt derzeit noch unklar.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Coquoz N et al.: Multicentre observational screening survey for the detection of CTEPH following pulmonary embolism. Eur Respir J 2018; 51: 1702505<strong> 2</strong> Lang I et al.: Balloon pulmonary angioplasty in chronic thromboembolic pulmonary hypertension. Eur Respir Rev 2017; 26: 165119<strong> 3</strong> Galiè N et al.: 2015 ESC/ERS Guidelines for the diagnosis and treatment of pulmonary hypertension. Eur Heart J 2016; 37: 67-119 <strong>4</strong> Pepke-Zaba J et al.: Chronic thromboembolic pulmonary hypertension (CTEPH) : results from an international propspective registry. Circulation 2011; 124: 1973-81 <strong>5</strong> Voorburg JA et al.: Balloon angioplasty in the treatment of pulmonary hypertension caused by pulmonary embolism. Chest 1988; 94: 1249-53 <strong>6</strong> Feinstein JA et al.: Balloon pulmonary angioplasty for treatment of chronic thromboembolic pulmonary hypertension. Circulation 2001; 103: 10-3 <strong>7</strong> Jais X et al.: Late Breaking Clinical Trial Presentation. ERS 2019, 30. September 2019, Madrid, Spanien</p>
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