
TOMAHAWK-Studie gibt weitere Klarheit zur Konarangiografie
Autoren:
Dr. Anne Freund1, 2
Univ.-Prof. Dr. Holger Thiele1
Univ.-Prof. Dr. Steffen Desch1, 2
1 Herzzentrum Leipzig, Universität Leipzig, Klinik für Innere Medizin/Kardiologie, Leipzig
2 Deutsches Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), Standort Hamburg/Kiel/Lübeck
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Die Indikation zur sofortigen Koronarangiografie bei Patienten mit erfolgreicher Wiederbelebung nach außerklinischem Herz-Kreislauf-Stillstand und ohne ST-Hebungen im EKG war lange umstritten. Die multizentrische, randomisierte TOMAHAWK-Studie bringt nun mehr Klarheit.
Keypoints
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Bei Patienten mit außerklinischem Herz-Kreislauf-Stillstand ohne ST-Hebungen können multiple Ursachen dem Ereignis zugrunde liegen; am häufigsten ist der akute Myokardinfarkt.
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Die multizentrische, randomisierte TOMAHAWK-Studie (n=554) untersuchte, ob diese Patientengruppe von einer sofortigen Koronarangiografie nach erfolgreicher Wiederbelebung und Krankenhausaufnahme profitiert.
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Es konnte in der TOMAHAWK-Studie kein Vorteil einer frühzeitigen invasiven Strategie im Hinblick auf die Mortalität nach 30 Tagen und weitere Endpunkte gezeigt werden.
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Weitere randomisierte Studien zu dieser Fragestellung zeigen kongruente Ergebnisse. Daher kann keine allgemeine Empfehlung einer sofortige Koronarangiografie nach außerklinischem Herz-Kreislauf-Stillstand ohne ST-Hebungen gegeben werden.
Der außerklinische Herz-Kreislauf-Stillstand ist mit jährlich 38 pro 100.000 Einwohnern häufig und auch bei Patienten mit erfolgreicher Wiederbelebung nach wie vor mit einer hohen Frühmortalität assoziiert (ca. 65% bei Patienten, die das Krankenhaus erreichen).1,2 Ein akuter Herzinfarkt ist die häufigste Ursache eines Herz-Kreislauf-Stillstands.3 Während bei Patienten mit ST-Hebungen im Post-Reanimations-EKG von den Leitlinien eine sofortige Koronarangiografie nach Aufnahme empfohlen wird,4 ist die Vorgehensweise bei Patienten ohne ST-Hebungen weniger klar.
Inwiefern Patienten mit außerklinischem Herz-Kreislauf-Stillstand ohne ST-Hebungen, jedoch möglicher kardialer Ursache von einer sofortigen Koronarangiografie nach Wiedererlangen der Spontanzirkulation profitieren, wurde daher in der multizentrischen, randomisierten TOMAHAWK-Studie untersucht, welche 2021 im New England Journal of Medicine publiziert wurde.5
Methodik und Ergebnisse der TOMAHAWK-Studie
An 31 deutschen und dänischen Zentren wurden insgesamt 554 Patienten über einen Zeitraum von 3 Jahren randomisiert. Eine Behandlungsgruppe erhielt eine sofortige Koronarangiografie nach Aufnahme, die zweite Gruppe einen verzögerten bzw. selektiven invasiven Behandlungsansatz mit einer Koronarangiografie frühestens nach 24 Stunden oder auch erst, wenn nicht invasive Untersuchungen einen Hinweis auf eine obstruktive koronare Herzkrankheit (KHK) erbrachten. Eine Koronarangiografie in den ersten 24 Stunden war in der zweiten Gruppe nur in wenigen Ausnahmen erlaubt (z.B. bei hämodynamischer oder rhythmischer Instabilität, Entwicklung von ST-Hebungen oder laborchemischen Hinweisen auf einen sehr großen Myokardinfarkt).
Der primäre Endpunkt war die 30-Tages-Mortalität. Insgesamt konnten 530 Patienten in die finale Analyse aufgenommen werden. Die Mortalität lag in der Gruppe mit sofortiger Koronarangiografie bei 54,0% (143 von 265 Patienten) und in der Gruppe mit verzögerter/selektiver Angiografie bei 46,0% (122 von 265 Patienten) (Hazard-Ratio: 1,28; 95% CI: 1,00–1,63; p=0,06) (Abb. 1). Der kombinierte sekundäre Endpunkt aus 30-Tages-Mortalität oder schwerem neurologischem Defizit (definiert als Wert auf der „Cerebral Performance Category“[CPC]-Skala von 3–5) trat bei 164 der 265 Patienten in der Gruppe mit sofortiger Koronarangiografie (64,3%) und bei 138 von 265 Patienten in der Gruppe mit verzögerter/selektiver Koronarangiografie (55,6%) auf (relatives Risiko: 1,16; 95% CI: 1,00–1,34). Bezüglich weiterer Endpunkte, wie Blutungen, Rate an Dialysetherapien und Höhe der Troponinausschüttung als Surrogatparameter der Infarktgröße, zeigten sich keine Unterschiede zwischen den Behandlungsarmen (Abb. 2). Eine Koronarläsion, die als „culprit lesion“ identifiziert wurde, lag bei 94 von 247 Patienten (38,1%) in der Gruppe mit sofortiger und bei 67 von 156 Patienten (43,0%) in der Gruppe mit verzögerter/selektiver Koronarangiografie vor.
Insgesamt konnte somit gezeigt werden, dass eine relevante KHK zwar bei über einem Drittel der Patienten mit außerklinischem Herz-Kreislauf-Stillstand ohne ST-Hebungen als mögliche Ursache des Ereignisses identifiziert wurde, jedoch ergibt sich kein klinischer Vorteil aus einer sofortigen Koronarangiografie.
Die Ergebnisse vor dem Hintergrund weiterer randomisierter Studien
Insgesamt sind diese Ergebnisse kongruent zu den Daten zweier weiterer randomisierten Studien. So konnte die niederländische Studie COACT (Coronary Angiography after Cardiac Arrest without ST-Segment Elevation) bei 552 Patienten mit initial schockbarem Rhythmus ebenfalls keine Überlegenheit einer sofortigen invasiven Abklärung und gegebenenfalls Behandlung bezüglich der 90-Tages Mortalität zeigen (64,5% in der Gruppe mit verzögerter Koronarangiografie versus 67,2% in der Gruppe mit sofortiger Koronarangiografie; Odds-Ratio: 0,89; 95% CI: 0,62– 1,27; p=0,51).6 Diese Ergebnisse bestätigten sich auch in der Nachverfolgung nach einem Jahr.7 Die TOMAHAWK-Studie weitet diese Erkenntnis nun auch auf Patienten ohne initial schockbaren Rhythmus aus. Untermauert wird dies weiterhin durch die kleinere PEARL-Studie, welche als Pilotstudie 99 Patienten mit außerklinischem Herz-Kreislauf-Stillstand ohne ST-Hebungen unabhängig vom initialen Rhythmus randomisierte und in der ebenfalls kein Unterschied bezüglich eines primären kombinierten Endpunkts aus Effektivitäts- und Sicherheitsendpunkten festgestellt wurde.8
Der fehlende Nutzen einer sofortigen Koronarangiografie in der TOMAHAWK-Studie und anderen Studien kann mehrere Ursachen haben: Zum einen finden sich zwar bei mehr als einem Drittel relevante koronare Stenosen, jedoch haben damit auch über die Hälfte der Patienten keine akute Koronarpathologie als Trigger des Herz-Kreislauf-Stillstands. Zum anderen wird die Prognose der Patienten häufig durch das neurologische Outcome aufgrund der zerebralen Ischämie maßgeblich beeinflusst. Ein potenziell positiver Effekt einer Koronarangiografie und gegebenenfalls einer Revaskularisierung bei hämodynamisch stabilen Patienten ist daher möglicherweise von untergeordneter Bedeutung für das klinische Outcome. In der TOMAHAWK-Studie zeigte sich sogar bei der Betrachtung der Kombination aus Mortalität oder schwerem neurologischem Defizit nominal ein häufigeres Auftreten in der Gruppe mit sofortiger Koronarangiografie. Eine mögliche Ursache ist eine Verzögerung von Diagnose und Therapie alternativer Ursachen des Herz-Kreislauf-Stillstands. Dies bleibt jedoch hypothetisch.
Aktuelle Empfehlung und Ausblick
Nachdem durch die COACT-Studie bereits die europäischen Leitlinien die Indikation zur zeitnahen Angiografie bei Patienten mit erfolgreicher Wiederbelebung nach außerklinischem Herz-Kreislauf-Stillstand von einer Empfehlung der Erwägung einer sofortigen Angiografie zu einer Empfehlung einer verzögerten Strategie (Empfehlungsklasse IIa Empfehlungsgrad B) angepasst haben,9 ist durch die TOMAHAWK-Studie eine weitere Stärkung dieser Empfehlung zu erwarten.
Literatur:
1 Atwood C et al.: Incidence of EMS-treated out-of-hospital cardiac arrest in Europe. Resuscitation 2005; 67(1): 75-80 2 Grunau B et al.: Association of intra-arrest transport vs continued on-scene resuscitation with survival to hospital discharge among patients with out-of-hospital cardiac arrest. JAMA 2020; 324(11): 1058-67 3 Geri G et al. : Etiological diagnoses of out-of-hospital cardiac arrest survivors admitted to the intensive care unit: Insights from a French registry. Resuscitation 2017; 117: 66-72 4 Ibanez B et al.: 2017 ESC Guidelines for the management of acute myocardial infarction in patients presenting with ST-segment elevation: The Task Force for the management of acute myocardial infarction in patients presenting with ST-segment elevation of the European Society of Cardiology (ESC). Eur Heart J 2018; 39(2): 119-77 5 Desch S et al.: Angiography after out-of-hospital cardiac arrest without ST-segment elevation. N Engl J Med 2021 6 Lemkes JS et al.: Coronary angiography after cardiac arrest without ST-segment elevation. N Engl J Med 2019; 380(15): 1397-407 7 Lemkes JS et al.: Coronary angiography after cardiac arrest without ST segment elevation: One-year outcomes of the COACT randomized clinical trial. JAMA Cardiol 2020; 5(12): 1358-65 8 Kern KB et al.: Randomized pilot clinical trial of early coronary angiography versus no early coronary angiography after cardiac arrest without ST-segment elevation: The PEARL study. Circulation 2020; 142(21): 2002-2012 9 Collet JP et al.: 2020 ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes in patients presenting without persistent ST-segment elevation. Eur Heart J 2021; 42(14): 1289-367
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