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Spannende Abstracts vom ESC-Kongress 2017

<p class="article-intro">Aus der am ESC-Kongress 2017 in Barcelona präsentierten Fülle an neuen Daten haben wir einige besonders interessante Abstracts für Sie zusammengestellt.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Myokardinfarkt</h2> <p><strong>Sauerstoffgabe bei Infarkt infrage gestellt</strong><br /> Sauerstoff geh&ouml;rte lange Zeit zur nicht hinterfragten Begleittherapie bei akutem Myokardinfarkt. Studiendaten, die dies begr&uuml;nden w&uuml;rden, gibt es aber nicht. Die DETO2X-AMI-Studie ist nun dieser Frage nachgegangen und hat in einer grossen multizentrischen und randomisierten Analyse mit 6629 Patienten keinerlei Vorteil f&uuml;r die Sauerstoffgabe zeigen k&ouml;nnen. So f&uuml;hrte die Sauerstoffgabe mit offener Gesichtsmaske zu keiner signifikanten &Auml;nderung der 1-Jahres-Mortalit&auml;t (5,0 % in der Sauerstoffgruppe und 5,1 % in der Kontrolle) und auch zu keiner Beeinflussung des sekund&auml;ren Endpunkts, der Rehospitalisierung wegen Myokardinfarkts und kardiovaskul&auml;ren Tod umfasste. Auf der Basis dieser grossen Real-World-Kohorte kann eine generelle Sauerstoffgabe bei Myokardinfarkt nicht mehr empfohlen werden. <em>Hofmann R et al.; DETO2X&ndash;SWEDEHEART Investigators: Oxygen therapy in suspected acute myocardial infarction. N Engl J Med 2017; 377: 1240-9 (ESC 2017: 3067)</em><br /><br /> <strong>DAPT-Preloading bei STEMI nicht unumstritten</strong><br /> Leitliniengerecht wurden Patienten mit STEMI bislang m&ouml;glichst beim ersten medizinischen Kontakt neben dem Aspirin auch mit einer Loading-Gabe eines P2Y12- Hemmers behandelt. Eine retrospektive Analyse aus dem SCAAR-Register stellt dieses Vorgehen infrage. F&uuml;r die 6964 der insgesamt 44 804 Patienten mit STEMI, die kein Preloading erhalten hatten, wurde weder ein Nachteil in der 30-Tages- Mortalit&auml;t noch ein Unterschied in Bezug auf den initialen Gef&auml;ssbefund, kardiogenen Schock sowie neurologische Komplikationen oder Blutungskomplikationen gefunden. Vor dem Hintergrund dieser Daten ist zumindest bei Patienten mit hoher Blutungsneigung das Preloading vor Kenntnis des Katheterbefundes und der definitiven Therapieentscheidung zu hinterfragen.<br /><em> Omerovic E et al.: Pretreatment with P2Y12 receptor antagonists is not associated with improved clinical outcomes in STEMI: a report from SCAAR. ESC 2917: 4971</em><br /><br /> <strong>R&uuml;ckenwind f&uuml;r Lysetherapie?</strong><br /> Eine interessante kleinere Studie mit 350 Patienten hat die pharmakoinvasive Therapie aus Fibrinolyse und verz&ouml;gerter PCI (3&ndash;24 Stunden) mit der m&ouml;glichst fr&uuml;hzeitigen prim&auml;ren PCI verglichen. Alle Patienten hatten einen STEMI von weniger als 6 Stunden Dauer und eine erwartete Zeit bis zum Herzkatheter von &gt;60 Minuten. Zur Fibrinolyse wurde die halbe &uuml;bliche Dosierung f&uuml;r Alteplase gew&auml;hlt. In diesem Vergleich zeigte sich, dass mit der pharmakoinvasiven Therapie eine verbesserte Myokardperfusion erreicht werden konnte. Allerdings war auch die Zahl von Blutungen signifikant erh&ouml;ht, was jedoch nur auf eine Erh&ouml;hung der Zahl von &laquo;minor bleedings&raquo; zur&uuml;ckzuf&uuml;hren war.<br /><em> Pu J et al.; EARLY-MYO Investigators: Efficacy and safety of a pharmaco-invasive strategy with half-dose alteplase versus primary angioplasty in ST-segment-elevation myocardial infarction: EARLY-MYO trial (early routine catheterization after alteplase fibrinolysis versus primary PCI in acute ST-segment- elevation myocardial infarction). Circulation 2017; 136: 1462-73 (ESC 2017: 1918)</em></p> <h2>Lipidsenkende Therapie</h2> <p><strong>PCSK9-Inhibitoren erh&ouml;hen Diabetesrisiko nicht</strong><br /> PCSK9-Inhibitoren erh&ouml;hen das Risiko, an Diabetes zu erkranken, nicht. Das zeigt eine Metaanalyse, die Daten zu insgesamt mehr als 68 000 Patienten erfasst hat. Eine gewisse Sorge im Hinblick auf das Diabetesrisiko unter Therapie mit PCSK9-Inhibitoren hatte bestanden, weil einerseits LDL-C-Senkung mit Statinen zu einer leichten Erh&ouml;hung der Diabetesinzidenz f&uuml;hrt, andererseits aber auch Mutationen des PCSK9-Gens mit Diabetes assoziiert sind. Auf Basis der Analyse von 20 klinischen Studien mit einer medianen Beobachtungsdauer von 48 Wochen kann nun Entwarnung gegeben werden. Im Vergleich zu Placebo stieg der N&uuml;chternblutzucker unter Anti-PCSK9-Therapie um 2 % pro Jahr und das HbA1c um 0,05 % pro Jahr. Das relative Risiko der Inzidenz von Diabetes war nicht signifikant erh&ouml;ht.<br /><em> Carvalho LSF et al.: Proprotein convertase subtilisin/kexin type 9 (PCSK9) inhibitors and incident type 2 diabetes mellitus: a systematic review and meta-analysis with over 10,000 patients. Eur Heart J 2017; 38(Suppl 1): 5966</em><br /><br /> <strong>Suboptimale Lipideinstellung bei Frauen</strong><br /> Frauen werden h&auml;ufiger unzureichend gegen Dyslipid&auml;mie behandelt als M&auml;nner. Das zeigen die Ergebnisse der Dyslipidemia International Study (DYSIS), die in Europa, Kanada, S&uuml;dafrika, dem Nahen Osten und China durchgef&uuml;hrt wurde und unter anderem der Frage nachging, in welchem Umfang der f&uuml;r Hochrisikopatienten empfohlene LDL-C-Zielwert von 1,8mmol/l im klinischen Alltag erreicht wird. Rund 40 % der in der Studie erfassten Personen waren Frauen. Im Vergleich zu den M&auml;nnern hatten die teilnehmenden Frauen mehr Risikofaktoren, dabei jedoch seltener kardiovaskul&auml;re Ereignisse in der Anamnese. Frauen wurden h&auml;ufiger mit weniger wirksamen Statinen und niedrigeren Dosierungen behandelt. Das hatte Folgen: Nur 17,5 % der Frauen erreichten das LDL-C-Ziel von &lt;1,8mmol/l &ndash; im Vergleich zu 24 % der M&auml;nner (p&lt;0,001).<br /><em> Gitt AK et al.: Undertreatment of female patients in lipid-lowering for secondary prevention in Europe, Canada, South Africa, Middle East and China: results of the Dyslipidemia International Study (DYSIS). Eur Heart J 2017; 38(Suppl 1): P629</em></p> <h2>Vorhofflimmern</h2> <p><strong>Bessere Therapie, besserer Herzrhythmus</strong><br /> Die RACE-3-Studie zeigt, dass ein konsequentes Management bekannter Risikofaktoren bei Patienten mit neu diagnostiziertem Vorhofflimmern (VHF) auch die Rhythmuskontrolle verbessert. Die intensivierte Therapie (&laquo;upstream therapy&raquo;) bestand aus kardialer Rehabilitation, Mineralokortikoidrezeptor- Antagonisten, Statinen sowie ACE-Inhibitoren bzw. Angiotensinrezeptor- Blockern. Die intensivierte Therapie begann mindestens drei Wochen vor einer elektrischen Kardioversion und wurde f&uuml;r mindestens 12 Monate weitergef&uuml;hrt. Prim&auml;rer Endpunkt war der Sinusrhythmus nach einem Jahr, diagnostiziert mit Holter-Monitoring &uuml;ber eine Woche. Nach einem Jahr waren in der intensiv therapierten Gruppe 89 von 119 (75 % ) Patienten im Sinusrhythmus, im Vergleich zu 79 von 126 (63 % ) Patienten in der Kontrollgruppe. Hinsichtlich des Bedarfs an antiarrhythmischen Medikamenten oder der Zahl der elektrischen Kardioversionen bestand kein Unterschied zwischen den Gruppen.<br /><em> van Gelder I: Routine versus aggressive upstream rhythm control for prevention of early atrial fibrillation in heart failure, the RACE 3 study. ESC 2017: 1145</em><br /><br /> <strong>Gute Daten f&uuml;r die Katheterablation</strong><br /> Die im Rahmen der Hotline des ESC 2017 vorgestellten Ergebnisse der prospektiven, randomisierten Studie CASTLE- AF zeigen die &Uuml;berlegenheit der Katheterablation im Vergleich zu medikament&ouml;sen Massnahmen in der Therapie von VHF bei herzinsuffizienten Patienten. Die Ablation brachte eine geringere Gesamtsterblichkeit sowie eine Reduktion der Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz (kombinierter, prim&auml;rer Endpunkt). In einem Kollektiv von Patienten mit einer linksventrikul&auml;ren Auswurffraktion unter 35 % wurde durch die Ablation &uuml;ber eine mediane Beobachtungszeit von 37,8 Monaten im Hinblick auf den prim&auml;ren Endpunkt eine Risikoreduktion von 38 % erreicht (HR: 0,62; 95 % CI: 0,43&ndash;0,87; p=0,007). Auch im Hinblick auf die einzelnen Komponenten des kombinierten Endpunkts war die Ablation &uuml;berlegen. Das Mortalit&auml;tsrisiko wurde um 47 % reduziert.<br /><em> Marrouche NF et al.: Catheter ablation versus standard conventional treatment in patients with left ventricular dysfunction and atrial fibrillation: the CASTLE-AF trial. ESC 2017: 1148</em><br /><br /> <strong>Verbesserte Diagnose von Vorhofflimmern</strong><br /> Die Studie REHEARSE-AF zeigt, dass EKG-Home-Monitoring durch Patienten in Kombination mit professioneller Analyse der Daten die Diagnose von VHF erleichtert. In die Studie eingeschlossen waren mehr als 1000 Personen mit Risikofaktoren f&uuml;r Schlaganfall. Patienten in der Interventionsgruppe nahmen zweimal t&auml;glich mithilfe eines mobilen Ger&auml;ts ihr EKG auf und &uuml;bertrugen es zur Auswertung an ein Kardiologenteam. Ergebnis: In der Interventionsgruppe wurden innerhalb von 12 Monaten 19 F&auml;lle von VHF diagnostiziert, im Vergleich zu f&uuml;nf F&auml;llen in der Kontrollgruppe (HR: 3,9; 95 % CI: 1,4&ndash; 10,4; p=0,007).<br /><em> Halcox J et al.: Assessment of REmote HEArt Rhythm Sampling using the AliveCor heart monitor to scrEen for Atrial Fibrillation (the REHEARSE-AF study). ESC 2017: 4740</em><br /><br /> <strong>Prognose bei isch&auml;mischer Kardiomyopathie</strong><br /> GARFIELD-AF ist eine internationale, multizentrische Beobachtungsstudie zur Schlaganfallpr&auml;vention bei Patienten mit neu diagnostiziertem nvVHF. In einer neuen Analyse wurden nun Vergleichsdaten zu Patienten mit isch&auml;mischer versus Patienten mit nicht isch&auml;mischer Kardiomyopathie pr&auml;sentiert. Patienten mit isch&auml;mischer Kardiomyopathie machten insgesamt rund 30 % der analysierten Kohorte aus und waren h&auml;ufiger in den NYHAKlassen III und IV (38,6 % vs. 28,8 % ), die Diagnosen erfolgten &ouml;fter im Spital und seltener bei niedergelassenen &Auml;rzten. Sie erhielten h&auml;ufiger Antipl&auml;ttchentherapie, jedoch seltener eine Herzinsuffizienzmedikation verschrieben und hatten insgesamt eine schlechtere Prognose, sowohl im Hinblick auf die Gesamt- als auch auf die kardiovaskul&auml;re Mortalit&auml;t sowie auf neue Myokardinfarkte.<br /> <em>Corbalan R et al.: One-year clinical outcomes and management of patients with ischaemic vs non-ischaemic cardiomyopathy and newly diagnosed atrial fibrillation: results from GARFIELD-AF. Eur Heart J 2017; 38(Suppl 1): P3237</em></p> <h2>Herzklappenerkrankungen</h2> <p><strong>Gute Langzeitdaten f&uuml;r die TAVI</strong><br /> Die ersten, experimentellen Implantationen von Transkatheter-Aortenklappen in Menschen erfolgten im Jahr 2002. Aus den ersten mit TAVI befassten Zentren stehen daher mittlerweile 15-Jahres-Daten zur Verf&uuml;gung. Im Rahmen des ESC 2017 wurden nun Langzeitergebnisse eines franz&ouml;sischen Zentrums pr&auml;sentiert. Ausgewertet wurden alle Patienten, die in den Jahren 2002 bis 2017 an diesem Zentrum eine TAVI erhalten hatten und damit in ein prospektives Register aufgenommen worden waren. Diese Daten zeigen nicht zuletzt, wie sehr die Methode in den vergangenen Jahren verbessert worden und in den Routinebetrieb ger&uuml;ckt ist. So lag die 30-Tages-Mortalit&auml;t mit den ersten als &laquo;compassionate use&raquo; implantierten Klappen bei 22,1 % im Vergleich zu 2,2 % mit der seit 2014 verwendeten SAPIEN-3-Klappe (p&lt;0,0001). Der Anteil des transfemoralen Zugangs stieg von 47 % auf 94,9 % (p&lt;0,0001), die Komplikationsraten nahmen deutlich ab. Langzeitdaten zeigen keine Hinweise auf eingeschr&auml;nkte Haltbarkeit der Klappen.<br /><em> Durand E et al.: Up to 10-years longterm durability after transcatheter aortic valve implantation using balloon-expandable transcatheter valves: experience from the pioneer center. Eur Heart J 2017; 38(Suppl 1): P460</em><br /><br /> <strong>KHK hat keinen Einfluss auf TAVI-Mortalit&auml;t</strong><br /> Koronare Herzerkrankung beeinflusst das kurzfristige und langfristige &Uuml;berleben von Patienten nach TAVI nicht. Das legen Daten aus dem FRANCE-2(&laquo;FRench Aortic National Core-Valve and Edwards&raquo;)- Register nahe. Auch die Zahl stenosierter Gef&auml;sse hatte &uuml;ber drei Jahre keinen Einfluss auf die Mortalit&auml;t. Lediglich f&uuml;r die Stenose des Ramus interventricularis anterior wurde eine Assoziation mit Mortalit&auml;t gefunden. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass eine systematische Revaskularisierung vor TAVI nicht indiziert erscheint.<br /><em> Didier R et al.: Impact of coronary artery disease in patients undergoing transcatheter aortic valve replacement: inside the FRANCE-2 registry. Eur Heart J 2017; 38(Suppl 1): P458</em><br /><br /> <strong>Wer soll einen MitraClip bekommen?</strong><br /> Die Auswahl von geeigneten Patienten f&uuml;r die MC-Prozedur bleibt eine grosse Herausforderung. Randomisierte, kontrollierte Studien zu Clip-Prozeduren bei Herzinsuffizienz und funktioneller Mitralinsuffizienz fehlen. Nun wurden in einer prospektiven Studie an Patienten mit Mitralinsuffizienz und stark reduzierter Linksventrikelfunktion mittels kardialer MRT die akuten und sp&auml;ten Ver&auml;nderungen der rechten und linken Ventrikelfunktion erhoben. Die Studie zeigte, dass die Clips zwar die Regurgitation durch die Mitralklappe signifikant reduzieren, dass dies jedoch bei so ausgepr&auml;gt herzinsuffizienten Patienten keine Auswirkungen auf den Herzindex (Quotient aus dem Herzminutenvolumen und der K&ouml;rperoberfl&auml;che) mehr hat. Damit konnte mittels MRT jedoch keine objektive Verbesserung festgestellt werden.<br /><em> Blazek S et al.: Acute and chronic remodeling after interventional edge-to-edge repair of mitral regurgitation using cardiac magnetic resonance imaging. Eur Heart J 2017; 38(Suppl 1): P1366<br /></em><br /> <strong>Clip-System f&uuml;r die Trikuspidalklappe</strong><br /> Die Insuffizienz der Trikuspidalklappe stellt nach wie vor ein ungel&ouml;stes Problem der Kardiologie dar. Zum ersten Mal wurde nun im Rahmen des ESC 2017 eine grosse Fallserie zur Reparatur der Trikuspidalklappe mit einem Clip-System vorgestellt. Die Eingriffe erfolgten isoliert oder in Kombination mit einem Mitralklappen- Repair. Der Zugang erfolgte &uuml;ber die rechte Vena femoralis. Nach sechs Monaten war das Ergebnis bei 19 von 23 Patienten stabil, was zu einer signifikanten Verbesserung der Herzinsuffizienz f&uuml;hrte. Die Ergebnisse bedeuten Hoffnung f&uuml;r Patienten mit Trikuspidalklappeninsuffizienz und hohem Operationsrisiko. Fazit: Die Therapie mittels Clip-Systems ist m&ouml;glich und sicher, viele Fragen bleiben aber nat&uuml;rlich noch offen.<br /><em> Hausleitner J et al.: Six-month results of transcatheter edge-to-edge repair of severe tricuspid regurgitation. Eur Heart J 2017; 38(Suppl 1): P3000</em></p></p> <p class="article-quelle">Quelle: ESC-Kongress, 29.–31. August 2017, Barcelona </p>
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