© Getty Images/iStockphoto

Telemedizin bei Herzinsuffizienz

Sinnvolle Unterstützung oder nettes Spielzeug?

<p class="article-intro">Die Anwendungsbereiche der Telemedizin sind vielfältig. In dieser Übersicht sollen der Einsatz und Stellenwert der Telemedizin in der Versorgung von Patienten mit Herzinsuffizienz allgemein und am Beispiel von HerzMobil Tirol im Speziellen diskutiert werden.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Telemedizin ist ein wertvolles Instrument und erleichtert die Betreuung von Patienten mit Herzinsuffizienz.</li> <li>Trotz zahlreicher Studien sind nach wie vor noch einige Fragen zu kl&auml;ren.</li> <li>Voraussetzung für den sinnvollen Einsatz von Telemedizin ist die Einbindung der Technologie in eine funktionierende Netzwerkversorgung.</li> </ul> </div> <p>Der Begriff Telemedizin umfasst den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie in der Medizin (&bdquo;eHealth&ldquo; &ndash; &bdquo;electronic Health&ldquo;). Die Anwendungsgebiete reichen von der Telekommunikation (elektronische &Uuml;bermittlung von &Uuml;berweisungen, Befunden und Leistungsanforderungen) über Telekonsultation (Fernbegutachtungen von Bildern und Gesundheitsparametern) und Teledokumentation (einrichtungsübergreifende elektronische Behandlungsdokumentation &ndash; ELGA) bis zu Telemonitoring und Telekooperation.</p> <h2>Telemonitoring (&bdquo;mHealth&ldquo; &ndash; &bdquo;mobile Health&ldquo;)</h2> <p>Dabei handelt es sich um ein Instrument zur &Uuml;berwachung von Patienten in ihrer h&auml;uslichen Umgebung durch &Uuml;bertragung von Biosignalen oder Messwerten.</p> <p><strong>Nicht invasives Telemonitoring</strong><br /> Dazu z&auml;hlen der strukturierte Telefonkontakt zwischen Versorgern und Patienten sowie die Erhebung nicht invasiver Daten wie Blutdruck, Herzfrequenz, Gewicht oder Informationen zum k&ouml;rperlichen Wohlbefinden oder der Medikamenteneinnahme. S&auml;mtliche Daten werden vom Patienten selbst erhoben und telemetrisch an den Versorger übermittelt.</p> <p><strong>Invasives Telemonitoring</strong><br /> Die Erhebung invasiver Daten zu Volumenstatus (OptiVol&reg;) oder Herzrhythmus ist über implantierte Devices wie CRT oder ICD m&ouml;glich. Invasive Druckwerte in der Pulmonalarterie k&ouml;nnen über einen implantierten Drucksensor (CardioMEMSTM HF System) kontinuierlich erhoben werden. Ebenso ist eine permanente Druckmessung im linken Vorhof m&ouml;glich. Eine aktuelle Studie (LAPTOP-HF) mit diesem Device musste jedoch kürzlich wegen Sicherheitsbedenken abgebrochen werden.<br /> Die bisherigen Studienergebnisse zur Effektivit&auml;t von Telemonitoring bezogen auf harte Endpunkte wie Krankenhausaufnahmen wegen akuter Herzinsuffizienz oder Mortalit&auml;t sind nicht eindeutig. W&auml;hrend sich Untersuchungen zur invasiven Druckmessung (CHAMPION Trial) und &Uuml;berwachung von Herzfrequenz und Rhythmus (IN-TIME) als h&ouml;chst effektiv erwiesen haben, war das für die invasive Volumenmessung (DOT-HF, REM-HF, MORECARE) nicht der Fall. Das gilt auch für den ausschlie&szlig;lichen Telefonkontakt mit Patienten (TELE-HF). Dem steht eine signifikante Reduktion beider Endpunkte in gro&szlig;en Metaanalysen (Abb. 1) sowie einer Cochrane-Analyse gegenüber. Ebenso konnte die Kosteneffektivit&auml;t des Telemonitorings bei Herzinsuffizienz gezeigt werden.<img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1702_Weblinks_seite12_1.jpg" alt="" width="1234" height="1810" /></p> <p>Viele der bisher durchgeführten Studien beschr&auml;nken sich auf das frühzeitige Erkennen einer sich anbahnenden Instabilit&auml;t der Herzinsuffizienz in der Frühphase nach Entlassung aus dem Krankenhaus, um so eine zeitgerechte medikament&ouml;se Intervention (z.B. Anpassung der Diuretikatherapie) zu erm&ouml;glichen. Für die mittel-/langfristige Effektivit&auml;t sind jedoch die stetige Optimierung der evidenzbasierten Herzinsuffizienztherapie und eine gest&auml;rkte Eigenkompetenz des Patienten unabdingbar.</p> <p>Pers&ouml;nliche Erfahrungen im praktischen Umgang mit mit Telemonitoring bei Herzinsuffizienz zeigen, dass die Effektivit&auml;t in erster Linie an die Einbindung dieser Technologie in eine funktionierende Netzwerkversorgungsstruktur (Disease-Management- Programm) gebunden ist. Nicht die Datenerhebung an sich, sondern erst die Umsetzung der erfassten Information in einer umfassenden Patientenversorgung ist für den Erfolg verantwortlich. Dieser Aspekt wird derzeit in einer gro&szlig; angelegten Studie in Deutschland untersucht (TIM-HF II). Trotz oder gerade wegen der bereits vorliegenden Studienergebnisse sind noch eine Reihe von Fragen offen:</p> <ol> <li>Welche Parameter sollen erhoben werden? Sind invasiv gemessene Daten zu H&auml;modynamik und Volumenstatus aussagekr&auml;ftiger als nicht invasive Daten? Ist die Kombination unterschiedlicher Informationen günstiger als die Erhebung von Einzelinformationen?</li> <li>Welche Patienten sollen überwacht werden und in welcher Phase? Soll die &Uuml;berwachung auf instabile Patienten in der vulnerablen Phase nach einem Krankenhausaufenthalt beschr&auml;nkt sein oder auch auf stabile Patienten ausgedehnt werden?</li> <li>Wie lange sollen Patienten überwacht werden? Ist die kurzfristige Erhebung (3&ndash;6 Monate) von Daten in der vulnerablen Phase ausreichend oder soll die Datenüberwachung auf Jahre, z.B. bei implantierten Devices, ausgedehnt werden?</li> <li>Inwieweit ist eine strukturierte Patientenschulung bzw. Erkrankungspr&auml;vention telemedizinisch machbar und sinnvoll?</li> </ol> <p>Diese und andere mit eHealth assoziierten Fragen werden in einem aktuellen Positionspapier der ESC angesprochen und sollen in den n&auml;chsten Jahren schrittweise abgearbeitet werden.</p> <h2>HerzMobil Tirol</h2> <p>HerzMobil Tirol ist ein integratives Versorgungsprogramm für Patienten nach akuter kardialer Dekompensation, bei dem ein nicht invasives Telemonitoringsystem in ein umfassendes Betreuungsnetzwerk eingebunden ist. Dieses Netzwerk umfasst neben Krankenh&auml;usern niedergelassene Internisten und praktische &Auml;rzte sowie geschulte Herzinsuffizienz- DGKS/P. Die PatientenbetreuerInnen auf den verschiedenen Versorgungsebenen sind durch ein gesichertes, internetbasiertes Kommunikationssystem (Telekooperation) verbunden (Abb. 2). Patienten erhalten vor der Entlassung und anl&auml;sslich eines Hausbesuchs eine eingehende krankheitsbezogene Schulung und werden mit einer Telemonitoringeinheit ausgestattet. Diese umfasst eine Waage und ein Blutdruckmessger&auml;t sowie ein speziell konzipiertes Smartphone, welches durch eine ID-Karte aktiviert wird (kein Einw&auml;hlen erforderlich!) und nach Ann&auml;herung an Waage und Blutdruckmessger&auml;t Gewicht, Blutdruck und Herzfrequenz über eine &bdquo;Near-field sensing&ldquo;-Schnittstelle (kein Knopfdruck erforderlich!) an einen datengeschützten Server übertr&auml;gt (Abb. 3). Patienten sind angehalten, diese Parameter t&auml;glich zu erheben und zu übermitteln. Dies kann bei Bedarf auch von Angeh&ouml;rigen übernommen werden. &Uuml;ber die Aktivierung von entsprechenden Symbolen erfolgt eine Information über die aktuelle Befindlichkeit. Zudem ist der Patient aufgefordert, die Einnahme der auf dem Handy gut ersichtlich dargestellten aktuellen Therapie t&auml;glich zu best&auml;tigen.<br /> Einmal w&ouml;chentlich erfolgt die &Uuml;bertragung einer grafisch aufbereiteten Datensammlung an den betreuenden Arzt. &Uuml;ber- oder unterschreiten die übertragenen Daten vorgegebene, individuelle Grenzwerte, wird dies vom zentralen Server automatisch erkannt und an den betreuenden niedergelassenen Arzt per SMS oder E-Mail weitergeleitet. Dieser kann unmittelbar über Telefon/SMS-Kontakt oder über Vermittlung durch die Herzinsuffizienz- DGKS/P mit einer Therapieanpassung, z.B. Anpassung der Diuretikadosis oder Optimierung der neurohumoralen Therapie, reagieren. Damit ist eine wohnortnahe Patientenversorgung m&ouml;glich &ndash; &bdquo;move the information, not the patient&ldquo;.<br /> HerzMobil Tirol integriert die zentralen Elemente eines Disease-Management-Programms: Patientenschulung, welche die Eigenkompetenz von Patienten st&auml;rkt und damit die Nachhaltigkeit des Programms gew&auml;hrleistet; Monitoring zum frühzeitigen Erkennen einer drohenden Dekompensation und damit Sicherstellung einer rechtzeitigen Intervention; kontinuierliche Therapiemodifikation/-optimierung zur l&auml;ngerfristigen Stabilisierung der Erkrankung.<br /> Die vom Austrian Institute of Technology (AIT) entwickelte Telemonitoringeinheit erfüllt die grunds&auml;tzlichen Anforderungen an ein derartiges Instrument. Sie gew&auml;hrleistet eine effektive und für Patienten praktikable Signalübertragung. Relevante Daten werden automatisch erkannt und aufbereitet sowie in einem leicht interpretierbaren Format zur Verfügung gestellt. Im Hintergrund agieren kompetente Versorgungsstrukturen, die auf relevante Signale entsprechend reagieren. Und schlie&szlig;lich erfolgen eine effiziente Rückmeldung der notwendigen Intervention an den Patienten und die &Uuml;berwachung der Interventionseffizienz, wodurch der Versorgungskreis geschlossen wird.<br /> Die Betreuung im HerzMobil-Tirol-Programm erfolgt für einen Zeitraum von drei Monaten nach der Krankenhausentlassung und kann bei Bedarf auf sechs Monate verl&auml;ngert werden. Damit ist die vulnerable Phase der h&auml;ufigsten Wiederaufnahmen abgedeckt. HerzMobil Tirol wurde auf Entschluss der Landeszielsteuerungskommission mit Beginn des Jahres 2017 im Bundesland Tirol in den Regelbetrieb übernommen. <img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1702_Weblinks_seite12_2.jpg" alt="" /><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1702_Weblinks_seite12_3.jpg" alt="" width="868" height="1078" /></p> <div id="fazit"> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Telemedizin ist ein wertvolles Instrument zur Steigerung von Effizienz und Kosteneffektivit&auml;t in der Betreuung von Patienten mit Herzinsuffizienz. Trotz vieler Studien sind allerdings noch Fragen offen. Voraussetzung für den sinnvollen Einsatz von Telemedizin ist die Einbindung der Technologie in eine funktionierende Netzwerkversorgung. Seitens der Kostentr&auml;ger ist eine entsprechende Remuneration notwendig.</p> </div></p>
Back to top