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Rationale Abklärung von Palpitationen

<p class="article-intro">Palpitationen haben eine sehr hohe Prävalenz und machen immerhin bis zu 16 % der allgemeinmedizinischen Konsultationen aus. Außerdem sind sie nach pektanginösen Beschwerden das zweithäufigste Symptom, weswegen ein Kardiologe aufgesucht wird. Aufgrund des Umfangs des Themas wird in diesem Artikel ausschließlich die konservative diagnostische Abklärung bei Palpitationen und nicht das weitere therapeutische Vorgehen der zugrunde liegenden Erkrankungen behandelt.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Gen&uuml;gend Zeit f&uuml;r die Anamnese nehmen.</li> <li>Grundlegende Beurteilung des 12-Kanal-Ruhe-EKGs.</li> <li>Zur Risikostratifizierung ist im begr&uuml;ndeten Fall eine weitere Abkl&auml;rung mittels Echokardiografie und Ergometrie sinnvoll.</li> <li>Unbedingt Symptom-EKG-Korrelation herstellen und hierf&uuml;r das richtige Tool &shy;w&auml;hlen.</li> </ul> </div> <h2>Definition</h2> <p>Von der Definition her sind Palpitationen das Wahrnehmen des eigenen Herzschlages. Dies kann als brady- oder &shy;tachykard, rhythmisch oder arrhythmisch oder aber auch als Herzstolpern geschildert werden. In Situationen mit deutlich erh&ouml;htem Sympathotonus erlebt jeder Mensch Episoden von &bdquo;Herzklopfen&ldquo;. Diese situationsassoziierten &bdquo;physiologischen&ldquo; Palpitationen m&uuml;ssen nat&uuml;rlich von den &bdquo;nicht physiologischen&ldquo; Palpitationen unterschieden werden, die sich dadurch auszeichnen, dass sie in vielen F&auml;llen auch komplett situationsunabh&auml;ngig (&bdquo;wie aus heiterem Himmel&ldquo;) auftreten k&ouml;nnen.</p> <h2>Einteilung</h2> <p>Die Ursachen von nicht physiologischen Palpitationen k&ouml;nnen grob in vier Gruppen unterteilt werden (Tab. 1): kardial, psychosomatisch, medikamenten- oder drogenassoziiert, systemische Ursachen. Allerdings machten in einer prospektiven Studie, in der 190 Patienten eingeschlossen waren, die Arrhythmien mit 41 % sowie psychosomatische Ursachen (in erster Linie Angst- und Panik&shy;attacken) mit 31 % zusammen fast drei Viertel aller Ursachen aus. Die Prognose war in dieser Untersuchung mit einer Einjahresmortalit&auml;t von 1,6 % sehr gut, wobei man dies sicher nicht verallgemeinern kann.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1603_Weblinks_Seite47_1.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Arrhythmien vs. psychosomatische &shy;Ursachen</h2> <p>Im Rahmen von psychosomatischen St&ouml;rungen kann es durch eine abnorme Steigerung des Sympathotonus auch zu Sinustachykardien kommen, welche dann als tachykarde Palpitationen wahrgenommen werden, oder aber auch dazu, dass der eigene Herzschlag generell sehr stark wahrgenommen wird. Daher lassen sich in bestimmten F&auml;llen Panikattacken gar nicht so leicht von echten Herzrhythmusst&ouml;rungen unterscheiden. In einer retrospektiven Analyse von 107 Patienten mit diagnostizierter supraventrikul&auml;rer Tachykardie (SVT) erf&uuml;llten immerhin 67 % nach DSM-IV die Diagnosekriterien einer Panikattacke. Bei 30 % ging der richtigen Diagnose der SVT zun&auml;chst die Fehldiagnose einer Panik-, Angst- oder Stress-assoziierten Sinustachykardie voraus. Einige eventuell hilfreiche anamnestische Unterscheidungsmerkmale gibt es aber doch. Bei der Panikattacke steht die Panik bzw. die Angst im Vordergrund und weniger die Tachykardie. Der Onset der Tachykardie ist nicht pl&ouml;tzlich und die Herzfrequenz rhythmisch und meist nicht so tachykard. Als weiteres Unterscheidungsmerkmal kann noch nachgefragt werden, was denn zuerst da war: die Panik oder das Herzrasen. Einige Untersuchungen haben au&szlig;erdem gezeigt, dass nicht nur wie eben schon erw&auml;hnt Tachykardien Panikattacken-&auml;hnliche Zust&auml;nde verursachen k&ouml;nnen, sondern auch emotionaler Stress &bdquo;echten&ldquo; Herzrhythmusst&ouml;rungen zugrunde liegen kann.</p> <h2>Risikostratifizierung und &shy;weiterf&uuml;hrende Diagnostik</h2> <p>Bevor man sich mit der exakten Diagno&shy;sefindung auseinandersetzt, sollte zuallererst eine Risikostratifizierung stattfinden (Tab. 2). Als Marker f&uuml;r ein hohes Risiko gelten hier das Einhergehen der Palpitationen mit einer (Pr&auml;-)Synkope oder mit k&ouml;rperlicher Anstrengung; au&szlig;erdem auch noch eine positive Familienanamnese bez&uuml;glich eines pl&ouml;tzlichen Herztodes und eine strukturelle Herzerkrankung, sodass in vielen F&auml;llen die Durchf&uuml;hrung einer Ergometrie und Echokardiografie sinnvoll ist. In bestimmten F&auml;llen sollte auch die weitere Abkl&auml;rung durch eine kardiale Magnet&shy;resonanztomografie in Betracht gezogen werden. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die angedachte Diagnose eine strukturelle Herzerkrankung vermuten l&auml;sst, die Echokardiografie aber inkonklusiv geblieben ist (z.B. im Falle einer arrhythmogenen rechtsventrikul&auml;ren Dysplasie [ARVC]). Dies bringt uns schon zum n&auml;chsten Punkt in der Risikostratifizierung bzw. auch weiteren Diagnosefindung, n&auml;mlich zur sorgf&auml;ltigen Evaluierung des 12-Kanal-Ruhe-EKGs. Hier k&ouml;nnen Auff&auml;lligkeiten eventuell auf die Genese der Palpitationen hindeuten, wie z.B. Vorhofflimmern, tiefe Qs als Hinweis auf Narben, Delta-Wellen, selten auch zeltf&ouml;rmige ST-Hebungen in V1/V2 (bei Verdacht auf Brugada-Syndrom) oder Epsilon-Welle in V1 und T-Inversionen bis V3 als Hinweis auf ARVC, um nur einige Beispiele zu nennen. Schlie&szlig;lich sollten noch der Onset, der Zustand w&auml;hrend der Palpitationen und auch das Ende der Palpitationen anamnestisch genau evaluiert werden. Ein pl&ouml;tzlicher Onset, ein positives &bdquo;frog sign&ldquo; sowie eine Terminierung unter Valsalvaman&ouml;ver kann ein Hinweis auf eine AV-(nodale)-Reentrytachykardie sein. Arrhythmische Palpitationen k&ouml;nnen nat&uuml;rlich ein Hinweis auf ein Vorhofflimmern sein. Deutlicher Schwindel w&auml;hrend der Arrhythmie kann als Hinweis auf h&auml;modynamische Instabilit&auml;t im Rahmen einer ventrikul&auml;ren Tachykardie interpretiert werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1603_Weblinks_Seite47_2.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Herstellung Symptom-EKG-Korrelation</h2> <p>Das exakte anamnestische Evaluieren der Gesamtsituation rund um das &bdquo;Event&ldquo; der Palpitationen kann wie gesagt entscheidende Hinweise bieten. Um allerdings die richtige Diagnose abzusichern oder ihr zumindest einen entscheidenden Schritt n&auml;her zu kommen, ist es unumg&auml;nglich, eine Symptom-EKG-Korrelation herzustellen, das hei&szlig;t, ein EKG aufzuzeichnen w&auml;hrend des Symptoms der Palpitationen. Verschiedene Tools stehen uns hier zur Verf&uuml;gung und auch hier hilft uns die Anamnese, das richtige auszuw&auml;hlen. Bei relativer Oligosymptomatik und sporadischem Auftreten von l&auml;nger andauernden Palpitationen kann auch die Empfehlung ausreichen, w&auml;hrend der n&auml;chsten Episode eine Ambulanz aufzusuchen und ein EKG w&auml;hrend bestehender Beschwerden anfertigen zu lassen. Bei nahezu t&auml;glichem Herzklopfen ist nat&uuml;rlich ein 24/(48)h-EKG sinnvoll. Treten die Symptome allerdings immer nur gelegentlich und &uuml;ber wenige Minuten auf, kann ein externer Event-Rekorder weiterhelfen, welchen der Patient w&auml;hrenddessen an die Brust halten und so ein EKG aufzeichnen kann. Sollten die Beschwerden mit h&auml;modynamischer Instabilit&auml;t oder gar einer Synkope einhergehen, so sollte an die Implantation eines Loop-Rekorders gedacht werden. Der Patient kann so nach der Synkope das aufgezeichnete EKG retrospektiv abspeichern.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Das Symptom der Palpitationen ist ein gutes Beispiel daf&uuml;r, wie wichtig eine sorgf&auml;ltige und exakte Anamnese ist. Die weiterf&uuml;hrende Diagnostik kann dadurch entscheidend und zielgerichtet beeinflusst und teure oder unn&ouml;tige weitere Ma&szlig;nahmen k&ouml;nnen vermieden werden (z.B. 24h-EKG bei maximal monatlich auftretenden Palpitationen). In immerhin fast der H&auml;lfte der F&auml;lle kann schon im Rahmen der Erstuntersuchung so die richtige Diagnose gestellt werden.</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>&bull; ACC/AHA clinical competence statement on electrocardiography and ambulatory electrocardiography. <br />A report of the ACC/AHA/ACP-ASIM Task Force on &shy;Clinical Competence (ACC/AHA Committee to Develop a Clinical Competence Statement on Electrocardiography and Ambulatory Electrocardiography). J Am Coll Cardiol 2001; 38: 2091-100<br />&bull; Lessmeier et al: Unrecognized paroxysmal supra&shy;ventricular tachycardia. Potential for misdiagnosis as panic disorder. Arch Intern Med (1997); 157: 537-43<br />&bull; Raviele et al: Management of patients with palpitations. Europace 2011; 13: 920-934<br />&bull; Wolff A et al: 10 steps before your refer for palpitations. Br J Cardiol 2009; 16: 182-6<br />&bull; Weber BE et al: Am J Med 1996; 100: 138-48</p> </div> </p>
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