<p class="article-intro">Die Herzinsuffizienz stellt durch die wachsende Prävalenz, hohe Morbidität und schlechte Prognose eine hohe sozioökonomische Herausforderung dar.1 In Österreich sind, unter Berücksichtigung der hohen Dunkelziffer, bis zu 300 000 Menschen betroffen. Trotz der zunehmenden Therapiemöglichkeiten und deutlich verbesserter Prognose im Vergleich von vor 30 Jahren bleibt die Prognose insgesamt schlecht und vor allem kann das Voranschreiten der Erkrankung nicht angehalten werden. Untersuchungen des Myokards könnten aber neue Therapietargets eröffnen.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoint</h2> <ul> <li>Es finden sich hohe Mengen an ungünstigen Angiotensinen (AngII und AngIII) im Herzmuskel von terminalen Herzinsuffizienzpatienten.</li> <li>Die systemische State-of-the- Art-RAS-Blockade scheint keinen Einfluss auf die Angiotensin- Konzentrationen oder Enzymaktivitäten des myokardialen RAS zu haben.</li> <li>Um das myokardiale RAS günstig zu beeinflussen, müsste eine alternative RASModulation mit neuen Substanzen erfolgen.</li> </ul> </div> <p>Mitverantwortlich für die Progression der Herzinsuffizienz wird die neurohumorale Dysregulation gemacht, wobei hier erhöhte Spiegel von zirkulierenden Peptidhormonen systemisch ungünstige Effekte hervorrufen, die die Erkrankungsspirale weiter vorantreiben. Die Überaktivierung des Renin-Angiotensin-Systems (RAS) ist charakteristisch für die systolische Herzinsuffizienz. Angiotensin II, ein Peptidhormon und Haupteffektor des Renin-Angiotensin- Systems, ist eines der stärksten Vasokonstriktoren und wirkt profibrotisch und proinflammatorisch und treibt damit das Fortschreiten der Erkrankung an. Die RAS-Inhibition mit dem Ziel, die Wirkungen von Angiotensin II zu verhindern, ist ein grundlegendes Therapieprinzip. Seit Kurzem weiß man, dass fast alle Organe über ein gewebeständiges RAS verfügen, dessen Regulation sich wesentlich von dem zirkulierenden System unterscheidet. Angiotensin II kann trotz gegenwärtiger pharmakologischer RAS-Inhibition im Gewebe über alternative Enzymwege gebildet werden. Das kann im Herzmuskel zur weiteren Verschlechterung der Myokardfunktion führen. Die Wirkung der kontemporären RAS-Inhibitoren, vor allem ARNi, auf das kardiale Renin-Angiotensin- System sind nicht bekannt. Die Untersuchung der Regulationswege im Myokard könnte neue gewebespezifische Therapietargets identifizieren.</p> <h2>Renin-Angiotensin-System</h2> <p>Das RAS ist eine enzymatische Kaskade, bei der verschiedene Peptide, die sogenannten Angiotensine, gebildet werden. Renin wird in der Niere synthetisiert und wirkt im Plasma, wo es durch die Bildung von Angiotensin I (AngI) den geschwindigkeitsbestimmenden Schritt der Kaskade katalysiert. Angiotensin II (AngII) wird als Hauptprodukt von AngI über ACE gebildet. AngII ist ein Oktapeptid, das über seinen Rezeptor AT1R viele ungünstige Effekte ausübt. Die stark vasokonstriktorischen, proinflammatorischen und profibrotischen Wirkungen werden für die Progression der Herzinsuffizienz mitverantwortlich gemacht, so das Konzept der neurohumoralen Theorie der Herzinsuffizienz. ACE/AngII/ AT1R wird als die klassische RAS-Achse bezeichnet. Zusätzlich wurde eine alternative RAS-Achse beschrieben, die aus ACE2, einem Homolog von ACE, Angiotensin 1-7 (Ang1-7), das über verschiedene Enzyme wie ACE2 aus AngI, aber auch aus AngII gebildet werden kann, und seinem Rezeptor MasR besteht.<sup>2</sup> Diese ACE2/Ang1-7/ MasR-Achse scheint der natürliche Gegenspieler der klassischen RAS-Achse zu sein. Zusätzlich zum zirkulierenden RAS existiert ein gewebeständiges RAS mit einer gewebespezifischen Regulation, dessen Bedeutung zunehmend erkannt wird. Im Gewebe kann AngII über alternative Enzymwege gebildet werden, und es wird vermutet, dass dies mitunter die Progression der kardialen Dysfunktion unterhält.<sup>3</sup></p> <h2>Inhibition der klassischen RASAchse</h2> <p>Die Inhibition der klassischen RAS-Achse mit ACE-Hemmern (ACEi) über die Hemmung der Synthese von Angiotensin II oder durch Angiotensin-Rezeptor-Blocker (ARB) über die Hemmung der Wirkungen von Angiotensin II am Rezeptor stellt seit mehr als 30 Jahren eine grundlegende Therapie der Herzinsuffizienz dar.<sup>1</sup> Auch die neue Substanzklasse der Angiotensin-Rezeptor- Neprilysin-Inhibitoren (ARNi), bestehend aus einem ARB und einem Neprilysin-Inhibitor, fällt in diese Klasse. Neprilysin (NEP) hat viele Substrate und greift auch in das Angiotensin-Gleichgewicht ein: In rezenten Studien scheint es die Bildung von AngII zu Ang1- 7 zu verschieben.<sup>4</sup> Während man vieles über die Wirkung von RAS-Blockern auf die zirkulierenden RAS-Komponenten weiß, gibt es kaum Daten für das Gewebe, und vor allem keine Studie, die spezifisch das erkrankte Myokard unter zeitgemäßer RAS-Therapie untersucht.</p> <h2>Wirkung von ACEi, ARB und ARNi untersucht</h2> <p>Unsere Arbeitsgruppe hat kürzlich die Wirkungen von ACEi, ARB und ARNi auf alle bekannten Angiotensin-Metaboliten im Blut von Herzinsuffizienzpatienten über eine massenspektrometrische Methode bestimmt.<sup>5</sup> Nun konnten wir in Zusammenarbeit mit dem Transplantationsteam der Herzchirurgie auch die gewebespezifische Regulation im Myokard auf ähnliche Weise untersuchen und direkt mit dem zirkulierenden System vergleichen.<br /> Insgesamt wurden 30 Myokard- und Plasmaproben von Patienten, die einer Herztransplantation unterzogen wurden, untersucht und nach ihrer RAS-Inhibitortherapie in vier Gruppen stratifiziert: keine Therapie, ACEi, ARB oder ARNi. In den Myokardproben wurden sowohl die Konzentration der einzelnen Angiotensin-Metaboliten (AngI, AngII, Ang1-7, AngIII, Ang1-5 und AngIV) als auch die Aktivitäten von sechs zentralen RAS-Enzymen (ACE, Chymase, NEP, PEP, PCP, ACE2), die in den Angiotensin-Metabolismus involviert sind, gemessen. Die Patienten waren im Median 55 Jahre alt, der Großteil mit 87 % männlich, 40 % hatten eine ischämische Ätiologie der Herzinsuffizienz und Plasma-NT-proBNP-Spiegel waren entsprechend hoch mit einem Median von 3498pg/ml. Im Gegensatz zum Plasma, in dem alle untersuchten RAS-Metaboliten im Prinzip messbar waren, konnten im Myokard nur AngII und AngIII nachgewiesen werden. Obwohl sich die Verhältnisse der Angiotensin-Metaboliten im Plasma in Abhängigkeit von der RAS-Blocker-Therapie deutlich voneinander unterschieden, fanden sich diese „RAS-Fingerabdrücke“ im Myokard interessanterweise nicht. Bei den Herzen aus der Therapiegruppe mit einer ARB-Komponente (ARB oder ARNi) jenen der Patienten ohne eine AT1R-Blockade fanden sich höhere AngII-Spiegel, soe wie wir sie auch aus der Peripherie kennen.<br /> der Enzymregulation zeigte sich ein ähnliches Bild: Es gab keinen Unterschied im myokardialen RAS-Fingerabdruck, nachdem man AngI oder AngII als Substrat im Überschuss zugeführt hatte (Abb. 1). Auch die direkte Bestimmung zeigte, dass die Aktivität der einzelnen Enzyme in allen Therapiegruppen vergleichbar ist. Wir konnten bestätigen, dass Chymase das Hauptenzym für die Bildung von AngII aus AngI ist, dass ACE2 im Bildungsweg von AngII zu Ang1-7 keine Rolle spielt, aber dass diese Reaktion durch PCP katalysiert wird. Darüber hinaus konnten wir nachweisen, dass NEP wesentlich an der Umwandlung von AngI zu Ang1-7 beteiligt ist. Vorläufige Analysen deuten außerdem darauf hin, dass die myokardiale Gewebe- RAS-Regulation von der zirkulierenden RAS-Regulation entkoppelt zu sein scheint.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Kardio_1904_Weblinks_jatros_kardio_1904_s26_abb1_pavo.jpg" alt="" width="550" height="578" /></p> <h2>Resultate zeigen: Weitere neue Therapien sind notwendig</h2> <p>Diese Ergebnisse sind die ersten, die das myokardiale RAS in der Herzinsuffizienz unter zeitgemäßer Therapie ganzheitlich mit einer verlässlichen modernen Methode erfassen. Die Daten zeigen, dass</p> <ul> <li>AngII und AngIII in der fortgeschrittenen Herzinsuffizienz im Myokard in substanziellen Mengen nachweisbar ist,</li> <li>die enzymatische Regulation durch die zurzeit angewandte pharmakologische RAS-Blockade nicht (oder in diesem Stadium nicht mehr) beeinflusst wird und dass</li> <li>die Regulation des myokardialen RAS von der peripheren RAS-Regulation entkoppelt ist.</li> </ul> <p>Dies bedeutet, dass der Wirkmechanismus der Neprilysin-Inhibierung eine Modulation des myokardialen Gewebe-RAS nicht beinhaltet. Um die myokardiale RASRegulation günstig zu beeinflussen, müsste man andere/neue Substanzklassen anwenden.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Die Ergebnisse wurden auch im Rahmen des ESC-Kongresses
2019, 31. August bis 4. September 2019 in Paris,
vorgestellt.
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<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Ponikowski P et al.: 2016 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure: The Task Force for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure of the European Society of Cardiology (ESC). Developed with the special contribution of the Heart Failure Association (HFA) of the ESC. Eur Heart J 2016; 37: 2129-200 <strong>2</strong> Patel VB et al.: Role of the ACE2/angiotensin 1-7 axis of the renin-angiotensin system in heart failure. Circ Res 2016; 118: 1313-26 <strong>3</strong> Dostal DE, Baker KM: The cardiac renin-angiotensin system: conceptual, or a regulator of cardiac function? Circ Res 1999; 85: 643-50 <strong>4</strong> Domenig O et al.: Neprilysin is a mediator of alternative renin-angiotensin-system activation in the murine and human kidney. Sci Rep 2016; 6: 33678 <strong>5</strong> Pavo N al.: Low- and high-renin heart failure phenotypes with clinical implications. Clin Chem 2018; 64: 597-608</p>
</div>
</p>