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Optimale Leistung nur bei optimaler Gesundheit
Jatros
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Dr. Josef Niebauer, MBA
Innere Medizin, Kardiologie, Sportmedizin<br> Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention – ÖGSMP<br> Vorsitzender der AG für ambulante kardiologische Rehabilitation – AGAKAR<br> Universitätsinstitut für präventive und rehabilitative Sportmedizin<br> Forschungsinstitut für molekulare Sport- und Rehabilitationsmedizin<br> Paracelsus Medizinische Privatuniversität Salzburg<br> Institut für Sportmedizin des Landes Salzburg<br> Sportmedizin des Olympiazentrums Salzburg-Rif<br> E-Mail: j.niebauer@salk.at
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23.02.2017
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<p class="article-intro">Am Freitag, dem 2. 12. 2016, richtete das Universitätsinstitut für präventive und rehabilitative Sportmedizin der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg das 1. Salzburger Symposium für Prävention und Rehabilitation – EU Take Heart Project – und auch die Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft für ambulante kardiologische Rehabilitation (AGAKAR) aus. Am Samstag, dem 3. 12. 2016, folgte das 5. Österreichisch-Deutsche Symposium der Sportkardiologie, währenddessen auch die Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (ÖGSMP) stattfand.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die sportmedizinische Untersuchung zur Beurteilung der Wettkampftauglichkeit ist nicht nur für Hochleistungssportler, sondern auch für Freizeit-Leistungssportler wichtig.</li> <li>Bis zu 97 % der nicht durch einen Unfall verursachten Todesfälle beim Sport sind auf Herzerkrankungen zurückzuführen. Besondere Bedeutung für die Sicherheit des Sportinteressierten hat das Belastungs-EKG.</li> <li>Leider werden die Kosten für die sportmedizinische Untersuchung von den Krankenkassen für Sportler und sportinteressierte Patienten – die Kosten einer „Gesundenuntersuchung für Sporttreibende“ – noch immer nicht refundiert.</li> </ul> </div> <p>Mit 331 Teilnahmen herrschte großes Interesse an beiden Veranstaltungen, bei denen Experten aus ganz Österreich, Deutschland und der Schweiz in ihren Vorträgen praxisnah klinische Fortschritte und aktuelle Forschungsergebnisse präsentierten. So wurde über optimale Präventions- und Therapieansätze einschließlich der ambulanten und stationären Rehabilitation eingehend referiert. Auch berichteten Kardiologen und Sportmediziner über den aktuellen Stand in der Sportkardiologie, welches Schwerpunkt dieser Ausgabe der <em>JATROS Kardiologie & Gefäßmedizin</em> ist. Unter dem übergeordneten Thema „Optimale Leistung nur bei optimaler Gesundheit“ stand die sportmedizinische Untersuchung mit ihren wesentlichen Bestandteilen im Mittelpunkt.</p> <h2>„Optimale Leistung nur bei optimaler Gesundheit“</h2> <p>Der wettkampforientierte Breitensport hat in den letzten Jahren einen enormen Zuwachs erfahren. Im Gleichschritt hat sich die internistische Sportmedizin und hier vor allem die Sportkardiologie zu einem medizinischen Fachgebiet mit dem Ziel der umfassenden kardiologischen Betreuung von Sportlern entwickelt.<br /> Der sportmedizinischen Untersuchung für die Beurteilung der Wettkampftauglichkeit kommt dabei eine tragende Rolle zu, und das nicht nur bei Hochleistungssportlern, sondern auch bei Freizeit-Leistungssportlern, die den größten Teil der Aktiven, aber auch den größten Teil bei den plötzlichen Todesfällen stellen.<sup>1</sup> Bis zu 97 % der nicht durch einen Unfall verursachten Todesfälle beim Sport sind auf Herzerkrankungen zurückzuführen.<sup>2</sup> Ursache hierfür sind meist bisher unbekannte, weil klinisch stumme und unentdeckte Herzerkrankungen. Tatsächlich kam es auch in den vergangenen Jahren wiederholt zu Todesfällen bei Laufveranstaltungen und anderen Sportereignissen. Auf den ersten Blick überraschend zählt aber auch das Bergwandern aufgrund der hohen Rate an Herzinfarkten zu den gefährlichsten Sportarten hierzulande, und alljährlich sterben mehr Skifahrer an einem Herzinfarkt als durch Lawinen.<sup>3</sup><br /> Der plötzliche Herztod ist allgegenwärtig, wie internationale Daten zeigen, aber auch vermeidbar. Während in Italien durch eine verpflichtende sportmedizinische Untersuchung, durchgeführt durch einen Facharzt für Sportmedizin, die Sterblichkeit von Athleten um 75 % abgenommen hat,<sup>4</sup> ereigneten sich laut einem deutschen Register 36 von 37 sportbedingten Todesfällen bei Sportlern, die nie zuvor sportmedizinisch untersucht worden waren.<sup>2</sup><br /> Im Sinne des Erhalts der Gesundheit, der steigenden Zahl an Sporttreibenden sowie der präventiven Bedeutung von körperlichem Training für viele Krankheitsbilder wurden im Rahmen des Sportkardiologie- Symposiums einige wesentliche der offenen Punkte dieses jungen Fachgebiets durch internationale Experten diskutiert. Auch wurde neuerlich von den Experten herausgearbeitet, wie wichtig es ist, dass die sportmedizinische Untersuchung von den Krankenkassen als eine Leistung aufgenommen wird, sodass dem Sportler und sportinteressierten Patienten die Kosten einer „Gesundenuntersuchung für Sporttreibende“ refundiert werden. Andere Länder, wie z.B. Deutschland, gehen hier beispielhaft voran; dort wird von immer mehr Krankenkassen diese Leistung angeboten.<br /> Dass jeder Euro, der für Sport und für die Gesundheit der Sporttreibenden investiert wird, sich auch volkswirtschaftlich lohnt, wurde wiederholt und überzeugend auch für Österreich gezeigt.<sup>5</sup></p> <h2>Wandel der sportmedizinischen Untersuchung</h2> <p>Die therapeutischen Möglichkeiten haben sich in allen Fachdisziplinen derart verbessert und das Wissen um den Nutzen von Bewegung und Sport so sehr verfestigt, dass es bei der modernen sportmedizinischen Untersuchung nicht mehr nur darum geht, vermeintlich ungeeignete Sportler herauszufischen und den Sport aus medizinischer Sicht zu verbieten. Es geht hauptsächlich darum, ob gesundheitliche Schwächen vorliegen, die der Sportler kennen sollte, oder chronische Erkrankungen vorhanden sind, die behandelt bzw. korrigiert werden müssen. Denn Gefahr geht nicht so sehr von den bekannten und gut therapierten Erkrankungen aus, sondern von den unbekannten Erkrankungen. In Abhängigkeit von den Befunden kann dann mit dem Sporttreibenden besprochen werden, welcher Sport in welchem Umfang und welcher Intensität der richtige für ihn ist.<br /> Damit eine Untersuchung diesem Anspruch gerecht werden kann, darf es aber nicht allein bei der Anamnese und einer klinischen Untersuchung bleiben. Bereits seit den 80er-Jahren machen es uns unsere italienischen Nachbarn vor und haben es sehr eindrucksvoll geschafft, durch eine verpflichtende sportmedizinische Untersuchung für jeden Sportler, der an Wettkämpfen teilnehmen möchte, die Todesfälle im Zusammenhang mit sportlichen Aktivitäten auf ein Niveau zu senken, welches niedriger ist als das der übrigen Bevölkerung.<sup>4</sup><br /> Das Geheimnis liegt darin, dass jeder, der wettkampfmäßig Sport treiben möchte, sich verpflichtend von speziell ausgebildeten Sportmedizinern untersuchen lassen muss und diese immer auch ein Ruhe- EKG schreiben. Die Ergebnisse sind derart überzeugend, dass auch die Europäische Gesellschaft für Kardiologie die Durchführung eines Ruhe-EKGs bei der Sporttauglichkeitsuntersuchung empfiehlt.<br /><br /> So wichtig ein Ruhe-EKG auch ist, reicht dieses jedoch nicht aus, um eine Aussage über die Leistung des Herz-Kreislauf- Systems unter Belastung zu bekommen. Da Sportler und sporttreibende Patienten sehr wohl auch in Freizeit, Training und Wettkampf an ihre Grenzen gehen, ist es Ziel, diese Beanspruchung mittels Belastungs-EKG zu simulieren, um Hinweise, z.B. auf Myokardischämien oder Rhythmusstörungen, zu erhalten. Somit sollte es das „TÜV-Pickerl“ nur dann geben, wenn auch bei „laufendem Motor“ alles unauffällig war. Denn der Sportinteressierte möchte Sicherheit – die kann man ihm nur nach Durchführung eines Belastungs-EKGs geben.<br /><br /> Es ist an der Zeit, sich die Frage zu stellen, warum im Allgemeinen so wenig Wert auf eine gründliche sportmedizinische Untersuchung gelegt, diese zu selten und dann noch seltener von Sportmedizinern durchgeführt wird. Im Gegensatz zu vielen anderen EU-Staaten hinkt Österreich hier abgeschlagen hinterher. Da es optimale Leistung nur bei optimaler Gesundheit gibt, wird neuerlich großes Potenzial nicht ausgeschöpft, was den Unterschied zwischen Stockerl und „Nicht-Stockerl“ ausmacht.</p> <h2>Plötzlicher Herztod im Sport</h2> <p>Bei Sporttreibenden unter 35 Jahren sind es vor allem angeborene Herzerkrankungen, die zum Tode führen.6 Diese werden nicht etwa durch den Sport verursacht, sondern lediglich durch die körperliche Anstrengung demaskiert. Hier kann durch eine sportmedizinische Untersuchung frühzeitig die richtige Diagnose gestellt werden, die dann lebensrettende Maßnahmen nach sich zieht, sodass ein plötzlicher Herztod verhindert werden kann. Zu Recht wird die sportmedizinische Untersuchung als die „Gesundenuntersuchung für Sporttreibende“ gesehen – nur leider nicht von den Krankenkassen, die nach wie vor und entgegen dem internationalen Trend die Kosten für diese Untersuchungen nicht erstatten.<br /><br /> Selbiges gilt auch für Sporttreibende über 35 Jahre, die erst zu Kranken werden müssen, damit die Krankenkassen Leistungen einer sportmedizinischen Untersuchung, wie z.B. das Ruhe- und Belastungs- EKG, erstatten. Bedenkt man, dass die Haupttodesursache bei Sporttreibenden über 35 Jahre die koronare Herzkrankheit ist, so wird klar, wie sinnvoll es ist, gerade diese Gruppe nicht nur mittels Ruhe-EKG, sondern auch mittels maximalen Belastungs- EKGs zu untersuchen. Da Myokardischämien meist erst im obersten Herzfrequenzbereich auftreten, kann die Wichtigkeit einer maximalen Ausbelastung gar nicht genug betont werden. Meist finden sich erst dann etwaige Rhythmusstörungen oder Hinweise auf Myokardischämien. Auch kann so das Blutdruckverhalten gut dokumentiert werden und über das Vorliegen eines hohen Blutdrucks entschieden bzw. über eine adäquate Einstellung des Blutdrucks eine valide Aussage getroffen werden. Dies ist segenbringend, da ein gut eingestellter Blutdruck mit einer normalen Lebensqualität und Lebenserwartung einhergeht, ein schlecht eingestellter Blutdruck ein beträchtliches Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall, schlechte Lebensqualität und verkürztes Leben darstellt.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> Wir sollten gemeinsam den sportlich Aktiven mehr Aufmerksamkeit schenken und sie nach modernen Standards untersuchen, betreuen und ihrer Gesundheit zumindest dieselbe Aufmerksamkeit schenken wie unseren Autos. Da es optimale Leistung nur bei optimaler Gesundheit gibt, ist eine sportmedizinische Untersuchung als die Gesundenuntersuchung für Sporttreibende eine wichtige Voraussetzung für gesunden und sicheren Sport.</div> <div> </div> <div><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1701_Weblinks_s6_abb1.jpg" alt="" width="685" height="930" /></div> <div> </div> <div><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1701_Weblinks_s6_abb2.jpg" alt="" width="685" height="930" /></div></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Marijon E et al: Sports-related sudden death in the general population. Circulation 2011; 124: 672-81 <strong>2</strong> Bohm P et al: Data from a nationwide registry on sports-related sudden cardiac deaths in Germany. Eur J Prev Cardiol 2016; 23: 649-56 <strong>3</strong> Burtscher M: Plötzlicher Herztod: Wie gefährlich ist Sport in den Bergen? JATROS Kardiologie & Gefäßmedizin 2017; 01 (dieses Heft) <strong>4</strong> Corrado D et al: Trends in sudden cardiovascular death in young competitive athletes after implementation of a preparticipation screening program. JAMA 2006; 296(13): 1593-601 <strong>5</strong> Weiß O et al: Auswirkungen von Sport auf die Gesundheit. Österreichische Ärztezeitung 2016; 9: 20-26 <strong>6</strong> Maron BJ et al: Demographics and epidemiology of sudden deaths in young competitive athletes: from the United States National Registry. Am J Med 2016; 129: 1170-7</p>
</div>
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