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Morbus Fabry – eine unterschätzte Ursache für linksventrikuläre Hypertrophie
Jatros
Autor:
Dr. Constantin Gatterer
Univ.-Klinik für Innere Medizin II<br> Abteilung für Kardiologie<br> Medizinische Universität Wien
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Senta Graf
Univ.-Klinik für Innere Medizin II<br> Abteilung für Kardiologie<br> Medizinische Universität Wien<br> E-Mail: senta.graf@meduniwien.ac.at
30
Min. Lesezeit
05.09.2019
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<p class="article-intro">Morbus Fabry ist eine der häufigsten lysosomalen Speicherkrankheiten, welche sich kardial primär durch eine linksventrikuläre Hypertrophie (LVH) manifestiert und unbehandelt zu einer Kardiomyopathie und durch die meist vorliegende Nierenbeteiligung zur end-stage Niereninsuffizienz führen kann. Die Lebenserwartung liegt mit durchschnittlich 50 Jahren bei Männern und 70 Jahren bei Frauen ca. 20 Jahre bzw. 10 Jahre unter dem Durchschnitt.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Wichtig ist es, bei „typischen“ Symptomen auch an M. Fabry zu denken – die Patienten werden oft spät diagnostiziert (Tab. 1).</li> <li>Eine Überweisung an ein spezialisiertes Zentrum bei Verdacht auf M. Fabry ist daher entscheidend.</li> <li>Zahlreiche Untersuchungen sind (auch in der Verlaufskontrolle) notwendig.</li> <li>Die Therapie von M. Fabry sollte an spezialisierten Zentren erfolgen.</li> </ul> </div> <h2><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Kardio_1903_Weblinks_jatrois_kardio_1903_s15_tab1_graf.jpg" alt="" width="300" height="324" /></h2> <h2>Was ist Morbus Fabry?</h2> <p>Die Erkrankung basiert auf einer Mutation des GLA-Gens, wodurch es zu einer stark verringerten Aktivität des Enzyms Alpha-Galaktosidase A und in weiterer Folge zu einer Akkumulation von Glycosphingolipiden kommt. Diese Stoffwechselprodukte, allen voran Globotriaosylceramid (Gb3), lagern sich in verschiedenen Organen ab und führen dort zur Schädigung und Störung der Funktion, sodass es sich bei Morbus Fabry um eine Multisystemerkrankung handelt. Aktuell sind mehr als 900 Mutationen bekannt, welche Morbus Fabry verursachen können.</p> <h2>Vererbung</h2> <p>Morbus Fabry wird x-chromosomal vererbt, was zur Folge hat, dass alle Töchter (100 % ) eines betroffenen Mannes die Mutation aufweisen, wohingegen die männlichen Nachkommen gesund sind. Betroffene Frauen vererben die Mutation an 50 % der Töchter und an 50 % der Söhne (Abb. 1). <br />Aufgrund der Lage des GLA-Gens auf dem X-Chromosom galten Frauen früher lediglich als Trägerinnen der Mutation, welche jedoch nicht erkranken. Heute ist bekannt, dass durch den Prozess der XInaktivierung in den verschiedenen Zellen zufällig das gesunde oder das mutierte XChromosom aktiviert wird, wodurch Frauen im gleichen Ausmaß an Morbus Fabry erkranken können wie Männer, die Erkrankung jedoch häufig einen langsameren Verlauf nimmt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Kardio_1903_Weblinks_jatrois_kardio_1903_s15_abb1_graf.jpg" alt="" width="300" height="326" /></p> <h2>Allgemeine Symptomatik</h2> <p>Beim Vorliegen von typischen Zeichen und Symptomen, die in unterschiedlicher Ausprägung auftreten können, sollte eine weiterführende Diagnostik hinsichtlich Morbus Fabry eingeleitet werden (Tab. 1, Abb. 2). <br />Akroparästhesien werden von vielen Patienten als erstes Zeichen von Morbus Fabry beschrieben. Diese treten bereits in der Jugend auf und lassen mit zunehmendem Alter oft nach. <br />Ebenfalls häufig bereits im Kindesalter treten gastrointestinale Beschwerden wie Bauchschmerzen, Durchfall und Übelkeit/ Erbrechen auf. <br />Hypo- oder Anhidrose sowie Angiokeratome gelten ebenso als pathognomonische Zeichen wie die Vortexkeratopathie (Cornea verticillata), die mittels Spaltlampe diagnostiziert wird und den gefürchteten Veränderungen, die bei Patienten unter Langzeiteinnahme von Amiodaron auftreten können, gleicht. <br />Die Pathogenese der meist im jugendlichen Alter auftretenden Insulte ist noch nicht völlig geklärt. <br />Meist kommt es zu einem späteren Zeitpunkt durch die Gb3-Akkumulation in den Mesangiumzellen und Podozyten der Niere zur Niereninsuffizienz bis hin zum terminalen Nierenversagen. Wenn eine kardiale Beteiligung vorliegt, kann es durch die Einlagerung von Gb3 zur hypertrophen Kardiomyopathie kommen, welche zur schweren Herzinsuffizenz führen kann.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Kardio_1903_Weblinks_jatrois_kardio_1903_s16_abb2_graf.jpg" alt="" width="550" height="378" /></p> <h2>Kardiale Symptomatik</h2> <p>Durch Einlagerung und Akkumulation von Gb3 kommt es im Herzen zu einer Vielzahl an strukturellen und funktionellen Veränderungen. Allen voran steht die konzentrische LVH mit anfangs erhaltener systolischer Funktion und Zeichen der diastolischen Dysfunktion. Eine mikrovaskuläre Funktionsstörung kann zu Angina-Pectoris- Beschwerden bei angiografisch blanden Koronarien führen. Veränderungen im Reizleitungssystem führen neben kurzen AV-Zeiten zur Sinus-Bradykardie. In späteren Stadien kann es zu Vorhofflimmern und zum Auftreten von ventrikulären Tachykardien kommen. Dies sollte unbedingt bei der Einleitung und Kontrolle der medikamentösen Therapien beachtet werden. <br />Mit fortschreitender Krankheit kommt es durch eine zunehmende Fibrosierung zur Ausbildung einer Kardiomyopathie mit Reduktion der globalen systolischen Linksventrikelfunktion.</p> <h2>Kardiale Diagnostik</h2> <p>Im EKG betroffener Patienten finden sich neben Zeichen der LVH mit Erregungsrückbildungsstörungen auch die bereits erwähnten Störungen im Reizleitungssystem mit kurzen AV-Zeiten und Sinus-Bradykardien. Vorhofflimmern und maligne Tachy-Arrhythmien treten üblicherweise erst im fortgeschrittenen Stadium auf. <br />Als wichtigste bildgebende Methode erlaubt die Echokardiografie eine erste Beurteilung einer kardialen Beteiligung im Rahmen des Morbus Fabry. Die konzentrische LVH mit konsekutiver diastolischer Funktionsstörung kann unterschiedlich ausgeprägt sein. Weiters findet sich typischerweise eine Hypertrophie der Papillarmuskeln. Klappenverdickungen und daraus resultierende Insuffizienzen bzw. Stenosen werden seltener beschrieben, während eine Aortenektasie häufiger zu beobachten ist (Abb. 3). <br />Der globale longitudinale Strain ist ein sehr sensitiver Echo-Parameter, der zur Früherkennung einer kardialen Beteiligung im Sinne einer beginnenden Abnahme der systolischen Linksventrikelfunktion als Folge der Gb3-Einlagerung bzw. der dadurch hervorgerufenen Fibrosierung geeignet ist. <br />Die kardiale MRT liefert detaillierte Informationen über Größe, Form und Struktur des Herzens und wird zur Abklärung bei LVH unklarer Genese jedenfalls als nächster Schritt empfohlen. Erniedrigte T1- Relaxationszeiten sind typisch und nahezu pathognomonisch für Morbus Fabry. Die erniedrigten T1-Relaxationszeiten sind auf die Lipideinlagerung zurückzuführen, die in den frühen Stadien des myokardialen Organbefalls überwiegt. Dadurch ist eine bereits sehr frühzeitige Detektion eines kardialen Organbefalls mittels MRT möglich. Das „Late Gadolinium Enhancement“ hingegen spiegelt die Ausdehnung von Fibrose wider, die typischerweise in den posterolateralen Wandabschnitten beginnt und sich bei Fortschreiten der Erkrankung auf das weitere Myokard ausdehnt (Abb. 4). <br />Ergometrie und Langzeit-EKG sind wichtige Untersuchungsmethoden, um die Folgen der kardialen Beteiligung bzw. das Risiko des Patienten mit Morbus Fabry zu evaluieren. Diese Untersuchungen sollten auch als Verlaufskontrolle regelmäßig wiederholt werden (Tab. 2)</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Kardio_1903_Weblinks_jatrois_kardio_1903_s16_abb3_graf.jpg" alt="" width="300" height="308" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Kardio_1903_Weblinks_jatrois_kardio_1903_s16_abb4_graf.jpg" alt="" width="300" height="445" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Kardio_1903_Weblinks_jatrois_kardio_1903_s16_tab2_graf.jpg" alt="" width="300" height="309" /></p> <h2>Labordiagnostik</h2> <p>Besteht der Verdacht auf Morbus Fabry, sollte als erster Schritt eine Messung der Alpha-Galaktosidase-Aktivität angestrebt werden. Ist diese reduziert oder nicht vorhanden, besteht der nächste Schritt in der genetischen Analyse zur Klärung der genauen Variante. Da bei Frauen häufig eine Restaktivität des Enzyms vorliegt, sollte in Verdachtsfällen frühzeitig eine genetische Analyse durchgeführt werden. <br />Sollten die lokalen Labormethoden keine Enzymbestimmung und genetische Analyse zulassen, bietet die Verwendung von Trockenblutkarten eine erste einfach anzuwendende Diagnostik von Morbus Fabry. Der Befund sollte jedoch in jedem Fall durch einen Experten für genetische Beratung mit dem Patienten besprochen werden.</p> <h2>Weiterführende Abklärung und Betreuung</h2> <p>Besteht der Verdacht auf Morbus Fabry, sollten unbedingt auch die anderen oben erwähnten Organsysteme hinsichtlich einer Organbeteiligung untersucht werden. Hierzu zählen in erster Linie die Nieren, die Augen und die Neurologie. Es ist daher zu empfehlen, die Patienten an spezialisierte Zentren zu schicken, um hier auch eine interdisziplinäre Versorgung der Patienten mit Morbus Fabry zu gewährleisten. An der medizinischen Universität Wien z. B. wird eine diesbezügliche Abklärung und Betreuung angeboten.</p> <h2>Therapie</h2> <p>Die Therapie bei kardialer Beteiligung besteht in erster Linie in der klassischen Herzinsuffizienztherapie mit ACE-Hemmer/ ATII-Antagonisten, Betablockern und Aldosteron-Antagonisten, wobei insbesondere auf eine gegebenenfalls eingeschränkte Nierenfunktion bzw. eine vorliegende Bradykardie Rücksicht genommen werden muss. Für die spezifische Therapie stehen mittlerweile zwei Therapieformen zur Verfügung: einerseits die Enzymersatztherapie mit Agalsidase alfa oder Agalsidase beta, andererseits die seit 2016 zugelassene Chaperontherapie mit Migalastat. Die Auswahl und Erstverschreibung der spezifischen Therapie sollte durch ein erfahrenes Zentrum erfolgen, zumal sowohl die Einleitung als auch die Art der Therapie im Einzelfall evaluiert und im Verlauf regelmäßig kontrolliert werden muss.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Elstein D, Altarescu G, Beck M: Fabry Disease. (Springer Netherlands, 2010). doi:10.1007/978- 90-481-9033-1 <strong>2</strong> Seydelmann N et al.: Fabry disease and the heart. Best Pract Res Clin Endocrinol Metab 2015; 29: 195-204 <strong>3</strong> Maestrini V et al.: T1 mapping for characterization of intracellular and extracellular myocardial diseases in heart failure. Curr Cardiovasc Imaging Rep 2014; 7: 1-7 <strong>4</strong> Germain DP et al.: Consensus recommendations for diagnosis, management and treatment of Fabry disease in paediatric patients. Clin Genet; 96(2): 107-117</p>
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