
Modic Changes bei Rückenschmerzen
Bericht:
Dr. med. Felicitas Witte
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Obwohl die Erstbeschreibung fast 40 Jahre her ist, ist immer noch nicht klar, wodurch die MRT-Veränderungen entstehen und welchen Stellenwert sie für Diagnostik und Therapie haben.
Im Jahr 1988 analysierte der Radiologe Dr. Michael Modic von der Universität in Cleveland MRT-Aufnahmen der Wirbelsäule von 474 Patienten, die wegen diverser Beschwerden ärztlichen Rat gesucht hatten, am häufigsten wegen lumbaler Rückenschmerzen und Radikulopathie.1,2 Er hatte Signalintensitätsänderungen in den Wirbelkörpern im Fokus, denn dies war vorher schon im Zusammenhang mit degenerativen Wirbelsäulenerkrankungen beschrieben worden. Modic klassifizierte die beobachteten MRT-Veränderungen in zwei Typen:
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Typ-1-Veränderungen (hypointens auf T1-gewichteten Bildern und hyperintens auf T2-gewichteten Bildern) fand er bei 20 Patienten (4%).
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Typ-2-Veränderungen (hyperintens auf T1 und isointens bzw. leicht hyperintens auf T2) wies er bei 77 Patienten (16%) nach.
Alle diese 97 Patienten wiesen Zeichen von degenerativen Bandscheiben in den entsprechenden Bereichen auf. Modic verfolgte 16 Patienten über einen längeren Zeitraum. Bei 5 von 6 Patienten mit Typ-1-Veränderungen entwickelten sich diese nach Monaten bis Jahren zu Typ-2-Veränderungen. Bei 10 Patienten mit Typ-2-Veränderungen blieben diese stabil. Modics Fazit: Die Veränderungen in der Signalintensität würden ein Spektrum von Wirbelkörperveränderungen reflektieren, die mit degenerativer Bandscheibenerkrankung assoziiert seien. Diese Veränderungen wurden Modic Changes genannt. Später kam noch ein dritter Typ hinzu:3
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Modic Changes Typ 1 (MC-1) sind demnach ein inflammatorischer Subtyp.
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MC-2 repräsentiert einen Umbau des Knochenmarks in den Wirbelkörpern mit Fettgewebe.
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MC-3 stellt eine Sklerose der vertebralen Endplatte dar.
Vieles zum Thema Modic Changes ist aber noch völlig unklar. Zunächst die Ursachen: Diskutiert werden degenerative Bandscheibenerkrankung, bakterielle Infektionen, Trauma oder Entzündung.4
In einigen Studien wurde ein Zusammenhang der Modic Changes mit Rücken- und Nackenschmerzen gezeigt,5–9 in anderen aber auch nicht.10,11 Bis heute ist ungewiss, ob und in welchem Ausmass Modic Changes zu Rückenschemerzen beitragen.
Auch 36 Jahre nach der Erstbeschreibung gibt es keinen klaren Konsensus unter Experten zu Ätiologie, Pathophysiologie und klinischer und therapeutischer Relevanz, was vor allem an mangelnden Daten liegt.
Es gibt noch viele weitere offene Punkte, z.B. warum manche Patienten Modic Changes entwickeln und andere nicht. Ein Risikofaktor ist eine degenerative Bandscheibenerkrankung, aber das alleine reicht offenbar nicht aus. Als weitere Faktoren werden diskutiert: andere Probleme an der Bandscheibe wie Bandscheibenhernien oder Endplattendefekte, männliches Geschlecht, höheres Lebensalter, lang andauernder und schwerer Diabetes, Rauchen, Übergewicht, genetische Faktoren, Wirbelsäulendeformitäten und schwere körperliche Belastung.
Eine Hypothese ist, dass strukturelle Veränderungen durch Bandscheibenschäden eine inflammatorische Kaskade in der Bandscheibe triggern, was eine mikrobielle Infiltration und/oder Immunreaktionen nach sich zieht. Diese inflammatorischen Reaktionen lösen dann Schmerzen aus und aktivieren intrazelluläre Signalwege, was letztendlich zu den Modic Changes führt. Welcher Typ entsteht, soll von der Schwere und der Dauer der inflammatorischen Reize abhängen und wie das Knochenmark in den Wirbelkörpern darauf reagiert.
Ein weiterer Diskussionspunkt ist, dass die Diagnose von Modic Changes nicht immer eindeutig ist. Manchmal ist es nicht einfach, die Veränderungen im MRT-Bild von einer Spondylodiszitis oder einer inflammatorischen Spondylarthropathie abzugrenzen.
Zudem lassen die bisherigen Erkenntnisse keine Schlüsse über den klinischen Stellenwert von Modic Changes zu. Forscher aus Dänemark untersuchten 204 Patienten mit Rückenschmerzen über einen Zeitraum von 13 Jahren.12 Zu Beginn hatten 103 von ihnen (61%) Modic Changes. Die Veränderungen hatten aber keinen Einfluss darauf, ob die Patienten langfristig häufiger Schmerzen hatten als diejenigen ohne Modic Changes, ob sie stärker körperlich eingeschränkt oder häufiger krankgeschrieben waren. Es gab sogar Hinweise darauf, dass diejenigen mit Modic Changes langfristig weniger Schmerzen hatten, körperlich weniger eingeschränkt waren und seltener der Arbeit fernblieben.12 Allerdings können Patienten mit Modic Changes andere Pathologien in der Wirbelsäule haben, die eine spezifische Therapie erforderlich machen, etwa Skoliose, Spondylolisthesis oder Bandscheibenvorfälle. Bisher sind Modic Changes jedenfalls noch kein valider Biomarker, um einer bestimmten Behandlung gegenüber einer anderen den Vorzug zu geben. Auch Dr. med. Stefan Hemmer, Leiter der Sektion für Wirbelsäulenchirurgie im Universitätsklinikum Heidelberg, sieht den Nutzen von Modic Changes kritisch: «Es fehlen uns die Daten.» In seiner Klinik würde keine MRT speziell angeordnet, nur um Modic Changes zu finden. «Würden wir das bei jedem Patienten über 50 machen, fänden wir sehr viele Modic Changes, durch die viele Patienten aber keinerlei Beeinträchtigung spüren.»
Literatur:
1 Modic MT et al.: Radiology 1988; 166: 193-9 2 Modic MT et al.: Radiology 1988; 168(1): 177-86 3 Mann E et al.: Eur Spine J 2014; 23(3): 584-9 4 Din RU et al.: J Magn Reson Imaging 2022; 55(3): 755-7 5 Baker JD et al.: J Orthop Res 2023; 41(1): 206-14 6 Jensen RK, Leboeuf-Yde C: BMC Muloskelet Disord 2011; 12: 183 7 Sheng-yun L et al.: PLoS One 2014; 9(12): e114993 8 Sun Y et al.: Med Sci Monit 2020; 26: e923908 9 Mera Y et al.: Eur Spine J 2021; 30(4): 1011-7 10 Lambrechts MJ et al.: Global Spine J 2023; 13(5): 1405-17 11 Herlin C et al.: PloS One 2018; 13(8): e0200677 12 Udby PM et al.: Spine 2019; 44(17): 1186e1192