
Landiolol bei Vorhofflimmern nach herzchirurgischen Eingriffen – ein Pilotprojekt
Autoren:
Dr. Bernhard Poidinger
Dr. Oskar Kotzinger
PD Dr. Johann Knotzer
Institut für Anästhesiologie und Intensivmedizin,
Klinikum Wels-Grieskirchen, Wels
E-Mail: johann.knotzer@gmail.com
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Postoperatives Vorhofflimmern nach herzchirurgischen Eingriffen ist ein unabhängiger Risikofaktor für verlängerten Intensivaufenthalt und Mortalität. Landiolol ist ein kurz wirksamer und gut steuerbarer β1-Blocker, der auch bei Patienten mit kardialer Dysfunktion eingesetzt werden kann. Wir berichten in dieser kurzen Übersicht über unsere Dosierungsfindung bei diesen vulnerablen Patienten nach herzchirurgischen Eingriffen.
Keypoints
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Vorhofflimmern ist eine häufige Komplikation nach herzchirurgischen Eingriffen, die mit einem verlängerten Intensivaufenthalt und einer erhöhten Mortalität einhergeht.
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Landiolol ist ein ultrakurz wirksamer hochselektiver β1-Blocker, der zur Frequenzkontrolle bei Vorhofflimmern auch bei kardial eingeschränkten Patienten in den neuesten ESC-Guidelines empfohlen wird.
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Die ersten Daten zur Therapie mit Landiolol bei herzchirurgischen Patienten mit Vorhofflimmern sind sehr vielversprechend.
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Dosierungen von bis zu 10µg/kg/min sind in den meisten Fällen schon ausreichend, um einen Erfolg ohne wesentliche hämodynamische Nebenwirkungen zu erzielen.
Einleitung
Postoperatives neu auftretendes Vorhofflimmern nach herzchirurgischen Eingriffen ist eine bekannte und häufig auftretende Komplikation.1 Die Inzidenz eines Vorhofflimmerns beträgt bis zu 50% und ist ein unabhängiger Risikofaktor sowohl für verlängerten Intensiv- und Spitalsaufenthalt als auch für eine erhöhte perioperative Mortalität.2 Aus diesen Gründen stellt eine rasche Frequenzkontrolle bei diesen Patienten eine wichtige Therapie dar.
Die neu überarbeiteten ESC-Richtlinien empfehlen für die medikamentöse Therapie von neu aufgetretenem Vorhofflimmern auch bei Patienten mit eingeschränkter kardialer Leistungsfähigkeit den kurz wirksamen β1-Blocker Landiolol.3 Da viele unserer kardiochirurgischen Patienten sowohl an neu auftretenden supraventrikulären Tachyarrhythmien leiden als auch oft zu einer Patientengruppe mit kardialer Dysfunktion gehören, war es naheliegend, eine prospektive Observationsstudie zu starten.
Zweck der Untersuchung
In diesem Pilotprojekt wollten wir die Effizienz von Landiolol zur Herzfrequenzkontrolle bei neu auftretendem Vorhofflimmern nach herzchirurgischen Eingriffen untersuchen. Die observationell gewonnenen Daten sollen für eine Dosisbestimmung in dieser kardial vulnerablen Patientengruppe und für eine Power-Analyse Verwendung finden.
Methoden
Als Bestandteil der laufenden LANDI-UP-Studie an unserer Institution wurden alle konsekutiven herzchirurgischen Patienten, die ein neu aufgetretenes Vorhofflimmern erlitten und mit Landiolol zur Frequenzkontrolle therapiert wurden, analysiert. Neben den demografischen Daten der Patienten wurden sowohl vor dem Start von Landiolol als auch nach Beendigung der Verabreichung von Landiolol die systemische hämodynamische Begleitmedikation und vor allem die Dosierungen von Landiolol dokumentiert. Da es sich um ein prospektives observationelles Pilotprojekt handelt, wurden die Daten statistisch nur deskriptiv aufgearbeitet.
Resultate
Sechs konsekutive herzchirurgische Patienten mit neu aufgetretenem Vorhofflimmern wurden in die primäre Analyse mitaufgenommen.
Die Therapie mit Landiolol führte bei allen Patienten zu einer deutlichen Reduktion der Ausgangsherzfrequenz (Abb. 1). Interessant zu beobachten war auch, dass alle Patienten in einen Sinusrhythmus zurückkonvertierten ohne offensichtliche Einschränkungen in den systemischen hämodynamischen Parametern (Abb. 2).
Abb. 2: Unter Landiolol kam es zu keinen Einschränkungen in den systemischen hämodynamischen Parametern
Die mittlere Startdosis von Landiolol betrug 4µg/kg/min und eine mittlere maximale Dosierung 10,3µg/kg/min. Die Dauer der Applikation reichte von 3,5 bis zu 16 Stunden (Tab. 1). Während der Dauer der Applikation wurden keinerlei Nebeneffekte bei den Patienten festgestellt.
Diskussion
Landiolol bietet eine rasche Kontrolle über eine tachykarde Herzfrequenz und zusätzlich eine hohe Konversationsrate zurück in einen Sinusrhythmus. Demgegenüber hat es keinen offensichtlichen Einfluss auf die systemische Hämodynamik, obwohl einige der herzchirurgischen Patienten eine hohe kardiale Vulnerabilität aufweisen. Im Gegensatz zu nicht herzchirurgischen Patienten ist bei diesen Patienten die Effektivität von Landiolol schon in einer Dosierung unter 10µg/kg/min gegeben.
Diese ersten Daten sind vielsprechende Erkenntnisse für weitere Untersuchungen bei der Behandlung und eventuell auch bei der Prophylaxe von perioperativ neu auftretendem Vorhofflimmern beim herzchirurgischen Patienten. Postoperatives Vorhofflimmern entsteht in den allermeisten Fällen nach herzchirurgischen Eingriffen am zweiten und dritten postoperativen Tag.4 Diese Häufung geht parallel einher mit einem Peak-Anstieg des inflammatorischen Responses nach einer Herzoperation. Der inflammatorische Response ist unter anderem mit einem Anstieg des sympathoadrenergen Systems vergesellschaftet. Hohe Katecholaminspiegel führen gemeinsam mit anderen inflammatorischen Komponenten und Wirkmechanismen zu einer erhöhten proarrhythmischen Situation, gemeinsam mit einem erhöhten Sauerstoffverbrauch der Myozyten. In einzelnen mikroskopischen Arealen können apoptotische Areale in nekrotische übergeführt werden. Diesem pathophysiologischen Zustand kann mit einem β-Blocker entgegnet werden. Nur hatte man früher durchaus Bedenken, β-Blocker bei herzchirurgischen Patienten anzuwenden, da man durchaus eine Verschlechterung der teilweise schon bestehenden kardialen Dysfunktion befürchtete.
Landiolol ist ein ultrakurz wirksamer β-Blocker mit einer sehr hohen β1-selektiven Wirkung. Das Profil von Landiolol mit seinem markanten negativen chronotropen und wenig ausgeprägten negativ inotropen Effekt macht es zu einem gut geeigneten β-blockierenden Medikament zur Kontrolle der Herzfrequenz bei Patienten auch mit kardialer Dysfunktion. Landiolol wird in Japan schon mehrere Jahre erfolgreich eingesetzt und hat dort auch schon einen Platz in den japanischen Guidelines für Vorhofflimmern gefunden.5 In diesem Jahr wurde es auch in den europäischen Guidelines als wirksames Mittel für die Frequenzkontrolle bei supraventrikulären Tachykardien aufgenommen und auch als Mittel der ersten Wahl bei Patienten mit Herzinsuffizienz erwähnt.3
Im herzchirurgischen Setting ist die Datenlage wenig eindeutig. Erste Daten stammen aus Japan mit vielversprechenden Ergebnissen ähnlich wie in diesem vorgelegten Pilotprojekt.6 Erfahrungen aus Europa bei herzchirurgischen Patienten wurden im Jahr 2018 nachgereicht, die die hohe Erfolgsrate mit wenigen Begleitnebenwirkungen bestätigten.7 Ähnlich zu unseren Daten ist die Effizienz von Landiolol schon in einem Bereich unter einer Dosierung von 10µg/kg/min sichtbar. Somit ist die Dosiswirkung, die in Japan beobachtet wurde, eine ähnliche bei der kaukasischen Bevölkerung. Landiolol hat einen guten Effekt auf die Herzfrequenzkontrolle und eine hohe Kardioversionsrate bei kardiochirurgischen Patienten mit neu auftretendem Vorhofflimmern. Bemerkenswert ist die Kardioversionsrate bei Patienten mit schwerer diastolischer Dysfunktion, wie sie typischerweise bei Aortenklappenoperationen wegen einer hochgradigen Aortenklappenstenose anzutreffen ist.6 Speziell in diesem Patientenkollektiv kommt es durch den Verlust der Vorhofkontraktion im Rahmen des Sinusrhythmus zu einem deutlichen Abfall des enddiastolischen Volumens des linken Ventrikels bei einem Vorhofflimmern. Dies führt konsekutiv zu einer deutlichen Reduktion des Schlagvolumens und somit zu einem Abfall sowohl des Herzzeitvolumens als auch des Perfusionsdruckes bei gleichbleibendem systemischem vaskulärem Widerstand. Gerade diese Patientengruppe ist auf die rasche Konversion zurück in einen Sinusrhythmus angewiesen. Auf der anderen Seite ist sie aber auch eine der vulnerableren Patientengruppen, da sie sehr empfindlich auf weitere kardiale Einschränkungen durch Medikamente reagiert.
Genau bei diesen Patienten scheint Landiolol eine gut geeignete medikamentöse Wahl zu bieten, um ein Vorhofflimmern wieder in einen Sinusrhythmus zu konvertieren. Landiolol ist ein hochspezifischer β1-Blocker, der ein großes Potenzial in der Frequenzkontrolle und auch der Konversionsrate von Patienten mit neu aufgetretenem Vorhofflimmern nach herzchirurgischen Eingriffen aufweist, ohne dabei wesentliche systemische hämodynamische Nachteile mit sich zu bringen. Die ersten Daten sind vielversprechend und machen Freude auf eine größer angelegte, geplante Studie.
Literatur:
1 Knotzer H et al.: Postbypass arrhythmias: pathophysiology, prevention, and therapy. Curr Opin Crit Care 2004; 10: 330-35 2 Knotzer H et al.: Tachyarrhythmias in a surgical intensive care unit: a case-controlled epidemiological study. Intensive Care Med 2000; 26: 908-14 3 Hindricks G et al.: 2020 ESC guidelines for the diagnosis and management of atrial fibrillation. Eur Heart J 2021; 42: 373-98 4 Bidar E et al.: Post-operative atrial fibrillation – pathophysiology, treatment and prevention. J Atr Fibrillation 2013; 5: 781 5 JCS Joint Working Group: Guidelines for pharmacotherapy of atrial fibrillation. Circ J 2014; 78: 1997-2021 6 Sakamoto A et al.: Landiolol, an ultra-short-acting ß1-blocker. Circ J 2012; 76: 1097-1101 7 Fellahi JL, Heringlake M, Knotzer H et al.: Landiolol for managing atrial fibrillation in post-cardiac surgery. Eur Heart J 2018; Supplement A4-A9
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