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Klappenvitien im Fokus: neue Daten zu MitraClip und TAVI

<p class="article-intro">Neben vielen anderen hochwertigen Vorträgen zu Wissenschaftlichkeit und Ethik sowie Artificial Intelligence und Workshops für die Kardiologen von morgen, umreißt Dr. Max-Paul Winter, Kardiologe an der Medizinischen Universität Wien, die aktuellen Diskussionspunkte zu den Klappenvitien des heurigen österreichischen Kardiologenkongresses (ÖKG), der gemeinsam mit den Kardiochirurgen in Salzburg stattgefunden hat.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Mitralinsuffizienz: Insgesamt steigt aktuell die minimal invasive Variante der Sanierung einer symptomatischen funktionellen MI mittels MitraClip mit diesen neuen Daten wieder in ihrem Evidenzniveau.</li> <li>Perkutaner Aortenklappenersatz: Das Outcome der TAVI ist auch bei Niedrigrisiko-Patienten einer chirurgischen Intervention statistisch nicht unterlegen &ndash; daher k&ouml;nnte diese Indikation auch f&uuml;r j&uuml;ngere Patienten und solche mit niedrigem Operationsrisiko gestellt werden.</li> <li>Aortenstenose und Mitralinsuffizienz: Nach einer TAVI empfiehlt sich ein zweizeitiges Vorgehen, da sich in zwei Dritteln der F&auml;lle eine Besserung der MI einstellt.</li> </ul> </div> <h2>Ist der MitraClip wieder im Rennen?</h2> <p>Die sekund&auml;re (funktionelle) Mitralinsuffizienz (MI) resultiert aus einem Missverh&auml;ltnis zwischen Klappengr&ouml;&szlig;e und dilatiertem linkem Ventrikel auf Basis der Linksherzinsuffizienz. 90 % der MI sind sekund&auml;r bzw. funktionell (fMI). Zur Sanierung stehen aktuell die offene Herzchirurgie wie auch der minimal invasive MitraClip &uuml;ber einen perkutanen, transfemoralen Zugang mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen zur Verf&uuml;gung. Nachdem am letzten Kongress der European Society of Cardiology (ESC; 25.&ndash;29. August 2018, M&uuml;nchen, Deutschland) die negativen Daten der MITRA-FR-Studie<sup>1</sup> vorgestellt worden waren, war die Indikation f&uuml;r den MitraClip schw&auml;cher geworden. Dar&uuml;ber hinaus stellt sich aktuell zunehmend die Frage nach der besten Definition des Schweregrades der fMI und des richtigen Cut-offs zur Identifikation von Hochrisikopatienten, die von einer Klappenintervention profitieren.</p> <h2>Mitralinsuffizienz &ndash; ein diagnostisches Dilemma</h2> <p>Die Definitionen der echokardiografischen Grenzwerte zur Einteilung des Schweregrades einer MI unterscheiden sich derzeit zwischen der europ&auml;ischen und der amerikanischen kardiologischen Gesellschaft nicht unwesentlich. Neben einer einheitlichen Befundung stellt sich nat&uuml;rlich die Frage hinsichtlich der Vergleichbarkeit von Studien wie auch der Indikationsstellung zur Intervention. Dieses Themas hat sich die Gruppe um Goliasch angenommen. In ihrer 2019 hochrangig publizierten Arbeit<sup>2</sup> hat sie die unterschiedlichen Grenzwerte f&uuml;r niedrig-, mittel- und hochgradige MI bez&uuml;glich ihres prognostischen Wertes &uuml;berpr&uuml;ft. Es konnten neue Grenzwerte f&uuml;r die &bdquo;effective regurgitant orifice area&ldquo; (EROA), das Regurgitationsvolumen (RegVol) und die Regurgitationsfraktion (RegFrac) des Risikoprofils eines Patienten (relatives 5-Jahres- Mortalit&auml;tsrisiko) mittels Spline-Curve- Analyse ermittelt werden. Ein neuer Algorithmus diskriminiert nun zwischen Niedrig- und Hochrisikopatienten und wurde mittels Kaplan-Meier-Analysen bez&uuml;glich des Outcomes Mortalit&auml;t evaluiert. Diese neuen EROA- und RegVol-Cut-offs teilen die Betroffenen in eine Low-, eine Intermediate- und eine High-Risk-Gruppe ein, wobei die Intermediate-Risk-Gruppe durch die Ermittlung der RegFrac (&lt; 50 % ) der Low-Risk- und (&gt; 50 % ) der High-Risk- Gruppe zugeordnet werden kann (Tab. 1). &bdquo;Diese wesentliche Arbeit aus Wien k&ouml;nnte zur Vereinheitlichung internationaler Standards, aber auch zur Vergleichbarkeit wissenschaftlicher Studien und nicht zuletzt zur exakteren Indikationsstellung f&uuml;r invasive Verfahren beitragen. Zuk&uuml;nftig wird dieser Algorithmus auch hinsichtlich seines prognostischen Wertes f&uuml;r invasive Ma&szlig;nahmen bei High-Risk-Patienten zu evaluieren sein&ldquo;, betont Dr. Winter.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Kardio_1903_Weblinks_jatrois_kardio_1903_s13_tab1_kienbacher.jpg" alt="" width="550" height="435" /></p> <h2>Mitralinsuffizienz &ndash; Evidenz f&uuml;r den MitraClip</h2> <p>In der bereits eingangs erw&auml;hnten, im Rahmen des ESC 2018 vorgestellten, MITRA- FR-Studie wurde der MitraClip mit der konservativen medikament&ouml;sen Therapie (&bdquo;best medical care&ldquo;; BMC) verglichen. F&uuml;r die beiden Endpunkte Mortalit&auml;t (alle Ursachen, nicht nur kardiovaskul&auml;r) und Hospitalisierung aufgrund von Herzinsuffizienz konnte in dieser Studie kein signifikanter Vorteil durch den MitraClip gezeigt werden.<sup>1</sup> Bei der darauf folgenden 30<sup>th</sup> Transcatheter Cardiovascular Therapies Conference im selben Jahr (TCT; 21.&ndash;25. 9. 2018, San Diego, Kalifornien, USA) wurde mit COAPT der MitraClip ebenfalls gegen&uuml;ber der medikament&ouml;sen Standardtherapie f&uuml;r Herzinsuffizienz evaluiert und war in dieser Studie der konservativen Therapie diesmal nicht unterlegen.<sup>3</sup> Dies galt sowohl f&uuml;r die prim&auml;ren Endpunkte (Rehospitalisierung wegen Herzinsuffizienz und 2-Jahres-Mortalit&auml;t) als auch f&uuml;r alle 10 weiteren sekund&auml;ren Endpunkte. Mit diesen zwei widerspr&uuml;chlichen Ergebnissen wurde die Diskussion auch bei der diesj&auml;hrigen &Ouml;KG-Jahrestagung er&ouml;ffnet, berichtet der Kardiologe Dr. Winter. Warum war die Studie MITRA-FR negativ ausgefallen und die Studie COAPT positiv? Die Antworten der kardiologischen Community bez&uuml;glich der m&ouml;glichen Ursachen waren vielf&auml;ltig. Einerseits unterschied sich das Patientenkollektiv in der COAPT-Studie (durchschnittliche EROA: 40 mm<sup>2</sup>) wesentlich von jener in MITRA-FR (durchschnittliche EROA: 30 mm<sup>2</sup>). Aber es zeigte sich, dass Subgruppen von COAPT, die jenen von MIT-RA-FR glichen, ebenfalls nicht von der Prozedur profitierten. Auch war in den beiden Studien das Verh&auml;ltnis von EROA zum linksventrikul&auml;ren Volumen und zur medikament&ouml;sen Herzinsuffizienztherapie entschieden unterschiedlich. Diese Punkte k&ouml;nnten neben weiteren entscheidenden Aspekten (wie statistische Diskussionen zu Power und Effect Size) das unterschiedliche Outcome zumindest teilweise begr&uuml;nden. Dementsprechend wurde durch die Diskussion klar, dass die Population genau selektiert und die Indikation f&uuml;r einen MitraClip zum richtigen Zeitpunkt gestellt werden muss. &bdquo;Die aktuellen Daten k&ouml;nnen aktuell so interpretiert werden, dass Patienten mit moderater fMI (EROA &lt; 30 mm<sup>2</sup>) bez&uuml;glich eines Einflusses auf die Prognose eher nicht vom MitraClip zus&auml;tzlich zu BMC profitieren. Wird die Klappeninsuffizienz hochgradiger (also die EROA gr&ouml;&szlig;er), die Patienten symptomatisch und die linksventrikul&auml;re Funktion schlechter, scheint dies eher der Fall zu sein. Diese Patienten w&uuml;rden auch in die Hochrisiko-Gruppe der Goliasch-Studie2 fallen&ldquo;, fasst Dr. Winter zusammen. <br />Insgesamt steigt aktuell die minimal invasive Variante der Sanierung einer symptomatischen funktionellen MI mittels MitraClip mit diesen neuen Daten wieder in ihrem Evidenzniveau.</p> <h2>Perkutaner Aortenklappenersatz auch bei Patienten mit niedrigem perioperativem Risiko?</h2> <p>Bis zuletzt wurden Patienten im Wesentlichen auf Basis des STS-Scores (Society of Thoracic Surgeons) und des EuroScores II hinsichtlich ihres operativen Risikos bez&uuml;glich Mortalit&auml;t und Morbidit&auml;t bei einer offenen Aortenklappenoperation in Patienten mit niedrigem (STS-Score &lt; 4 % ), mittlerem (4&ndash;8 % ) und hohem Risiko (&gt; 8 % ) eingeteilt. Dabei war das Argument, &auml;ltere und Hochrisikopatienten eher der &bdquo;minimal invasiveren&ldquo; Transkatheter-Aortenklappen- Implantation (TAVI) zuzuf&uuml;hren.<br />Jetzt wurde sowohl in der PARTNER-3-Studie<sup>4</sup> als auch in der Evolut-Studie<sup>5</sup> gezeigt, dass das Outcome der TAVI bei Niedrigrisiko-Patienten einer chirurgischen Intervention statistisch nicht unterlegen ist. Damit ergibt sich ein komplett neues Patientenkollektiv f&uuml;r das minimal invasive Vorgehen mit perkutanem Aortenklappenersatz. Die Indikation f&uuml;r eine TAVI k&ouml;nnte nunmehr f&uuml;r j&uuml;ngere Patienten und solche mit niedrigem Operationsrisiko gestellt werden. Limitierend h&auml;lt Dr. Winter fest: &bdquo;Es fehlen uns nat&uuml;rlich noch die Langzeitdaten. Da wir bislang nur bei betagteren Patienten eine TAVI verwendet haben, wissen wir nat&uuml;rlich nicht, wie sich die modernen Klappen &uuml;ber mehrere Jahre verhalten. Hier m&uuml;ssen wir in kontrollierten Studien noch harte Daten sammeln. Die paravalvul&auml;re Aortenklappeninsuffizienz (AI) nach TAVI sollte jedoch zunehmend weniger problematisch sein, da die produzierenden Firmen dieses Problem erkannt, die Klappen modernisiert und mit zus&auml;tzlichen Features versehen haben, die das Auftreten einer postprozeduralen AI minimieren sollen&ldquo;, erg&auml;nzt der Kardiologe.</p> <h2>Kombiniertes Vitium: Aortenstenose und Mitralinsuffizienz &ndash; was tun?</h2> <p>Im Vortrag von Univ.-Prof. Dr. Thomas Schachner, Medizinische Universit&auml;t Innsbruck, Universit&auml;tsklinik f&uuml;r Herzchirurgie, wurde einerseits festgehalten, dass bei 10&ndash;30 % der Patienten mit einem hochgradigen Aortenklappenvitium auch mit einer Begleit-MI gerechnet werden muss. Ist Letztere hochgradig, erh&ouml;ht diese das Mortalit&auml;ts- und Rehospitalisierungsrisiko f&uuml;r den jeweiligen Patienten. Dementsprechend sollte auch die Indikation zur Sanierung der Begleit-MI &uuml;berpr&uuml;ft werden. Als therapeutische Optionen stehen derzeit der chirurgische Aortenklappenersatz mit oder ohne Mitralklappenrekonstruktion (MKR) bzw. Mitralklappenersatz (MKE) und die TAVI gefolgt von einer Mitralklappenintervention bzw. chirurgischen MKR/MKE bei Persistenz der hochgradigen MI zur Verf&uuml;gung. In der Regel empfiehlt sich nach TAVI ein zweizeitiges Vorgehen, da sich in zwei Dritteln der F&auml;lle eine Besserung der MI einstellt. Tabelle 2 zeigt Entscheidungshilfen f&uuml;r ein prim&auml;r konservatives versus ein interventionelles Vorgehen bei Mitbeteiligung einer MI nach einem Aortenklappeneingriff.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Kardio_1903_Weblinks_jatrois_kardio_1903_s13_tab2_kienbacher.jpg" alt="" width="550" height="203" /></p></p> <p class="article-quelle">Quelle: ÖKG-Jahrestagung 2019, 29. Mai bis 1. Juni 2019, Salzburg, Interview: Dr. Max-Paul Winter, Medizinische Universität Wien, Universitätsklinik für Innere Medizin II, Klinische Abteilung für Kardiologie </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Obadia JF et al.: Percutaneous repair or medical treatment for secondary mitral regurgitation. N Engl J Med 2018; 379(24): 2297-306 <strong>2</strong> Bartko PE et al.: A unifying concept for the quantitative assessment of secondary mitral regurgitation. J Am Coll Cardiol 2019; 73(20): 2506-17 <strong>3</strong> Stone GW et al.: Transcatheter mitral-valve repair in patients with heart failure. N Engl J Med 2018; 379(24): 2307-18 <strong>4</strong> Mack MJ et al.: Transcatheter aortic-valve replacement with a balloon-expandable valve in low-risk patients. N Engl J Med 2019; 380: 1695-705 <strong>5</strong> Popma JJ et al.: Transcatheter aortic-valve replacement with a self-expanding valve in low-risk patients. N Engl J Med 2019; 380: 1706-15</p> </div> </p>
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