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AGLA Update Meeting 2018

Kardiometabolische Erkrankungen: Grundlagenforschung und epidemiologische Studien

<p class="article-intro">Neben klinisch-praktischen Themen wurden am diesjährigen AGLA Update Meeting in den beiden Hauptvorträgen auch interessante Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung und aus epidemiologischen Studien präsentiert. So war zu erfahren, wie braunes Fettgewebe, die Darmmikrobiota und die metabolische Homöostase zusammenhängen und welchen Einfluss Luftverschmutzung und Verkehrslärm auf die Entwicklung von kardiometabolischen Erkrankungen haben.</p> <hr /> <p class="article-content"><h2>Braunes Fettgewebe, Darmmikrobiota und metabolische Hom&ouml;ostase</h2> <p>Neben den weissen Fettzellen, deren Funktion die Energiespeicherung ist, findet man bei Tieren, die einen Winterschlaf machen, bei Nagetieren sowie bei neugeborenen S&auml;ugetieren einschliesslich menschlichen S&auml;uglingen auch braune Adipozyten, welche f&uuml;r die Aufrechterhaltung der K&ouml;rpertemperatur verantwortlich sind.<sup>1</sup> Durch Verbrennen von Lipiden und Glukose kann im braunen Fettgewebe W&auml;rme produziert werden, wodurch der Energieverbrauch des Organismus erh&ouml;ht wird. Zus&auml;tzlich zum klassischen braunen Fettgewebe findet man bei erwachsenen Nagern vorwiegend im weissen Fettgewebe auch die sog. beigen Adipozyten, die den braunen Fettzellen &auml;hnlich sind und als physiologische Antwort auf chronische K&auml;lteexposition gebildet werden.<sup>1</sup> Die Entstehung von beigen Fettzellen im weissen Fettgewebe, die durch K&auml;lte, aber auch k&ouml;rperliche Aktivit&auml;t ausgel&ouml;st werden kann, wird als Browning bezeichnet.<sup>2</sup> Das braune Fettgewebe ist metabolisch aktiv und kontrolliert &ndash; zumindest bei M&auml;usen &ndash; den Blutzuckerspiegel, reduziert den Triglyzerid- und Cholesterinspiegel und wirkt antiatherogen.<sup>3&ndash;5</sup> Das Gleiche gilt m&ouml;glicherweise auch f&uuml;r die beigen Adipozyten. Die Aktivierung des braunen Fettgewebes durch eine 24-st&uuml;ndige K&auml;lteexposition f&uuml;hrt bei M&auml;usen zu positiven Auswirkungen auf &Uuml;bergewicht, Insulinresistenz und Hyperlipid&auml;mie.<sup>3</sup> Die Aktivierung des braunen Fettgewebes und die Stimulation des Brownings k&ouml;nnten also eine interessante Option zur Behandlung von metabolischen St&ouml;rungen und Adipositas sein.</p> <p>&laquo;Lange dachten wir, dass erwachsene Menschen kein braunes Fettgewebe haben &raquo;, sagte Prof. Mirko Trajkovski, Forscher am Departement f&uuml;r Zellphysiologie und Metabolismus der Universit&auml;t Genf. &laquo;Obwohl es bereits 2002 in einer PETStudie Hinweise darauf gab, dass bei erwachsenen M&auml;nnern aktiviertes braunes Fettgewebe vorhanden ist,<sup>6</sup> wurde die Relevanz dieser Erkenntnis erst einige Jahre sp&auml;ter erkannt.&raquo; 2009 konnten Forscher der Universit&auml;t Maastricht, nach K&auml;lteexposition (16&deg;C f&uuml;r 2 Stunden) bei 96 % der untersuchten gesunden M&auml;nner braunes Fettgewebe nachweisen, wobei dessen Aktivit&auml;t bei den &uuml;bergewichtigen Probanden signifikant niedriger war als bei den schlanken.<sup>7</sup> &laquo;Braunes und beiges Fettgewebe scheinen f&uuml;r die Regulation der Dyslipid&auml;mie sehr wichtig zu sein. Aber womit, ausser mit K&auml;lteexposition, k&ouml;nnen wir die Aktivit&auml;t dieses Fettgewebes erh&ouml;hen?&raquo;, fragte Trajkovski. Hier kommt nun die Darmmikrobiota ins Spiel.<br /> Es ist bekannt, dass &uuml;bergewichtige Menschen eine andere Zusammensetzung der Darmmikrobiota haben als schlanke. Trajkovski und Kollegen zeigten, dass K&auml;lteexposition die Zusammensetzung der Darmmikrobiota ver&auml;ndert und dass durch die Transplantation dieser k&auml;lteadaptierten Mikrobiota bei keimfreien M&auml;usen ein verst&auml;rktes Browning ausgel&ouml;st, die Insulinsensitivit&auml;t verbessert und der Energieverbrauch gesteigert werden kann.<sup>8</sup> &laquo;Die k&auml;lteadaptierte Mikrobiota konnte bei diesen M&auml;usen also die metabolisch vorteilhaften Effekte der K&auml;lteexposition ausl&ouml;sen, ohne dass die M&auml;use selbst der K&auml;lte ausgesetzt worden w&auml;ren&raquo;, so Trajkovski. Das Forscherteam der Universit&auml;t Genf hat ausserdem herausgefunden, dass das Browning auch durch eine Dezimierung der Mikrobiota durch Antibiotika induziert werden kann.<sup>9</sup> &laquo;Wir stellten deshalb die Hypothese auf, dass das Browning durch eine negative Energiebilanz ausgel&ouml;st wird &ndash; sei dies durch erh&ouml;hten Energiebedarf bei k&ouml;rperlicher Aktivit&auml;t oder K&auml;lte oder aufgrund der dezimierten Mikrobiota und der damit einhergehenden ungen&uuml;genden N&auml;hrstoffzufuhr. Die Frage war nun, ob Browning auch durch Kalorienrestriktion induziert werden kann.&raquo; Und tats&auml;chlich konnten die Genfer Forscher am Mausmodell zeigen, dass durch Kalorienrestriktion die Entwicklung von beigen Adipozyten im subkutanen und im viszeralen Fettgewebe stimuliert wird, wobei das Immunsystem eine wesentliche Rolle spielt.<sup>10</sup> Man darf gespannt sein auf weitere Erkenntnisse und deren Umsetzung in den klinischen Alltag.</p> <h2>Luftverschmutzung und Verkehrsl&auml;rm verursachen kardiometabolische Erkrankungen</h2> <p>Umweltfaktoren k&ouml;nnen den Weg ebnen f&uuml;r nicht &uuml;bertragbare chronische Krankheiten. Die mit Abstand wichtigsten umweltbezogenen Risikofaktoren sind Luftverschmutzung und Verkehrsl&auml;rm. Aus empirischen und epidemiologischen Daten gibt es immer mehr Evidenz daf&uuml;r, dass Luftverschmutzung und L&auml;rm auf stereotype Weise unabh&auml;ngig oxidativen Stress ausl&ouml;sen und zu einer vaskul&auml;ren Dysfunktion und einem autonomen Ungleichgewicht f&uuml;hren, wodurch die Auswirkungen der klassischen kardiovaskul&auml;ren Risikofaktoren verst&auml;rkt werden. Dabei scheinen, wie M&uuml;nzel et al. in einer 2017 publizierten &Uuml;bersichtsarbeit darlegen, im Wesentlichen vier pathophysiologische Mechanismen von Bedeutung zu sein: 1. St&ouml;rung des autonomen Nervensystems und/oder Aktivierung des sympathoadrenergen Systems; 2. Freisetzung von Entz&uuml;ndungsmediatoren, ver&auml;nderten Lipiden oder Phospholipiden und Aktivierung von Leukozytenpopulationen; 3. endotheliale Dysfunktion verursacht durch oxidativen Stress sowie 4. Aktivierung der prothrombotischen Achse.<sup>11</sup> Die Folgen davon sind Adipositas, chronische systemische Entz&uuml;ndung, Hypertonie, Diabetes und Arteriosklerose. Abbildung 1 zeigt ein von Jerrett und Kollegen vorgeschlagenes Rahmenkonzept, in dem dargestellt wird, f&uuml;r welche verkehrsbedingten Faktoren ein Zusammenhang mit kardiovaskul&auml;ren und metabolischen Erkrankungen gezeigt worden ist und welche Mechanismen daran beteiligt sein k&ouml;nnten.<sup>12</sup><br /> &laquo;Um sinnvolle pr&auml;ventive Massnahmen ergreifen resp. bei den Beh&ouml;rden anstossen zu k&ouml;nnen, m&uuml;ssen wir jedoch wissen, welche dieser Faktoren kausale Effekte haben&raquo;, so Prof. Dr. Nicole Probst-Hensch, Leiterin des Departements Epidemiologie und Public Health am Schweizerischen Tropen- und Public-Health-Institut (Swiss TPH) in Basel. &laquo;Daf&uuml;r ben&ouml;tigen wir epidemiologische Langzeitstudien wie beispielsweise die Schweizer SAPALDIA-Studie. &raquo;<sup>13</sup> Die bev&ouml;lkerungsbezogene Kohortenstudie SAPALDIA (Swiss study on Air Pollution And Lung Disease In Adults) wurde 1991 konzipiert, um den Einfluss der Luftverschmutzung auf die Atemwege zu untersuchen. Einige Jahre sp&auml;ter wurde der Fokus erweitert auf kardiometabolische St&ouml;rungen und chronische Erkrankungen und in der j&uuml;ngsten Erhebung (SAPALDIA 4) wurden zus&auml;tzlich Daten zum Altern gewonnen. Seit 2002 wird parallel dazu eine Biodatenbank aufgebaut. &laquo;So k&ouml;nnen wir sehr komplexe Daten gewinnen, die es uns erm&ouml;glichen, komplexe Erkrankungen und pr&auml;klinische Ph&auml;notypen zu verstehen&raquo;, sagte Probst-Hensch.<br /> In Bezug auf kardiometabolische Erkrankungen haben die SAPALDIA-Daten schon zu einigen Erkenntnissen gef&uuml;hrt. So konnte beispielsweise eine signifikante Assoziation zwischen einer chronischen Feinstaubbelastung und der Intima-Media- Dicke der Karotis gezeigt werden,<sup>14</sup> was die Vermutung aus fr&uuml;heren Studien untermauert, wonach Luftverschmutzung die Entwicklung einer Atherosklerose beeinflusst.<sup>15</sup> Die Analyse der SAPALDIADaten ergab aber auch eine positive Assoziation zwischen der Langzeitfeinstaubbelastung und der Diabetespr&auml;valenz.<sup>16</sup> In einer weiteren Studie stellten die Autoren fest, dass auch Verkehrsl&auml;rm mit der Entwicklung von Diabetes assoziiert und wahrscheinlich relevanter ist als die Luftverschmutzung.<sup>17</sup> Die Auswirkungen des Strassenl&auml;rms waren bei Menschen, die bei offenem Fenster schliefen oder eine schlechte Schlafqualit&auml;t hatten, besonders ausgepr&auml;gt. L&auml;rm l&ouml;st direkt &uuml;ber die St&ouml;rung des Schlafs Stress aus, aber auch indirekt durch die dauernde Bel&auml;stigung. Beides kann &uuml;ber die Aktivierung der Hypothalamus- Hypophysen-Nebennierenrinden- Achse zu einer metabolischen St&ouml;rung und einer Insulinresistenz f&uuml;hren. &laquo;Die chronische Belastung durch Verkehrsl&auml;rm, insbesondere in der Nacht, f&uuml;hrt aber auch zu einer verminderten k&ouml;rperlichen Aktivit&auml;t, was ebenfalls zu einer Erh&ouml;hung des kardiometabolischen Risikos beitr&auml;gt&raquo;,<sup>18</sup> so Probst-Hensch. Auch eine k&uuml;rzlich publizierte Studie, die auf zwei grossen europ&auml;ischen Kohorten beruht, fand eine Assoziation zwischen der chronischen Belastung durch Verkehrsl&auml;rm und Luftverschmutzung und erh&ouml;hten Werten f&uuml;r CRP, Triglyzeride, HDL und Blutzucker.<sup>19</sup> Neuere Methoden wie z.B. das Exosom- Konzept, die Mendel&rsquo;sche Randomisierung, das sog. &laquo;Meet-in-the-middle&raquo;-Konzept und die Untersuchung der Gen-Umwelt- Interaktionen erm&ouml;glichen es, k&uuml;nftig auch Aussagen zu kausalen Zusammenh&auml;ngen zu machen, was eines der Probleme von epidemiologischen Studien ist.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Leading Opinions_Innere_1802_Weblinks_lo_innere_medizin_1802_s39_abb1.jpg" alt="" width="2151" height="1382" /></p></p> <p class="article-quelle">Quelle: AGLA Update Meeting, 11. Januar 2018, Bern </p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Rosenwald M et al.: Bi-directional interconversion of brite and white adipocytes. Nat Cell Biol 2013; 15: 659-67 2 Peirce V et al.: The different shades of fat. Nature 2014; 510: 76-83 <strong>3</strong> Bartelt A, Heeren J: Adipose tissue browning and metabolic health. Nat Rev Endocrinol 2014; 10: 24-36 <strong>4</strong> Hoeke G et al.: Role of brown fat in lipoprotein metabolism and atherosclerosis. Circ Res 2016; 118: 173-82 <strong>5</strong> Berb&eacute;e JF et al.: Brown fat activation reduces hypercholesterolaemia and protects from atherosclerosis development. Nat Commun 2015; 6: 6356 <strong>6</strong> Hany TF et al.: Brown adipose tissue: a factor to consider in symmetrical tracer uptake in the neck and upper chest region. Eur J Nucl Med Mol Imaging 2002; 29: 1393-8 <strong>7</strong> van Marken Lichtenbelt WD et al.: Cold-activated brown adipose tissue in healthy men. N Engl J Med 2009; 360: 1500-8 <strong>8</strong> Chevalier C et al.: Gut microbiota orchestrates energy homeostasis during cold. Cell 2015; 163: 1360-74 <strong>9</strong> Su&aacute;rez-Zamorano N et al.: Microbiota depletion promotes browning of white adipose tissue and reduces obesity. Nat Med 2015; 21: 1497-1501 <strong>10</strong> Fabbiano S et al.: Caloric restriction leads to browning of white adipose tissue through type 2 immune signaling. Cell Metab 2016; 24: 434-46 <strong>11</strong> M&uuml;nzel T et al.: Environmental stressors and cardio-metabolic disease: part II-mechanistic insights. Eur Heart J 2017; 38: 557-64 <strong>12</strong> Jerrett M et al.: Traffic-related air pollution and obesity formation in children: a longitudinal, multilevel analysis. Environ Health 2014; 13: 49 <strong>13</strong> http://www.sapaldia.ch/de/ <strong>14</strong> Aguilera I et al.: Particulate matter and subclinical atherosclerosis: associations between different particle sizes and sources with carotid intima-media thickness in the SAPALDIA study. Environ Health Perspect 2016; 124: 1700-6 <strong>15</strong> K&uuml;nzli N et al.: Investigating air pollution and atherosclerosis in humans: concepts and outlook. Prog Cardiovasc Dis 2011; 53: 334-43 <strong>16</strong> Eze IC et al.: Longterm air pollution exposure and diabetes in a population- based Swiss cohort. Environ Int 2014; 70: 95-105 <strong>17</strong> Eze IC et al.: Long-term exposure to transportation noise and air pollution in relation to incident diabetes in the SAPALDIA study. Int J Epidemiol 2017; 46: 1115-25 <strong>18</strong> Foraster M et al.: Long-term transportation noise annoyance is associated with subsequent lower levels of physical activity. Environ Int 2016; 91: 341-9 <strong>19</strong> Cai Y et al.: Long-term exposure to road traffic noise, ambient air pollution, and cardiovascular risk factors in the HUNT and lifelines cohorts. Eur Heart J 2017; 38: 2290-6</p> </div> </p>
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