© Getty Images/iStockphoto

Kardiales Risiko: der genetische Rucksack

<p class="article-intro">Familiär bedingtes kardiales Risiko gilt als nicht beeinflussbar und wird vom Patienten lebenslang wie ein Rucksack mit sich getragen. Jenseits dieser seit Langem bekannten idiopathischen Faktoren können auch noch Genpolymorphismen zusätzliches Risiko für ihren Träger mit sich bringen. Die gute Nachricht: Die Einflüsse der Epigenetik können sich auch günstig auf das erbliche Risiko auswirken.</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>&bdquo;Single nucleotide polymorphisms&ldquo; sind h&auml;ufig, jedoch oft funktionell inaktiv.</li> <li>Seltene Mutationen k&ouml;nnen zu heredit&auml;ren kardialen Erkrankungen f&uuml;hren und poten&shy;ziell t&ouml;dlich sein.</li> <li>Trainingstherapie hat Schutzeffekte, deren Mechanismen bis in den epigenetischen Bereich f&uuml;hren.</li> <li>Genetische Risk-Scores sowie pharmako- und epigenetische Effekte versprechen viel Potenzial f&uuml;r die Zukunft.</li> </ul> </div> <p>Erkrankungen wie z.B. die essenzielle arterielle Hypertonie oder koronare Herzkrankheit sind in klassischer Weise sogenannte polygene Erkrankungen. Das bedeutet, dass das Zusammenwirken mehrerer bzw. vieler Gene f&uuml;r das Entstehen dieser Erkrankung verantwortlich ist, oder anders ausgedr&uuml;ckt, dass die Erkrankung nicht an einem einzelnen Gen festgemacht werden kann. Abzugrenzen hiervon sind sogenannte monogene Krankheiten, welche bereits durch ein verantwortliches Allel ausgel&ouml;st werden k&ouml;nnen (dominanter Erbgang). Genetisch urs&auml;chlich f&uuml;r solche Erkrankungen sind durch Mutationen entstehende Genpolymorphismen, bei welchen in deren h&auml;ufigster Form nur ein einzelnes Basenpaar fehlerhaft durch ein anderes ausgetauscht wird (&bdquo;single nucleotide polymorphisms&ldquo;, SNPs). Obwohl sich viele dieser Polymorphismen ph&auml;notypisch nicht auswirken, k&ouml;nnen manche von ihnen auch zu potenziell t&ouml;dlichen Erkrankungen f&uuml;hren. Diverse Ionenkanalst&ouml;rungen, heredit&auml;re Kardiomyopathien, aber auch Stoffwechselerkrankungen k&ouml;nnen bestimmten Genpolymorphismen zugeordnet werden (Tab. 1).</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1603_Weblinks_Seite32_1.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Arrhythmogene rechtsventrikul&auml;re &shy;Dysplasie (ARVD)</h2> <p>Eine Kardiomyopathie mit autosomal-dominantem Erbgang verdient &ndash; weil potenziell t&ouml;dlich &ndash; genauere Betrachtung. F&uuml;r die arrhythmogene rechtsventrikul&auml;re Dysplasie (ARVD) sind derzeit genetisch zehn Typen beschrieben, welche zu Ver&auml;nderungen in den Desmosomen (Zell-Zell-Verbindungen) f&uuml;hren. Ph&auml;notypisch kommt es zu einem bindegewebigen Umbau des Myokards, welcher v.a. den rechten Ventrikel betrifft und mit St&ouml;rungen der Reizleitung einhergeht. Da diese potenziell lebensbedrohenden Arrhythmien durch k&ouml;rperliche Anstrengungen ausgel&ouml;st werden k&ouml;nnen und bereits juvenile Patienten betreffen, ist die ARVD mit ihrer Pr&auml;valenz von 1:5.000 eine Herausforderung im medizinischen Screening von Breitensportlern (Epsilonwellen und neg. Ts in den rechtspr&auml;kordialen EKG-Ableitungen). Den besten Nutzen hinsichtlich Outcome bringt die ICD-Implantation.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1603_Weblinks_Seite32_3.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Genomweite Assoziationsstudien</h2> <p>1990 wurde das internationale Humangenomprojekt mit dem Ziel der Entschl&uuml;sselung des gesamten menschlichen Genoms initialisiert und 2003 f&uuml;r abgeschlossen erkl&auml;rt. Im Zuge dieses Projektes wurden auch die sogenannten &bdquo;genomweiten Assoziationsstudien&ldquo; (GWAS) erm&ouml;glicht (v.a. durch den Preisverfall bei der DNA-Sequenzierung). Hierbei werden eine Gruppe von ph&auml;no&shy;typisch Erkrankten sowie eine Kontrollgruppe auf bestimmte Marker-SNPs untersucht, um statistisch Korrelationen zwischen den Polymorphismen und der zu untersuchenden Erkrankung festzustellen. Trotz verschiedener Limitierungen (v.a. bleiben seltene Varianten unentdeckt) konnten durch die GWAS zahlreiche Polymorphismen diversen Erkrankungen zugeordnet werden (f&uuml;r Infarktrisiko siehe Tab. 2). F&uuml;r die koronare Herzkrankheit wurden zwischen 2007 und 2010 durch neun durchgef&uuml;hrte GWAS sieben SNPs identifiziert (Abb. 1), welche das Risiko um 9 bis 24 % steigen &shy;lassen. Dieser moderate Risikoanstieg durch ein Bestehen der genannten SNPs addiert sich zum Effekt einer allf&auml;llig bestehenden positiven Familienanamnese. Obwohl zum jetzigen Zeitpunkt keine generelle Empfehlung zu einem genetischen Screening besteht, k&ouml;nnte sich aus diesem ein Nutzen in mittlerer Zukunft ableiten lassen. Mit dem Wissen, Tr&auml;ger eines Risikopolymorphismus zu sein, d&uuml;rfte bei den betreffenden Patienten eine bessere Therapiecompliance (auch hinsichtlich Lifestylemodifikation) zu erzielen sein. Dar&uuml;ber hinaus k&ouml;nnte auch das Wissen der Pharmakogenetik n&uuml;tzlich werden, da durch die genetische Identifikation von Patienten, welche besonders gut auf spezifische Therapien ansprechen, individualisierte Therapien erm&ouml;glicht werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2016_Jatros_Kardio_1603_Weblinks_Seite32_2.jpg" alt="" width="" height="" /></p> <h2>Genetische Risikoscores</h2> <p>Weiters kann durch die Zusammenf&uuml;hrung klassischer Risikofaktoren mit Scores, die sich aus genetischen Untersuchungen ableiten lassen, eine erh&ouml;hte prognostische Treffsicherheit erzielt werden.</p> <h2>Sind Gene unbeeinflussbar? &ndash; &shy;Epigenetische Effekte</h2> <p>Im Gegensatz zum Genom unterliegt das sogenannte Epigenom dynamischen &Auml;nderungen, abh&auml;ngig von Alter, Lebensstil und Umwelteinfl&uuml;ssen, welche die Exprimierung verschiedener Genprodukte beeinflussen. Ein typischer epigenetischer Effekt ist die Verbindung kleiner Molek&uuml;le (z.B. Methylgruppen) mit den DNA-Basen, was dazu f&uuml;hrt, dass keine Transkription durch mRNA mehr stattfinden kann und somit das Gen funktionell abgeschaltet wird. Verschiedene Arbeitsgruppen konnten in den letzten Jahren zeigen, dass v.a. k&ouml;rperliches Training diese DNA-Methylierungen g&uuml;nstig beeinflussen kann. Besondere Beachtung verdient eine schwedische Arbeit,<sup>1</sup> in welcher die DNA-Methylierungen von Genen, welche am Energiestoffwechsel beteiligt sind, untersucht worden sind. Bereits ein 20-min&uuml;tiges Fahrradergometertraining f&uuml;hrte zu einer Demethylierung und daher Aktivierung der entsprechenden Genloci und dadurch zu einer verbesserten Energiebereitstellung in den untersuchten Muskelzellen. K&ouml;rperliches Training bietet daher einen Schutzeffekt, der &uuml;ber die bisher bekannten Mechanismen hinausgeht und bis in den epigenetischen Bereich wirkt.<br /> <br /> Die entsprechenden Arbeiten scheinen die These zu widerlegen, dass das genetische Risiko unbeeinflussbar ist.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Auch wenn in der Kardiologie bisher genetische Faktoren, v.a. in Zusammenhang mit heredit&auml;ren Erkrankungen, im Bewusstsein waren und das entsprechende Risiko als nicht beeinflussbar galt, k&ouml;nnte in mittelbarer Zukunft direkter Nutzen aus genomweiten Assozi&shy;ationsstudien, genetischen Risk-Scores sowie pharmako- und epigenetischen Effekten erzielt werden.</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Barres R et al: Acute exercise remodels promoter &shy;methylation in human skeletal muscle. Cell Metabolism 2012; 1: 405<br /><strong>2</strong> Kathiresan S et al: Common variants at 30 loci contribute to polygenic dyslipidemia. Nat Genet 2009; 41(1): 56-65<br /><br />Weiterf&uuml;hrende Literatur bei den Verfassern<br /><br /></p> </div> </p>
Back to top