<p class="article-intro">Die kardiale Amyloidose (KA) ist nicht so selten wie einst gedacht. Fortschritte in der diagnostischen Bildgebung haben rezent dazu geführt, dass diese Herzerkrankung signifikant häufiger als früher erkannt wird – insbesondere bei älteren Patienten. In einer prospektiven Studie untersuchten wir die Prävalenz und die prognostischen Implikationen der KA bei insgesamt 191 Patienten mit hochgradiger symptomatischer Aortenklappenstenose (AS), welche für einen Transkatheter-gestützten Aortenklappenersatz (TAVI) vorgesehen waren.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Etwa 10 % der TAVI-Patienten haben zusätzlich eine kardiale Amyloidose.</li> <li>Die kardiale TTR-Amyloidose stellt in diesem Patientenkollektiv den häufigsten Subtyp dar.</li> <li>Mittels einfacher Screening- Parameter, basierend auf EKG und Echokardiografie, lassen sich die meisten KA-Fälle erkennen. Im Falle einer suspizierten KA sollte eine weiterführende Diagnostik mittels laborchemischer Leichtkettenanalyse und Knochenszintigrafie eingeleitet werden.</li> <li>Bei KA-AS erscheint eine Sanierung der AS mittels TAVI notwendig, um das Überleben der Patienten zu verbessern.</li> </ul> </div> <h2>Formen der kardialen Amyloidose</h2> <p>Sowohl die degenerative AS als auch die KA sind schwerwiegende kardiale Krankheiten, die vornehmlich ältere Patienten betreffen. Ausgelöst durch eine myokardiale Ablagerung von Amyloidfibrillen, führt die KA zu einer restriktiven Funktionsstörung des linken Ventrikels (LV) und kann in fortgeschrittenen Stadien auch eine Einschränkung der systolischen Pumpfunktion zur Folge haben. Die zwei bei Weitem häufigsten Formen der KA sind die Transthyretin(TTR)- und die Leichtketten( AL)-Amyloidose, benannt nach den verantwortlichen Amyloidproteinen.</p> <h2>Pathophysiologie</h2> <p>TTR ist ein hepatisch synthetisiertes Transportprotein für Schilddrüsenhormone und Vitamin A und liegt in physiologischem Zustand in einer Tetramer-Form vor. Beim Vorliegen von Mutationen im TTR-Gen (hereditäre TTR-Amyloidose) oder durch bisher ungeklärte erworbene Faktoren (Wildtyp-TTR-Amyloidose) kann es zu einer Fehlfaltung des TTR-Proteins mit einem anschließenden Zerfall der Tetramere zu Monomeren kommen. Die entstandenen Monomere lagern sich dann in unterschiedlichen Organsystemen ab. Im Falle einer Wildtyp- TTR-Amyloidose sind vornehmlich das Herz und das Nervensystem betroffen. Die AL-Amyloidose wiederum fußt auf einer Plasmazelldyskrasie, in deren Rahmen es zu einer überschüssigen Produktion von fehlgefalteten Leichtketten kommt. Die Differenzierung der beiden Subtypen ist essenziell, da sie sich wesentlich hinsichtlich ihrer Therapie und Prognose unterscheiden.<sup>1, 2</sup> Mit dem Transthyretin-Stabilisator Tafamidis etwa steht uns seit kurzer Zeit erstmals ein wirksames Therapeutikum zur Verfügung, welches die Prognose bei TTR-KA signifikant verbessert.<sup>1</sup></p> <h2>Prävalenz und Diagnostik der kardialen Amyloidose</h2> <p>Die verbreitete Anwendung der kardialen Magnetresonanztomografie (CMR) und der Knochenszintigrafie haben in den vergangenen Jahren einen wesentlichen Beitrag zur Offenlegung der tatsächlichen Prävalenz der KA geleistet. Die Knochenszintigrafie ist mittlerweile als Modalität zur nicht invasiven Diagnose der TTR-KA etabliert.<sup>3</sup> Die Diagnose einer AL-KA erfordert in den meisten Fällen nach wie vor eine Myokardbiopsie.<br /> Rezente Studien haben nun eine mögliche Assoziation zwischen der hochgradigen AS und der KA propagiert.<sup>4, 5</sup> Im Falle einer gleichzeitig vorhandenen hochgradigen AS sehen sich Kliniker einem Dilemma ausgesetzt. Einerseits führen beide Krankheiten zu einer signifikanten Verdickung des LV Myokards – das kombinierte Vorliegen einer KA und einer AS (KA-AS) wird demnach oft übersehen –, andererseits ist bis dato unklar, ob Patienten mit KA-AS überhaupt von einem Klappenersatz mittels TAVI profitieren.</p> <h2>Differenzierung von AS und KA-AS</h2> <p>Die aktuelle Studie hatte folglich zum Ziel, die Prävalenz von TTR- und AL-Amyloidose bei TAVI-Patienten zu untersuchen, geeignete Parameter zur Differenzierung von AS und KA-AS zu identifizieren und die prognostischen Implikationen einer gleichzeitig vorliegenden KA nach TAVI zu evaluieren. Das KA-Screening wurde nach den derzeit gültigen Empfehlungen durchgeführt<sup>3</sup> und umfasste transthorakale Echokardiografie mit Strain-Analyse, Elektrokardiogramm (EKG), CMR, 99mTc- DPD-Knochenszintigrafie, Serum- und Harnanalyse zur Messung von freien Leichtketten und Myokardbiopsie im Falle einer suspizierten AL-KA.</p> <h2>Screening</h2> <p>Durch dieses umfassende Screening konnte in 11,0 % (n=21/191) der Patienten die Diagnose einer KA-AS gestellt werden. 19 Patienten hatten eine TTRKA, ein Patient eine AL-KA und ein weiterer Patient die Kombination einer ALTTR- KA. Die Knochenszintigrafie konnte 95,2 % der KA-Fälle diagnostizieren und lieferte lediglich im Patienten mit isolierter AL-KA ein falsch negatives Ergebnis. Interessanterweise erwies sich die CMR in nur 28,6 % der KA-Patienten als geeignet, um die richtige Diagnose zu stellen (Abb. 1). In der Mehrheit der Fälle zeigte sich kein für die KA typisches subendokardiales bis transmurales „late gadolinium enhancement“ und das extrazelluläre Volumen war nicht signifikant erhöht. Ein weiteres charakteristisches Phänomen der KA betrifft die echokardiografische Strain-Analyse und wird als „apical sparing“ bezeichnet. Dieser Begriff beschreibt eine weitgehend erhaltene Kontraktilität der apikalen LV Abschnitte im Vergleich zu schlechter kontraktilen mittventrikulären und basalen Abschnitten. Vermutlich fußt dieses Phänomen auf der weitgehenden Aussparung der apikalen Segmente von der Amyloidablagerung. Allerdings zeigten sich in der aktuellen Studie auch hier keine signifikanten Unterschiede zwischen AS und KA-AS. Eine Erklärung könnte sein, dass die verstärkte Nachlast für den linken Ventrikel bei bestehender hochgradiger AS eine Imitation des „Apical sparing“-Musters zur Folge hat. Diese diagnostischen Überlappungen gemeinsam mit der limitierten Verfügbarkeit der Knochenszintigrafie in vielen Krankenanstalten verdeutlichen die Notwendigkeit von validen, für die tägliche Praxis geeigneten Parametern, um zwischen AS und KA-AS zu unterscheiden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Kardio_1904_Weblinks_jatros_kardio_1904_s7_abb1_nitsche.jpg" alt="" width="550" height="506" /></p> <h2>EKG</h2> <p>Im Gegensatz zu anderen Ursachen der myokardialen Verdickung weisen KA-Patienten oftmals eine Niedervoltage im EKG auf. Dies führte in vergangenen Studien zur Einführung der sogenannten „voltage/ mass ratio“ (VMR), welche sich aus dem Quotienten aus Sokolow-Lyon-Index im EKG (S-Zacke in V1 + R-Zacke in V5/6) und echokardiografisch bestimmter LV Masse errechnet.<sup>6</sup> In unserem Patientenkollektiv erwies sich die VMR als sehr guter Parameter zur Erkennung der KA-AS („area under the curve“ [AUC] 0,728, p=0,002) und blieb auch in einer multivariaten Analyse signifikant mit der Präsenz einer KA assoziiert (Odds-Ratio [OR]: 2,809; p=0,023).</p> <h2>„Pressure-flow product“</h2> <p>Die akzentuierte konzentrische LV Hypertrophie bei KA-Patienten resultiert oftmals in einer Reduktion des Schlagvolumens, wohingegen eine Abnahme der systolischen LV Funktion erst in fortgeschrittenen Stadien der KA auftritt. Dies erklärt die überproportionale Prävalenz der paradoxen „Low-flow low-gradient“-AS bei KAPatienten in unserem Patientenkollektiv. Hierunter versteht man AS-Patienten mit kleinlumigem LV, normaler LV Funktion und reduziertem Fluss über die stenosierte Aortenklappe. Das niedrige Schlagvolumen bedingt bei diesen Patienten, dass der mittlere Druckgradient über der Aortenklappe nicht über 40 mmHg ansteigt. Zur Evaluierung des tatsächlichen Schweregrades der Stenose ist deshalb die Bestimmung des Verkalkungsausmaßes der Aortenklappe mittels Computertomografie erforderlich.<sup>7</sup> Diese pathophysiologischen Charakteristika lenkten uns zur Einführung eines neuen Parameters namens „pressure-flow product“ (PFP), welcher das Produkt aus dem maximalen Druckgradienten über der Aortenklappe und dem LV Schlagvolumenindex beschreibt. PFP erwies sich als höchst nützlich in der Differenzierung von AS und KA-AS (AUC 0,820; p<0,001). Ebenso war der neue Parameter in der Multivariatanalyse hoch signifikant mit dem Vorhandensein einer KA assoziiert (OR: 5,650; p=0,004).</p> <h2>Einfluss der KA nach TAVI</h2> <p>Der Einfluss einer gleichzeitig bestehenden KA wurde in vergangenen Studien bei Patienten nach chirurgischem Aortenklappenersatz untersucht und war jeweils mit einem schlechteren Outcome vergesellschaftet.<sup>4, 8</sup> Die aktuelle Studie untersuchte erstmals den prognostischen Einfluss der KA nach TAVI. Interessanterweise zeigte sich 15,3 ± 7,9 Monate nach TAVI kein signifikanter Überlebensvorteil für Patienten mit AS im Vergleich zu KA-AS (Log- Rank; p=0,750; Abb. 2).<br /> Zusammenfassend konnte bei etwa einem Zehntel der Patienten mit hochgradiger AS und geplanter TAVI eine gleichzeitig vorliegende KA festgestellt werden. Den weitaus häufigsten Subtyp machte die TTR-KA aus, jedoch wurde in zwei Fällen auch eine AL-KA nachgewiesen. Mit der Knochenszintigrafie steht uns eine bildgebende Modalität mit überragender Sensitivität und Spezifität zur Verfügung. Ein lückenloses nuklearmedizinisches KAScreening von AS-Patienten ist aus Ressourcen- und Kapazitätsgründen jedoch oft unmöglich. „Voltage/mass-ratio“ und „pressure-flow product“ sind zwei einfache Screeningparameter, die leicht mittels EKG und Echokardiografie ermittelt werden können. Im Falle einer suspizierten KA sollte eine weitere Abklärung mittels Leichtkettenanalyse und Knochenszintigrafie erfolgen. Die CMR und die Myokardbiopsie bleiben Patienten mit Verdacht auf AL-KA vorbehalten.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Kardio_1904_Weblinks_jatros_kardio_1904_s8_abb2_nitsche.jpg" alt="" width="550" height="347" /></p> <h2>Therapie mittels TAVI notwendig</h2> <p>Angesichts des vergleichbaren Überlebens bei AS und KA-AS 15 Monate nach Sanierung der AS erscheint eine Therapie mittels TAVI bei gleichzeitig vorliegender KA notwendig, um den klinischen Verlauf der betroffenen Patienten positiv zu beeinflussen. Ein längeres Follow-up wird zeigen, ob sich die beiden Gruppen hinsichtlich des Langzeitüberlebens unterscheiden. Ebenso ist derzeit noch unklar, ob Patienten mit TTR-KA-AS von zusätzlichen spezifischen Therapien (z. B. Tafamidis) profitieren.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Maurer MS et al.: Tafamidis treatment for patients with transthyretin amyloid cardiomyopathy. N Engl J Med 2018; 379: 1007-16 <strong>2</strong> Khouri J et al.: Daratumumab proves safe and highly effective in AL amyloidosis. Br J Haematol 2019; 185(2): 342-4 <strong>3</strong> Gillmore JD et al.: Nonbiopsy diagnosis of cardiac transthyretin amyloidosis. Circulation 2016; 133: 2404-12 <strong>4</strong> Treibel TA et al.: Occult transthyretin cardiac amyloid in severe calcific aortic stenosis: prevalence and prognosis in patients undergoing surgical aortic valve replacement. Circ Cardiovasc Imaging 2016; 9(8). pii: e005066 <strong>5</strong> Castano A et al.: Unveiling transthyretin cardiac amyloidosis and its predictors among elderly patients with severe aortic stenosis undergoing transcatheter aortic valve replacement. Eur Heart J 2017; 38: 2879- 87 <strong>6</strong> Carroll JD et al.: Amyloid cardiomyopathy: characterization by a distinctive voltage/mass relation. J Am Coll Cardiol 1982; 49: 9-13 <strong>7</strong> Baumgartner H et al.: 2017 ESC/ EACTS Guidelines for the management of valvular heart disease. Eur Heart J 2017; 38: 2739-91 <strong>8</strong> Cavalcante JL et al.: Cardiac amyloidosis is prevalent in older patients with aortic stenosis and carries worse prognosis. J Cardiovasc Magn Reson 2017; 19(1): 98</p>
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