
©
Getty Images/iStockphoto
Interventionelle Therapie zur Verhinderung von Schlaganfall
Jatros
Autor:
Prim. Dr. Josef Aichinger
Interne 2 – Kardiologie, Angiologie & Interne Intensivmedizin <br>Ordensklinikum Linz Elisabethinen<br>E-Mail: josef.aichinger@ordensklinikum.at
30
Min. Lesezeit
01.03.2018
Weiterempfehlen
<p class="article-intro">Die Guidelines einen Verschluss des offenen Foramen ovale (PFO) betreffend waren bislang sehr zurückhaltend in Richtung einer Empfehlung, eine interventionelle Therapie einzusetzen. Im September 2017 sind nun im „New England Journal of Medicine“ drei wegweisende Studien erschienen, die das therapeutische Vorgehen gewiss entscheidend beeinflussen werden. Der Vorhofohrverschluss wird in Guidelines bereits als schwache IIb-Empfehlung unter besonderen Umständen (bei Kontraindikation gegen orale Antikoagulanzien und hohem Embolierisiko) geführt, in Anbetracht der möglichen interventionellen Risiken ist meines Erachtens diese Zurückhaltung durchaus gerechtfertigt.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li><span xml:lang="de-DE">Die jüngsten Studien bei kryptogenem Schlaganfall und offenem </span><span xml:lang="de-DE">Foramen ovale haben überzeugend</span><span xml:lang="de-DE"> und hochsignifikant die Überlegenheit des PFO-Verschlusses gegenüber Plättchenhemmern (war die bisherige ­Guideline-Empfehlung) gezeigt und müssen Eingang in neu ­formulierte Richtlinien finden.</span></li> <li><span xml:lang="de-DE">Dies insbesondere bei großem Shunt auf Vorhofebene und ­Vorhofseptumaneurysma!</span></li> <li><span xml:lang="de-DE">Bei Vorhofflimmern und hohem Embolierisiko (CHADS VASc) begleitet von hohem Blutungsrisiko (HAS BLED) ist der interventio­nelle Verschluss des Vorhofohrs eine wertvolle Alternative zur ­Antikoagulation, aufgrund des doch zu beachtenden interven­tionellen Risikos jedoch in sorgsamer Abwägung von Nutzen und Risiko (IIb).</span></li> </ul> </div> <h2>PFO-Verschluss</h2> <p><strong>Guidelines</strong></p> <p>Bislang verfügbare Guidelines (ACCP 2012, AHA/ASA 2014)<sup>1, 2</sup> haben zur Therapie und Prophylaxe von Schlaganfall bei bereits abgelaufenem kryptogenem Schlaganfall lediglich den Einsatz einer Antiplättchentherapie empfohlen (Abb. 1) und festgehalten, dass es keinen Vorteil durch den Verschluss des PFO gäbe. Einzig bei Schlaganfall und gleichzeitig nachgewiesener tiefer Beinvenenthrombose könne man (Empfehlungsgrad IIb) auch den Verschluss des PFO erwägen. Die praktischen Überlegungen hinter dieser Empfehlung beruhen sicher auf der hohen Prävalenz eines offenen PFO in der Bevölkerung (ca. 30 % ), der Einschätzung, dass das PFO zu den sehr seltenen Ursachen für einen embolischen Insult zählt,<sup>3</sup> und vor allem darauf, dass in allen bis zur Publikation der Guidelines vorliegenden Studien kein signifikanter Benefit durch den Verschluss des PFO nachgewiesen werden konnte (Tab. 1).<sup>4–6</sup> Allerdings gab es auch bereits damals klare Hinweise zugunsten des PFO-Verschlusses:<br />1. Die kleinen Fallzahlen an Ereignissen verhinderten zwar, dass die vorliegenden Studien Signifikanz erreichten, Metaanalysen zeigten jedoch sehr wohl einen klaren Vorteil für den PFO-Verschluss.<sup>7</sup><br />2. Im RESPECT Trial<sup>6</sup> hatten in der PFO-Gruppe 3 der 9 Patienten den Insult schon vor der Implantation des Devices erlitten, sodass diese in der „Intention to treat“-Analyse der Gruppe des PFO-Verschlusses zugerechnet wurden, obwohl sie das Device nicht erhalten hatten, in der Analyse „as treated“ wäre das RESPECT Trial signifikant zugunsten des PFO-Verschlusses ausgefallen. <br />3. Der kurze Beobachtungszeitraum nach PFO-Verschluss (2–4 Jahre) kann den wahren Vorteil nicht gerecht darstellen, da viele der Ereignisse erst deutlich später auftreten.<sup>8</sup> Wird dies berücksichtigt, so zeigt sich bei einer Beobachtungszeit von 10 Jahren ein deutlicher Vorteil des PFO-Verschlusses in der Verhinderung von Schlaganfall (0,6 vs. 1,2 % ) und TIA (0,5 vs. 2,2 % ) gegenüber der Antiplättchentherapie.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1801_Weblinks_s22_1.jpg" alt="" width="1417" height="884" /><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1801_Weblinks_s22_2.jpg" alt="" width="1419" height="2136" /></p> <p><strong>Neue Studien</strong></p> <p>Gänzlich überholt wurden die letzten Guideline-Empfehlungen jedoch durch drei rezent im September 2017 im „New England Journal of Medicine“ publizierte randomisierte Studien, wobei jede einzelne Studie einen signifikanten Vorteil des PFO-Verschlusses im Vergleich zur Antiplättchentherapie aufwies (Tab. 2):<br />Im CLOSE Trial<sup>9</sup> wurden 663 Patienten 1:1:1 in drei Gruppen randomisiert – PFO vs. Antiplättchentherapie vs. orale Antikoagulanzien – mit einem Follow-up von 5,3 Jahren. Die Auswertung ergab eine Schlaganfallrate bei PFO-Verschluss von 0, bei der Antiplättchentherapie von 4,9 % (p<0,001), wobei ein verlässlicher Vergleich zu OAK nicht vorgelegt wurde. Daraus ergibt sich eine „number needed to treat“ (NNT) von 20; damit sind 20 Patienten mit einem PFO-Schirm zu behandeln, um einen Schlaganfall in 5 Jahren zu verhindern. Von neu aufgetretenem Vorhofflimmern wurde bei 4,6 % der Patienten berichtet, allerdings traten alle in den ersten Monaten nach Intervention auf und kein Vorhofflimmern persistierte über 6 Monate hinweg.<br />Das REDUCE Trial<sup>10</sup> randomisierte 664 Patienten hinsichtlich PFO-Verschluss vs. Antiplättchentherapie über einen Zeitraum von 3,2 Jahren mit dem Ergebnis von 1,4 % Schlaganfällen in der PFO-Gruppe vs. 5,4 % in der Gruppe mit einer Antiplättchentherapie (p=0,002), das ergibt eine NNT von 28 Patienten, um einen Schlaganfall innerhalb von 3,2 Jahren zu verhindern.<br />Vom RESPECT Trial wurden nun im Rahmen des RESPECT long-term Trial<sup>11</sup> auch Langzeit-Follow-up-Daten (5,9 Jahre) veröffentlicht, die für den PFO-Schirm 0,58 und für die Antiplättchentherapie 1,07 Schlaganfälle pro 100 Patientenjahre auswies (p=0,046).<br />Im Unterschied zu den vorangegangenen Studien konnte zudem gezeigt werden, dass besonders große Shuntvolumina über dem PFO sowie ein Vorhofseptum­aneurysma ein vielfach erhöhtes Risiko für einen Rezidivinsult nach kryptogenem Schlaganfall darstellen – was man ja an sich auch vermutet hatte. Mit allen nun vorliegenden Ergebnissen wird man die Richtlinien für „kryptogenen Schlaganfall und PFO“ neu formulieren müssen.</p> <p><strong>Limitationen</strong></p> <p>Da sich die Therapieempfehlungen bei kryptogenem Schlaganfall und PFO bislang alleine auf Antiplättchentherapie beschränkten, gibt es nur den Vergleich von PFO-Verschluss vs. Antiplättchentherapie, nicht jedoch den Vergleich mit oraler Antikoagulation oder NOAK, der durchaus anders ausfallen könnte. In den Studien wurden die Risiken (VHF) als sehr begrenztes Ereignis (nicht mehr nach 6 Monaten post implantationem) beschrieben, über die sehr seltenen Berichte von Spät­arosion der Aorta mit meist fatalem Ausgang kann nicht wirklich verlässlich Auskunft gegeben werden.</p> <h2>Verschluss des linken Herzohrs</h2> <p>Im Unterschied zum PFO-Verschluss, der nur bei einem Ausschluss von Vorhofflimmern indiziert ist, besteht eine Indikation zum Verschluss des linken Herzohrs (LAA-Verschluss) nur bei Vorhandensein von Vorhofflimmern. Als Emboliequelle im linken Vorhof wird zu 90 % der LAA (linksatriale Aurikel) angesehen, sodass dessen Verschluss eine deutliche Reduktion der Embolieereignisse erwarten lässt. Dazu gibt es mittlerweile verschiedene Devices, von denen die gängigsten das Watchman-Device und das Amplatzer-Device sind. <br />Eine prospektiv randomisierte Studie liegt lediglich für das Watchman-Device vor,<sup>12</sup> für das auch bereits vielversprechende Langzeitresultate vorgestellt wurden.<sup>13</sup> Dabei wurden 700 Patienten mit CHADS-VASc-Score >1 in je eine Gruppe mit Watchman vs. Warfarin im Verhältnis 2:1 randomisiert. Untersucht wurde der kombinierte Endpunkt Schlaganfall, Embolie, kardiovaskulärer Tod und Gesamtmortalität. Hinsichtlich der Effektivitäts­endpunkte war das Watchman-Device Warfarin „nicht unterlegen“ und erfüllte sogar die „Superiority“-Kriterien. Die Interventionsrisiken waren erwartungsgemäß in der ersten Zeit nach Implantation beim Device höher, über die Jahre nähert sich aber das „Safety“-Kriterium des Watchman dem von Warfarin an, jedoch mit einem deutlichen Benefit bezüglich der Embolien, Schlaganfälle und Mortalität. So kann man davon ausgehen (Abb. 2; Diagramm PROTECT-AF-4-Jahres-Daten), dass auch der interventionelle Vorhofohrverschluss seinen Platz in der Protektion vor embolischen Insulten findet. Allerdings ist eine weitere Reduktion der Risiken für die Implantation dieses Devices vor einer breiteren Anwendung durchaus wünschenswert. Die Rate erfolgreicher Implantationen ist mit über 95 % zwar sehr hoch und auch die Rate von „major ­adverse cardiac events“ konnte von 7,7 % (WATCHMAN-Pilotstudie) auf 2,6 % ­(PREVAIL-Studie) gesenkt werden, sowie die Rate von Perikardtamponaden von 2,7 % auf 1,5 % , dennoch gehört diese Prozedur weiterhin zu jenen am Herzen, die zu den höchsten Raten möglicher Komplikationen führen. David Zweiker wird in absehbarer Zeit die Ergebnisse der ersten 157 LAAO-Devices in Österreich vorstellen, dem ich natürlich nicht vorgreifen darf und auch nicht will, aber die Daten werden in dieselbe Richtung gehen wie die oben beschriebene.<br />Die Studien zu den Herzohrverschlüssen wurden allesamt im Vergleich zu Warfarin (VK-Antagonisten) durchgeführt, nicht jedoch zu den NOAK, die in deren großen Studien bei VHF einen Vorteil verglichen mit VK-Antagonisten gezeigt haben. Es ist durchaus denkbar, dass sich der „Benefit-Abstand“ für den LAA-Verschluss mit diesen Vergleichsmedikamenten verringern wird. Einen direkten Vergleich gibt es nicht, aber eine aufwendige Metaanalyse, die Warfarin als „Vergleichsbrücke“ zwischen den NOAK-Studien und den LAAO-Studien verwendet.<sup>14</sup> Dieser zufolge bringt der LAA-Verschluss in der Langzeitbeobachtung auch einen Vorteil gegenüber den NOAK in der Vermeidung von Blutungsereignissen.<br />Mit dieser Datenlage halte ich die vorsichtige zurückhaltende Guideline-Empfehlung<sup>15</sup> von IIb für den Herzohrverschluss, verknüpft mit der Bedingung von Kontraindikationen gegen oder von sehr hohem Blutungsrisiko bei oraler Antikoagulation, für weise und den Realitäten entsprechend.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Lansberg MG et al.: Chest 2012; 141: e601S-636S <strong>2</strong> Kernan WN et al.: Stroke 2014; 45(7): 2160-236 <strong>3</strong> Adams HP et al.: Stroke 1993; 24: 35-41 <strong>4</strong> Furlan AJ et al.: NEJM 2012; 366(11): 991-9 <strong>5</strong> Meier B et al.: N Engl J Med 2013; 368(12): 1083-91 <strong>6</strong> Caroll JD et al.: N Engl J Med 2013; 368(12): 1092-100 <strong>7</strong> Agarwal S et al.: JACC Cardiovasc ­Interv 2012; 5: 777-89 <strong>8</strong> Wahl A et al.: Circulation 2012; 125(6): 803-12 <strong>9</strong> Mas JL et al.: N Engl J Med 2017; 377(11): 1011-21 <strong>10</strong> Sondergaard L et al.: N Engl J Med 2017; 377(11): 1033-42 <strong>11</strong> Saver JL et al.: N Engl J Med 2017; 377(11): 1022-32 <strong>12</strong> Holmes DR et al.: 2009; 374(9689): 534-42 <strong>13</strong> Reddy VY et al.: JAMA 2014; 312 (19): 1988-98 <strong>14</strong> Li X: Heart Rhythm 2016; 3(6): 1203-14 <strong>15</strong> Camm AJ et al.: Eur Heart J 2012; 33(21): 2719-47</p>
</div>
</p>
Das könnte Sie auch interessieren:
ESC gibt umfassende Empfehlung für den Sport
Seit wenigen Tagen ist die erste Leitlinie der ESC zu den Themen Sportkardiologie und Training für Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen verfügbar. Sie empfiehlt Training für ...
ESC-Guideline zur Behandlung von Herzvitien bei Erwachsenen
Kinder, die mit kongenitalen Herzvitien geboren werden, erreichen mittlerweile zu mehr 90% das Erwachsenenalter. Mit dem Update ihrer Leitlinie zum Management kongenitaler Vitien bei ...
Inclisiran bei Patienten mit Statinintoleranz wirksam und sicher
Eine Analyse statinintoleranter Patienten aus dem Phase III Studienprogramm ORION zeigt, dass Inclisiran die LDL-Cholesterinspiegel kardiovaskulärer Hochrisikopatienten, die kein Statin ...