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Implantierbare Kardioverter-Defibrillatoren (ICD)

ICD – neue Indikationen und neue Technologien

Die kardiale Devicetherapie ist von ständigem Fortschritt geprägt. In den letzten beiden Jahren hat sich zudem in der Primärprävention bei nichtischämischer Herzkrankheit die Indikationsstellung geändert.

Keypoints

  • Neue extravaskuläre ICD-Systeme ermöglichen eine ähnliche Sicherheit wie transvenöse Systeme, jedoch mit weniger Problemen als transvenöse Sonden. Mögliche Nachteile müssen in der Entscheidung berücksichtigt werden.

  • Bei Patient:innen mit nicht-ischämischer Kardiomyopathie ist eine breite Abklärung mittels MRT und oft auch Genetik notwendig, um das Risiko für ventrikuläre Rhythmusstörungen adäquat beurteilen zu können.

  • Selbst bei nur leicht reduzierter Linksventrikelfunktion oder niedrigem Risiko nach klassischen Risikoscores ist abhängig von Genotyp, Phänotyp und Anamnese bei Kardiomyopathien eine ICD-Therapie indiziert.

  • Die Ablation stellt bei Patienten mit ischämischer Herzkrankheit, normaler Linksventrikelfunktion und hämodynamisch tolerierter ventrikulärer Tachykardie die präferierte Alternative zum ICD dar.

Neue Technologien

Seit mehreren Jahrzehnten werden implantierbare Defibrillatoren zur Behandlung von Patient:innen, die ein erhöhtes Risiko für lebensbedrohliche Herzrhythmusstörungen haben, eingesetzt. Das klassische transvenöse System, bestehend aus einem subkutan implantierten Aggregat und einer Hochvoltsonde, die im rechten Ventrikel positioniert wird, oft kombiniert mit einer rechtsatrialen und/oder linksventrikulären Sonde, hat durch ständige Fortschritte ein nahzu ideales Design erreicht. Dieses wurde in einer Arbeit von Mark E. Josephson, Mitbegründer der modernen Elektrophysiologie und kardialen Device-Therapie, bereits vor 30 Jahren beschrieben:1

  • Positionierung der Sonden ohne die Notwendigkeit einer Thorakotomie,

  • subpektorale bzw. subkutane Generatorpositionierung,

  • programmierbare Therapiemöglichkeiten,

  • verbesserte diagnostische Spezifität, basierend auf intrakardialem Elektrokardiogramm,

  • verbesserte Integration von Systemen, die eine Bradykardie und eine Tachykardie erkennen und behandeln können,

  • und eine verbesserte Speicherung von Elektrokardiogrammen mit telemetrischer Übertragung der Aufzeichnungen.

Nachteile transvenöser Systeme

Dennoch hat das Design des transvenösen Systems mehrere Nachteile, die insbesondere bei jüngeren Patient:innen, die das Gerät mitunter Jahrzehnte lang implantiert haben, zu Problemen führen können: Sonden können an Prädilektionsstellen nach mehreren Jahren brechen oder sich in der Blutbahn infizieren und zur lebensbedrohlichen Endokarditis führen. In beiden Fällen ist üblicherweise eine Sondenextraktion notwendig, die heutzutage zwar meistens interventionell ohne Sternotomie durchgeführt werden kann, aber dennoch mit einem erhöhten perioperativen Risiko einhergeht.2

Alternative: subkutane ICD

Um diesem Risiko zu entgehen, hat sich in den letzten Jahren als Alternative der subkutane ICD etabliert. Die rezent publizierte PRETORIAN-Studie, die die Nichtunterlegenheit des subkutanen ICDs zeigte, fasst gleichzeitig die Vor- und Nachteile von extravaskulären ICDs zusammen: Einerseits besteht keine Gefahr von Sondenproblemen im Gefäßsystem, somit keine Gefahr einer schweren Blutung oder eines Pneumothorax bei der Implantation sowie kein erhöhtes Risiko für Endokarditis im Verlauf. Andererseits kann kein intrakardiales EKG abgeleitet werden, was die Gefahr für die falsche Interpretation des Herzrhythmus erhöht (z.B. durch Artefakte oder T-Wellen-Oversensing). In der Studie zeigte sich eine numerisch höhere Rate an unangemessenen Therapien. Außerdem ist mit dem typischen subkutanen ICD kein antitachykardes Pacing möglich, das eine schmerzärmere und weniger belastende Therapie von tachykarden Rhythmusstörungen darstellt.

Im Jahr 2023 wurde ein zweiter extravaskulärer ICD zugelassen, bei dem die Sonde nicht subkutan über dem Sternum implantiert wird, sondern unter dem Sternum getunnelt wird und somit substernal liegt. Der geringere Abstand zwischen der Sonde und dem Herzen ermöglicht einerseits antitachykardes Pacing, andererseits Backup-Pacing bei Bradykardien und es wird eine geringere Energie für den Schock benötigt. Da somit nur eine kleinere Batterie bzw. Kondensator notwendig ist, kann das Aggregat kleiner gebaut werden und stört den/die Patient:inweniger.

Um ein antitachykardes Pacing beim etablierten subkutanen ICD-System zu ermöglichen, wird in Zukunft der subkutane ICD um eine Kapsel erweitert werden können, die im rechten Ventrikel implantiert wird und vom ICD direkt angesprochen werden kann, um antitachykardes Pacing (ATP) abzugeben.

LifeVest

Bei Patient:innen mit erhöhtem Risiko für ventrikuläre Rhythmusstörungen steht außerdem die Möglichkeit der Therapie mittels tragbarer Defibrilatorweste (LifeVest) zu Verfügung. Diese „Schockweste“ hat mehrere Indikationen:3

  • Patient:innen mit akuten Problemen ihres implantierten Geräts, z.B. bei Geräte-Infektion nach Explantation oder bei Fehlfunktion,

  • Patient:innen mit transient erhöhtem Risiko für Rhythmusstörungen, z.B. akute Myokarditis mit malignen Arrhythmien oder hochgradig reduzierter Linksventrikelfuntkion; Peripartum-Kardiomyopathie mit hochgradig reduzierter Linksventrikelfunktion,

  • Patient:innen mit erhöhtem Herztodrisiko (z.B. nichtischämischer Kardiomyopathie sowie reduzierter Linksventrikelfunktion), wenn die Diagnose noch nicht gestellt ist,

  • Patient:innen mit ischämischer Herzkrankheit, hochgradig reduzierter Linksventrikelfunktion in den ersten 40 Tagen nach Myokardinfarkt oder in den ersten 90 Tagen nach PCI oder Bypass-Operation,

  • Patient:innen auf der Herztransplantations-Warteliste.

Bei der Schockweste entfällt zwar das Risiko einer Implantation, jedoch besteht wie beim extravaskulären ICD die Gefahr von unangemessenen Schocks, und die Effektivität ist abhängig von der täglichen Tragedauer des ICDs, wobei für das Tragen die Mitarbeit des Patienten/der Patientin notwendig ist.

Eine Übersicht über die Vor- und Nachteilen der jeweiligen Systeme zeigt Tabelle 1.

Tab. 1: Vor- und Nachteile der verschiedenen ICD-Systeme

Neue Indikationen

Die im Folgenden dargestellten neuen Indikationen zum Einsatz von ICDbasierend auf den Leitlinien der europäischen kardiologischen Gesellschaft für ventrikuläre Arrhythmien und plötzlichen Herztod3 sowie jenen für Kardiomyopathien.4

Ischämische Herzerkrankung

Bei Patient:innen mit spezifischen Herzerkrankungen, die mit einem erhöhten Risiko für Rhythmusstörungen einhergehen, hat sich die primärprophylaktische Indikationsstellung in den letzten Jahren geändert. Bei ischämischer Herzerkrankung scheint die reduzierte Linksventrikelfunktion (Ejektionsfraktion ≤35%) der wesentliche Faktor für das Risiko von Rhythmusstörungen zu sein (weiterhin Klasse-IA-Indikation). Weitere Faktoren, wie z.B. Late Gadolinium Enhancement in der kardialen Magnetresonanztomographie, haben in rezenten Studien die Prädiktion für Rhythmusstörungen bei bestehender ischämischer Herzerkrankung nicht verbessert. Möglicherweise wird die PROFID-EHRA-Studie eine Änderung bringen, die ein neues Prädiktionsmodell untersucht, das klinische und radiologische Daten in die Entscheidung einer ICD-Implantation involviert.

Kardiomyopathien mit nichtischämischer Genese

Bei Patient:innen mit Kardiomyopathie nichtischämischer Genese bieten die erstmals erschienenen Leitlinien über Kardiomyopathien eine Orientierung.4 Kardiomyopathien werden darin in 5 verschiedene Phänotypen eingeteilt (Abb. 1):

  1. Hypertrophe Kardiomyopathie

  2. Dilatative Kardiomyopathie

  3. Nichtdilatative linksventrikuläre Kardiomyopathie

  4. Arrhythmische rechtsventrikuläre Kardiomyopathie

  5. Restriktive Kardiomyopathie

Abb. 1: Key aspects in the evaluation and management of cardiomyopathies. ARVC, arrhythmogenic right ventricular cardiomyopathy; CMR, cardiac magnetic resonance; DCM, dilated cardiomyopathy; GDMT, guideline-directed medical therapy; HCM, hypertrophic cardiomyopathy; HF, heart failure ICD, implantable cardioverter defibrillator; LVOTO, left ventricular outflow tract obstruction; MCS, mechanical circulatory support; NDLVC, non-dilated left ventricular cardiomyopathy; PVR, pulmonary vascular resistance; RCM, restrictive cardiomyopathy; SCD, sudden cardiac death (aus Arbelo E et al. 2023)4

Reduzierte Linksventrikelfunktion

In der Primärprophylaxe wird bei Kardioymopathien und reduzierter Linksventrikelfunktion (Ejektionsfraktion ≤35%) nicht mehr generell ein ICD empfohlen (Downgrade der Empfehlungsklasse von I zu IIa), insbesondere da die rezente DANISH-Studie keinen Mortalitätsbenefit in der ICD-Gruppe zeigen konnte.5 Im Gegensatz dazu steigt der Stellenwert der Anamnese, der kardialen Magnetresonanztomografie und der Genetik. Mithilfe dieser Werkzeuge sollen Patienten mit normaler oder nur leicht reduzierter Linksventrikelfunktion identifiziert werden, die von einer ICD-Therapie profitieren. Eine strukturierte Anamnese inklusive Familienanamnese und eine kardiale Magnetresonanztomografie werden aus diesem Grund bei der initialen Evaluierung jeder Kardiomyopathie empfohlen.

Hypertrophe Kardiomyopathie

Bei erwachsenen Patient:innen mit hypertropher Kardiomyopathie wird üblicherweise der HOCM-Risikoscore zur Evaluierung des Langzeit-Arrhythmierisikos herangezogen. Dieser gibt auch direkte Empfehlungen zur primärprophylaktischen ICD-Implantation. Ungeachtet des Ergebnisses des Risikoscores wurden jedoch drei weitere Risikofaktoren identifiziert, die eine ICD-Implantation selbst bei Niedrigrisikopatient:innen als Option erscheinen lassen: ein signifikantes Late Gadolinium Enhancement (≥15%) in der kardialen Magnetresonanztomografie, eine leichtgradig reduzierte Linksventrikelfunktion (Ejektionsfraktion <50%) oder ein linksventrikuläres apikales Aneurysma.

Dilatative Kardiomyopathie

Bei der dilatativen Kardiomyopathie spielen abseits der Linksventrikelfunktion die Genetik, Late Gadolinium Enhancement und Synkopen in der Vorgeschichte eine wesentliche Rolle. Somit sollte bei Patient:innen mit einem Hochrisiko-Gen (z.B. LMNA-Mutation) und einer positiven Anamnese hinsichtlich Synkopen bereits bei nur leicht reduzierter Linksventrikelfunktion ein ICD überlegt werden (Empfehlungsklasse IIa).

Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie

Bei Patienten mit arrhythmogener rechtsventrikulärer Kardiomyopathie und Synkope und/oder LGE sollte ebenso an eine ICD-Implantation gedacht werden.

Sekundärprävention

In der Sekundärprävention gilt weiterhin, dass bei der Vorgeschichte einer anhaltenden hämodynamisch relevanten ventrikulären Rhythmusstörung ohne reversible Ursache die Indikation zur ICD-Implantation besteht. Bei Patient:innen mit ischämischer Herzkrankheit hat jedoch die Ablation von ventrikulären Rhythmusstörungen einen höheren Stellenwert bekommen. Bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit, guter Linksventrikelfunktion und hämodynamisch tolerierter, anhaltender ventrikulärer Tachykardie (VT) wird deshalb empfohlen, eine VT-Ablation durchzuführen (IIa-Indikation); nur bei Nichtverfügbarkeit eines erfahrenen VT-Ablationszentrums soll bei diesen Patient:innen eine ICD-Implantation überlegt werden.

Fazit

Mansieht in den letzten Jahren einen Trend in der Indikationsstellung für einen ICD hin zu einem multifaktoriellen Zugang bei nichtischämischer Kardiomyopathie sowie einem Zugang Richtung Ablationstherapie als Alternative zum ICD bei ischämischer Herzkrankheit und hämodynamisch tolerierter VT. Neue Ansätze wie extravaskuläre Systeme erleichtern den Einsatz der ICD-Therapie bei Patient:innen mit jungem Alter und langer ICD-Therapie, wenngleich die Nachteile bedacht werden müssen.

1 Callans DJ, ME Josephson: Future developments in implantable cardioverter defibrillators: the optimal device. Prog Cardiovasc Dis 1993; 36(3): 227-44 2 Zweiker D et al.: Step by Step through the Years—High vs. Low Energy Lead Extraction Using Advanced Extraction Techniques. J Clin Med 2022; 11(16): 4884 3 Zeppenfeld K et al.: 2022 ESC Guidelines for the management of patients with ventricular arrhythmias and the prevention of sudden cardiac death. Eur Heart J 2022; 43(40): 3997-4126 4 Arbelo E et al.: 2023 ESC Guidelines for the management of cardiomyopathies. Eur Heart J 2023; 44(37): 3503-3626 5 Kober L et al.: Defibrillator implantation in patients with nonischemic systolic heart failure. N Engl J Med 2016; 375(13): 1221-30

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