
Hohes Blutungsrisiko nach PCI: Ein Monat DAPT ist genug
Bericht:
Reno Barth
Die Studie MASTER DAPT zeigt, dass Patienten, die aufgrund ihres hohen Blutungsrisikos nach einer perkutanen Koronarintervention (PCI) nur für einen Monat eine duale Anti-Plättchentherapie (DAPT) bekommen, im Vergleich zur Standard-DAPT kein höheres kardiovaskuläres Risiko, dabei aber signifikant weniger Blutungskomplikationen haben.1
Leitlinien empfehlen vorsichtiges Vorgehen bei Patienten mit hohem Blutungsrisiko
Bei Patienten mit hohem thromboembolischem Risiko und hohem Blutungsrisiko sind gerinnungshemmende Maßnahmen immer und grundsätzlich einer heiklen Abwägung von Vor- und Nachteilen zu unterwerfen. Dies gilt beispielsweise für Patienten mit hohem Blutungsrisiko im Falle einer koronaren Stentimplantation, für die die Leitlinien ein vorsichtiges Vorgehen mit verkürzter dualer Anti-Plättchen-Therapie (DAPT) empfehlen.2,3 Allerdings gilt für diese Empfehlung lediglich ein Evidenz-Level C, daher werden prospektive Studien dringend benötigt, um ein geeignetes Regime für Patienten mit einem hohen Blutungsrisiko nach PCI zu definieren. Bislang wurden solche Patienten allerdings aus den meisten Studien zur DAPT ausgeschlossen. Eine Post-hoc-Analyse der verfügbaren randomisierten Studien, die längere und kürzere DAPT verglichen haben, zeigt, dass Patienten mit hohem Blutungsrisiko unter verlängerter DAPT häufig bluten und zugleich keinen Vorteil aus der Therapie ziehen.4
MASTER DAPT: prospektive Studie zum Risiko/Nutzen-Verhältnis
Dies wurde nun prospektiv in der zeitgleich im „New England Journal of Medicine“ publizierten Studie MASTER DAPT untersucht, deren Ergebnisse in einer Hot Line Session des ESC präsentiert wurden. Die Studie wurde in einer Population von Patienten mit hohem Blutungsrisiko durchgeführt, denen ein Sirolimus freisetzender, biologisch abbaubarer Stent implantiert wurde. MASTER DAPT war als Nichtunterlegenheitsstudie mit einer darauf folgenden Auswertung in Richtung Überlegenheit ausgelegt. Die 4579 Patienten aus 30 Ländern wurden 29 bis 44 Tage nach der erfolgreichen PCI 1:1 randomisiert und erhielten entweder über weitere fünf Monate eine DAPT oder wurden unverzüglich auf eine einfache Anti-Plättchen-Therapie umgestellt. Rund ein Drittel der Patienten erhielt zusätzlich eine orale Antikoagulation.
Die drei primären Endpunkte der Studie waren ein Komposit aus Gesamtmortalität, Myokardinfarkt, Schlaganfall und schweren oder klinisch relevanten nicht schweren Blutungen („net adverse clinical events“); der Komposit aus Gesamtmortalität, Myokardinfarkt und Schlaganfall („major adverse cardiac and cerebral events“) sowie schwere oder klinisch relevante nicht schwere Blutungen in der Zeit zwischen Randomisierung und Tag 355.
Für 4547 (99,3%) Patienten waren Daten über das gesamte Follow-up verfügbar. Die Studie zeigte für die verkürzte DAPT die Nichtunterlegenheit hinsichtlich „net adverse clinical events“ sowie „major adverse cardiac and cerebral events“ sowie die Überlegenheit hinsichtlich der Blutungskomplikationen. „Net adverse clinical events“ traten bei 165 (7,5%) der Patienten mit verkürzter DAPT und 172 (7,7%) der Patienten in der Standard-DAPT-Gruppe ein (HR 0,97; 95% CI: 0,78–1,20). Mit verkürzter DAPT hatten 133 (6,1%) Patienten ein „major adverse cardiac or cerebral event“ im Vergleich zu 132 (5,9%) der Patienten unter Standard-DAPT. Hinsichtlich der Blutungskomplikationen war die verkürzte DAPT der längeren DAPT mit einer Risikoreduktion von rund einem Drittel signifikant überlegen (HR 0,68; 95% CI: 0,55–0,84; p<0,001).
Die Konsequenzen aus diesen Daten sind, so Studienleiter Prof. Dr. Marco Valgimigli von der Cardiocentro Ticino Stiftung in Lugano: „Patienten mit einem hohen Blutungsrisiko haben keinen Vorteil von einer verlängerten DAPT und sollten daher nur über einen Monat eine DAPT erhalten.“
Quelle:
ESC-Kongress 2021, The Digital Experience, 27.–30.8.2021
Literatur:
1 Valgimigli M et al.: Dual antiplatelet therapy after PCI in patients at high bleeding risk (MASTER DAPT). N Engl J Med. 10.1056/NEJMoa2108749 2 Collet JP et al.: 2020 ESC Guidelines for the management of acute coronary syndromes in patients presenting without persistent ST-segment elevation. Eur Heart J 2021; 42: 1289-367 3 Valgimigli M et al.: 2017 ESC focused update on dual antiplatelet therapy in coronary artery disease developed in collaboration with EACTS. Eur Heart J 2018; 39: 213-25 4 Navarese EP et al.: Optimal duration of dual antiplatelet therapy after percutaneous coronary intervention with drug eluting stents: meta-analysis of randomised controlled trials. BMJ 2015; 350: h1618
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