<p class="article-intro">Der Kongress Heart Failure 2016 in Florenz war eindeutig von den neuen ESC-Herzinsuffizienz-Guidelines dominiert. Die Bewertung von Sacubitril/ Valsartan wurde mit grosser Spannung erwartet: Erstmals seit Langem wurde dieser komplett neue medikamentöse Therapieansatz in die Guidelines aufgenommen, der nicht nur einen Ersatz für den ACE-Hemmer darstellt, sondern obendrein auch noch in einem grossen Outcome-Trial (PARADIGMHF) gezeigt hat, dass er sämtliche geforderten Eigenschaften einer Herzinsuffizienztherapie erfüllt: positive Beeinflussung von Lebensqualität und Leistungsfähigkeit sowie Reduktion der Hospitalisierungsrate und der Mortalität (siehe Interview mit Prof. Christian Müller auf Seite 66).</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Neue Herzinsuffizienzuntergruppe: HFmrEF</li> <li>Neuer Diagnosealgorithmus für chronische Herzinsuffizienz</li> <li>Neuer Managementalgorithmus für akute Herzinsuffizienz</li> <li>Neue Empfehlungen für kardiale Resynchronisationstherapie</li> <li>Neue Empfehlungen bei Komorbiditäten</li> </ul> </div> <p>Doch auch abseits dieses Durchbruches in der Herzinsuffizienztherapie gibt es einige wesentliche Neuerungen in den Herzinsuffizienz-Guidelines, denen sich dieser Artikel auszugsweise widmet.</p> <h2>HFmrEF</h2> <p>Ein neuer Begriff wurde eingeführt, nämlich „heart failure with midrange EF“ (HFmrEF) für Patienten mit Herzinsuffizienz und einer linksventrikulären Auswurffraktion (LVEF) von 40–49 % . Die Herzinsuffizienzpopulation zeigt ein weites Spektrum an LVEF: ≥50 % , was üblicherweise als normal oder erhalten (preserved) bezeichnet wird (HFpEF), und reduzierte Auswurffraktion (<40 % , HFrEF). Nur für HFrEF-Patienten haben wir derzeit Therapien zur Verfügung, die zeigen konnten, dass sie Morbidität und Mortalität reduzieren. Die Patientenpopulation mit einer LVEF 40–49 % befand sich schon immer in einer Grauzone und wurde in Abgrenzung zur therapeutisch gut erforschten HFrEF-Gruppe der HFpEF-Gruppe zugeordnet. Der Tatsache, dass diese Gruppe keine normale, komplett erhaltene LVEF hat, aber gleichzeitig auch nicht der Gruppe der gut erforschten HFrEF zuzurechnen ist, wurde jetzt mit der Schaffung des Begriffs HFmrEF Rechnung getragen. Die Intention für diese neue Nomenklatur war, die Beforschung dieser Untergruppe zu stimulieren.</p> <h2>Diagnostik der HI im nicht akuten Setting</h2> <p>Es gibt einen neuen Algorithmus zur Diagnostik der Herzinsuffizienz im nicht akuten Setting. Bei Patienten, bei denen aufgrund ihrer Symptome der Verdacht auf Herzinsuffizienz besteht, wird zunächst mittels Anamnese (KHK?, arterielle Hypertonie? Chemotherapie/Strahlentherapie? Orthopnoe/paroxysmische nächtliche Dyspnoe?), Überprüfung des klinischen Status (Rasselgeräusche? Herz- geräusche? Knöchelödeme? Halsvenenstauung? Verlagerter Herzspitzenstoss?) und EKG die Wahrscheinlichkeit einer tatsächlich bestehenden Herzinsuffizienz abgeschätzt. Falls keiner dieser Befunde vorhanden und das EKG unauffällig ist, dann ist eine Herzinsuffizienz so unwahrscheinlich, dass andere Diagnosen in Betracht gezogen werden sollten. Falls irgendeiner dieser Befunde positiv ist, sollte ein natriuretisches Peptid bestimmt werden. Falls dieses normal ist, kann ebenfalls eine Herzinsuffizienz praktisch ausgeschlossen werden. Falls das natriuretische Peptid erhöht ist, sollte als Nächstes mit einer Echokardiografie der Verdacht auf Herzinsuffizienz erhärtet und nach den Ursachen gesucht werden.<br /> <br /> Dies bedeutet eine deutliche Aufwer- tung der natriuretischen Peptide (BNP, NT-proBNP) für die Diagnostik der Herzinsuffizienz. Der direkte Weg zur Echokardiografie ist somit nur mehr ss eine Alternative bei routinemässig nicht verfügbarer Bestimmung der natriuretischen Peptide.</p> <h2>Akute Herzinsuffizienz</h2> <p>Ebenso wurde ein neuer Algorithmus für das Management der akuten Herzinsuffizienz geschaffen, der an den „Time to treatment“-Ansatz beim akuten Koronarsyndrom angelehnt ist. Die möglichst frühzeitige Behandlung des Myokardinfarktes zur Verbesserung des Outcomes ist gut etabliert, und dies soll nun auch für die akute Herzinsuffizienz umgesetzt werden. Bereits im „Prehospital“-Setting soll die Diagnostik beginnen und in der Notfallaufnahme fortgesetzt werden, um rasch die adäquate Therapie einleiten zu können. Initial gilt es akut lebensbedrohliche Zustände (kardiogenen Schock, respiratorisches Versagen) zu beseitigen oder zu behandeln (medikamentöse oder mechanische Kreislaufunterstützung, Sauerstoffgabe, mechanische Beatmung). In der intermediären Phase (erste 60–120 Minuten) sollen die Auslöser der akuten Herzinsuffizienz erkannt und die entsprechende Behandlung in die Wege geleitet werden. Dieser „Time to treatment“-Ansatz ist zwar eindeutig empfohlen und klingt plausibel, ist jedoch auch gleichzeitig in den Guidelines im Kapitel „Gaps in Evidence“ erwähnt, da er bislang noch keiner prospektiven Evaluierung unterzogen wurde.<br /> Ebenso wurde für die akute Herzinsuf- fizienz ein Algorithmus basierend auf Zeichen der Stauung und/oder Hypoperfusion in die Guidelines aufgenommen. Dieser Algorithmus basiert auf Publikationen beginnend im Jahr 2003 – ist also nicht ganz neu – und wird von vielen Herzinsuffizienz- spezialisten seit Jahren verwendet. Umso notwendiger war es, ihn endlich in den Guidelines abzubilden. Die Patienten werden unterteilt je nach Vor- handensein von Stauungszeichen (peri- phere Ödeme, Aszites, Lungenstauung, Orthopnoe, gestaute Halsvenen etc.) in „wet“ oder „dry“ und nach Auftreten von Hypoperfusionszeichen (kalt- schweissig, Oligurie, Schwindel, Verwirrtheit, niedrige Pulsamplitude etc.) in „cold“ oder „warm“. Dadurch las- sen sich die Patienten für das weitere Management sehr rasch in 4 klinische Profile unterteilen. Die grosse Mehrzahl ss der Patienten präsentiert sich „wet and warm“, also mit Stauungszeichen, jedoch erhaltener Perfusion, sie können mit Diuretika und Vasodilatatoren behandelt werden. Patienten, die „dry and cold“ sind, profitieren hingegen oft von einer Flüssigkeitsgabe. Bei „dry and warm“ ist empfohlen, die orale Therapie weiter zu optimieren und an- dere Ursachen für die aktuellen Be-schwerden auszuschliessen. Am schwie- rigsten sind Patienten, die sich „cold and wet“ präsentieren, zu versorgen, diese haben auch das schlechteste Outcome. Falls der systolische Blutdruck noch erhalten ist, wird mit Diuretika und evtl. Vasodilatatoren gestartet, falls die Patienten damit therapierefraktär sind, werden positiv inotrope Substanzen empfohlen.<br /> Falls der Blutdruck <90mmHg ist, wird sofort mit positiv inotropen Substan- zen begonnen, die bei mangelhaftem Ansprechen durch einen Vasokonstriktor ergänzt werden. Je nach Verlauf kann zu einem späteren Zeitpunkt ein Diuretikum hinzugefügt werden oder bei Nichtansprechen auch eine mechanische Kreislaufunterstützung infrage kommen.</p> <h2>Gerätetherapien</h2> <p>Bei den Gerätetherapien wurde vor al- lem die Indikation für die kardiale Re- synchronisationstherapie (CRT) modifiziert. Wesentlichste Neuerung ist die Bewertung der Daten des ECHO-CRT-Trials und einer individuellen Patienten-Metaanalyse, die beide bei einer QRS-Breite <130ms eine Erhöhung der Sterberate durch CRT nahelegen. Dementsprechend ist bei QRS-Breite <130ms ein CRT kontraindiziert, was mit einer III-A-Empfehlung versehen wurde. Auch sonst gab es Änderungen: Im Gegensatz zu den Guidelines 2012 ist es für die CRT-Indikation nicht mehr relevant, welche exakte NYHA-Klasse besteht, der Patient sollte trotz optimierter medikamentöser The- rapie symptomatisch sein. Im Gegensatz dazu wurde die Rolle der QRS-Breite, der Art des Schenkelblocks und des Grundrhythmus geschärft: Bei Patienten mit Sinusrhythmus und Linksschenkelblock mit >150ms QRS-Breite (I-A-Empfehlung) und mit 130– 149ms (I-B-Empfehlung) ist die Sache eindeutig. Bei Patienten mit nicht linksschenkelblockartiger QRS- Verbreiterung (>150ms: IIa-B-Empfeh- lung, 130–149ms IIb-B-Empfehlung) fällt die Empfehlung weniger deutlich aus.<br /> Für Patienten mit Vorhofflimmern gibt es keine klaren Empfehlungen für eine CRT-Implantation mehr. Nur zwei kleine Trials haben dieses Kollektiv prospektiv untersucht, mit widersprüchlichen Ergebnissen. In einer Subgruppenanalyse aus der RAFT-Studie zeigte sich bei Vorhofflimmern kein Vorteil mit CRT-D im Vergleich zu ICD alleine, allerdings wurden weniger als die Hälfte der Patienten zumindest zu 90 % biventrikulär stimuliert. Beobachtungsstudien zeigten, dass sich bereits bei weniger als 98 % biventriku-lärer Stimulation die Prognose verschlechtert. Ob das durch Verlust der Resynchronisation (was evtl. durch Geräteumprogrammierung gelöst werden könnte), ungünstige linksventrikuläre Sondenposition (was bei der Implantation vermieden werden könnte) oder schwierigeres Pacing bei stärker geschädigtem Myokard (was durch keine der oben genannten Massnahmen vermeidbar ist) zustande kommt, ist unklar. Dementsprechend ist der Benefit von HFrEF-Patienten mit Vorhofflimmern weit weniger klar als bei Sinusrhythmus. Deshalb wird auch dazu geraten, die immer wieder vorgeschlagene AV-Knoten-Ablation, um den Patienten in der daraus entstehenden PM-Abhängigkeit biventrikulär stimulieren zu können, nur in Ausnahmefällen in Betracht zu ziehen. Derartige Ausnahmefälle sind ausgewählte Patienten mit Vorhofflimmern, bei denen die Herzfrequenz mit konventionellen Massnahmen nicht unter 110/min zu senken ist. Bei HFrEF-Patienten mit AV-Block III allerdings ist ein biventrikuläres Pacing einem rein rechtsventrikulären Pacing eindeutig zu vorzuziehen (I-A-Empfehlung).</p> <h2>Komorbiditäten</h2> <p><strong>Schlafapnoesysndrom</strong><br /> Auch bei den Komorbiditäten wurden neue Daten berücksichtigt. Im SERVE- HF Trial wurden Patienten mit HFrEF und prädominant zentraler Schlafapnoe randomisiert auf eine Therapie mit adaptiver Servo-Ventilation (ASV) oder keine spezifische Therapie des Schlafapnoesyndroms. In der Patientengruppe mit ASV waren die kardiovaskuläre und die Gesamtmortalität signifikant erhöht, sodass es nun in den Guidelines eine eindeutige Empfehlung gegen die Verwendung von ASV bei HFrEF-Patienten mit zentraler Schlaf-apnoe gibt (III B). Wie effektiv und sicher andere Therapieformen bei diversen Schlafapnoeformen und auch anderen Herzinsuffizienzpopulationen (HFmrEF, HFpEF) sind, bleibt mangels entsprechender Studien unklar.<br /> <br /><strong> Eisenmangel bei HFrEF</strong><br /> Die intravenöse Eisensubstitution mit Eisenkarboxymaltose erhielt eine IIa-A-Empfehlung zur Gabe bei HFrEF und Eisenmangel (Serumferritin <100μg/l oder Serumferritin zwischen 100 und 299μg/l, wenn die Transferrinsättigung <20 % beträgt). In der FAIR- HF-Studie wurde durch Eisenkarboxymaltose bei HFrEF- Patienten mit Eisenmangel eine subjektive Verbesserung in der Gesamtbeurteilung durch den Patienten selbst, der Lebensqualität und der NYHA-Klasse über 6 Monate erreicht. In der CONFIRM- HF-Studie wurde in einer ähnlichen Patientenpopulation ebenfalls über 6 Monate eine Besserung der Leistungsfähigkeit durch Eisenkarboxymaltose erreicht. Des Weiteren kam es zu einer Reduktion der Rate an Hospitalisierungen wegen Herzinsuffizienz (sekundärer Endpunkt). Diese Effekte wurden unabhängig vom Vorhandensein einer Anämie erreicht. Für Patienten mit einem Hämoglobinspiegel >15g/dl gibt es allerdings keine Daten. Eine Bestimmung der Parameter des Eisen- stoffwechsels bei HFrEF-Patienten und gegebenenfalls Substitution ist routinemässig empfohlen. Für Patienten mit einer LVEF >45 % haben wir allerdings noch keine Daten und deshalb auch noch keine Empfehlung.<br /> <br /><strong> Diabetes mellitus: Metformin</strong><br /> Zur glykämischen Kontrolle bei Diabe- tes mellitus wurde Metformin nun als sicher – im Gegensatz zur früheren Meinung – auch bei Herzinsuffizienzpatienten in die Guidelines aufgenommen und ist mit I C als First-Line-Antidiabetikum empfohlen (sofern keine schwere Nieren- oder Leberfunktionsstörung vorliegt).<br /> <br /><strong> COPD und Asthma: Sicherheit von Betablockern</strong><br /> Der – wenn auch nicht mehr ganz neu- en – Frage nach der Sicherheit von Betablockern bei COPD und Asthma wurde ebenfalls in den Guidelines mehr Raum als in der Vergangenheit gewidmet. Es besteht keine Kontraindikation für Betablocker bei COPD, wobei hier beta-1-selektive Betablocker bevorzugt werden.<br /> Die Kontraindikation für Betablocker bei Asthma, die man teilweise noch in den Fachinformationen findet, basiert auf kleinen Fallserien, die in den 1980ern und späten 1990ern publiziert wurden, wo jungen Asthmatikern hohe Startdosen an Betablockern verabreicht wurden. Bei niedrigen Startdosen mit Überwachung von Symptomen der Bronchokonstriktion sollte eine sichere Gabe der äusserst effektiven Betablocker möglich sein, insbesondere da beim typischerweise älteren Herzinsuf- fizienzpatienten ein schweres echtes Asthma bronchiale selten ist. Zitiert wird der 2015 GINA Strategy Report, in dem Asthma keine absolute Kontraindikation für eine Betablockergabe mehr darstellt. Ein Beobachtung durch einen Spezialisten und eine strenge Risiko-Nutzen-Abwägung sollten allerdings erfolgen.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Die ESC-Herzinsuffizienz-Guidelines bringen einige signifikante Neuerungen in den Empfehlungen zum Management sowohl der akuten als auch der chronischen Herzinsuffizienz. Einige davon beruhen auf neuen Daten wie bei CRT oder dem Schlafapnoesyndrom, andere auf Berücksichtigung oder Neubewertung einer schon seit Längerem bekannten Datenlage wie bei den natriuretischen Peptiden zur Diagnostik, den Betablockern bei Asthma oder bei Metformin bei Diabetes mellitus. Wieder andere sind aus reinem Expertenkonsensus entstanden und müssen erst prospektiv evaluiert werden, wie der „Time to treatment“-Ansatz bei der akuten Herzinsuffizienz. Diese neuen Guidelines bringen jedenfalls für die Praxis wertvolle Empfehlungen und stellen gleichzeitig in vielen Aspekten klar, wo es mangels Daten noch Unsicherheiten gibt und deshalb keine Empfehlung abgegeben werden kann.</p> </div></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p>Ponikowski P et al for the The Task Force for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure of the European Society of Cardiology (ESC): 2016 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Eur Heart J 2016: 14; 37(27): 2129-200.<br />doi:10.1093/eurheartj/ehw128; Epub 2016 May 20</p>
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