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Herzkatheterinterventionen bei Vorhofflimmern
Jatros
30
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20.09.2018
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<p class="article-intro">Vorhofflimmern führt zu einem massiven Anstieg des Schlaganfallrisikos und bedeutet in aller Regel eine Indikation für dauerhafte orale Antikoagulation. In speziellen Patientengruppen gibt es jedoch Alternativen zur lebenslangen medikamentösen Therapie.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>In den aktuellen Guidelines der ESC zum Thema Vorhofflimmern wird die Ablation in der Sekundärprävention empfohlen, wenn mit einer antiarrhythmischen Therapie nicht der gewünschte Erfolg erreicht wird.<sup>1</sup> Ablation kann auch bei entsprechendem Patientenwunsch als Erstlinientherapie zum Einsatz kommen (Indikation Klasse 2A). Die Katheterablation erfordert eine wirksame Antikoagulation. Laut ESCLeitlinie soll die Katheterablation unter laufender Antikoagulation durchgeführt werden. Für mindestens acht Wochen nach der Ablation soll unabhängig vom individuellen Thromboserisiko antikoaguliert werden, danach wird die Indikation zur Antikoagulation nach dem CHA<sub>2</sub>DS<sub>2</sub>- VASC-Score gestellt. Priv.-Doz. Dr. Martin Martinek vom Ordensklinikum Linz weist jedoch auf einen insgesamt geringen Evidenzgrad einiger Empfehlungen zur Antikoagulation im Zusammenhang mit Ablation hin. Dies beginnt bei der Empfehlung von acht Wochen Antikoagulation für alle Patienten, hinter der keinerlei Evidenz aus Studien, sondern lediglich ein Konsensus aus dem Jahr 2007 steht. Martinek: „Dennoch gibt es in der ESC Guideline eine Grad-B-Empfehlung, die auf nichts aufbaut.“ In den USA wurden im Jahr 2017 Leitlinien publiziert, die sich in dieser Hinsicht auf Grad C festlegen.<sup><span style="font-size: xx-small;">2</span></sup> Auch hinsichtlich der langfristigen Indikation zur Antikoagulation ist die Evidenz dünn bzw. läuft den Empfehlungen sogar entgegen. Auch in die kürzlich publizierte österreichische Leitlinie ist diese Empfehlung mit Evidenzgrad C eingeflossen.<sup>3</sup></p> <h2>Geringes Insultrisiko nach erfolgreicher Ablation</h2> <p>Martinek: „Es gibt nicht nur keine Evidenz dafür, es gibt sogar Evidenz dagegen. Wenn wir erfolgreich therapieren, dürften wir nämlich auch Schlaganfälle verhindern.“ So zeigen Registerdaten aus den USA, dass die Schlaganfallinzidenz bei Patienten nach erfolgreicher Ablation unabhängig vom CHA<sub>2</sub>DS<sub>2</sub>-VASC-Score zumindest nicht höher ist als bei Patienten, bei denen nie Vorhofflimmern diagnostiziert wurde.<sup>4</sup> Eine Vergleichsstudie aus den USA zeigte, dass Patienten nach erfolgreicher Ablation ohne Antikoagulation sogar ein etwas geringeres Schlaganfallrisiko haben als vergleichbare Patienten unter Antikoagulation.<sup>5</sup> „Die Evidenz würde also eher nahelegen, nach erfolgreicher Ablation bei einem CHA<sub>2</sub>DS<sub>2</sub>-VASC-Score von 1 oder 2 die Antikoagulation abzusetzen. Bei höherem Risiko sieht die Sache natürlich anders aus – da wären wir zu mutig, wenn wir auf die Antikoagulation verzichten.“<br /> Klarer ist die Datenlage zur Frage, ob die Antikoagulation rund um die Ablation unterbrochen und durch ein Bridging mit Heparin ersetzt werden soll. Hier lautet die Botschaft: Nein. Studiendaten zeigen für Vitamin-KAntagonisten ein deutlich erhöhtes Schlaganfallrisiko sowie mehr Blutungen im Fall des Absetzens.<sup>6</sup> Für die NOAK ist die Datenlage nicht ganz so gut, weist jedoch in die gleiche Richtung. Eine größere randomisierte Studie legt nahe, dass die Dabigatraneinnahme rund um den Eingriff ebenfalls nicht unterbrochen werden sollte. <sup>7</sup> Dementsprechend empfiehlt das österreichische Konsensus-Dokument auch das Weiterführen einer Antikoagulation mit Dabigatran mit Klasse 1, Grad-A-Empfehlung. Für Rivaroxaban besteht diesbezüglich der Evidenzgrad B, da die zugrunde liegende Studie weniger Patienten eingeschlossen hat.<sup>8</sup> Für Apixaban lagen zum Zeitpunkt der Publikation der österreichischen Leitlinie noch keine Daten aus einer randomisierten Studie vor, man konnte sich allerdings anhand von Registerdaten<sup>9</sup> auf die gleiche Empfehlung wie für die übrigen NOAK einigen. Martinek weist darauf hin, dass die mittlerweile präsentierten Ergebnisse der Studie AXAFA-AFNET 5 diese Einschätzung rechtfertigen. Für Edoxaban sind bislang nur Daten von wenigen Patienten, an denen im Verlauf der Zulassungsstudie ENGANGE AF-TIMI 48 eine Ablation durchgeführt wurde, verfügbar.<sup>10</sup> Sie sprechen ebenfalls für eine ununterbrochene Gabe des NOAK, wobei die Evidenz allerdings nur für eine Empfehlung Klasse IIa, Grad C ausreicht. Martinek: „Periinterventionelles Bridging ist damit für alle Substanzen draußen, weil es mehr Blutungen verursacht.“ Intraprozedural wird im Rahmen der PVI die Gabe von unfraktioniertem Heparin mit einer ACT über 300s empfohlen. Bei Patienten, die vor der PVI nicht therapeutisch antikoaguliert waren und auf NOAK eingestellt werden, ist die NOAK-Gabe 3-5 Stunden nach dem Erreichen der Hämostase sinnvoll und ein Bridging mit Heparin nicht indiziert. Bridging mit Heparin wird nur im heute extrem seltenen und eher theoretischen Fall empfohlen, dass ein Patient vor der PVI nicht therapeutisch antikoaguliert war und auf einen Vitamin-K-Antagonisten eingestellt werden soll.</p> <h2>Mechanischer Herzohrverschluss</h2> <p>Die interventionellen Optionen beim Vorhofflimmern erschöpfen sich allerdings nicht in der Ablation zur Beendigung des Vorhofflimmerns. Auch die Bildung von Thromben im diesbezüglich besonders problematischen Herzohr kann durch die Implantation von Devices reduziert werden, wie Dr. Lukas Fiedler von der 2. Medizinischen Abteilung am Landesklinikum Wiener Neustadt ausführt. Darüber hinaus besteht die Option, das Herzohr minimal invasiv herzchirurgisch von außen durch ein Band zu verschließen. Devices, die in das Herzohr bzw. in den Vorhof eingebracht werden, wurden von zahlreichen Firmen entwickelt. Hintergrund sind Studiendaten, die Zusammenhänge zwischen der Anatomie des Herzohrs und dem Insultrisiko zeigen.<sup>11</sup> Geht beispielsweise die Trabekulierung des Herzohrs infolge des Vorhofflimmerns verloren, so ist dies mit einem besonders hohen Embolierisiko assoziiert.<br /> Zwei dieser Devices, das „Amplatzer Amulet“ und der „Watchman“, werden aktuell in Österreich verwendet. Der Watchman wurde zunächst in der Studie PROTECT AF untersucht und erwies sich dabei im Vergleich zur Antikoagulation mit Warfarin als überlegen im Hinblick auf die Insultprävention und die Mortalität.<sup>12</sup> Fiedler: „Das klingt fast zu gut, um wahr zu sein, und tatsächlich waren in dieser Studie die schweren unerwünschten Ereignisse viel zu häufig, was dazu führte, dass die FDA diesem Device die Zulassung in den USA zunächst verweigerte.“ Die FDA verlangte eine neuerliche Studie mit erfahreneren interventionellen Kardiologen. In der Folge gelang es in der Studie PREVAIL zwar, den Sicherheitsendpunkt deutlich zu verbessern, dafür wurde der primäre Endpunkt nicht mehr erreicht. <sup>13</sup> Fiedler: „Das hat vermutlich damit zu tun, dass in PREVAIL die Ereignisrate im Warfarin-Arm extrem niedrig war.“ In einer Metaanalyse der beiden Studien blieb der Vorteil für das Device inklusiv einer Reduktion der schweren Blutungen erhalten.<sup>14</sup> Wird nur der ischämische Schlaganfall betrachtet, so liegen die Ereignisraten in etwa gleichauf mit der Antikoagulation.</p> <h2>Wenn Antikoagulation nicht möglich ist</h2> <p>In der Praxis stellen Devices jedoch meist nicht die Alternative zur Antikoagulation dar. Fiedler: „In mehr als der Hälfte der Fälle wird das Device laut Registerdaten bei Patienten eingesetzt, denen eine Antikoagulation über längere Zeit nicht zugemutet werden kann.“ Tatsächlich kommen rund 60 Prozent der Patienten nach Device-Implantation mit dualer Antiplättchentherapie aus.<sup>15</sup> Darüber hinaus habe sich mittlerweile herausgestellt, dass die interventionellen Kardiologen so gut auf das Device eingearbeitet sind, dass die Komplikationsraten deutlich gesenkt werden konnten. Fiedler: „Man ist in der ‚real world‘ in akzeptable Bereiche gekommen und kann den Patienten dieses Device guten Gewissens anbieten.“<br /> Etwas dünner ist die Datenlage für das Amplatzer Amulet, wobei die Daten, so Fiedler, in eine ganz ähnliche Richtung weisen. Registerdaten, zeigen, dass mehr als 80 Prozent der Patienten eine Kontraindikation gegen orale Antikoagulation aufweisen, die Implantation in der Regel (99 % ) problemlos verläuft und auch der Verschluss des Herzohrs fast immer gelingt. Die meisten Patienten kommen mit dualer Antiplättchentherapie aus.<br /> Fiedler betont, dass die Medikation nach der Implantation sowie langfristig von entscheidender Bedeutung ist. Gegenwärtig sei es nur bei einer kleinen Minderheit der Patienten möglich, unmittelbar nach der Implantation überhaupt nicht zu behandeln. Rund ein Viertel der Patienten benötigt orale Antikoagulation, die große Mehrheit erhält eine duale Antiplättchentherapie. Im weiteren Verlauf ist es oft möglich, die medikamentöse Therapie weiter zu reduzieren, sodass langfristig 67 % der Patienten ausschließlich ASS und 13 % überhaupt keine gerinnungshemmenden Medikamente bekommen. Fiedler: „Die Strategie muss vor der Implantation festgelegt und mit dem Patienten vereinbart werden. Für mindestens drei Monate nach Implantation wird DAPT empfohlen, die dann über 12 Monate mit ASS fortgeführt wird. Patienten mit sehr hohem Risiko sollen die OAK über 45 Tage weiter erhalten, bis die Endothelisierung des Devices abgeschlossen ist, und dann auf DAPT umgestellt werden.“ Die Empfehlung für die Devices zum Verschluss des Herzohrs ist in der ESC-Leitlinie relativ schwach.<sup>1</sup> Fiedler: „Die Vergleichsstudien zwischen den Devices und der Antikoagulation wurden mit Vitamin-K-Antagonisten durchgeführt. Wir haben mit den NOAK aber noch eine weitere Option, von der wir überlegen müssen, ob sie den Patienten nicht doch zumutbar wäre.“</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Jahrestagung der Österreichischen Kardiologischen
Gesellschaft, 6.–9. Juni 2018, Salzburg
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Kirchhof P et al.: Eur Heart J 2016; 37(38): 2893-962 <strong>2</strong> Calkins H et al.: Heart Rhythm 2017; 14(10): e275-e444 <strong>3</strong> Martinek M, Gwechenberger M, Scherr D et al.: Wien Klin Wochenschr 2018; 130(Suppl 1): 1 <strong>4</strong> Bunch TJ et al.: Heart Rhythm 2013; 10(9): 1272-7 <strong>5</strong> Themistoclakis S et al.: J Am Coll Cardiol 2010; 55(8): 735-43 <strong>6</strong> Di Biase L et al.: Circulation 2014; 129(25): 2638-44 <strong>7</strong> Calkins H et al.: N Engl J Med 2017; 376(17): 1627-36 <strong>8</strong> Cappato R et al.: Eur Heart J 2015; 36(28): 1805-11 <strong>9</strong> Di Biase L et al.: Heart Rhythm 2015; 12(6): 1162-8 <strong>10</strong> Steffel J et al.: Int J Cardiol 2017; 244: 192-195 <strong>11</strong> Iwasaki YK et al.: Circulation 2011; 124(20): 2264-74 <strong>12</strong> Holmes DR et al.: Lancet 2009; 374(9689): 534-42 <strong>13</strong> Holmes DR et al.: J Am Coll Cardiol 2014; 64(1): 1-12 <strong>14</strong> Reddy VY et al.: J Am Coll Cardiol 2017; 70(24): 2964-75 <strong>15</strong> Boersma LV et al.: Eur Heart J 2016; 37(31): 2465-74</p>
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