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Große Fortschritte in der Behandlung der akuten Herzinsuffizienz
Jatros
Autor:
Claudia Benetti
Medizinjournalistin<br/> <br/> Quelle: Herzinsuffizienz im Alltag – Herzinsuffizienz-Dreiländertreffen 2014, 2. bis 4. Oktober 2014, Bern
30
Min. Lesezeit
18.12.2014
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<p class="article-intro">Die Behandlung der akuten Herzinsuffizienz hat jahrzehntelang kaum Fortschritte gemacht. Als Hoffnungsträger sind jetzt die beiden neuen Substanzen Serelaxin und Ularitid in den Fokus gerückt. Am Herzinsuffizienz-Dreiländertreffen 2014 in Bern präsentierten namhafte Kardiologen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz die ersten vielversprechenden Daten aus klinischen Studien. Eine weitere Substanz, in die große Hoffnungen gesetzt werden, ist Levosimendan, das in der Schweiz seit 2013 unter dem Markennamen Simdax<sup>®</sup> zugelassen ist. Es ist die erste positiv inotrope Substanz, die bei akuter Herzinsuffizienz die Mortalität nicht erhöht, möglicherweise sogar reduziert.</p>
<hr />
<p class="article-content"><p>Die akute Herzinsuffizienz (AHI) ist ein heterogenes Syndrom. Die Symptome überschneiden sich mit anderen Krankheitsbildern wie der Rechtsherzinsuffizienz oder dem Lungenödem, das auch beim akuten Koronarsyndrom und beim kardiogenen Schock auftreten kann. Nur bei jeden fünften Patienten tritt die AHI als Initialereignis auf. Bei 80 % ist die AHI Ausdruck einer dekompensierten chronischen Herzinsuffizienz.<br /> Auch wenn sich viele akute Episoden heute relativ gut behandeln lassen, setzt nach einer akuten Episode ein Prozess von „Absterben auf Raten“ ein. „Das 4-Jahres-Mortalitätsrisiko steigt nach jeder akuten Dekompensation von 25 % auf 60 % an“, betonte Prof. Dr. Johann Bauersachs, Hannover, am Dreiländertreffen in Bern. Zu den Standardtherapien gehören Diuretika, Sauerstoff, Vasodilatatoren und gegebenenfalls positiv inotrope Medikamente. Die größte Bedeutung haben Sauerstoff und Schleifendiuretika. „Schon wenige Stunden nach der Gabe eines Schleifendiuretikums kommt es bei der Mehrzahl der Patienten zu einer deutlichen Verbesserung der Dyspnoe“, so Bauersachs. Eine hohe Dosis von Schleifendiuretika wirkt bei akuter Dekompensation schneller.<sup>1</sup> Die Patienten zeigen ein deutlich längeres Überleben, wenn sie zum Beispiel mit Furosemid aggressiv entstaut werden, auch wenn dies eine Hämokonzentration induziert und die Nierenfunktion kurzfristig beeinträchtigt wird.<sup>2</sup> Die Ultrafiltration bringt hingegen keine besseren Therapieerfolge, sie wirkt genauso gut wie die Pharmakotherapie mit Furosemid.<sup>3</sup><br /> Zum Schluss wies Bauersachs im Sinne eines persönlichen „Ceterum censeo“, das er seit mehreren Jahren und bestimmt noch lange verwenden werde, noch darauf hin, dass gerade bei Patienten mit schlechter Linksherzfunktion (NYHA-Klasse III–IV, linksventrikuläre Auswurffraktion <25 % ) mit Digoxin möglicherweise eine akute Dekompensation verhindert werden kann. Gheorghiade et al publizierten 2013 die bisher unveröffentlichten 2-Jahres-Follow-up-Daten der „Digitalis Investigation Group“(DIG)-Studie<sup>4</sup> von 1997. Dabei zeigte sich, dass Digoxin in dieser Patientengruppe einen deutlich positiven Einfluss auf das Outcome hat, mit einer signifikanten Reduktion des kombinierten Endpunkts (HI-bedingte Hospitalisationen und Mortalität) sowie der Gesamtmortalität und der Gesamthospitalisationsrate.<sup>5</sup> In der derzeit laufenden multizentrischen DiGIT-HF-Studie unter der Leitung von Bauersachs und Kollegen soll untersucht werden, ob Digoxin bei stabilen HI-Patienten verglichen mit Placebo tatsächlich in der Lage ist, die Rehospitalisierungsrate zu vermindern.</p> <h2>Inotrope Therapie: Nutzen und Risiken gut abwägen</h2> <p>Für die positiv inotrope Therapie stehen mit den Katecholaminen, den PDE-Inhibitoren und Levosimendan drei Substanzklassen zur Verfügung. PD Dr. Gerhard Pölzl, Innsbruck, begann sein Referat mit dem provokativen Statement „Katecholamine sind potenziell tödlich“. Tatsächlich zeigen Studien, dass HI-Patienten unter einer inotropen Therapie eine erhöhte Mortalität aufweisen.<sup>6,7</sup> Eine Metaanalyse von 14 Studien mit insgesamt 673 Patienten zeigte, dass Dobutamin die Mortalität bei schwerer AHI im Vergleich zu Placebo oder zur Standardtherapie tendenziell, wenn nicht sogar signifikant erhöht.<sup>8</sup> Die ESC-Guidelines empfehlen den Einsatz von Inotropika wie Dobutamin deshalb nur bei Patienten, deren vitale Organperfusion durch eine schwere Reduktion der kardialen Auswurfleistung beeinträchtigt ist.<sup>9</sup><br /> Wenig positiv ausgefallen sind auch die Ergebnisse einer großen Endpunktstudie mit Milrinon.<sup>10</sup> Der PDE-Hemmer zeigte keine Wirkung hinsichtlich Mortalität und Hospitalisationsdauer. Zudem weist eine Subgruppenanalyse darauf hin, dass sich Milrinon in der akuten Herzinsuffizienzsituation bei Patienten mit einer ischämischen Kardiomyopathie besonders ungünstig auf die Mortalität auswirkt.<sup>11</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2014_Jatros_Kardio_1405_Weblinks_Seite7_1.jpg" alt="" width="516" height="438" /></p> <h2>Stellenwert von Levosimendan noch offen</h2> <p>Nicht abschließend geklärt ist die Wirkung von Levosimendan. Die Substanz ist in Österreich schon seit Längerem, in der Schweiz seit 2013 zugelassen. Die ersten publizierten Daten zeigten im Vergleich zu Dobutamin und Placebo einen positiven Effekt bei Patienten mit akuter ischämischer Myopathie. Eine spätere Studie, die zeigen sollte, dass Levosimendan die Mortalität tatsächlich reduziert, konnte hinsichtlich der 180-Tage-Mortalität sowie der sekundären klinischen Endpunkte aber keinen Vorteil gegenüber Dobutamin belegen.<sup>12</sup> Eine Metaanalyse zeigte schließlich, dass Levosimendan bei AHI im Vergleich zu Dobutamin einen signifikanten Überlebensvorteil bringt, nicht jedoch gegenüber Placebo.<sup>13</sup> „Eines lässt sich aber sicher sagen: Im Gegensatz zu Dobutamin führt Levosimendan nicht zu einer Erhöhung der Mortalität bei AHI“, erklärte Pölzl. Sollte sich also der Trend bestätigen, dann wäre Levosimendan tatsächlich die erste Substanz, die bei AHI einen Mortalitätsvorteil bringt.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_data_Zeitungen_2014_Jatros_Kardio_1405_Weblinks_Seite7_2.jpg" alt="" width="258" height="482" /></p> <h2>Serelaxin senkt kardiovaskuläre Mortalität um 37 % </h2> <p>Als Hoffnungsträger gelten Serelaxin und Ularitid. Die beiden neuen Substanzen werden derzeit in klinischen Studien auf ihre Wirksamkeit und Verträglichkeit getestet. Serelaxin ist das rekombinante Peptidhormon Relaxin-2, ein natürliches Schwangerschaftshormon, das die Adaptation des Herz-Kreislauf-Systems und verschiedener Organe bewirkt und sich auch bei Nichtschwangeren und bei Männern in der Prostata nachweisen lässt. „Relaxin-2 hat verschiedene Wirkungen, die bei einer Herzinsuffizienz günstig sind“, erklärte Prof. Dr. Peter Siostrzonek, Linz. Unter anderem fördert das Molekül die NO-vermittelte Vasodilatation, hemmt die Apoptose, reduziert die Entzündung und wirkt möglicherweise auch antifibrotisch. Studien zu den hämodynamischen Effekten zeigten, dass Serelaxin den Cardiac Index kaum beeinflusst, aber den Wedge-Druck deutlich und den Blutdruck um ca. 10mmHg senkt. „Die Substanz wird man somit vermutlich nicht bei Hypotonie einsetzen können, sondern eher bei Herzinsuffizienten mit ausreichendem oder höherem Blutdruck“, kommentierte Siostrzonek.<sup>14</sup><br /> Die RELAX-AHF-Studie,<sup>15</sup> eine randomisierte, doppelblinde, multizentrische, placebokontrollierte Phase-III-Studie mit 1161 Patienten mit AHI, zeigte, dass eine Serelaxin-Infusion über 48 Stunden die Atemnot und andere klinische HI-Zeichen, wie zum Beispiel Rasselgeräusche, deutlich reduziert. Die Nierenfunktion wurde ebenfalls günstig beeinflusst. Serelaxin reduzierte verglichen mit Placebo das Risiko, innert 180 Tagen an einem kardiovaskulären Ereignis zu sterben, um 37 % . Auch das Risiko hinsichtlich der 180-Tage-Gesamtmortalität war unter Serelaxin um 37 % geringer als unter Placebo. Bestätigen sich die Resultate in der kürzlich gestarteten RELAX-AHF-2-Studie mit 6375 Patienten und dem primären Endpunkt 180-Tage-Mortalität, darf mit der Zulassung von Serelaxin als neue Therapieoption bei AHI gerechnet werden.</p> <h2>Vielversprechende Daten zu Ularitid</h2> <p>Wie Serelaxin lässt sich auch Urodilatin (generischer Name: Ularitid) bei allen in kleiner Konzentration im Blut messen. „Der wohl wichtigste hämodynamische Effekt dieses natriuretischen Peptids ist die Vasodilatation“, erklärte Prof. Dr. Christian Müller, Basel. Ularitid wirkt zudem bronchodilatatorisch, was vor allem Patienten mit Atemnot zugute kommt, es hemmt das Renin-Angiotensin-Aldosteron-System, senkt das Endothelin und verbessert die Diurese und die Natriuresis.<sup>16-18</sup> Sowohl in der SIRIUS-I-<sup>19</sup> als auch der SIRIUS-II-Studie<sup>20</sup> konnte gezeigt werden, dass Ularitid bei Patienten mit einer dekompensierten Herzinsuffizienz den Wedge-Druck innerhalb der ersten sechs Stunden zügig um 8–10mmHg senkt, was deutlich mehr ist als unter Serelaxin und den bisher zur Verfügung stehenden Substanzen. Gleichzeitig verbesserte sich auch die Dyspnoe signifikant und der Cardiac Index stieg. Auch hinsichtlich von Endorganschäden scheint Ularitid vorteilhaft zu sein, die Nierenfunktionsparameter blieben in den Studien stabil.<sup>20</sup> Schließlich war auch die 30-Tage-Mortalität deutlich niedriger als in der Placebogruppe.<sup>20</sup> „Die konsistenten und überzeugenden Daten aus den Phase-II-Studien müssen sich jetzt selbstverständlich noch in Phase-III-Studien mit harten Endpunkten, wie beispielsweise in der kürzlich gestarteten TRUE-AHF-Studie, bestätigen“, schloss Müller.</p></p>
<p class="article-quelle">Quelle: Medizinjournalistin<br/>
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Quelle:
Herzinsuffizienz im Alltag –
Herzinsuffizienz-Dreiländertreffen 2014,
2. bis 4. Oktober 2014, Bern
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<p><strong>1</strong> Felker GM et al: Diuretic strategies in patients with acute decompensated heart failure. N Engl J Med 2011; 364: 797-805<br /><strong>2</strong> Testani JM et al: Potential effects of aggressive decongestion during the treatment of decompensated heart failure on renal function and survival. Circulation 2010; 122: 265-272<br /><strong>3</strong> Bart BA et al: Ultrafiltration in decompensated heart failure with cardiorenal syndrome. N Engl J Med 2012; 367: 2296-2304<br /><strong>4</strong> Digitalis Investigation Group: The effect of digoxin on mortality and morbidity in patients with heart failure. N Engl J Med 1997; 336: 525-533<br /><strong>5</strong> Gheorghiade M et al: Effect of oral digoxin in high-risk heart failure patients: a pre-specified subgroup analysis of the DIG trial. Eur J Heart Fail 2013; 15: 551-559<br /><strong>6</strong> Mebazaa A et al: Short-term survival by treatment among patients hospitalized with acute heart failure: the global ALARM-HF registry using propensity scoring methods. Intensive Care Med 2011; 37: 290-301<br /><strong>7</strong> Elkayam U et al: Use and impact of inotropes and <br />vasodilator therapy in hospitalized patients with severe heart failure. Am Heart J 2007; 153: 98-104<br /><strong>8</strong> Taco CL et al: Dobutamine for patients with severe heart failure: a systematic review and meta-analysis of randomised controlled trials. Intensive Care Med 2012; 38: 359-367<br /><strong>9</strong> McMurray JJ et al: ESC guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure 2012. Eur Heart J 2012; 33: 1787-1847<br /><strong>10</strong> Felker GM et al: Heart failure etiology and response to milrinone in decompensated heart failure: results from the OPTIME-CHF study. J Am Coll Cardiol 2003; 41: 997-1003<br /><strong>11</strong> Cuffe MS et al: Short-term intravenous milrinone for acute exacerbation of chronic heart failure: a randomi­zed controlled trial. JAMA 2002; 287: 1541-1547<br /><strong>12</strong> Mebazaa A et al: Levosimendan vs dobutamine for patients with acute decompensated heart failure: the SURVIVE Randomized Trial. JAMA 2007; 297: 1883-1891<br /><strong>13</strong> Delaney A et al: Levosimendan for the treatment of acute severe heart failure: a meta-analysis of randomi­sed controlled trials. Int J Cardiol 2010; 138: 281-289<br /><strong>14</strong> Ponikowski P et al: A randomized, double-blind, placebo-controlled, multicentre study to assess haemodynamic effects of serelaxin in patients with acute heart failure. Eur Heart J 2014; 35: 431-441<br /><strong>15</strong> Teerlink JR et al: Serelaxin, recombinant human relaxin-2, for treatment of acute heart failure (RELAX-AHF): a randomised, placebo-controlled trial. Lancet 2013; 381: 29-39<br /><strong>16</strong> Carstens J et al: Effect of urodilatin infusion on renal haemodynamics, tubular function and vasoactive hormones. Clin Sci 1997; 92: 397-407<br /><strong>17</strong> Bestle MH et al: Cardiovascular, endocrine, and renal effects of urodilatin in normal humans. Am J Physiol 1999; 276: R684-695<br /><strong>18</strong> Flüge T et al: Bronchodilating effects of natriuretic and vasorelaxant peptides compared to salbutamol in asthmatics. Regul Pept 1995; 59: 357-370<br /><strong>19</strong> Mitrovic V et al: Effects of the renal natriuretic peptide urodilatin (ularitide) in patients with decompensated chronic heart failure: a double-blind, placebo-controlled, ascending-dose trial. Am Heart J 2005; 150: 1239<br /><strong>20</strong> Mitrovic V et al: Haemodynamic and clinical effects of ularitide in decompensated heart failure. Eur Heart J 2006; 27: 2823-2832<br /><strong>21</strong> McMurray JJ et al, PARADIGM-HF Investigators and Committees: Angiotensin-neprilysin inhibition versus enalapril in heart failure. N Engl J Med 2014; 371: 993-1004</p>
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