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Fetale kardiale Interventionen – Methode, Risiko, Outcome
Jatros
Autor:
Prim. Prof. Dr. Gerald Tulzer
Kinderherzzentrum<br>Kepler Universitätsklinikum Linz
Autor:
Prim. Priv.-Doz. Dr. Wolfgang Arzt
Institut für Pränatalmedizin<br>Kepler Universitätsklinikum Linz<br>E-Mail: wolfgang.arzt@kepleruniklinikum.at
30
Min. Lesezeit
24.05.2018
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<p class="article-intro">Intrauterine Dilatationen von kritisch stenosierten bzw. atretischen Herzklappen des Feten können den natürlichen Verlauf von fetalen Vitien so günstig beeinflussen, dass es durch die pränatale Wiederherstellung von signifikanten Blutflüssen und damit einer (annähernd) normalen Hämodynamik wieder zum Wachstum der Ventrikel kommen kann. Durch diese Interventionen am fetalen Herzen kann der drohende Verlust einer Herzkammer – und damit ein Einkammerherz – verhindert und ein biventrikulärer Kreislauf am Ende der Schwangerschaft ermöglicht werden.</p>
<hr />
<p class="article-content"><h2>Natürlicher Verlauf von angeborenen Herzfehlern in utero</h2> <p>Die kritische Stenose bzw. Atresie einer Herzklappe kann durch die veränderte Hämodynamik zum Wachstumsstopp des zugehörigen Ventrikels, der Klappen und der Gefäße führen („no flow, no growth“). In weiterer Folge kommt es zu Sekundärschäden des Myokards und der Lungen, schließlich kann es durch die natürliche Progredienz zum Verlust des Ventrikels im Laufe der Schwangerschaft kommen. In einigen Fällen können zusätzlich Herzinsuffizienz und Hydrops auftreten, auch ein intrauteriner Fruchttod ist möglich.<br />Eine kritische valvuläre Aortenstenose kann während des natürlichen Verlaufs zum Verlust des linken Ventrikels (hypoplastisches Linksherz-Syndrom, HLHS), eine kritische Pulmonalstenose bzw. -atresie zum Verlust des rechten Ventrikels (hypoplastisches Rechtsherz-Syndrom, HRHS) führen, sodass das Kind am Ende der Schwangerschaft mit einem monoventrikulären Herzen mit allen schwerwiegenden Konsequenzen geboren wird. <br />Diese Kaskade der natürlichen Progredienz von bestimmten Vitien soll durch eine pränatale Intervention am fetalen Herzen günstig beeinflusst bzw. unterbrochen werden.<br />Durch intrauterine Dilatation der betroffenen Herzklappe soll es durch eine Verbesserung bzw. annähernde Normalisierung der fetalen Hämodynamik zum neuerlichen Wachstum der Links- bzw. Rechtsherzstrukturen kommen, sodass der Verlust einer Herzkammer verhindert und ein biventrikulärer Kreislauf ermöglicht wird.<br />Diesem Konzept liegt die Vorstellung zugrunde, dass ein neuerliches Wachstum der Herzstrukturen ausschließlich durch Intervention in der Fetalperiode erreicht werden kann, während eine nach der Geburt durchgeführte Klappendilatation zu keinem Wachstum des hypoplastischen Ventrikels mehr führen kann.<sup>1</sup><br />Nach der im Jahr 2000 am Institut für Pränatalmedizin in Linz gemeinsam mit dem Kinderherzzentrum durchgeführten, weltweit ersten erfolgreichen intrauterinen Valvuloplastie einer fetalen Pulmonalatresie<sup>2, 3</sup> haben wir am Kepler Universitätsklinikum in den darauffolgenden Jahren ein europaweites „Zentrum für Fetale Kardiale Interventionen“ etabliert.<br />Bisher haben wir 145 intrauterine kardiale Interventionen durchgeführt, 130 Eingriffe (bis zum 31. 12. 2017) mit bereits geborenen Kindern konnten jetzt einer Analyse unterzogen werden (90 Aortenklappen-, 40 Pulmonalklappendilatationen).</p> <h2>Methode</h2> <p>Für intrakardiale Interventionen am Feten kommen kritische valvuläre Aortenstenosen und kritische Pulmonalstenosen bzw. Pulmonalatresien des Feten (mit intaktem Ventrikelseptum) in Betracht. <br />Die Eingriffe werden von einem Team aus Pränatalmedizinern und Kinderkardiologen in Vollnarkose der Schwangeren durchgeführt, die Analgesie bzw. Anästhesie des Feten erfolgt über die Mutter.<br />Ein Kinderkardiologe versucht während des gesamten Eingriffs, die Punktionsstrecke, die zu erreichenden Ziele (Klappe und Ausflusstrakt) sowie die operierenden Instrumente (Nadel und Katheter) sonografisch möglichst exakt einzustellen. <br />Die Ausgangssituation einer kritischen valvulären Aortenstenose ist in Abbildung 1a dargestellt. <br />Der Pränatalmediziner sticht unter sonografischer Kontrolle die Punktionsnadel durch den Bauch der Schwangeren und dann zwischen die Rippen des Feten transthorakal in den Ventrikel ein (Abb. 1b). Dann bewegt er die Nadel vorsichtig und möglichst synchron mit der gleichzeitigen Manipulation des Ultraschallkopfes in kraniale Richtung des Feten und positioniert die Nadel unmittelbar vor der stenosierten Klappe. Vor der 24. Schwangerschaftswoche wird dafür eine 19G-Nadel, ab der 25. Schwangerschaftswoche eine 18G-Nadel (1,2mm Durchmesser) verwendet.<br />Nach idealer Positionierung der Nadel unmittelbar vor der Klappe (bei einer Klappenatresie muss die Klappe mit der Nadel zusätzlich perforiert werden) wird der Mandrin aus der Nadel entfernt. Wenn es zu einem Blutaustritt unter hohem Druck kommt, liegt die Nadel richtig und der zweite Kinderkardiologe kann den Herzkatheter in die Hohlnadel einführen und über die stenosierte Klappe in den Ausflusstrakt vorschieben. <br />Sobald der Ballon ideal in der stenosierten Klappe liegt, wird die Nadel zurückgezogen, und von außen werden 2–3 Insufflationen bis maximal 14 bar durchgeführt (Abb. 1c). Die Klappe wird mit einer Ratio Ballon zu Klappenring von 1,2 : 1 aufgedehnt. <br />Der farbdopplersonografische Nachweis eines deutlichen, antegraden Flusses über der Klappe (Abb. 1d) und eines retrograden Flusses gilt aus Ausdruck der erfolgreichen Klappendilatation.<sup>4</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Gyn_1802_Weblinks_s25_1.jpg" alt="" width="1417" height="1098" /></p> <h2>Risiko</h2> <p>Komplikationen wie Perikardergüsse durch Blutung in den Herzbeutel (nach Herausziehen der Nadel aus dem Herzen) und Bradykardien können in der Regel durch Drainage bzw. durch intrakardiale Reanimation des Feten beherrscht werden. Eine Thrombusbildung im Ventrikel kann in seltenen Fällen vorkommen, verschwindet aber nach einigen Tagen wieder.<br />Zum eingriffsbedingten Fruchttod kann es durch eine therapieresistente Bradykardie (offensichtlich bei schon weit fortgeschrittener Vorschädigung des Myokards) oder durch eine verlängerte bzw. verstärkte Nachblutung aus der Punktionsstelle im Myokard ins Perikard mit Herzbeuteltamponade kommen. <br />In dem untersuchten Kollektiv von 130 Interventionen betrug die eingriffsbezogene fetale Verlustrate bei den erfolgreichen Aortenklappendilatationen 6,1 % (4/66), inkl. erfolgloser Dilatationen 9/90 (10,0 % ). Bei den technisch anspruchsvolleren 40 Pulmonalklappendilatationen war die eingriffsbezogene fetale Mortalität 0 % (0/40).<br />Die fetale Gesamtmortalität aller 130 intrauterinen Herzeingriffe lag bei 6,9 % (9/130), seit 2014 haben wir bei den letzten 61 kardialen Interventionen am Feten kein einziges Kind mehr verloren.</p> <h2>Outcome</h2> <p>Am Institut für Pränatalmedizin des Kepler Universitätsklinikums Linz wurden bis 31. 12. 2017 in enger Kooperation mit dem Kinderherzzentrum 90 Aortenklappendilatationen (bei 76 Feten) und 40 Pulmonalklappendilatationen (bei 27 Feten) durchgeführt.<br />Bei kritischer fetaler Aortenstenose konnte eine technische Erfolgsrate von 86,8 % erzielt werden, bei Pulmonalstenose bzw. -atresie (mit intaktem Ventrikelseptum) waren die Interventionen in 92,6 % der Fälle erfolgreich. <br />Durch die Valvuloplastie konnte bei den Aortenklappen ein biventrikuläres Ergebnis in 74,5 % der Fälle (Abb. 2), bei den Pulmonalklappen in 80,9 % (inkl. 1½ Ventrikel) erzielt werden (Abb. 3).<br />Nach den erfolgreichen Aortenklappendilatationen konnten wir eine signifikante Verbesserung der Performance des linken Ventrikels mittels Tissue Doppler objektivieren,<sup>5</sup> ebenso konnten wir nach den Pulmonalklappendilatationen ein signifikantes Wachstum aller Rechtsherzstrukturen (rechter Ventrikel, Pulmonalklappe, Trikuspidalklappe) nachweisen.<sup>6, 7</sup></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Gyn_1802_Weblinks_s25_2.jpg" alt="" width="1419" height="2175" /></p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Bei den fetalen kardialen Interventionen ist eine hohe technische Erfolgsrate bei niedriger fetaler Verlustrate sehr wesentlich abhängig von einem erfahrenen Team aus Pränatalmedizinern, die über eine große Expertise bei intrauterinen invasiven Eingriffen verfügen, und Kinderkardiologen mit exzellenten Kenntnissen im fetalen Herzultraschall, die den Umgang mit dem Ballonkatheter beherrschen. <br />Da diese Interventionen am fetalen Herzen zu einem neuen Typ von Patienten nach der Geburt führen, mussten wir neue, möglichst standardisierte Behandlungsstrategien für diese Neugeborenen sowohl in kinderkardiologischer als auch kinderherzchirurgischer Hinsicht entwickeln. Da ca. 70 % der Schwangeren aus dem Ausland zu uns kommen, müssen diese postpartalen Therapiekonzepte an die auswärtigen Zentren entsprechend weitervermittelt werden.<br />Für die Realisierung unseres Gesamtkonzepts „Fetale kardiale Interventionen“ sind ein multidisziplinäres Team aus Pränatalmedizinern, Kinderkardiologen und Kinderherzchirurgen sowie eine europaweite Zentralisierung auf wenige Zentren mit möglichst vielen Eingriffen pro Zentrum von herausragender Bedeutung, um möglichst viele biventrikuläre Ergebnisse bei einer möglichst niedrigen fetalen Verlustrate zu erzielen.</p></p>
<p class="article-footer">
<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
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<p><strong>1</strong> Rudolph AM: Myocardial growth before and after birth: clinical implications. Acta Paediatr 2000; 89: 129-33 <strong>2</strong> Arzt W et al.: Invasive intrauterine treatment of pulmonary atresia/intact ventricular septum with heart failure. Ultrasound Obstet Gynecol 2003; 21(2): 186-8 <strong>3</strong> Tulzer G et al.: Fetal pulmonary valvuloplasty for critical pulmonary stenosis or atresia with intact septum. Lancet 2002; 360 (9345): 1567-8 <strong>4</strong> Arzt W et al.: Intrauterine aortic valvuloplasty in fetuses with critical aortic stenosis: experience and results of 24 procedures. Ultrasound Obstet Gynecol 2011; 37(6): 689-95 <strong>5</strong> Wohlmuth C et al: Tissue Doppler imaging in fetuses with aortic stenosis and evolving hypoplastic left heart syndrome before and after fetal aortic valvuloplasty. Ultrasound Obstet Gynecol 2016; 47(5): 608-15 <strong>6</strong> Tulzer A et al.: Changes in RV function and growth after in-utero pulmonary valvuloplasty in fetuses with PA or critical PS/IVS. Ultrasound Obstet and Gynecol [submitted] <strong>7</strong> Arzt W, Tulzer G: Fetal surgery for cardiac lesions. Prenat Diagn 2011; 31(7): 695-8</p>
</div>
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