
Erlebt das HDL ein Comeback?
Bericht:
Regina Scharf, MPH
Redaktorin
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Im Unterschied zum LDL-Cholesterin wird die Rolle des HDL-Cholesterins als Marker für das kardiovaskuläre Risiko kontrovers diskutiert. Welchen Stellenwert hat die Bestimmung des HDL-Cholesterin heute und zukünftig?
Das LDL-Cholesterin (LDL-C) ist ein kausaler Risikofaktor für die Atherosklerose. Studien zeigen, dass Interventionen, die das LDL-C senken, auch das Risiko für kardiovaskuläre (CV) Ereignisse wie einen Myokardinfarkt reduzieren. Zudem gibt es einen eindeutigen genetischen Zusammenhang: Genmutationen, die zu lebenslang erhöhten LDL-C-Werten führen, verursachen ein höheres atherosklerotisches CV Risiko, wohingegen Mutationen, die das LDL-C senken, das CV Risiko reduzieren. Deutlich komplizierter ist die Situation in Bezug auf das HDL-Cholesterin (HDL-C) als Marker für das CV Risiko. Im Unterschied zum LDL-C verläuft die inverse Beziehung zwischen der HDL-C-Konzentration und dem CV Risiko nicht kontinuierlich, sondern flacht bei mittleren Konzentrationen ab. Die untersuchten HDL-C modifizierenden Therapien verhüten keine CV Ereignisse zusätzlich zu den Statintherapien. ln genetischen und tierexperimentellen Studien hängt die atherosklerotische Wirkung der HDL-C Veränderung davon ab, welches Gen mutiert bzw. manipuliert wird.
Mögliche Gründe für die unerfüllten Erwartungen
«Die gängigste Erklärung ist, das HDL-C kein kausaler Biomarker ist», sagte Prof. Dr. med. Arnold von Eckardstein, Direktor des Instituts für klinische Chemie am Universitätsspital Zürich. Ein niedriges HDL-C erhöht die Risiken für diverse Erkrankungen, wie beispielsweise CV Krankheiten, Diabetes mellitus, Infektionen und neurodegenerativen Erkrankungen.1 Allerdings tritt ein niedriges HDL-C häufig zusammen mit anderen Risikofaktoren auf oder kann sogar die Folge einiger dieser Erkrankungen sein. Umgekehrt verfügt das HDL-C über zahlreiche Eigenschaften, die vor dem Auftreten der oben genannten Erkrankungen schützen, zum Beispiel antioxidative oder antiinflammatorische Effekte. Ein anderer Grund ist, dass das propagierte Therapiekonzept «the higher the better» wahrscheinlich nicht zutrifft. Epidemiologische Untersuchungen aus Nordamerika und Dänemark zeigen, dass die Beziehung zwischen der HDL-C-Konzentration und der Gesamtsterblichkeit U-förmig verläuft.2 Das bedeutet, bei niedrigen HDL-C-Werten ist das Mortalitätsrisiko erhöht. Bei steigenden HDL-C-Werten sinkt das Mortalitätsrisiko und nimmt ab einer bestimmten HDL-C-Konzentration (bei Frauen ab ca. 2,4mmol/l und bei Männern ab ca. >1,9mmol/l) wieder zu. Eine weitere Möglichkeit könnte sein, dass die Studien zu medikamentösen Interventionen falsch interpretiert oder konzipiert wurden. «Nikotinsäure und Fibrate wirken nicht spezifisch auf HDL-C, sondern auch auf andere Risikofaktoren und das sogar stärker», sagte der Spezialist. Einen starken HDL-C erhöhenden Effekt zeigen hingegen CETP-Inhibitoren. Zumindest in Kombination mit Statinen behindern sie aber die Entfernung von Cholesterin aus der Zirkulation über den LDL-Rezeptorweg in die Leber.1
Zu guter Letzt könnte es sein, dass nicht die richtigen Krankheiten mit HDL adressiert werden. Das HDL-C ist nicht nur mit dem CV Risiko assoziiert, sondern mit Risiken für etliche andere Erkrankungen, darunter Diabetes, Infektionen und Autoimmunerkrankungen. Hinweise für Kausalität gibt es aus genetischen Untersuchungen oder post-hoc-Analysen von Studien zu Diabetes mellitus und Sepsis.2 «Einer der wichtigsten Punkte in der Diskussion um das HDL ist für mich, dass viele Menschen, auch Fachleute, HDL und HDL-C vermischen», so von Eckardstein. HDL sind Partikel, die sich aus zahlreichen Proteinen und Lipiden zusammensetzen. Diese Moleküle und Partikel und nicht das Cholesterin (also HDL-C) üben die vielen Funktionen von HDL aus. Die meisten Komponenten kommen in sehr viel geringeren Konzentrationen als Cholesterin vor und sind mit den klinischen Routinemethoden nicht messbar. Trotzdem beeinflussen sie das CV Risiko. Wie eine aktuelle Studie, die die Assoziation verschiedener Protein-Subklassen mit einer CV Erkrankung untersuchte, zeigte, führten einige zu einem erhöhten Risiko für eine solche Erkrankung, während andere das Risiko reduzierten.3 Um diese HDL-Subklassen zu erfassen, sind spezifische Marker und Methoden notwendig. In epidemiologischen und klinischen Studien muss überprüft werden, ob sich bei einer Veränderung solcher Biomarker eine Erkrankung oder ein Therapieerfolg besser vorhersagen lässt, als dies mit HDL-C der Fall ist.
Welche Bedeutung hat das HDL-C in der klinischen Praxis?
«HDL-C-ist eine wichtige Komponente des kardiovaskulären Risikoassessments und als solche Bestandteil verschiedener Risikoscores, beispielsweise der AGLA oder ESC», so der Spezialist. Die Annahme, «je höher das HDL-C ist, desto besser», entspricht jedoch nicht mehr dem aktuellen Wissensstand. Entsprechend kompensiert ein hohes HDL-C nicht das Risiko eines erhöhten LDL-C. LDL-C/HDL-C Ratios sollten daher nicht berechnet werden.
HDL-C ist kein Behandlungsziel, denn es gibt keine Evidenz, dass eine HDL-C Erhöhung, ob pharmakologisch oder durch den Lifestyle, einen protektiven Effekt hat.
Quelle:
Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie, 9. bis 11. Juni 2021
Literatur:
1 von Eckardstein A.: Handb Exp Pharmacol. 2022; 270:1 57-200 2 Madsen CM et al.: Arterioscler Thromb Vasc Biol 2021; 41: 128-40 3 Sacks FM et al.: Arterioscler Thromb Vasc Biol 2020; 40: 2714-27
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