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Eine der bestuntersuchten Medikamentengruppen überhaupt
Jatros
30
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31.05.2017
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<p class="article-intro">NOAK, nicht-Vitamin-K-antagonistische orale Antikoagulanzien, sind längst Standard in der oralen Antikoagulation bei Vorhofflimmern oder bei tiefen Beinvenenthrombosen. Mittlerweile sind vier dieser Substanzen zugelassen, was eine Anpassung an die Bedürfnisse spezieller Patientenpopulationen ermöglicht. Wir sprachen mit Prim. Dr. Matthias Frick, Leiter der Inneren Medizin I am LKH Feldkirch.</p>
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<p class="article-content"><p><em><strong>Wenn heute ein Patient mit Vorhofflimmern orale Antikoagulation benötigt – wie entscheidet man in der Praxis, welche konkrete Substanz es sein soll?</strong></em></p> <p><em><strong>M. Frick:</strong></em> NOAK gehören zu den bestuntersuchten Substanzen überhaupt, anhand von Studien mit Zehntausenden Patienten sowohl in der Indikation Vorhofflimmern als auch bei Thromboembolien. Sie sind ein echter medizinischer Fortschritt. Es erstaunt mich allerdings, dass sie die Vitamin-K-Antagonisten doch relativ zögerlich ersetzen. Aber das hat vermutlich auch mit der Erstattungspraxis zu tun. Für alle vier verfügbaren NOAK wurde im Vergleich zu Warfarin eine Reduktion der Zahl der gefürchteten Hirnblutungen demonstriert. Gepoolte Daten legen nahe, dass die NOAK auch die Inzidenz thromboembolischer Komplikationen deutlicher reduzieren als Warfarin. In den einzelnen Studien war der Vorteil in der Wirksamkeit jedoch nur für Dabigatran 150mg signifikant.</p> <p><em><strong>Hilft die Verträglichkeit bei der Entscheidungsfindung?</strong></em></p> <p><em><strong>M. Frick:</strong></em> Ja, da gibt es Unterschiede. Der Thrombinhemmer Dabigatran wird am stärksten über die Niere verstoffwechselt, ist bei Patienten mit Niereninsuffizienz also nicht die erste Wahl. Wenn ein Patient Probleme mit den Nieren hat, wird man also zu einem Faktor-Xa-Inhibitor greifen. Es gibt Subgruppenanalysen, die zum Beispiel zeigen, dass Edoxaban in der niedrigeren Dosierung bei alten Menschen, untergewichtigen Patienten sowie bei Niereninsuffizienz sehr gute Ergebnisse bringt. Apixaban hat dafür gezeigt, dass es weniger gastrointestinale Blutungen verursacht, also die beste Wahl für Patienten darstellen könnte, die Probleme im Gastrointestinalbereich haben. Man kann also sagen, dass alle NOAK klar besser sind als die Vitamin-K-Antagonisten, dass es sich bei den Unterschieden innerhalb der Gruppe aber um Nuancen handelt.</p> <p><em><strong>Gibt es zwischen den NOAK Unterschiede im Hinblick auf das Interaktionspotenzial mit anderen Medikamenten?</strong></em></p> <p><em><strong>M. Frick:</strong></em> Vorsichtig sein muss man bei Kombination mit Glykoproteininhibitoren. Das gilt allerdings für die gesamte Gruppe der NOAK. Am besten untersucht sind diese Zusammenhänge für Edoxaban, aber vom pharmakologischen Profil her trifft das auf alle Faktor-Xa-Inhibitoren zu.</p> <p><em><strong>Wenn Patienten nach einem Myokardinfarkt eine Tripeltherapie mit Antikoagulation und Plättchenhemmung benötigen, welchem NOAK wäre da der Vorzug zu geben?</strong></em></p> <p><em><strong>M. Frick:</strong></em> Diese Frage können wir gegenwärtig noch nicht evidenzbasiert beantworten. Wir wissen, dass auf der Seite der Thrombozytenaggregationshemmung Clopidogrel zum Einsatz kommen soll, weil mit den neueren Substanzen Prasugrel oder Ticagrelor das Blutungsrisiko zu hoch würde. Gegenwärtig laufen mehrere Studien zur Tripeltherapie, die allesamt Blutungsendpunkte untersuchen. Was man sagen kann, ist, dass die NOAK im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten in der Tripeltherapie die gleichen Vorteile haben wie in der Monotherapie. Man sollte also einen NOAK verwenden. Die ESC empfiehlt jedenfalls, den NOAK in der reduzierten Dosis einzusetzen. Für Rivaroxaban wurden dazu auch Studiendaten publiziert. Für Dabigatran liegt eine Post-hoc-Analyse vor, die in die gleiche Richtung weist. Die Studien für Apixaban und Edoxaban laufen noch.</p> <p><em><strong>Wenn nun ein Patient, der wegen seines kardiovaskulären Risikos „low-dose“ Aspirin einnimmt, Vorhofflimmern entwickelt und antikoaguliert werden muss, was macht man dann mit dem Aspirin?</strong></em></p> <p><em><strong>M. Frick:</strong></em> Dann muss man das Aspirin absetzen. Die duale Therapie oder die Tripeltherapie sind nur nach einer Stentimplantation oder einem Myokardinfarkt für begrenzte Zeit indiziert – individuell zwischen drei und maximal zwölf Monaten. Nach dieser Zeit geht man zu einer NOAK-Monotherapie über. Das aber, sofern es die Niere zulässt, in der vollen Dosis. Kombinationen mit ASS als Langzeittherapie sind nicht vorgesehen.</p> <p><em><strong>Vielen Dank für das Gespräch.</strong></em></p></p>