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Herzstillstand und Alter

Ein altersspezifischer Prädiktor für Mortalität nach akutem Myokardinfarkt

<p class="article-intro">Der Herz-Kreislauf-Stillstand repräsentiert ein ernst zu nehmendes Krankheitsbild im globalen Gesundheitswesen. Rezente Daten zeigen mehr als 35 Fälle pro 100 000 Einwohner allein in Europa und sogar 110 Fälle pro 100 000 Einwohner in Nordamerika. Die meisten Fälle des Herz-Kreislauf-Stillstands werden durch kardiovaskuläre Ereignisse verursacht – vornehmlich bedingt durch den akuten Myokardinfarkt.<sup>1, 2</sup></p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Patienten &lt;45 Jahren mit akutem Myokardinfarkt haben die h&ouml;chste Inzidenz an Herz-Kreislauf-Stillst&auml;nden, was aber keine Auswirkung auf die Langzeitprognose hat.</li> <li>Im Hinblick auf die Notfallversorgung sollte dies in Evidenz gehalten werden, um rasch intensivmedizinische Ma&szlig;nahmen ergreifen zu k&ouml;nnen.</li> <li>Bei Patienten &lt;45 Jahren bestehende Eingef&auml;&szlig;erkrankungen resultieren durch Beeinflussung der regionalen Refrakt&auml;rzeiten in potenziell t&ouml;dlichen Arrhythmien.</li> <li>Patienten &ge;45 Jahre, die einen Herz-Kreislauf-Stillstand im Rahmen eines akuten Myokardinfarkts &uuml;berlebt haben, haben ein 4-fach erh&ouml;htes Risiko, in den folgenden f&uuml;nf Jahren an einem kardiovaskul&auml;ren Ereignis zu sterben.</li> </ul> </div> <h2>Demografische Entwicklung des Myokardinfarkts &ndash; junge Patienten im Vormarsch</h2> <p>Zwar konnte in den letzten Jahrzehnten ein leichter R&uuml;ckgang der Inzidenz des Myokardinfarkts sowohl in europ&auml;ischen als auch in nordamerikanischen L&auml;ndern verzeichnet werden, jedoch wurde ein deutlicher Anstieg der Zahl von sehr jungen Patienten beobachtet, die einen Myokardinfarkt erlitten. Dieser Anstieg ist prim&auml;r auf eine erh&ouml;hte kardiovaskul&auml;re Morbidit&auml;t der betroffenen jungen Patienten zur&uuml;ckzuf&uuml;hren.<sup>3&ndash;5</sup><br /> Kardiale Arrhythmien, wie das Kammerflimmern oder die pulslose ventrikul&auml;re Tachykardie, stellen eine zwar seltene, oftmals aber t&ouml;dliche Komplikation des akuten isch&auml;mischen Ereignisses dar. Aktuelle Studien konnten zeigen, dass gerade junge Patienten mit wenigen kardiovaskul&auml;ren Komorbidit&auml;ten ein deutlich h&ouml;heres Risiko aufweisen, im Rahmen eines myokardialen Ereignisses potenziell t&ouml;dliche Arrhythmien zu entwickeln.<sup>6, 7</sup><br /> In Anbetracht dessen scheint es sehr wichtig, geeignete Pr&auml;diktoren zu identifizieren, die eine altersspezifische Risikostratifizierung in der Sekund&auml;rpr&auml;vention erm&ouml;glichen.</p> <h2>Altersspezifische Risikopr&auml;diktion</h2> <p>Mit dieser Zielsetzung analysierten Sulzgruber und Kollegen die Daten eines klinischen Registers, das mehr als 15 000 Patienten umfasst, die einen akuten Myokardinfarkt erlitten haben und an der Medizinischen Universit&auml;t Wien versorgt worden sind. Anhand des Registers wurden die Patienten in vier gleich gro&szlig;e Gruppen (n=208/Gruppe) entsprechend ihrem Alter randomisiert: sehr junge Patienten (&lt;45 Jahren); junge Patienten (45&ndash; 64 Jahre); mittelalte Patienten (65&ndash;84 Jahre); sehr alte Patienten (&ge;85 Jahre).<br /> Beim direkten Vergleich der Altersgruppen konnte gezeigt werden, dass Patienten &lt;45 Jahren im Vergleich zu den &Auml;lteren die niedrigste Rate an arterieller Hypertonie (&ndash;27,9 % ) und Diabetes mellitus (&ndash;17,7 % ) aufwiesen, sich jedoch deutlich &ouml;fter mit einer Hypercholesterin&auml;mie (+10,5 % ) sowie einer positiven Familienanamnese in Hinblick auf koronare Herzkrankheit pr&auml;sentierten (+11,5 % ).<br /> Im gesamten Studienkollektiv erlitten 107 Patienten (12,9 % ) einen Herz-Kreislauf- Stillstand in der akuten Phase des Myokardinfarkts. Die Daten zeigten, dass Patienten der j&uuml;ngsten Altersgruppe (&lt;45 Jahren) die h&ouml;chste Rate an Herz-Kreislauf- Stillst&auml;nden aufwiesen (18,8 % ) und die Inzidenz mit zunehmendem Patientenalter abnahm (&ndash;11,6 % ). Innerhalb der Gruppe der reanimierten Patienten waren 94,5 % der F&auml;lle beobachtete Herz-Kreislauf- Stillst&auml;nde, welche sich in mehr als einem Drittel der F&auml;lle im innerklinischen Bereich ereigneten (35,6 % ). Zus&auml;tzlich lie&szlig; sich bei jungen Patienten deutlich &ouml;fter ein initial defibrillierbarer EKG-Rhythmus feststellen (+77,2 % ).<br /> Erfreulicherweise konnte bei 4,1 % der reanimationspflichtigen Patienten aufgrund rascher Defibrillation innerhalb der ersten Schockserie (definiert als &le;3 Defibrillationen) ein Spontankreislauf wiederhergestellt werden. Interessanterweise zeigten hier die j&uuml;ngsten Patienten (&lt;45 Jahren) die niedrigste Rate an initial erfolgreichen Defibrillationen (2,9 % ), w&auml;hrend die Erfolgsrate mit steigendem Alter zunahm. Dementsprechend erfuhren sehr junge Patienten vergleichsweise deutlich &ouml;fter prolongieret Reanimationsma&szlig;nahmen.<br /> Im Vergleich zu &auml;lteren Patienten wurden junge Patienten deutlich &ouml;fter akut einer Koronarangiografie unterzogen (+26,6 % ). Diese zeigte bei jungen Patienten (&lt;45 Jahren) die h&ouml;chste Rate koronarer Eingef&auml;&szlig;erkrankungen (61,8 % ) und bei sehr alten Patienten (&ge;85 Jahre) die h&ouml;chste Rate an Dreigef&auml;&szlig;erkrankungen (70,0 % ). Ebenso ergaben sich deutliche Unterschiede bei den maximal gemessenen Blutwerten der Kreatinkinase &ndash; hier wurden die h&ouml;chsten Werte bei den j&uuml;ngsten Patienten dokumentiert; au&szlig;erdem war ein signifikanter Abfall mit zunehmendem Alter festzustellen.<br /> Im aktuellen Studienkollektiv &uuml;berlebten 75,7 % der Patienten den Herz-Kreislauf- Stillstand &ndash; nahezu alle Patienten wiesen ein gutes neurologisches &Uuml;berleben zum Zeitpunkt der Krankenhausentlassung auf (96,2 % ; definiert als &bdquo;Cerebral Performance Category&ldquo; 1 und 2).<sup>8</sup><br /> Nach dem Ereignis wurden alle Patienten f&uuml;r einen mittleren Beobachtungszeitraum von 5 Jahren nachverfolgt. Hier zeigte sich, dass bei Patienten, die einen Herz-Kreislauf-Stillstand erlitten hatten, die Wahrscheinlichkeit, ein erneutes kardiovaskul&auml;res Ereignis zu erleiden, das t&ouml;dlich verlief, 4-fach h&ouml;her war.<br /> Diese Resultate konnten in allen Patientengruppen &ge;45 Jahre reproduziert werden. Interessanterweise zeigten die j&uuml;ngsten Patienten (&lt;45 Jahren), die einen Herz-Kreislauf-Stillstand hatten, kein erh&ouml;htes Risiko f&uuml;r ein neuerliches &ndash; dann t&ouml;dliches &ndash; kardiovaskul&auml;res Ereignis.</p> <h2>Gr&ouml;&szlig;e des Infarktareals als potenzielle Erkl&auml;rung f&uuml;r den Herz-Kreislauf-Stillstand</h2> <p>Die Ergebnisse der Studie von Sulzgruber und Kollegen konnten eindeutig belegen, dass junge Patienten mit Myokardinfarkt im Rahmen des akuten Ereignisses deutlich &ouml;fter einen Herz-Kreislauf-Stillstand entwickeln als &auml;ltere Patienten. Basierend auf dem Ergebnis, dass die j&uuml;ngste Altersgruppe die mit Abstand niedrigste Rate an Eingef&auml;&szlig;erkrankungen aufwies, welche aufgrund der erst kurz bestehenden Stenosierung noch keine Bildung von Kollateralgef&auml;&szlig;en im entsprechenden Versorgungsgebiet erm&ouml;glichte, kann davon ausgegangen werden, dass eben diese Patienten &ndash; im Vergleich zu den &auml;lteren Probanden &ndash; einen deutlich ausgedehnteren Myokardschaden erleiden. Dieser extensive Myokardschaden kann durch die signifikant h&ouml;heren maximalen Werte der Kreatinkinase bei den jungen Patienten best&auml;tigt werden &ndash; zumal die Kreatinkinase als kardialer Marker am st&auml;rksten mit der tats&auml;chlichen Infarktgr&ouml;&szlig;e korreliert.<sup>9, 10</sup><br /> Als Konsequenz eines ausgedehnten Infarktareals sowie eines extensiven Myokardschadens kommt es zu Ver&auml;nderungen und Diskrepanzen bei den regionalen Refrakt&auml;rzeiten, die wiederum den Ausgangspunkt f&uuml;r eine potenziell t&ouml;dliche kardiale Arrhythmie darstellen und &ndash; gerade bei jungen Patienten &ndash; in einen Herz- Kreislauf-Stillstand m&uuml;nden.<sup>6</sup></p> <h2>Schlussfolgerung</h2> <p>Die Studie von Sulzgruber und Kollegen best&auml;tigte aus einer Langzeitperspektive die insgesamt schlechte Prognose von Patienten, die im Rahmen eines Myokardinfarkts einen Herz-Kreislauf-Stillstand erlitten. Zus&auml;tzlich konnte gezeigt werden, dass die Prognose f&uuml;r das Langzeit&uuml;berleben eines Patienten mit Herz-Kreislauf- Stillstand klar altersabh&auml;ngig ist und sehr junge Patienten (&lt;45 Jahren) das h&ouml;chste Risiko haben.</p></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p><strong>1</strong> Writing Group Members: Heart Disease and Stroke Statistics&ndash; 2016 Update: a Report from the American Heart Association. Circulation 2016; 133(4): e38-60 <strong>2</strong> Gr&auml;sner JT, Masterson S: EuReCa and international resuscitation registries. Curr Opin Crit Care 2015; 21(3): 215-9 <strong>3</strong> Mozaffarian D et al; American Heart Association Statistics Committee and Stroke Statistics Subcommittee: Heart disease and stroke statistics--2015 update: a report from the American Heart Association. Circulation 2015; 131(4): e29-322. doi: 10.1161/CIR.0000000000000152. Epub 2014 Dec 17. <strong>4</strong> Barbash GI et al.: Acute myocardial infarction in the young--the role of smoking. The Investigators of the International Tissue Plasminogen Activator/Streptokinase Mortality Trial. Eur Heart J 1995; 16(3): 313-6 <strong>5</strong> Basoor A et al.: High prevalence of obesity in young patients with ST elevation myocardial infarction. Am Heart Hosp J 2011; 9(1): E37-40 <strong>6</strong> Huikuri HV et al.: Sudden death due to cardiac arrhythmias. N Engl J Med 2001; 345(20): 1473-82 <strong>7</strong> Rosa SA et al.: Risk factor paradox in the occurrence of cardiac arrest in acute coronary syndrome patients. Rev Bras Ter Intensiva 2016; 28(4): 405-12 <strong>8</strong> Safar P.: Resuscitation after brain ischemia. In: Grenvik A, Safar P, eds: Brain failure and resuscitation. New York: Churchill Livingstone, 1981. 155-84 <strong>9</strong> Mair J et al.: Cardiac troponin T in the diagnosis of myocardial injury. Crit Rev Clin Lab Sci 1992; 29: 31-57 <strong>10</strong> Apple FS: Acute myocardial infarction and coronary reperfusion. Serum cardiac markers for the 1990s. Am J Clin Pathol 1992; 97: 217-26</p> </div> </p>
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