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Die koronare Herzkrankheit – ein immer aktuelles Thema
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Bernd Eber
Facharzt für Innere Medizin, Kardiologie,<br> Angiologie und Intensivmedizin<br> Wels<br> E-Mail: ordination.eber@gmail.com
30
Min. Lesezeit
23.02.2017
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<p class="article-intro">Die koronare Herzkrankheit (KHK) stellt immer noch die häufigste zum Tode führende Erkrankung in der westlichen industrialisierten Welt dar. Grund genug, einige neuere Aspekte im diagnostischen und therapeutischen Management der koronaren Atherosklerose zu beleuchten.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Die koronare Herzkrankheit (KHK) ist die häufigste zum Tode führende Erkrankung in der westlichen industrialisierten Welt.</li> <li>Rund 8 % der Erwachsenen in Österreich leiden unter wiederkehrenden AP-Beschwerden bei bereits diagnostizierter KHK.</li> <li>Die Objektivierung einer AP ist in der täglichen Praxis sehr schwierig.</li> <li>Auch nach erfolgreicher koronarer Intervention bestehen bei bis zu 40 % aller KHK-Patienten weiter AP-Beschwerden.</li> <li>Notfallmedikament Nummer eins ist der Nitrolingual-Spray, wobei die antianginöse Therapie bei KHK sich in den letzten Jahren deutlich weiterentwickelt hat.</li> </ul> </div> <h2>Aktueller Stand der Guidelines</h2> <p>Die Guidelines der Europäischen Kardiologischen Gesellschaft (ESC) zur stabilen Angina pectoris sind zwar schon ein paar Jahre alt (2013), aber die Deutsche Nationale Versorgungsleitlinie „Chronische KHK“ von Ende letzten Jahres gibt doch Auskunft zu vielen Themenkreisen in der nun 4. Auflage (17. Version!) in 11 Kapiteln auf 157 Seiten mit insgesamt 678 Literaturstellen – das nenne ich deutsche Gründlichkeit. Die Langfassung ist im Internet frei nachzulesen unter www.khk. versorgungsleitlinien.de.</p> <h2>Hintergrund</h2> <p>Die KHK stellt eine chronische, progressive und unheilbare Erkrankung dar und steht am Ende der „Braunwald-Kaskade“, die lediglich in eine Richtung erfolgt (Abb. 1). Sie präsentiert sich in verschiedenen Erscheinungsformen (Tab. 1), wobei im Krankheitsverlauf neben den klinischen Endpunkten (Mortalität, Myokardinfarkt, Hospitalisierung, Lebensqualität) die kardiovaskulären Risikofaktoren und die kardiale Symptomatik von großer Bedeutung sind (Abb. 2). Eine anschauliche Beschreibung eines typischen „Herzschmerzes“, der Angina pectoris (AP; Brustenge), in diesem Fall eines akuten koronaren Syndroms, erfolgte bereits durch den Dichter Thomas Mann (siehe Zitat). Etwa 8 % der erwachsenen Bevölkerung in Österreich leiden unter wiederkehrenden AP-Beschwerden bei bereits diagnostizierter KHK. In der Tabelle 2 sind die differenzialdiagnostisch bedeutsamen anamnestischen Angaben und die zugrunde liegenden erkrankten Organe aufgelistet. Eine „kardial“ ausgelöste AP kann viele Ursachen haben, sowohl morphologisch als auch ätiologisch (Tab. 3a). Die Objektivierung einer AP ist in der täglichen Praxis sehr schwierig, in der Tabelle 3b sind einige Punkte, die feststellbar sind, angeführt. Die Graduierung einer AP erfolgt nach der Klassifizierung der CCS (Canadian Cardiovascular Society) von I bis IV (ähnlich der NYHA-Klassifizierung; I = keine AP, IV = AP in Ruhe oder bei geringer Belastung). Die Therapiemöglichkeiten einer KHK sind vielschichtig (Tab. 4), die einer festgestellten arteriellen Stenose von vielen Einflussfaktoren bestimmt (Abb. 3). Selbst nach erfolgreicher koronarer Intervention mit Stent oder Bypass berichten bis zu 40 % aller KHKPatienten über häufige AP-Beschwerden; dies liegt zum Teil auch an einer gestörten koronaren Mikrozirkulation. Das Notfallmedikament Nummer 1 für KHK-Patienten stellt nach wie vor in Österreich der Nitrolingual- Spray dar, wichtige Caveats sind in der Tabelle 5 zusammengefasst. Die antianginöse Therapie bei KHK hat sich in den letzten Jahren deutlich weiterentwickelt, die Säulen zu 1995 und 2015 sind in den Abbildungen 4 und 5 grafisch dargestellt.</p> <p><img style="undefined" src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1701_Weblinks_s30_abb1.jpg" alt="" width="1417" height="1072" /></p> <p><img style="undefined" src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1701_Weblinks_s30_tab1.jpg" alt="" width="685" height="1071" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1701_Weblinks_s30_abb2.jpg" alt="" width="1417" height="696" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1701_Weblinks_s30_tab2.jpg" alt="" width="1419" height="502" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1701_Weblinks_s30_tab3a.jpg" alt="" width="1419" height="502" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1701_Weblinks_s30_tab3b.jpg" alt="" width="1419" height="797" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1701_Weblinks_s30_tab4.jpg" alt="" width="686" height="797" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1701_Weblinks_s30_abb3.jpg" alt="" width="1417" height="846" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1701_Weblinks_s30_tab5.jpg" alt="" width="686" height="914" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1701_Weblinks_s30_abb4.jpg" alt="" width="1051" height="648" /></p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2017_Jatros_Kardio_1701_Weblinks_s30_abb5.jpg" alt="" width="1051" height="648" /></p> <h2>Die neue deutsche Versorgungsleitlinie</h2> <p>Im Folgenden werden noch einige Statements aus der Deutschen Richtlinie 2016 stichwortartig zusammengefasst: <strong>Epidemiologie</strong></p> <ul> <li>Häufigkeit: signifikante Abnahme der KHK 2016 im Vergleich zu 2003: 8,2 % (2003: 10,9 % ), Infarkt 5,5 % (2003: 7,5 % )</li> <li>Geschlechterverteilung: 49 % Männer, 51 % Frauen, an Infarkt Verstorbene: 56 % Männer, 44 % Frauen</li> <li>Prävalenz: 9,3 % bei 40- bis 79-jährigen Personen; Häufung bei niedrigem sozialem Status</li> <li>Ursachen: chronische KHK 8–11 % , ACS 2–4 % , Brustwandsyndrom 43–47 % , psychogen 10–12 % , Atemwegserkrankung 10–12 % , ösophageale Ursachen 4–7 % , hypertensive Krise 1–4 % etc.</li> </ul> <h2>Klinik</h2> <ul> <li>Psychische, somatische und soziale Informationen sollen vor Beginn erhoben werden (Ängstlichkeit = negativer Prädiktor).</li> <li>Bestimmung des Marburger Herz-Scores zur Bewertung einer KHK: Geschlecht/ Alter, bekannte vaskuläre Erkrankung, belastungsabhängige Beschwerden, durch Palpation nicht reproduzierbar, Vermutung des Patienten, dass kardiale Genese – ab 4–5 Punkten 50 % ige Wahrscheinlichkeit einer signifikanten KHK</li> <li>Bei Verdacht auf KHK Ruhe-EKG mit 12 Abteilungen notwendig</li> <li>Bei Verdacht auf KHK – Echokardiografie in Ruhe sinnvoll</li> <li>Ergometrie abhängig von Vortestwahrscheinlichkeit – wenn hoch, dann eher nicht</li> <li>CT-Koronarangiografie nur bei niedriger bis mittlerer Vortestwahrscheinlichkeit sinnvoll, MR-Koronarangiografie derzeit noch nicht zur Routine geeignet</li> <li>Stress-Echo zu Szintigrafie gleichwertig</li> <li>Koronarangiografie sollte nur dann durchgeführt werden, wenn eine therapeutische Konsequenz im Sinne einer Revaskularisation zu erwarten ist.</li> </ul> <h2>Therapie</h2> <ul> <li>Adhärenz der Patienten beachten (Einhaltung von Zielen, die Patient und Arzt vereinbaren)</li> <li>Alle KHK-Patienten sollten ein Statin erhalten (!) – außer Neubeginn bei ischämischer Kardiomyopathie und Typ-2-Diabetes mellitus mit Niereninsuffizienz.</li> <li>Simvastatin-Dosis nicht über 20mg bei begleitender Amlodipin-Therapie, nicht über 10mg bei Amiodaron und Verapamil</li> <li>Alle KHK-Patienten sollten ASS 100mg erhalten (wenn keine Kontraindikation und keine Nebenwirkung), die Wirkung von Clopidogrel bei stabiler KHK ist nicht bewiesen.</li> <li>Vorsicht mit Protonenpumpenhemmer plus ASS und Clopidogrel</li> <li>Antianginosa bei symptomatischer KHK großzügig einsetzen: Piperazin-Derivate (Ranolazin), Trimethidin, Ivabradin</li> <li>Jährliche Grippeschutzimpfung bei KHKPatienten empfehlenswert</li> <li>Keine Wirkung: Hormon-, Chelat-, Phytotherapie, Vitamin-Supplementierung</li> <li>Bei komplexen Koronarbefunden für Art der Revaskularisation Heart-Team sinnvoll – Therapieentscheidung im Team nach SYNTAX-Score</li> <li>Klare Empfehlung für kardiale Rehabilitation Phase II und Phase III bei KHKPatienten – ACS, postoperativ, Post- PCI.</li> </ul></p>
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