<p class="article-intro">Die Defiweste bietet Schutz vor dem plötzlichen Herztod zwischen der Entlassung aus der stationären Behandlung und einer Entscheidung zur Versorgung mit einem implantierbaren Defibrillator. Der folgende Artikel zeigt Interessantes zur aktuellen Studienlage und unsere Erfahrungen in Österreich.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Der ICD ist die Therapie der Wahl zur Primär- und Sekundärprävention des SCD.</li> <li>Der WCD ist eine Therapieoption bei Patienten mit temporär erhöhtem SCD-Risiko, bei denen die Indikation zum ICD noch nicht endgültig gesichert ist.</li> <li>Im österreichischen WCDRegister konnte gezeigt werden, dass die Therapie sicher und effektiv ist und dass die Compliance durch entsprechende Schulung optimiert werden kann.</li> </ul> </div> <p>Jedes Jahr versterben fast 5 Millionen Menschen weltweit am plötzlichen Herztod („sudden cardiac death“, SCD). Die häufigste Todesursache weltweit sind Herzerkrankungen. Der implantierbare Kardioverter-Defibrillator (ICD) stellt einen effektiven Schutz von Hochrisikopatienten vor einem SCD durch ventrikuläre Tachyarrhythmien dar.<sup>1</sup> Der ICD ist das wichtige Instrument zur Primärprävention des plötzlichen Herztodes bei Risikopatienten (z. B. nach abgelaufenem Myokardinfarkt und hochgradig reduzierter linksventrikulärer Funktion, LVEF) und zur Sekundärprävention bei Patienten nach überlebtem Herz-Kreislauf-Stillstand.<sup>2</sup> <br />Bei manchen Patienten mit reduzierter LVEF und damit kurzfristig erhöhtem SCDRisiko kann sich im Verlauf auch die LVEF wieder bessern, insbesondere nach einem akuten Ereignis (z. B. Myokardinfarkt).<sup>3</sup> Daher gilt es, bei diesen Patienten mit potenziell reversiblem erhöhtem SCD-Risiko mit der ICD-Implantation vorerst zuzuwarten, woraus resultiert, dass diese Patienten für unbestimmte Zeit dem erhöhten Risiko eines SCD ungeschützt ausgesetzt sind. Dasselbe gilt für Patienten, welche auf eine ICD-Implantation warten, bei denen diese jedoch zurzeit aufgrund z. B. einer Infektion vorübergehend kontraindiziert ist.<sup>4</sup><br /> Der tragbare Kardioverter-Defibrillator („wearable cardioverter defibrillator“, WCD, LifeVest<sup>©</sup>, Abb. 1) stellt einen temporären Schutz für Patienten mit temporär hohem SCD-Risiko dar. Lebensbedrohliche Arrhythmien können rasch erkannt und erfolgreich mittels Schockabgabe terminiert werden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Kardio_1903_Weblinks_jatrois_kardio_1903_s25_abb1_manninger.jpg" alt="" width="300" height="352" /></p> <h2>Effektivität und Sicherheit des WCD</h2> <p>In den multizentrischen Studien Wearable Cardioverter Defibrillator Investigational Trial (WEARIT) und Bridge to ICD in Patients at Risk of Sudden Arrythmic Death (BIROAD) konnten Effektivität und Sicherheit des WCD nachgewiesen werden.<sup>5</sup> Es existieren ebenfalls retrospektive Daten aus Registern aus den USA und Deutschland über die Anwendung, Indikationen, Eventraten und Compliance des WCD.<sup>6</sup> Die ersten prospektiven Registerdaten der WEARIT-II-Studie zeigten Effektivität und Sicherheit des WCD für Patienten mit ischämischer Kardiomyopathie, nicht ischämischer Kardiomyopathie oder kongenitalen Herzerkrankungen.<sup>5</sup> Ebenso wird in den Leitlinien der ACC/AHA/ESC aus dem Jahr 2015 der WCD als therapeutische Option für die erwähnten Indikationen sowie für bestimmte Indikationen in den aktuellen ESC-Guidelines 2016 zur Herzinsuffizienz bzw. in den aktuellen ESC-Guidelines zur Prävention des SCD 2015 empfohlen.<sup>1, 2</sup></p> <h2>Entscheidend ist die Compliance</h2> <p>In der VEST-Studie, einer randomisierten klinischen Studie bei Patienten mit linksventrikulärer Auswurffraktion von ≤35 % nach akutem Myokardinfarkt, die mit (n=1524) oder ohne (n=778) WCD versorgt wurden, konnte gezeigt werden, dass die WCD-Versorgung in diesem Patientenkollektiv die Mortalität durch eine Arrhythmie nicht reduziert.<sup>7</sup> Dies wird vor allem durch die mangelnde Compliance in der WCD-Gruppe (14 ± 9 Stunden pro Tag) erklärt. Die Gesamtmortalität konnte bei den WCD-Patienten zwar reduziert werden, dies war aber nicht der primäre Endpunkt der Studie. Der Nutzen des WCD in diesem Patientenkollektiv ist also noch unklar.</p> <h2>Empfehlungen der ÖKG</h2> <p>Die Österreichische Kardiologische Gesellschaft (ÖKG) hat in einem Positionspapier im Jahr 2017 konkrete Empfehlungen für bestimmte Indikationen abgegeben.<sup>4</sup> Der Einsatz des WCD wurde für folgende Patienten mit einer IIa-Indikation versehen:</p> <ul> <li>Temporäre Explantation des ICD, sofern eine sofortige Reimplantation nicht möglich ist (z. B. bei Infektion), oder Verzögerung (z. B. bei Infektion) der ICD-Erstimplantation bei Hochrisikopatienten</li> <li>Patienten auf der Warteliste zur Herztransplantation, welche nicht mit einem ICD versorgt sind</li> <li>Patienten mit akuter Myokarditis und höhergradig eingeschränkter LVEF und/oder maligner Arrhythmien</li> <li>Patienten mit Schwangerschaftskardiomyopathie und höhergradig eingeschränkter LVEF und/oder maligner Arrhythmie</li> </ul> <p>Andere Indikationen wie z. B. eine primärprophylaktische Versorgung von Patienten mit ischämischer bzw. nicht ischämischer Kardiomyopathie und einer LVEF <35 % bei noch nicht endgültig gesicherter ICD-Indikation wurden mit einer IIb-Indikation versehen. Gerade für Patienten nach Myokardinfarkt noch weitere prospektive, randomisierte Studienergebnisse für die WCD-Therapie zu erwarten.</p> <h2>Erfahrungen in Österreich</h2> <p>In Österreich wurden die Daten aller WCD-Patienten in einem prospektiven Register erhoben.<sup>8</sup> 879 Patienten in 56 Zentren wurden zwischen 2010 und 2019 mit einem WCD versorgt. 21 % waren weiblich, das mittlere Alter betrug 60 ± 14 Jahre, 45 % erhielten den WCD als Sekundärprophylaxe. Die meisten Patienten erhielten den WCD aufgrund einer nicht ischämischen Kardiomyopathie (27 % ), einer verzögerten ICD-Implantation (26 % ) oder einer ischämischen Kardiomyopathie (19 % ). Die übrigen Patienten erhielten den WCD aufgrund einer Myokarditis, einer ICD-assoziierten Infektion oder sonstigen selteneren Indikationen. <br />Aus diesem Kollektiv erhielten 3,9 % der Patienten insgesamt 66 Schocks. Die meisten dieser Patienten (66 % ) hatten schon früher eine lebensbedrohliche Arrhythmie. Die meisten Patienten erlitten die lebensbedrohliche Arrhythmie im ersten Monat nach WCD-Versorgung (Abb. 2). Die Schockrate der österreichischen WCD-Patienten beträgt 3,9 % , 85 % der Schocks waren appropriat und 92 % effektiv. Die inappropriate Schockrate war mit 0,8 % im Vergleich zum transvenösen ICD sehr niedrig. Die mediane Tragedauer des WCD betrug 54 Tage. <br />Im Vergleich zur Studienpopulation in der VEST-Studie war die Compliance der österreichischen Patienten mit 23,5 Stunden pro Tag sehr hoch. Dies wird vor allem auf die intensive Schulung unter Einbindung des Pflegepersonals und der Angehörigen der Patienten zurückgeführt. <br />Um die Compliance der Patienten zu gewinnen, ist es vorweg wichtig, dass eine Vertrauensbasis zwischen Pflegeperson und Patient aufgebaut wird. Das gelingt meist schon mit einem Gespräch darüber, wie viel die Patienten schon über den WCD wissen, und indem der Bedarf, die Notwendigkeit und die Wichtigkeit des WCD erklärt werden. Dann werden der Monitor, die Funktion und die Bedienung erklärt. Damit sich die Patienten und die Angehörigen mit dem WCD vertraut fühlen, müssen alle offenen Fragen oder Unsicherheiten geklärt werden. Der Fokus der Einschulung sollte demnach auf den Sirenenalarm (drücken – hinsetzen – beruhigen), den Gongalarm (Display befolgen OK drücken), den täglichen Batterietausch und den Textiltausch bzw. die Körperpflege (nur im Beisein anderer) gelegt werden. <br />Wichtig ist natürlich auch eine gute Einschulung für das Pflegepersonal, um mit dem Produkt und der Funktion des WCD voll vertraut zu sein, damit sich die Patienten und Angehörigen professionell und sicher betreut fühlen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2019_Jatros_Kardio_1903_Weblinks_jatrois_kardio_1903_s25_abb2_manninger.jpg" alt="" width="600" height="347" /></p> <h2>Zusammenfassung</h2> <p>Der WCD ist eine sichere Therapieoption bei temporär erhöhtem SCD-Risiko bzw. bei temporär fehlendem ICD-Schutz.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Priori SG, Blomstrom-Lundqvist C: 2015 European Society of Cardiology Guidelines for the management of patients with ventricular arrhythmias and the prevention of sudden cardiac death summarized by co-chairs. Eur Heart J 2015; 36(41): 2757-9 <strong>2</strong> Ponikowski P et al.: 2016 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. The Task Force for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure of the European Society of Cardiology (ESC). Developed with the special contribution of the Heart Failure Association (HFA) of the ESC. Eur Heart J 2016; 37(27): 2129-200 <strong>3</strong> Reek S et al.: Clinical efficacy of a wearable defibrillator in acutely terminating episodes of ventricular fibrillation using biphasic shocks. Pacing Clin Electrophysiol 2003; 26(10): 2016-22 <strong>4</strong> Scherr D et al.: Positionspapier zum Einsatz des tragbaren Kardioverter-Defibrillators. Journal für Kardiologie 2017; 24(9-10): 206-11 <strong>5</strong> Kutyifa V et al.: Use of the wearable cardioverter defibrillator in high-risk cardiac patients: data from the Prospective Registry of Patients Using the Wearable Cardioverter Defibrillator (WEARIT-II Registry). Circulation 2015; 132(17): 1613-9 <strong>6</strong> Chung MK, Szymkiewicz SJ et al.: Aggregate national experience with the wearable cardioverter-defibrillator: event rates, compliance, and survival. J Am Coll Cardiol 2010; 56(3): 194-203 <strong>7</strong> Olgin JE et al.: Wearable cardioverter-defibrillator after myocardial infarction. N Engl J Med 2018; 379(13): 1205-15 <strong>8</strong> Odeneg T et al.: Indications for and outcome in patients with the wearable cardioverter-defibrillator in a nurse-based training programme: results of the Austrian WCD Registry. Eur J Cardiovasc Nurs 2018; 1474515118790365</p>
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</p>