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Diagnostische Herausforderungen bei seltenen Entitäten der Herzinsuffizienz
Jatros
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Andrea Podczeck-Schweighofer
5. Medizinische Abteilung/Kardiologie<br> Kaiser-Franz-Josef-Spital, Wien<br> E-Mail: andrea.podczeck-schweighofer@wienkav.at
30
Min. Lesezeit
27.02.2020
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<p class="article-intro">Als „selten“ ist eine Prävalenz einer Entität von 1:2000 definiert. Da wir daher nicht tagtäglich mit diesen Entitäten konfrontiert werden, bleiben sie eine diagnostische und therapeutische Herausforderung. Eine möglichst frühe Diagnosestellung ist wichtig.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li>Als „selten“ gilt eine Prävalenz von 1:2000.</li> <li>Hypertroph-obstruktive Kardiomyopathie: genetische Erkrankung, häufig wird ein auffallendes EKG mit Q-Zacken oder „giant T-waves“ festgestellt.</li> <li>Heretitäre Transthyretinamyloidose (hATTR): Diagnose durch Dokumentation einer Herzbeteiligung in der Knochenszintigrafie.</li> <li>Morbus Fabry: Bei Verdacht auf Vorliegen der Erkrankung ist ein Bluttest diagnostisch.</li> <li>Kardiale Sarkoidose: Die Symptome sind vielfältig.</li> </ul> </div> <h2>Hypertroph-obstruktive Kardiomyopathie</h2> <p>Für die hypertroph-obstruktive bzw. nicht obstruktive Kardiomyopathie (HOCM/HNCM) liegt eine Prävalenz von 1:500 vor. Der niedergelassene Mediziner/Internist/Kardiologe detektiert üblicherweise linksventrikuläre Hypertrophie als Folge einer lang bestehenden arteriellen Hypertonie mit einer Prävalenz von über 20 % oder bei der Aortenklappenstenose, deren Prävalenz bekanntlich mit zunehmendem Lebensalter steigt. Die linksventrikuläre Hypertrophie bei Athleten ist definiert als nicht pathologische Hypertrophie des Herzmuskels durch körperliches Training, insbesondere durch Ausdauersport. In diversen Studien beträgt der Prozentanteil an Hypertrophien, also einer Dicke des interventrikulären Septums (IVS) >12 mm nahezu 2 % bei den untersuchten Sportlern. Bezüglich pathologischer linksventrikulärer Hypertrophien spricht man von einer primären hypertrophen Kardiomyopathie, wenn eine IVSDicke von >15 mm vorliegt. Dies findet man bei der hypertroph-obstruktiven Kardiomyopathie (etwa 70 % der HCM) und der nicht obstruktiven Kardiomyopathie in ca. 30 % . Definiert ist die HCM durch das Vorliegen eines asymmetrisch hypertrophierten, nicht dilatierten Ventrikels ohne Vorliegen einer kardialen, systemischen oder metabolischen Erkrankung. Es handelt sich um eine genetische Erkrankung mit autosomal dominanter Vererbung, wobei eine Mutation eines Sarkomergens vorliegt. Häufig wird zunächst ein auffälliges EKG mit Q-Zacken oder „giant T-waves“ festgestellt, in der Auskultation des Herzens entweder ein unauffälliger Befund oder ein systolisches Geräusch, bedingt durch die Ausflusstraktobstruktion.</p> <h2>Heretitäre Transthyretinamyloidose</h2> <p>Die Prävalenz der Amyloidose in Europa beträgt geschätzt 5,2 Fälle pro 1 Million Einwohner. Das bedeutet etwa 350–400 Fälle in Deutschland und Österreich, wobei bei etwa 30 % eine neurologische Symptomatik vorherrscht, bei 25 % dominieren kardiale Symptome und etwa 45 % weisen eine gemischte Symptomatik auf. Transthyretin wird vornehmlich in der Leber gebildet, besteht aus 4 strukturellen Einzelbausteinen (Tetrameren) und dient im Blut als Transporteiweiß für das Schilddrüdenhormin Thyroxin. Bereits der Wildtyp hat eine Tendenz zur Ablagerung als Amyloid im Gewebe, was als Altersamyloidose des Herzens bezeichnet wird. Mutationen führen zu größerer Instabilität des Tetramers und begünstigen Ablagerungen im Gewebe, also die hereditäre Transthyretinamyloidose (hATTR). In Deutschland und Österreich sind derzeit 45 verschiedene TTR-Mutationen dokumentiert, weltweit sind es mehr als 120. Das Alter der Erstmanifestation variiert zwischen dem 20. und 80. Lebensjahr, wobei die Erkrankung ganz sicher unterdiagnostiziert ist. Nach Symptombeginn liegt die Lebenserwartung bei 3–15 Jahren, abhängig vom Genotyp, Phänotyp, vom Alter und anderen Variablen. Die Symptome der ATTR-Amyloidose sind vielfältig, abhängig von der Organmanifestation, von neurologischer, kardialer, okularer oder auch gastrointestinaler Manifestation. Zur Diagnosesicherung war bisher eine Biopsie, möglichst aus dem betroffenen Organ, nötig; der Diagnosepfad bei Verdacht auf ATTR-Amyloidose-Kardiomyopathie ist in Abbildung 1 dokumentiert. Die Diagnose wird nun durch Dokumentation einer Herzbeteiligung in der Knochenszintigrafie deutlich erleichtert. Strategien zur Behandlung der Erkrankung inkludieren neben der symptomatischen Therapie wie Herzschrittmacherimplantation, Nierenersatztherapie, Glaskörperchirurgie etc. kausale Therapien wie die Lebertransplantation, die neue Therapieform mit Tafamidis (die in Österreich bereits in einigen Zentren durchgeführt wird) sowie Wirkstoffe zum „gene silencing“ wie Patisiran oder Inotersen.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Kardio_2001_Weblinks_jat_kardio_2001_s21_abb1_schweighofer.jpg" alt="" width="850" height="434" /></p> <h2>Morbus Fabry</h2> <p>Bei ungeklärter Herzerkrankung könnte es sich auch um Morbus Fabry handeln. Auch diese Erkrankung manifestiert sich in verschiedenen Organen, am häufigsten aber im Herzen. M. Fabry ist eine X-chromosomal vererbte Speicherkrankheit, bei der ein Mangel des Alpha-Galactosidase-A-Gens auf dem X-Chromosom zu einem Mangel an Alpha-Galactosidase A führt. Dies führt in der Folge zu Anreicherung eines Lipids in verschiedenen Organen und zu Organschädigung. Zwischen Symptombeginn und Diagnose liegen im Mittel 15 Jahre. 4 % der Patientinnen und Patienten mit ungeklärter linksventrikulärer Hypertrophie leiden an M. Fabry; im Fabry Outcome Survey war das bei 53 % der Männer im Durchschnittsalter von 45 Jahren und bei 33 % der Frauen mit durchschnittlich 53 Jahren der Fall. Bei Verdacht auf Vorliegen der Erkrankung ist ein Bluttest diagnostisch. Hinweise auf eine Fabry-Kardiomyopathie ergeben sich bei Patienten >30 Jahre, die im Echokardiogramm eine Herzwanddicke von >12 mm und zusätzlich einen prominenten Papillarmuskel aufweisen. Die MR-Untersuchung des Herzens zeigt lokalisierte Fibrosen besonders an der posterolateralen Wand. Wie erwähnt ist der Labortest diagnostisch. Den klinischen Verlauf zeigt Abbildung 2. Prinzipiell kann der M. Fabry mit zwei Arten von Herzbeteiligung auftreten: „Klassisch“ sind neben anderen Beschwerden als Folge anderer Organmanifestationen die vorherrschenden Symptome die Dyspnoe als Folge einer durch die LV-Hypertrophie verursachten Herzinsuffizienz, aber auch Schmerzen thorakal, Palpitationen, auch Synkopen. Bei der zweiten Variante kommt es ausschließlich zu einer kardialen Manifestation, dann erst im späteren Lebensalter. Eine Behandlung des M. Fabry ist durch eine lebenslange Infusionstherapie mit Agalsidase alpha möglich.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2020_Jatros_Kardio_2001_Weblinks_jat_kardio_2001_s21_abb2_schweighofer.jpg" alt="" width="475" height="289" /></p> <h2>Kardiale Sarkoidose</h2> <p>Schließlich ist noch die kardiale Sarkoidose zu erwähnen. Sie bedeutet eine kardiale Mitbeteiligung bei systemischer Sarkoidose. Eine kardiale Mitbeteiligung findet sich in 5 % der Fälle, wobei allerdings Autopsiedaten von einer weitaus höheren kardialen Manifestation (bis zu 70 % ) sprechen. Die Symptome sind vielfältig und inkludieren Thoraxschmerzen, Palpitationen, Synkopen bis zum plötzlichen Herztod. An Befunden sind Arrhythmien, AVÜberleitungsstörungen, Klappendysfunktionen, Herzinsuffizienz und auch Perikardveränderungen zu erheben. Die Therapie besteht aus immunsuppressiver Medikation, Herzinsuffizienztherapie bis zu Schrittmacher- und ICD-Implantationen.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Selten bleiben Entitäten, die zu Herzsuffizienz führen, eine diagnostische Herausforderung. Neue diagnostische Tools sind ebenso hilfreich, wie neue Therapieoptionen Hoffnung vermitteln. Die Betreuung sollte spezialisierten Zentren vorbehalten bleiben.</p> </div></p>
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