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Das Tako-Tsubo-Syndrom 2018
Jatros
Autor:
Univ.-Prof. Dr. Jutta Fiegl
Autor:
Dr. Edita Piackova
Autor:
Prim. Univ.-Prof. Dr. Kurt Huber
Autor:
Dr. Valerie Weihs
E-Mail: valerie.weihs@meduniwien.ac.atn
30
Min. Lesezeit
01.03.2018
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<p class="article-intro">Das Tako-Tsubo-Syndrom, auch „Apical ballooning“-Syndrom oder stressinduzierte Kardiomyopathie genannt, betrifft zumeist postmenopausale Frauen. In der vorliegenden Arbeit werden Daten aus dem retrospektiven sowie prospektiven österreichischen Tako-Tsubo-Register zum aktuellen Stand der Situation präsentiert.</p>
<p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Keypoints</h2> <ul> <li><span xml:lang="de-DE">Ziel einer derzeit laufenden pro­spektiven Registerstudie ist es, mehr Informationen über das ­klinische Erscheinungsbild und die Prävalenz des Tako-Tsubo-Syndroms unter Patienten mit Symptomen eines akuten Koronarsyndroms zu gewinnen.</span></li> <li><span xml:lang="de-DE">Mögliche Risikofaktoren und ­Triggerfaktoren sollen detektiert werden.</span></li> <li><span xml:lang="de-DE">Das Register soll helfen, eine ­Optimierung der Diagnostik und Therapie zu erlangen. </span></li> <li><span xml:lang="de-DE">Potenzielle Risikofaktoren und zugrunde liegende Pathomechanismen des Tako-Tsubo-Syndroms sollen ermittelt werden.</span></li> </ul> </div> <p>Ähnlich den Symptomen eines akuten koronaren Geschehens sind die Charakteristika dieses Syndroms akut einsetzende Thoraxschmerzen und/oder Atemnot, Veränderungen im Bereich der ST/T-Strecken im Elektrokardiogramm (EKG) sowie ein Anstieg der ischämiespezifischen Biomarker (kardiales Troponin I und T, CK und CK-MB).<br />Charakteristischerweise zeigen sich keine signifikanten obstruktiven Läsionen der epikardialen Koronararterien. Dia­gnostisch beweisend sind jedoch typische regionale Wandbewegungsstörungen des linken Ventrikels, welche außerhalb eines Versorgungsgebietes einer Koronararterie liegen. Anhand dieser typischen regionalen Dysfunktion des linken Ventrikels lassen sich vier verschiedene Typen des ­Tako-Tsubo-Syndroms differenzieren. Typischerweise bilden sich diese regionalen Wandbewegungsstörungen innerhalb weniger Tage bis Wochen vollständig zurück. Neue Erkenntnisse zeigen jedoch, dass bei bis zu 15 % der Patienten mit Tako-Tsubo-Syndrom eine obstruktive koronare Atherosklerose nachzuweisen ist.<br />Bei bis zu 50 % der betroffenen Patienten lässt sich ein dem Einsetzen der Symptomatik vorangegangenes Stressereignis (emotionaler oder physischer Natur) nachweisen. Grundsätzlich kann das Tako-Tsubo-Syndrom als zumeist gutartig verlaufendes Krankheitsbild betrachtet werden, jedoch können Patienten in der Akutphase schwerwiegende, zumeist kardiovaskuläre Komplikationen wie Herzrhythmusstörungen, kardiale Dekompensation oder kardiogene Schockereignisse erleiden. Auch finden sich in bis zu 11 % der beschriebenen Fälle eines Tako-Tsubo-Syndroms Rezidivfälle des Syndroms.<sup>1–12 </sup></p> <h2>Retrospektive multizentrische Registerdatenbank</h2> <p>Anhand einer retrospektiv durchgeführten Registerstudie<sup>12</sup> an 11 teilnehmenden interventionellen Zentren konnten bei 172 Patienten mit Tako-Tsubo-Syndrom vier anatomische Typen des ­Tako-Tsubo-Syndroms definiert werden – einerseits der am häufigsten vorkommende apikale Typ (Abb. 1), andererseits das Tako-Tsubo-Syndrom in der midventrikulären Region des linken Ventrikels sowie ein Typ mit ausgedehnten Wandbewegungsstörungen sowohl in der apikalen wie auch der midventrikulären Region und ein sehr selten auftretender Typ eines basalen Tako-Tsubo-Syndroms. Die EKG-Veränderungen in der Akutphase des Tako-Tsubo-Syndroms entsprachen zu etwa gleichen Teilen denen eines akuten ST-Hebungsinfarktes (STEMI) oder denen eines akuten Nicht-ST-Hebungsinfarktes (NSTEMI). Auslösende Stressereignisse konnten retrospektiv bei über der Hälfte der Patienten definiert werden, es zeigten sich hier zu etwa gleichen Teilen emotionale Stressereignisse sowie physische Stressfaktoren. Im Gegensatz zur internationalen Literatur fanden sich bei einigen unserer Patienten interessanterweise eine verzögerte Erholung der linksventrikulären Funktion („delayed recovery“) sowie bei 25 % der Patienten kardiovaskuläre Komplikationen (Abb. 2).<br />Bis dato gibt es keine optimalen diagnostischen Kriterien oder therapeutischen Strategien für Patienten mit Tako-Tsubo-Syndrom. Die Bildung eines multizentrischen Registers in Österreich kann dazu beitragen, Patienten mit Tako-Tsubo-Syndrom eine optimale Nachbetreuung im Bereich der Überwachung der linksventrikulären Funktion, aber auch im Bereich der psychosomatischen Betreuung nach dem belastenden Ereignis zu bieten sowie möglicherweise die bis dato unbekannte Ursache dieses Syndroms zu finden.</p> <p><img src="/custom/img/files/files_datafiles_data_Zeitungen_2018_Jatros_Kardio_1801_Weblinks_s6.jpg" alt="" width="2150" height="804" /></p> <h2>Prospektive Registerstudie mit Patienten mit Tako-Tsubo-Syndrom in Österreich</h2> <p>Patienten mit Tako-Tsubo-Syndrom werden österreichweit seit 2013 in bisher fünf kardiologischen Zentren mit Akutkoronarangiografie- und Interventionsmöglichkeit nach der Diagnosestellung anhand der international anerkannten Mayo-Clinic-Kriterien<sup>13</sup> erfasst.</p> <p><strong>Patienteneinschluss</strong></p> <p>Patienten werden nach der Diagnosestellung (Koronarangiografie) anhand der Mayo Clinic Criteria<sup>13</sup> erfasst. Anhand der klinischen Präsentation der Patienten (EKG-Veränderungen) sowie des Alters und des Geschlechtes wird zusätzlich eine Kontrollgruppe von Patienten mit akutem Myokardinfarkt (NSTEMI/STEMI) gebildet. Diese Registerstudie verläuft in drei Phasen:</p> <p><strong>Akutphase</strong></p> <p>In der Akutphase des Syndroms werden übliche Parameter wie die Patientencharakteristika (Geschlecht, Alter, Vorerkrankungen, vorbestehende Medikation), die Symptomatik in der Akutphase, die akuten Veränderungen im EKG und der Laborparameter (kardiale Biomarker) gemessen und es werden intrahospitale Komplikationen, therapeutische Maßnahmen und das Langzeitüberleben nach einem Jahr erfasst.</p> <p><strong>Studienspezifische Untersuchungen</strong></p> <p>Dazu zählt einerseits die Erfassung des auslösenden Stressereignisses inklusive der Erfassung des psychosozialen Status der Patienten anhand evaluierter psychosomatischer Fragebögen, andererseits die Detektion von Veränderungen stressspezifischer Biomarker sowie die Erfassung der regionalen Wandbewegungsstörungen des linken (und auch rechten) Ventrikels mittels spezifischer echokardiografischer Untersuchungen („strain rate analysis“ und „speckle tracking“).</p> <p><strong>Nachkontrollen</strong></p> <p>Die Patienten werden konsequent einen Monat, 3 Monate, 6 Monate und ein Jahr nach dem Ereignis zu einer Kontrolluntersuchung eingeladen, wobei mögliche Veränderungen der Laborparameter und des Elektrokardiogramms detektiert sowie wiederum spezifische psychosomatische Fragebögen ausgewertet werden. <br />Diese Registerstudie findet unter der Leitung von Prim. Univ.-Prof. Dr. Kurt Huber, 3. Medizinische Abteilung mit Kardiologie mit Ambulanz, Wilhelminenspital, Wien, im Rahmen eines PhD-Projektes von Dr. Valerie Weihs, Medizinische Universität Wien, statt.</p></p>
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<a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a>
<div class="collapse" id="collapseLiteratur">
<p><strong>1</strong> Song BG et al.: The clinical characteristics, laboratory parameters, electrocardiographic, and echocardiographic findings of reverse or inverted takotsubo cardiomyopathy: comparison with mid or apical variant. Clin Cardiol 2011; 34: 693-9 <strong>2</strong> Kurowski V et al.: Apical and midventricular transient left ventricular dysfunction syndrome (tako-tsubo cardiomyopathy): frequency, mechanism, and prognosis. Chest 2007; 132: 809-16 <strong>3</strong> Akashi YJ et al.: The clinical features of takotsubo cardiomyopathy. QJM 2003; 96: 563-73 <strong>4</strong> Akashi YJ et al.: Reversible ventricular dysfunction takotsubo cardiomyopathy. Eur J Heart Fail 2005; 7: 1171-6<br /><strong>5</strong> Tsuchihashi K et al.: Transient left ventricular apical ­ballooning without coronary artery stenosis: a novel heart syndrome mimicking acute myocardial infarction. Angina pectoris-myocardial infarction investigations in Japan. J Am Coll Cardiol 2001; 38: 11-8 <strong>6</strong> Park SM et al.: Left ventricular systolic and diastolic function in patients with apical ballooning syndrome compared with patients with acute anterior ST-segment elevation myocardial infarction: a functional paradox. Mayo Clin Proc 2009; 84: 514-21 <strong>7</strong> Bybee KA et al.: Systematic review: transient left ventricular apical ballooning: a syndrome that mimics ST-segment elevation myocardial infarction. Ann Intern Med 2004; 141: 858-65 <strong>8</strong> Elesber AA et al.: Four-year recurrence rate and prognosis of the apical ballooning syndrome. J Am Coll Cardiol 2007; 50: 448-52 <strong>9</strong> Hurst RT et al.: Transient midventricular ballooning syndrome. A new variant. J Am Coll Cardiol 2006; 48: 579-83 <strong>10</strong> Sharkey SW et al.: Acute and reversible cardiomyopathy provoked by stress in women from the United States. Circulation 2005; 111; 472-9 <strong>11</strong> Sharkey SW et al.: Natural history and expansive clinical profile of stress (tako-tsubo) cardiomyopathy. J Am Coll Cardiol 2010; 55: 333-41 <strong>12</strong> Weihs V et al.: Stress-induced cardiomyopathy (tako-tsubo syndrome) in Austria. Eur Heart J Acute Cardiovasc Care 2013; 2: 137-46 <strong>13</strong> Maron BJ et al.: Contemporary definitions and classification of the cardiomyopathies: an American Heart Association Scientific Statement from the Council on Clinical Cardiology, Heart Failure and Transplantation Committee; Quality of Care and Outcomes Research and Functional Genomics and Translational Biology Interdisciplinary Working Groups; and Council on Epidemiology and Prevention. Circulation 2006; 113: 1807-16</p>
</div>
</p>
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