
Covid-19 und das Herz
Bericht:
Dr. med. Sabina Ludin
Chefredaktorin
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Prof. Cristina Basso, Direktorin der Abteilung für kardiovaskuläre Pathologie der Universität Padova, gehörte 2020 zu den Ersten, die Autopsien bei verstorbenen Covid-19-Patienten durchgeführt haben. Am diesjährigen SGK-Kongress gab sie einen spannenden Einblick in ihre Forschungsarbeit und zeigte, dass es sich bei der viel zitierten Myokarditis bei Covid-19-Patienten histopathologisch um keine echte Myokarditis, sondern vielmehr um eine Infiltration des Myokards mit Makrophagen handelt, die vermutlich durch die systemische Hyperinflammation ausgelöst wird.
Neben der Lunge betrifft Covid-19 bekanntlich auch viele andere Organe. Publikationen, die auf Daten aus Wuhan beruhen, haben die akute Myokardschädigung mit erhöhten Troponinwerten als häufigste kardiale Beteiligung beschrieben. Ungefähr 8–12% der Patienten sollen davon betroffen sein.1 Es wurde auch gezeigt, dass hohe Troponinwerte mit einer erhöhten Mortalität assoziiert sind.1,2 Bei einem kleinen Teil der Patienten wurde eine akute Herzinsuffizienz mit verminderter Auswurffraktion beobachtet, was zur Vermutung führte, dass sich bei einigen Patienten eine Myokarditis entwickeln könnte.2
Histopathologische Befunde
Um Klarheit über die pathologischen Veränderungen am Herzen zu erhalten, führten Prof. Dr. Dr. med. Cristina Basso und ihr Team während der ersten Covid-19-Welle in Norditalien bei verstorbenen Covid-19-Patienten Autopsien durch mit einem speziellen Fokus auf der Untersuchung der pathologischen Veränderungen an Herz und Gefässen. Dies, nachdem sie und ihr Team gezeigt hatten, dass Autopsien unter Einhaltung von Schutzmassnahmen auch bei Covid-19-Patienten durchführbar sind.3
Myokarditis ist die Ausnahme, nicht die Regel
«Interessanterweise fanden wir in einer internationalen Multicenterstudie nur bei 14% der verstorbenen Covid-19-Patienten in der Autopsie Zeichen einer echten multifokalen lymphozytären Myokarditis. Bei 86% der Patienten sahen wir vielmehr eine diffuse interstitielle Infiltration des Myokards mit Makrophagen»,4 berichtete Basso. Die hohe Anzahl von Makrophagen im Myokard scheint gemäss Basso weitgehend auf die systemische Hyperinflammation mit gesteigerter Ausschüttung proinflammatorischer Zytokine (sog. Zytokinsturm) zurückzuführen zu sein.4 Weitere pathologische Veränderungen, die in der Studie gefunden wurden, waren endokardiale Thromben bei 14% und Thrombosen der kleinen Gefässe, eine fokale Perikarditis und Zeichen einer Rechtsherzüberlastung bei je 19% der verstorbenen Covid-19-Patienten.4
«Es gibt zwar viele Fallberichte, die bei Covid-19-Patienten eine Myokarditis beschreiben, aber bisher fehlen sowohl der Nachweis von Entzündung, Nekrose, Ödem als auch Hinweise auf das Virus in den Myozyten», so Basso. Die interstitielle Infiltration des Myokards mit Makrophagen ist jedoch nicht spezifisch für eine SARS-Cov-2-Infektion, sie wurde auch bei anderen Infektionen beobachtet. Unter anderem fanden Forscher auch bei SARS-CoV-1-Infizierten, dass die myokardiale Entzündung durch Makrophagen und die Produktion von Chemokinen verursacht wurde und nicht durch eine lymphozytäre Myokarditis.5 Auch ein kürzlich erschienener Review, in dem die Resultate aus publizierten Autopsiestudien bei verstorbenen Covid-19-Patienten mit Daten der Autoren kombiniert wurden, bestätigte, dass die echte Myokarditis eine sehr seltene pathologische Diagnose ist, die nur in 4,5% der Autopsien gefunden wurde, und dass die Myokardentzündung vornehmlich durch eine Makrophageninfiltration bedingt war.6 «Bei Covid-19-Patienten ist die Myokarditis also die Ausnahme und nicht die Regel», folgerte Basso. «Daher sollte der Begriff Myokarditis bei der Beschreibung von Patienten mit erhöhten Troponinwerten im Zusammenhang mit Covid-19 mit Vorsicht verwendet werden.»
Kardiale Beteiligung und kardiovaskuläre Vorerkrankungen
«Die schwere Covid-19-Erkrankung ist vorwiegend eine mikrovaskuläre Erkrankung. Endothelschäden führen zu einer vaskulären Inflammation und mikrovaskulären Thromben, welche ihrerseits in einer Hyperinflammation und diffusen Thrombosen resultieren»,7 sagte PD Dr. med. Emrush Rexhaj, Kardiologe am Universitätsspital Bern. Das Herz kann im Rahmen einer Covid-19-Erkrankung einerseits mitbetroffen sein, andererseits gehören kardiovaskuläre Erkrankungen zu den häufigsten Komorbiditäten, die mit einer erhöhten Mortalität bei Covid-19 assoziiert sind.8 «Das Spektrum der kardialen Beteiligung umfasst Myokardschädigung, akutes Koronarsyndrom, Arrhythmien, thromboembolische Komplikationen und Herzinsuffizienz. Entsprechend vielfältig kann die klinische Präsentation sein. Die häufigsten Symptome sind Thoraxschmerzen, Dyspnoe und Palpitationen»,9 so Rexhaj. Besonders wenn die Dyspnoe im Vordergrund steht, kann die Unterscheidung zwischen einer pulmonalen und einer kardialen Ätiologie schwierig sein. Bei Patienten mit typischen kardialen Symptomen kann es aber auch schwierig sein, die dahinterliegende SARS-CoV-2-Infektion zu erkennen, wenn diese bisher nicht bekannt war. Bei diesen Patienten sollte, solange die Pandemie andauert, Covid-19 deshalb als Differenzialdiagnose in Betracht gezogen werden, auch wenn Fieber und Zeichen einer Atemwegsinfektion fehlen.
Dass eine kardiale Beteiligung bei schwerer Covid-19-Erkrankung häufig ist und auch langfristige Konsequenzen haben kann, zeigte eine Studie aus dem Universitätsspital Frankfurt, in welcher 100 von einer schweren Covid-19-Erkrankung genesene Patienten mittels kardialer MRT untersucht wurden. Bei 78% liessen sich Zeichen einer kardialen Beteiligung und bei 60% liess sich eine anhaltende myokardiale Entzündung nachweisen.10
Myokardschädigung
«Hospitalisierte Covid-19-Patienten haben oft erhöhte Troponinwerte. Es ist bekannt, dass hohe Troponinwerte mit einer erhöhten Mortalität assoziiert sind,1, 2 aber die zugrundeliegenden Ursachen sind nicht eindeutig geklärt», sagte Rexhaj. In einer britischen Studie wurde deshalb bei genesenen Covid-19-Patienten zur Berurteilung der Myokardschädigung eine kardiale MRT durchgeführt. Bei insgesamt 54% der Probanden fanden sich pathologische kardiale Befunde, wie Myokarditis-ähnliche Vernarbungen (26%), eine Infarzierung mit oder ohne ischämische Veränderungen (22%) oder beide Pathologien (11%).11 Diffuse Ödeme oder Fibrosen wurden nicht festgestellt. 66% der Patienten mit ischämischen Zeichen hatten keine bekannte koronare Herzkrankheit (KHK).11 Es bleibt jedoch unklar, ob es sich bei den beobachteten Befunden um eine vorbestehende klinisch stumme KHK oder um neue Covid-19-bedingte Veränderungen handelt.
Lungenembolie
Da bei Covid-19 die Gerinnungskaskade aktiviert werden kann, besteht das Risiko für thromboembolische Komplikationen. In einer französischen Multicenterstudie wurde bei 8,3% der hospitalisierten Covid-19-Patienten mittels pulmonaler Angio-CT eine Lungenembolie diagnostiziert.12 Interessanterweise war das Auftreten einer Lungenembolie nicht assoziiert mit den klassischen Risikofaktoren für thromboembolische Komplikationen. Als Risikofaktoren wurden männliches Geschlecht, erhöhte CRP-Werte sowie eine längere Latenz zwischen Symptombeginn und Hospitalisation identifiziert. Protektive Faktoren waren eine prophylaktische oder therapeutische Antikoagulation vor der Hospitalisation sowie eine prophylaktische Antikoagulation während des Spitalaufenthalts.12
Herzinsuffizienz
Patienten mit einer vorbestehenden Herzinsuffizienz haben eine viel höhere Mortalität, wenn sie an Covid-19 erkranken, als solche ohne Herzinsuffizienz (63,6 vs. 17,7%).2,13 «Als Ursachen für das akute Herzversagen kommen ein akuter Myokardschaden, ein ARDS, Hypoxämie, eine akute Niereninsuffizienz, eine stressinduzierte Kardiomyopathie sowie ein Zytokinsturm infrage», erklärte Rexhaj.
Quelle:
Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Kardiologie (SGK), 9. bis 11. Juni 2021
Literatur:
1 Shi S et al.: Association of cardiac injury with mortality in hospitalized patients with COVID-19 in Wuhan, China. JAMA Cardiol 2020; 5: 802-10 2 Zhou F et al.: Clinical course and risk factors for mortality of adult inpatients with COVID-19 in Wuhan, China: a retrospective cohort study. Lancet 2020; 395: 1054-62 3 Basso C et al.: Feasibility of postmortem examination in the era of COVID-19 pandemic: the experience of a Northeast Italy University Hospital. Virchows Arch 2020; 477: 341-7 4 Basso C et al.: Pathological features of COVID-19-associated myocardial injury: a multicentre cardiovascular pathology study. Eur Heart J 2020; 41: 3827-35 5 Oudit GY et al.: SARS-coronavirus modulation of myocardial ACE2 expression and inflammation in patients with SARS. Eur J Clin Invest 2009; 39: 618-25 6 Kawakami R et al.: Pathological evidence for SARS-CoV-2 as a cause of myocarditis: JACC Review Topic of the Week. J Am Coll Cardiol 2021; 77: 314-25 7 Lowenstein CJ, Solomon SD: Severe COVID-19 is a microvascular disease. Circulation 2020; 142: 1609-11 8 Wu Z, McGoogan JM: Characteristics of and important lessons from the coronavirus disease 2019 (COVID-19) outbreak in China: summary of a report of 72 314 cases from the Chinese center for disease control and prevention. JAMA 2020; 323: 1239-42 9 Fried JA et al.: The variety of cardiovascular presentations of COVID-19. Circulation 2020; 141: 1930-6 10 Puntmann VO et al.: Outcomes of cardiovascular magnetic resonance imaging in patients recently recovered from coronavirus disease 2019 (COVID-19). JAMA Cardiol 2020; 5: 1265-73 11 Kotecha T et al.: Patterns of myocardial injury in recovered troponin-positive COVID-19 patients assessed by cardiovascular magnetic resonance. Eur Heart J 2021; 42: 1866-78 12 Fauvel C et al.; Critical Covid-19 France Investigators: Pulmonary embolism in COVID-19 patients: a French multicentre cohort study. Eur Heart J 2020; 41: 3058-68 13 Ge Y et al.: Estimation of case-fatality rate in COVID-19 patients with hypertension and diabetes mellitus in the New York state: a preliminary report. Epidemiol Infect 2021; 149: e14
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