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Herzinsuffizienz

Blutdruck bei chronischer HI mit eingeschränkter Pumpfunktion

<p class="article-intro">Erhöhter Blutdruck stellt einen der wichtigsten Risikofaktoren für die Entstehung einer chronischen Herzinsuffizienz (HI) dar. Sobald aber die Erkrankung ausgebrochen ist, scheint der höhere Blutdruck eine protektive Wirkung zu haben. Doch wie steht es um Patientinnen und Patienten mit niedrigem Blutdruck?</p> <p class="article-content"><div id="keypoints"> <h2>Key Points</h2> <ul> <li>Hoher Blutdruck ist ein wichtiger Risikofaktor f&uuml;r die Entstehung einer Herzinsuffizienz.</li> <li>Bei bereits bestehender Herzinsuffizienz ist allerdings ein h&ouml;herer Blutdruck prognostisch vorteilhaft.</li> <li>Niedriger Blutdruck ist mit einer fortgeschrittenen Erkrankung assoziiert und sollte zu einer intensiven Herzinsuffizienztherapie f&uuml;hren.</li> <li>Asymptomatische Blutdruckver&auml;nderungen haben keinen Einfluss auf den Behandlungserfolg und die Herzinsuffizienz-spezifische Therapie sollte unabh&auml;ngig davon verschrieben und auftitriert werden.</li> <li>Engmaschige Kontrollen sind gerade bei niedrigem Blutdruck und/oder eingeschr&auml;nkter Nierenfunktion unumg&auml;nglich.</li> </ul> </div> <p>Die Herzinsuffizienz (HI) mit reduzierter Auswurffraktion, im Englischen abgek&uuml;rzt als HFrEF, ist eine chronische Erkrankung mit weltweit zunehmender Inzidenz und Pr&auml;valenz. Neben einem durchgemachten Myokardinfarkt oder einer chronischen Durchblutungsst&ouml;rung kann besonders auch ein erh&ouml;hter Blutdruck zur Entstehung der HFrEF f&uuml;hren.<br /> Hier zeigt sich ein klarer und linearer Zusammenhang: je h&ouml;her der Blutdruck, desto h&ouml;her die Wahrscheinlichkeit, im Verlauf mehrerer Jahre an HI zu erkranken. Dies gilt f&uuml;r beide Geschlechter und viele Altersgruppen und macht den erh&ouml;hten Blutdruck zum h&auml;ufigsten Risikofaktor.</p> <h2>Blutdruck: Ist h&ouml;her besser?</h2> <p>Bei Patientinnen und Patienten, die an HFrEF erkrankt sind, stellt sich die Situation interessanterweise v&ouml;llig anders dar. Der Blutdruck bleibt zwar ein wichtiger Prognosefaktor, die Vorzeichen allerdings &auml;ndern sich. War bei Herzgesundheit ein hoher Blutdruck noch sch&auml;dlich, so zeigt sich bei Patientinnen und Patienten mit HFrEF das genaue Gegenteil: Diejenigen mit dem nie&shy;drigsten Blutdruck haben die h&ouml;chste Mortalit&auml;t. Studienergebnisse aus den letzten Jahrzehnten zeichnen hier ein eindeutiges Bild. Besonders ein systolischer Blutdruck unter 110mmHg ist mit einem deutlich erh&ouml;hten Sterberisiko verbunden. &Auml;hnliches gilt f&uuml;r den diastolischen Wert, auch hier haben diejenigen mit den niedrigsten Werten, besonders unter 60mmHg, das h&ouml;chste Risiko, im Verlauf zu sterben.<br /> Ganz so einfach scheint der Zusammenhang aber dennoch nicht zu sein. Weitere Forschung auf diesem Gebiet zeigte, dass ein deutlich erh&ouml;hter Blutdruck &uuml;ber 150mmHg systolisch ein erh&ouml;htes Risiko birgt &ndash; allerdings nur bei leicht/mittelgradig reduzierter Pumpfunktion. Bei schwerer Erkrankung ist ein eindeutiger und linearer Zusammenhang zu sehen: je h&ouml;her der Blutdruck, desto besser das &Uuml;berleben. Quantifiziert wurde dieser Effekt in einer gemittelten Analy&shy;se vieler Studien. Hier stellte sich heraus, dass bei allen Patientinnen und Patienten mit HFrEF eine Erh&ouml;hung des Blutdrucks um 10mmHg zu einem 13 % reduzierten Mortalit&auml;tsrisiko f&uuml;hrt.</p> <h2>Hypothesen f&uuml;r den Effekt</h2> <p>Als Erkl&auml;rung f&uuml;r diesen paradoxen Effekt kommen zwei Hypothesen infrage. Einerseits k&ouml;nnte eine schwere Erkrankung grunds&auml;tzlich zu einer h&ouml;heren Verschreibungsdosis der empfohlenen HI-spezifischen Medikation f&uuml;hren. Diese h&ouml;here Dosis senkt zwar den Blutdruck, vermag aber vielleicht das &Uuml;berleben nicht so stark zu verbessern, und so h&auml;tte diese Gruppe nach wie vor das h&ouml;chste Risiko. Andererseits k&ouml;nnte man annehmen, dass eine schwere Erkrankung initial bereits zu einem niedrigen Blutdruck f&uuml;hrt und durch schlechtere Vertr&auml;glichkeit zu einer nie&shy;drigeren Verschreibungsdosis der empfohlenen Medikation. Dadurch h&auml;tte diese Gruppe den kleinsten therapeutischen Nutzen und die schlechteste Prognose.<br /> Um diesen Hypothesen auf den Grund zu gehen, lohnt sich ein Blick auf die Zulassungsstudien der etablierten medi&shy;kament&ouml;sen Behandlungen der HFrEF. Betablocker bilden einen der Grundpfeiler dieser Therapie. Sie werden bei Patientinnen und Patienten mit Bluthochdruck seit vielen Jahrzehnten angewandt, und so herrschten anfangs Zweifel an der Wirksamkeit bei HFrEF &ndash; vor einigen Jahrzehnten waren Betablocker bei der HFrEF sogar kontraindiziert. Erst durch Studienergebnisse konnte belegt werden, dass ein zu Beginn mit einer niedrigen Dosis verabreichter Betablocker im Verlauf gesteigert werden kann und in der Lage ist, das &Uuml;berleben zu verl&auml;ngern. Doch Betablocker verl&auml;ngern das &Uuml;berleben nicht nur, sie f&uuml;hren auch in der Gruppe von Patientinnen und Patienten mit dem niedrigsten Blutdruck bei Therapiebeginn zu einem Anstieg ebendessen. Dar&uuml;ber hinaus war es auch diese Gruppe, die am meisten von einer Therapie mit z.B. Carvedilol profitierte.<br /> F&uuml;r die Gruppe der Medikamente, die in das Renin-Angiotensin-System eingreifen, kann Valsartan als Beispiel herangezogen werden. Hier zeigte sich auch in der Gruppe mit dem niedrigsten Ausgangsblutdruck von 90&ndash;100mmHg keine weitere Verringerung des Blutdrucks durch den Therapiebeginn. Auch die Nebenwirkungsrate war in dieser Gruppe vergleichbar mit jener bei h&ouml;heren Blutdruckwerten.<br /> Ein &auml;hnliches Bild ergibt sich bei Analyse der Daten zum Betablocker Nebivolol. W&auml;hrend der Blutdruck in der Gruppe mit dem h&ouml;chsten Ausgangswert bei Therapiebeginn erwartungsgem&auml;&szlig; f&auml;llt, steigt er in jener mit dem niedrigsten deutlich an.<br /> Die j&uuml;ngsten Daten zum Zusammenhang zwischen Behandlungseffekt und Ausgangsblutdruck stammen aus der neuen Substanzgruppe der Angiotensin-Rezeptorblocker-Neprilysin-Inhibitoren (ARNIs). Im Vergleich zu Enalapril wurde der Blutdruck zwar deutlicher gesenkt, einen Einfluss auf den positiven Effekt des ARNI hatte das aber nicht.<br /> Es scheint also so zu sein, dass bei Behandlung einer chronischen HI der Blutdruck bei niedrigem Ausgangswert steigt, bei hohem eher f&auml;llt. Da der positive Effekt der Behandlung allerdings in diesen Studien &uuml;ber die gesamte Kohorte ersichtlich war, l&auml;sst sich vermuten, dass diese Effekte unabh&auml;ngig von der Erh&ouml;hung oder Reduktion des Blutdrucks sind. Tats&auml;chlich legt auch eine Analyse aus Spanien diesen Schluss nahe. Hier konnte in einer Population au&szlig;erhalb von Studienbedingungen best&auml;tigt werden, dass die Verl&auml;ngerung des &Uuml;berlebens nicht vom Ausma&szlig; der Ver&auml;nderung des Blutdrucks unter Therapie abh&auml;ngt.</p> <h2>Blutdruck bei Medikamente- und &shy;Ger&auml;tetherapie</h2> <p>Zusammenfassend l&auml;sst sich sagen, dass die Entscheidung zum Beginn einer medikament&ouml;sen Therapie, ihrer Auftitration oder ihrer Reduktion unabh&auml;ngig vom urspr&uuml;nglichen Blutdruckwert oder seiner Ver&auml;nderung &uuml;ber die Zeit getroffen werden sollte. Selbstverst&auml;ndlich steht das Wohlbefinden der Patientinnen und Patienten im Vordergrund und so sollte bei symptomatischer Hypo&shy;tension eine Dosisreduktion erfolgen. Auch beim Einschluss in die wichtig&shy;sten Zulassungsstudien waren zum Teil noch recht niedrige systolische Blutdruckwerte erlaubt. So war z.B. bei COPERNICUS (Carvedilol) ein systo&shy;lischer Blutdruck von zumindest 85mmHg in den Einschlusskriterien vorgeschrieben.<br /> <br /> Die Ger&auml;tetherapie hat in der HI einen ma&szlig;geblichen Einfluss auf das Outcome. Doch auch bei Device-Therapie ist der Blutdruck relevant. Bei symptomatischen Patientinnen und Patienten mit einer Auswurffraktion von &le;35 % trotz ad&auml;quater medikament&ouml;ser Therapie und einer QRS-Breite von &ge;130ms mit Linksschenkelblockkonfiguration hat sich eine kardiale Resynchronisationstherapie (CRT) als prognostisch sehr wertvoll erwiesen. Das oben beschriebene Bild wiederholte sich in der MADIT-CRT-Studie: je niedriger der Blutdruck bei Einschluss, desto h&ouml;her die Wahrscheinlichkeit, im Verlauf der Studie zu versterben. Bemerkenswert dabei ist, dass alle Patientinnen und Patienten zum Einschluss eine optimierte medikament&ouml;se Therapie aufwiesen und sich nur in einem milden Stadium der HFrEF (NYHA I&ndash;II, jedoch LVEF &lt;30 % ) befanden. Sieht man sich den Behandlungserfolg der CRT an, stellt man fest, dass dieser stark mit dem systolischen Blutdruck bei Einschluss zusammenh&auml;ngt. Je niedriger dieser anfangs ist, desto gr&ouml;&szlig;er der Effekt, der mit der Ger&auml;tetherapie erzielt wird. In diesem Zusammenhang ist der Einfluss der Herzfrequenz interessant. Eine hohe Herzfrequenz ist ein Risikofaktor f&uuml;r einen verfr&uuml;hten Tod, sowohl in der gesunden Bev&ouml;lkerung als auch bei kardiologisch Erkrankten. Bei Patientinnen und Patienten mit HI bleibt diese prognostische Wirkung erhalten, wird aber in Abh&auml;ngigkeit des Blutdrucks stark modelliert. Bei niedrigem systolischem Druck &lt;100mmHg ist eine erh&ouml;hte Herzfrequenz &gt;90 Schl&auml;ge/Min. als &auml;u&szlig;erst schlechtes Zeichen zu werten, w&auml;hrend bei h&ouml;heren Blutdruckwerten kaum ein Unterschied zu erkennen war.</p> <div id="fazit"> <h2>Fazit</h2> <p>Die Antwort auf die urspr&uuml;ngliche Frage, ob der niedrige Blutdruck zu weniger medikament&ouml;ser Therapie oder breite medikament&ouml;se Therapie zu niedrigem Blutdruck f&uuml;hrt, sollte also mit weder noch beantwortet werden. Patientinnen und Patienten mit HFrEF profitieren von einer medikament&ouml;sen und einer Ger&auml;tetherapie weitestgehend unabh&auml;ngig von ihren Blutdruckwerten. Wenn eine Gruppe tendenziell mehr profitiert, dann gerade diejenigen mit niedrigen Blutdruckwerten.</p> </div></p> <p class="article-footer"> <a class="literatur" data-toggle="collapse" href="#collapseLiteratur" aria-expanded="false" aria-controls="collapseLiteratur" >Literatur</a> <div class="collapse" id="collapseLiteratur"> <p>Literatur bei den Verfassern<br /><br /></p> </div> </p>
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